· Fachbeitrag · Bundesfinanzministerium
Neues Anwendungsschreiben zur Abgrenzung von „Speisenlieferung“ und „Restaurationsumsatz“
von Georg Nieskoven, Troisdorf
| Die Abgrenzung zwischen ermäßigt besteuerten Speisenlieferungen und mit 19 % belasteten Restaurationsdienstleistungen zählt zu den Dauerstreitpunkten bei der Umsatzsteuer. Da die Abgabe verzehrfertiger Speisen den Empfänger regelmäßig nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, hat eine Verteuerung von 7 auf 19 % echte Preisrelevanz. Nachdem der BFH der letzten umfassenden Stellungnahme der Finanzverwaltung aus 2008 in vielen Punkten widersprochen hatte, hat das BMF nun mit einem ausführlichen Anwendungsschreiben „aufgeräumt“ ( BMF 20.3.13, IV D 2 - S 7100/07/10050-06 , BStBl I 13, 444). |
1. Ausgangssituation und Rechtsentwicklung
1.1 Nur behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen
Nach bisheriger Auffassung des BMF konnten bei einem Imbissstand bereits aufgestellte Stehtische zu Restaurationsdienstleistungen führen (BMF 16.10.08, IV B 8 - S 7100/07/10050, BStBl I 08, 949). Speisenlieferungen waren beim Vorhandensein solcher Verzehrvorrichtungen nur insofern anzunehmen, als die Speisen erkennbar „zum Mitnehmen“ abgegeben wurden. Demgegenüber hatte der BFH die „dienstleistungsprägende Relevanz“ nur behelfsmäßiger ?Verzehrvorrichtungen ohne Sitzplätze verneint (BFH 8.6.11, XI R 37/08; BFH 30.6.11, V R 35/08). Die Grenze zur Dienstleistung überschritten sah der BFH dagegen, sobald zum Tisch auch Sitzplätze vorhanden waren; z.B. eine Bierzeltgarnitur oder flankierende Klappbänke. Die Grenze der „nur behelfsmäßigen Verzehrvorrichtung“ sei in solchen Fällen überschritten.
1.2 Verzehrvorrichtungen auch für „Nicht-Verzehrkunden“
Die Finanzverwaltung sah es als irrelevant an, dass die Verzehreinrichtungen auch von „Nicht-Verzehrkunden“ genutzt werden durften. Bei Gastronomie im Kinofoyer beispielsweise sei es unerheblich, dass Tische und Stühle auch von Kunden genutzt werden konnten, die lediglich auf den Beginn der Filmvorführung warteten. Dem hatte der BFH widersprochen und betont, die dortigen Sitzgruppen seien nicht vorrangig Verzehrvorrichtungen, sondern gleichberechtigt auch Treffpunkt und Warteraum, sodass solche Verzehrvorrichtungen außer Betracht zu bleiben hätten (BFH 30.6.11, V R 3/07).
1.3 Verzehrvorrichtungen Dritter
Laut BMF waren auch Verzehrvorrichtungen Dritter in die Abgrenzung einzubeziehen, wenn diese in Absprache mit diesem auch von den eigenen Kunden genutzt werden durften. So lagen bei einem auf Jahrmärkten tätigen Inhaber eines Bratwurststandes selbst dann Restaurationsdienstleistungen vor, wenn die von den Kunden genutzten Tische und Bänke zum benachbarten Getränkestand gehörten, soweit diese „Fremdnutzung“ mit dem Getränkestandinhaber abgestimmt war. Das BMF bezog sich dabei auf eine frühere BFH-Entscheidung (BFH 26.10.06, V R 58, 59/04).
Der BFH hat sich jedoch zwischenzeitlich mehrfach von seiner früheren Sichtweise distanziert. In einem Fall ging es z.B. um eine in einem Fußballstadion befindliche und aus diversen Speiseständen bestehende „Gastronomie-Mall“, in der der Standplatzvermieter Bierzeltgarnituren aufgestellt hatte (vgl. BFH 8.6.11, XI R 33/08). Obwohl hier nicht lediglich eine „geduldete Mitbenutzung“ vorlag, sondern die Verzehrvorrichtung von den Mietern über die Standmiete faktisch „mitbezahlt“ wurde, hat der BFH hier eine Restaurationsdienstleistung abgelehnt.
