Steuerliche Veranlagung
Die steuerliche Veranlagung von Ehepartnern nach der Trennung der Ehegatten
von Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg
Die Trennung der Ehegatten hat Auswirkungen auf ihre steuerliche Veranlagung. Der folgende Beitrag zeigt, welche die günstigste Veranlagungsform ist und wie diese durchgesetzt werden kann. Zudem wird dargestellt, wie mit Steuererstattungen oder Steuernachzahlungen umzugehen ist.
Im Trennungsjahr ist noch die Zusammenveranlagung möglich
Die Trennung wirkt sich auf die Veranlagungsform und damit auf den Steuertarif aus. Da die Eheleute im Trennungsjahr noch die Voraussetzungen für die Ehegattenveranlagung erfüllen (§ 26 Abs. 1 EStG), steht ihnen für dieses Jahr noch das Ehegattenwahlrecht zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung zu. Obwohl die Zusammenveranlagung wegen des Splittingtarifs in der Regel günstiger ist, kommt es oft vor, dass ein Ehegatte die getrennte Veranlagung wählt. Das Finanzamt ist in diesem Fall grundsätzlich verpflichtet, die getrennte Veranlagung durchzuführen (§ 26 Abs. 2 S. 1 EStG).
Es gibt aber Möglichkeiten, dennoch die Zusammenveranlagung durchzusetzen. Dazu die folgende Übersicht:
Problematisch sind unterschiedliche Angaben zum Trennungszeitpunkt
Da das Ehegattenwahlrecht zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung davon abhängt, dass die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG zu einem Zeitpunkt im Veranlagungszeitraum vorgelegen haben, kommt es insbesondere auf den Zeitpunkt an, ab dem die Eheleute dauernd getrennt leben.
Probleme können entstehen, wenn die Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt andere Angaben machen als gegenüber dem Familiengericht, das die Ehescheidung in der Regel erst nach einer Mindesttrennungsdauer von einem Jahr ausspricht (§§ 1565, 1566 BGB). Der BFH hat hierzu Folgendes entschieden:
- Aus den vor dem Familiengericht abgegebenen Erklärungen ergibt sich keine Bindungswirkung für das Steuerverfahren. Vielmehr ist dort unabhängig von den dortigen und der vor diesem abgegebenen Erklärungen der Ehegatten von Amts wegen zu prüfen und zu entscheiden (BFH 13.12.85, BStBl. II 86, 486).
- Die Beziehung der Scheidungsakten im finanzgerichtlichen Klageverfahren gegen den Willen des Klägers ist unzulässig (BFH 12.6.91, BStBl. II 91, 806). Bleibt der Sachverhalt jedoch unaufklärbar, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast.
Haben sich die Ehegatten getrennt, kann dieser Zustand durch ein erneutes Zusammenleben der Partner beendet werden, wodurch die Voraussetzungen für das Ehegattenwahlrecht wieder aufleben. Allerdings reicht hierfür ein Versöhnungsversuch i.S. von § 1567 Abs. 2 BGB nicht aus (BFH 26.8.97, BFH/NV 98, 163). Vielmehr muss die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft (wenn auch nur kurzfristig) wieder aufgenommen werden (so z.B. FG Münster 22. 3.96, EFG 96, 921 im Fall eines sechswöchigen Zusammenlebens).
Bekanntgabe des Steuerbescheids hängt von der Veranlagungsform ab
Im Hinblick auf die Bekanntgabe des Steuerbescheids muss Folgendes beachtet werden:
- Getrennte Veranlagung im Trennungsjahr: Hier erhält jeder der Ehegatten den ihn betreffenden Bescheid unter seiner Anschrift.
- Zusammenveranlagung: Hier muss berücksichtigt werden, dass gegen die Ehegatten als Gesamtschuldner ein zusammengefasster Steuerbescheid (§ 155 Abs. 3 S. 1 AO) erlassen werden kann. Daher reicht es für die wirksame Bekanntgabe an beide Ehegatten grundsätzlich aus, wenn ihnen eine Ausfertigung des Steuerbescheids an die gemeinsame Anschrift übermittelt wird.
Da es bei getrennt lebenden Ehegatten jedoch an einer gemeinsamen Anschrift mangelt, ist in derartigen Fällen zwingend die Einzelbekanntgabe an jeden Ehegatten erforderlich (AEAO zu § 122 AO Tz 2.1.4). Der einem Ehegatten unter seiner Anschrift zugegangene zusammengefasste Steuerbescheid wird daher nur ihm gegenüber wirksam, nicht jedoch gegenüber dem anderen Ehegatten.
Eher selten wird der Fall sein, dass getrennt lebende Ehegatten von der Möglichkeit des § 122 Abs. 6 AO Gebrauch machen. Danach ist die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind. In diesem Fall könnte z.B. der Einkommensteuerbescheid allein an den Ehemann ergehen, versehen mit dem Zusatz, dass er zugleich mit Wirkung für und gegen die Ehefrau ergeht.
Ehegatten sind auch nach der Trennung Gesamtschuldner für Steuerschulden
Auch nach ihrer Trennung bzw. Scheidung schulden Eheleute Steuernachforderungen aus Zusammenveranlagungsbescheiden als Gesamtschuldner (§ 44 AO). Das bedeutet, jeder von ihnen schuldet die gesamte Leistung in voller Höhe.