1.4 Standardzubereitung
Während das BMF im Anwendungsschreiben vom 16.10.08 (a.a.O.) auch bei der Anlieferung aufwendiger und auf spezifischen Kundenwunsch zubereiteter hochwertiger Buffetspeisen durch einen Partyservice noch von ermäßigt besteuerten Speisenlieferungen ausging, hat der BFH die Umsätze eines Partyserviceunternehmers in 2011 - anders als bei Imbissbuden - als Restaurationsdienstleistung eingeordnet. Die Argumentation: Bei den von einem Partyservice angelieferten Speisen handele es sich meist nicht um „bloße Standardzubereitungen“, sondern wegen des erforderlichen Sachverstands, der Kreativität und Kundenspezifität sowie der Zubereitungs- und Organisationsarbeit liege ein „deutlich größerer Dienstleistungsanteil“ vor (BFH 10.6.11, V B 74/09; in Anlehnung an EuGH 10.3.11, C-502/09). Dies bedeutete letztlich eine massive Rechtsverschärfung für die Party-Service-, Catering- und Kantinenbetriebsbranche.
2. Die neuen Abgrenzungsgrundsätze des BMF
Das BMF ist der neuen Rechtsprechung im Anwendungsschreiben vom 20.3.13 jedoch nur in modifizierter Form gefolgt. Neben den - die Abgrenzung verdeutlichenden - 16 Beispielen enthält das Anwendungsschreiben einen die Grundsätze formulierenden Vorspann. Dort wird verfügt, dass die Abgrenzung zwischen Speisenlieferung und Restaurationsdienstleistung durch die Gesamtschau der Verhältnisse vorzunehmen ist und es dabei nicht auf das quantitative, sondern das „qualitative Überwiegen“ der Dienstleistungselemente ankommt, wozu das BMF - wie bereits im Anwendungsschreiben vom 16.10.08 - einen Katalog der „unschädlichen“ sowie der für eine Restaurationsdienstleistung sprechenden „schädlichen“ Dienstleistungen auflistet.
PRAXISHINWEIS | Während das BMF im damaligen Schreiben allerdings bereits das Vorhandensein „einer“ der aufgelisteten schädlichen Dienstleistungen zur Überschreiten der Grenze ausreichen ließ, verfügt es nun, dass die aufgeführten „schädlichen Dienstleistungen“ lediglich in die Gesamtbeurteilung einzubeziehen sind, während die „unschädlichen Dienstleistungen“ bei der Abgrenzung auszublenden sind. |
2.1 Abgetrennte Beurteilung sonstiger Dienstleistungen
Im Zuge der Bewirtung erbrachte - jedoch nicht gastronomiebezogene Dienstleistungen - sollen gesondert zu beurteilen sein, beispielsweise soweit die Speisenabgabe in einem Vergnügungspark (mit gesondertem Eintritt) erfolgt, oder der Menülieferant (z.B. bei „Essen auf Rädern“) zugleich auch Pflegedienstleistungen erbringt.
Zu beachten ist jedoch, dass nach der jüngsten BFH-Rechtsprechung auch eine „einheitliche Leistung“ in Betracht kommt. So hat der BFH jüngst zu einer „Dinner-Show“ geurteilt, die Vorführung verschmelze mit der flankierenden Bewirtung zu einer einheitlichen (Regelsteuersatz-)Leistung“, da es dem Zuschauer gerade auf die untrennbare Kombination dieser beiden Leistungsanteile (BFH 10.1.13, V R 31/10) ) ankomme.
2.2 „Just-in-time“-Anlieferung
Unklar war die Rechtslage bislang in den Fällen, in denen ein Caterer verzehrfertige Speisen „zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt“ anlieferte. Während das BMF die „just-in-time“-Anlieferung nicht explizit für schädlich hielt, urteilte der BFH kurze Zeit später, dass die Zubereitung/Anlieferung „… zu einem bestimmten Zeitpunkt in einen verzehrfertigen Zustand …“ nicht zu den notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln einhergehenden Dienstleistungen zählten, was für eine Restaurationsdienstleistung spreche (BFH 18.12.08, V R 55/06).
Beachten Sie | Das BMF hat nun in einem neu gefassten A. 3.6 Abs. 2 UStAE einen Katalog der „notwendig mit der Vermarktung verzehrfähiger Speisen verbundenen Dienstleistungen“ verfasst, die als „unschädliche Dienstleistungen“ bei der Abgrenzung außer Betracht zu bleiben haben. In diesem unschädlichen „Dienstleistungs-Katalog-1“ findet sich nunmehr, dass der Speisentransport - inklusive der zum Kühlen/Warmhalten/ Erwärmen erforderlichen Behältnisse - auch dann unschädlich bleibt, wenn die Anlieferung zu einem festen Zeitpunkt vereinbart wurde.
2.3 Nur behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen
Entgegen der Verwaltungsauffassung hatte der BFH „lediglich behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen“ für unbeachtlich gehalten. Das BMF ist dieser Rechtsprechung nun gefolgt:
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Der Betreiber eines Imbissstandes gibt verzehrfertige Würstchen, Pommes frites usw. an seine Kunden ab. Der Kunde erhält dazu eine Serviette, Besteck und auf Wunsch Ketchup, Mayonnaise oder Senf. Der Imbissstand verfügt über eine Theke, an der Speisen im Stehen eingenommen werden können. Der Betreiber hat vor dem Stand zudem drei Stehtische aufgestellt. 80 % der Speisen werden zum sofortigen Verzehr, 20 % zum Mitnehmen abgegeben.
Unabhängig davon, ob die Kunden die Speisen zum Mitnehmen oder zum Verzehr an Ort und Stelle erwerben, liegen insgesamt begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Die Dienstleistungselemente (Bereitstellung einer Theke und Stehtische) führen bei einer wertenden Gesamtbetrachtung auch hinsichtlich der vor Ort verzehrten Speisen nicht zu einer sonstigen Leistung. |
Hinweis | Eine Klarstellung zur Unschädlichkeit „lediglich behelfsmäßiger Verzehrvorrichtungen“ enthält nun auch A. 3.6. Abs. 4 S. 10 UStAE. Dem BFH folgend stellt auch das BMF allerdings klar, dass zusätzliche Sitzgelegenheiten schädlich sind:
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Wie Beispiel 1, jedoch verfügt der Imbissstand neben den Stehtischen auch über Bierzeltgarnituren, an denen die Kunden die Speisen einnehmen können.
Soweit die Speisen zum Mitnehmen abgegeben werden, liegen begünstigte Lieferungen i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Soweit die Speisen zum Verzehr vor Ort abgegeben werden, liegen dagegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor. Denn mit der Bereitstellung der Sitzgelegenheiten zu den Tischen wird die Schwelle zum Restaurationsumsatz überschritten. |
Im vorliegenden Beispiel stellt sich die Frage, ob angesichts der Mischung von „behelfsmäßiger Verzehrvorrichtungen“ (Stehtische) und „schädlichen Verzehrvorrichtungen“ (Tisch mit Sitzplatz: Bierzeltgarnitur) eine Aufteilung zu erfolgen hat:
- Der BFH hatte eine solche Aufteilung bejaht und hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabes eine Relationsbildung der „möglichen Sitzplätze“ zu den „potenziellen Stehplätzen“ - bei vorheriger Ausklammerung der nachgewiesenen „Außer-Haus-Verkäufe zum Mitnehmen“ - vorgeschlagen (BFH 30.6.11, V R 18/10, BStBl II 13, 246, Rz. 38-40).
- Im Anwendungsschreiben vom 20.3.13 führt das BMF in seiner Lösung zum o.a. Beispiel 2 dagegen aus, dass bereits das Bereitstellen der Tische mit Sitzgelegenheit bei allen zum Verzehr vor Ort abgegebenen Speisen zur Annahme einer Dienstleistung führe und es dabei auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Sitzgelegenheiten (oder der Stehtische) beim Einzelkunden nicht ankomme. Eine entsprechende Klarstellung findet sich nun auch in A. 3.6. Abs. 4 S. 11 - 13 UStAE.