Steuerschuld kann aber aufgeteilt werden
Allerdings besteht die Möglichkeit der Aufteilung der Steuerschuld (§§ 268 ff. AO). Dadurch kann erreicht werden, dass die Ehegatten hinsichtlich der vollstreckungsmäßigen Situation nicht schlechter gestellt werden als einzeln zu veranlagende Steuerpflichtige. Eine Aufteilung ist also insbesondere für den einkommenslosen oder nur geringe Einkünfte erzielenden Ehepartner bedenkenswert, um zu verhindern, dass er für Steuerschulden, die Einkünfte des anderen Ehegatten betreffen, in Anspruch genommen wird.
Eine Aufteilung der Steuerschulden setzt einen schriftlich gestellten oder zur Niederschrift erklärten Antrag bei dem im Zeitpunkt der Antragstellung für die Einkommensteuer zuständigen Finanzamt voraus. Der Antrag kann frühestens nach Bekanntgabe des Leistungsgebots gestellt werden. Er muss alle Angaben enthalten, die zur Aufteilung der Steuer erforderlich sind, soweit sich diese Angaben nicht bereits aus der Steuererklärung ergeben.
Praxishinweis: Ist die rückständige Steuer vollständig getilgt, kann kein Antrag mehr gestellt werden. Dies gilt auch, wenn die Tilgung der Gesamtschuld im Wege der Aufrechnung durch das Finanzamt erfolgt ist (BFH 12.6.90, BStBl. II 91, 493).
Die Aufteilung der rückständigen Steuer erfolgt nach dem Verhältnis der Beträge, die sich bei einer fiktiven getrennten Veranlagung ergeben würden (§ 270 AO). Allerdings können die Gesamtschuldner gemeinschaftlich einen abweichenden Aufteilungsvorschlag machen, dem das Finanzamt folgen wird, wenn die Tilgung sicher gestellt ist (§ 274 AO).
Steueraufteilung führt zur Vollstreckungsbeschränkung
Die Aufteilung der Gesamtschuld führt zu einer Vollstreckungsbeschränkung, das heißt, die Vollstreckung darf nach der Aufteilung nur nach Maßgabe der auf die einzelnen Schuldner entfallenden Beträge durchgeführt werden (§ 278 Abs. 1 AO).
Sie hat allerdings nicht nur eine Vollstreckungsbeschränkung im rechtstechnischen Sinne zur Folge, sondern schließt darüber hinaus jegliche Verwirklichung der Gesamtschuld über den auf den jeweiligen Ehegatten entfallenden Aufteilungsbetrag hinaus aus.
Das Finanzamt darf daher nach Aufteilung gegenüber dem Ehegatten nicht mehr aufrechnen, soweit auf ihn kein Rückstand mehr entfällt (BFH 12.6.90, BStBl. II 91, 493). Nach dem Aufteilungsantrag geleistete Zahlungen sind daher abweichend von dem Grundsatz des § 44 Abs. 2 AO nur dem leistenden Ehegatten anzurechnen und führen bei diesem zu einem entsprechenden Erstattungsanspruch (BFH 4.4.95, BStBl. II 95, 492).
Steuererstattungen erfolgen an denjenigen, auf dessen Rechnung geleistet wurde
Ergibt sich aus einer Zusammenveranlagung ein Erstattungsanspruch, sind die Regelungen in § 37 Abs. 2 AO zu beachten. Erstattungsberechtigt ist derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung geleistet worden ist, auch wenn ein Dritter die Zahlung tatsächlich geleistet hat. Es kommt nicht darauf an, von wem oder mit wessen Mitteln gezahlt worden ist. Maßgebend ist allein, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (BFH 4.5.95, BStBl. II 95, 492).
Diese Grundsätze gelten auch für Gesamtschuldner, das heißt, sie sind nicht Gesamtgläubiger des Erstattungsanspruchs (BFH 19.10.82, BStBl. II 83, 162). Erstattungsberechtigter ist daher der Gesamtschuldner, auf dessen Rechnung die Zahlung erfolgt ist.
Da jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung schuldet, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er nur seine eigene Schuld tilgt.
Wird dagegen erkennbar für gemeinsame Rechnung der Gesamtschuldner geleistet, ist der Erstattungsbetrag nach Köpfen aufzuteilen (BFH 4.5.95, BStBl. II 95, 492). Bei einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträgen ist zu beachten, dass diese grundsätzlich für Rechnung des jeweiligen Arbeitnehmers gezahlt werden, das heißt, die Höhe des Erstattungsanspruchs richtet sich nach dem Verhältnis der bei den Ehegatten einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge (BFH 1.3.90, BStBl. II 90, 520).
Praxishinweis: Bei zusammenveranlagten Ehegatten wirkt die Auszahlung des Erstattungsanspruchs an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten. Eine derartige Erstattung mit schuldbefreiender Wirkung ist jedoch unzulässig, wenn das Finanzamt erkennt oder erkennen musste, dass der andere Ehegatte hiermit nicht einverstanden ist, z.B. bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten (BFH 5.4.90, BStBl. II 90, 719). Erstattet das Finanzamt gleichwohl nur an einen Ehegatten, wird es dadurch nicht von seiner Zahlungspflicht gegenüber dem erstattungsberechtigten anderen Ehegatten befreit (BFH 8.1.91, BStBl. II 91. 442).
Ergeben sich Streitigkeiten über das grundsätzliche Bestehen eines Erstattungsanspruchs oder dessen Höhe, muss das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid erlassen (§ 218 Abs. 2 S. 2 AO), den der Steuerpflichtige im Einspruchswege anfechten kann.
Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 09/2003, Seite 126