PRAXISHINWEIS | Diese Haltung des BMF mag Praktikabilitätsgesichtspunkten geschuldet sein, um bei späteren Außenprüfungen Abgrenzungsdiskussionen zu vermeiden. Es spricht zwar nach der allgemeinen Lebenserfahrung einiges dafür, dass „Vor-Ort-Verzehrkunden“ vorrangig die Sitzgelegenheiten nutzen und den Stehtischen vorziehen werden. M.E. darf aber i.S.d. o.a. BFH-Entscheidung - gerade wenn bei größerem Kundenandrang die Sitzplatzkapazitäten offenkundig nicht für alle Kunden ausreichen - nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Teil der Kunden nur die Stehtische (oder Ablagebretter) nutzen kann. |
Beachten Sie | Wichtig ist für die Praxis zudem, dass die an den Kunden gerichtete Frage „Zum Mitnehmen oder hier essen“ weiterhin besteuerungsrelevant bleibt. Klarstellend weist das BMF darauf hin, dass insofern auf die „Zweckabrede im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses“ abzustellen bleibt (vgl. hierzu A. 3.6. Abs. 4 S. 14 u. 15 UStAE). Äußert der Kunde also zunächst den Wunsch des „Vor-Ort-Essens“ und entschließt sich danach doch zum Mitnehmen der Speisen, so bleibt es bei der Anwendung des Regelsteuersatzes. Entsprechendes gilt - auch wenn das BMF dies nicht explizit anspricht - selbstverständlich auch umgekehrt.
2.4 Stets „Lieferung“ beim Fehlen von Sitzplätzen?
Doch führt das Fehlen von Sitzplätzen im Umkehrschluss stets zu begünstigten Speisenlieferungen? In seinem Negativkatalog in A. 3.6 Abs. 3 UStAE stellt das BMF hierzu klar, dass das Bereitstellen jeglicher „die Bewirtung fördernder Infrastruktur“ zu berücksichtigen sei und führt hierzu in A. 3.6 Abs. 4 S. 5 UStAE aus, auch die Bereitstellung von Toiletten sei in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Stellt der Unternehmer bei einer „Indoor-Gastronomie“ (z.B. Suppenbar, Baguetterie) seinen Kunden geschlossene (temperierte) Räume mit Stehtischen und Kundentoiletten zur Verfügung, könnte dank dieser Infrastruktur eine „Restaurationsdienstleistung“ bejaht werden.
2.5 Verzehrvorrichtungen auch für „Nicht-Verzehrkunden“
Bei der Frage, ob bereitgestelltes Mobiliar des Leistenden ausschließlich dazu bestimmt sein muss, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern, differenziert das BMF in A. 3.6 Abs. 4 S. 6 ff. UStAE:
- Demnach muss die der Bewirtung dienende Infrastruktur (für die Schädlichkeitsabgrenzung) nicht ausschließlich den „Verzehrkunden“ vorbehalten bleiben, sondern eine geduldete Mitbenutzung durch „Nichtverzehrkunden“ hält das BMF vielmehr für unbeachtlich.
- Lediglich „Vorrichtungen, die nach ihrer Zweckbestimmung im Einzelfall nicht in erster Linie dazu dienen, den Verzehr von Speisen und Getränken zu erleichtern (z.B. Tische mit Sitzgelegenheiten in den Wartebereichen von Kinofoyers/unter Verweis auf BFH 30.6.11, V R 3/97), sollen demnach ausgeklammert bleiben. Wann dieses Kriterium erfüllt ist, dürfte in der Praxis heiß diskutiert werden.
PRAXISHINWEIS | Das BMF enthält insoweit die Klarstellung, dass vom „nicht in erster Linie den Verzehrzwecken dienend“ auch bei der Bestuhlung in Kinos, Theatern und Stadien, sowie den Nachttischen in Kranken- und Pflegezimmern auszugehen ist. Diese Aussage ist jedoch nicht neu (s. bereits BMF 29.3.10, ?IV D 2 - S 7100/07/10050, BStBl I 10, 330). |
2.6 Dienstleistungen/ Verzehrvorrichtungen Dritter
Bislang bezog das BMF nicht nur Verzehrvorrichtungen Dritter, sondern jegliche Dienstleistungen Dritter in die Abgrenzungsbeurteilung ein, wenn der Speisen abgebende Unternehmer und der Dritte auf Basis eines „abgestimmten Gesamtkonzepts“ agierten. Dem hatte der BFH in seiner Entscheidung V R 18/10 (BStBl II 13, 246) unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung widersprochen. Unter Übernahme dieser geänderten Rechtsprechung stellt das BMF nun in A. 3.6. Abs. 5 UStAE klar, dass die im „Schädlichkeitskatalog“ des A. 3.6. Abs. 3 UStAE aufgeführten Dienstleistungen nur dann zu berücksichtigen seien, wenn sie vom speiseabgebenden Unternehmer im Rahmen einer einheitlichen Leistung erbracht würden. Das BMF sieht von dieser Regel allerdings eine Ausnahme vor, wenn der Dritte nicht unmittelbar gegenüber dem Verzehrkunden tätig wird, sondern dessen Leistungen „augenscheinlich“ dem speiseabgebenden Unternehmer „zuzurechnen“ sind.
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Verschiedene Unternehmer bieten in einem zusammenhängenden Teil eines Einkaufszentrums diverse Speisen und Getränke an. In unmittelbarer Nähe der Stände befinden sich Tische und Stühle, die von allen Kunden der Unternehmer gleichermaßen genutzt werden können (sog. „Food Court”). Für die Rücknahme des Geschirrs stehen Regale bereit, die von allen Unternehmern genutzt werden.
Obwohl die Tische und Stühle hier von dritter Seite bewirtschaftet und gereinigt werden, handelt es sich laut BMF - soweit die Speisen nicht „zum Mitnehmen“ abgegeben werden - um Restaurationsdienstleistungen. Maßgeblich hierbei sei jeweils die Absichtserklärung des Kunden, die Speisen mitnehmen oder vor Ort verzehren zu wollen. Die gemeinsam genutzte Infrastruktur sei dabei allen Unternehmern zuzurechnen. Einer Berücksichtigung beim einzelnen Unternehmer steht nach BMF-Ansicht zudem nicht entgegen, dass die Tische und Stühle auch von „Nicht-Verzehrkunden“ des Einkaufszentrums genutzt werden. |
Auch wenn das Beispiel im BMF-Schreiben keine Angaben über eine Umlage der Infrastrukturkosten (für Investition und laufende Reinigung/Bewirtschaftung von Tischen und Stühlen) auf die Gastronomieunternehmer enthält, geht die Finanzverwaltung offenkundig davon aus, dass diese die Kosten zumindest faktisch über ihre Standplatzmiete tragen und ihnen die Infrastruktur mithin „augenscheinlich“ zuzurechnen ist.
PRAXISHINWEIS | Mit dieser Lösung widerspricht das BMF m.E. der BFH-Entscheidung vom 8.6.11 (XI R 33/08, BFH/NV 11, 1327), denn auch bei der dort streitgegenständlichen „Gastronomie-Mall“ in einem Fußballstadion dürften die Kosten der dort von Dritter Seite aufgestellten Bierzeltgarnituren faktisch von den Gastronomieunternehmen über ihre Standplatzmiete mitbezahlt worden sein. Das o.a. Ergebnis ist m.E. jedoch sachgerecht, denn es darf keinen Unterschied machen, ob der Gastronomieunternehmer die Verzehrinfrastruktur selbst erwirbt und aufstellt oder dies durch entsprechende Kostentragung auf einen Dritten auslagert. |
Die im Grundsatz vom BMF nun jedoch akzeptierte Ausklammerung der flankierenden Dienstleistungen Dritter hat zudem Auswirkung auf Party-Service-Unternehmer bzw. Caterer. Denn während bislang unklar war, ob bei der Speisenlieferung des einen Unternehmers auch die Zusatzdienstleistungen (z.B. Geschirr- und Besteckverleih, Personalüberlassung, Partydekoration) eines anderen Unternehmers (z.B. des Ehegatten) in die Schädlichkeitsprüfung einzubeziehen sind, dürfte diese Gestaltung nunmehr verwaltungsseitig zu akzeptieren sein, wenn der Kunde zwei getrennte Verträge (mit separater Vergütungsvereinbarung) mit den beiden unterschiedlichen Unternehmen schließt.
Hinweis | Die Grenzen zum Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO dürften hier durch die Rechtsprechung ausgelotet werden (vgl. z.B. EuGH 20.6.13, C-653/11; zur Geschirr- und Besteckgestellung durch den Ehegatten des Caterers vgl. Revisionsverfahren unter V R 28/12).
2.7 „Standardzubereitung“
Entgegen der großzügigen Weisungslage des BMF-Schreibens vom 16.10.08 hatte der BFH entschieden, auch bei einer „reinen Speisenlieferung“ werde die Grenze zur Restaurationsdienstleistung bereits dann überschritten, wenn es sich bei der Speise nicht um eine „einfache, standardisiert zubereitete Speise“ handele. Die damit der Partyservice-, Catering- und Menüservicebranche („Essen auf Rädern“) drohende massive Steuersatzerhöhung hat das BMF nun durch ein „besonderes Auslegungsverständnis“ verhindert. So nimmt A. 3.6. Abs. 2 S. 2 ff. UStAE auf Art. 6 Abs. 2 der seit 1.7.11 geltenden MwStVO Bezug und leitet aus der dortigen Erwähnung „zubereiteter Speisen“ als Liefervorgang her, dass seither auch die über das Niveau der Standardzubereitung hinausgehenden Speisezubereitungen als ermäßigt besteuerte Lieferungen gelten können, soweit keine zusätzlichen schädlichen Dienstleistungen (s.o.) vorliegen.
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Ein Metzger betreibt einen Partyservice. Er berät die Kunden bei der Auswahl und Zusammenstellung der Speisen individuell und bereitet dann ein hochwertiges kalt-warmes Büffet zu. Die fertig belegten Platten und Warmhaltebehälter werden von der Metzgerei angeliefert und am Folgetag abgeholt und gereinigt.
Nach Einschätzung des BMF liegen begünstigte Lieferungen i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da sich die Leistung des Unternehmers auf die Abgabe „zubereiteter Speisen“ ohne qualitativ überwiegende (schädliche) Dienstleistungselemente beschränkt. |
Beachte | Die Grenze zur regelsteuersatzbesteuerten Restaurationsdienstleistung wird jedoch laut BMF bereits dann überschritten, wenn der Unternehmer selbst
- an den Kunden zusätzlich Geschirr und/ oder Besteck verleiht (vgl. BMF-Schreiben/Bsp. 10); dabei soll es keine Rolle spielen, ob das verliehene Geschirr/Besteck vom Kunden oder vom Unternehmer zu reinigen ist!
- dem Kunden zusätzlich Einweggeschirr- und -besteck zur Verfügung stellt und dieses selbst entsorgt (vgl. BMF-Schreiben/Bsp. 12). Eine begünstigte Speiselieferung soll nach BMF-Ansicht jedoch bereits dann gelten, wenn der Kunde das Einweggeschirr- und -besteck selbst entsorgt (vgl. BMF-Schreiben/Bsp. 13).
PRAXISHINWEIS | Die vorstehende Sichtweise zur Schädlichkeit der Entsorgungsleistung ist m.E. äußerst fragwürdig, denn das Mitnehmen eines Müllbeutels (und dessen Entsorgung) durch den leistenden Unternehmer bleibt auch bei der anzulegenden „qualitativen Betrachtungsweise“ eine derart geringfügige zusätzliche Dienstleistung, dass ihr m.E. keine schädliche Dienstleistungsprägung zukommen kann.
- der Unternehmer das Buffet auf den Tischen des Auftraggebers anordnet und festlich dekoriert (vgl. BMF-Schreiben/Bsp. 11).
GESTALTUNGSHINWEIS | Die Annahme einer regelsatzbesteuerten Restaurationsdienstleistung bezieht sich auf jene Fälle, in denen die o.a. schädlichen flankierenden Dienstleistungen durch den speiseabgebenden Unternehmer selbst erbracht werden. Demnach ließe sich das Ergebnis einer ermäßigt besteuerten Speisenlieferung gestalterisch auch durch Auslagerung der schädlichen Dienstleistungen auf einen Dritten/anderen Unternehmer (z.B. den Ehegatten) erzielen; hierbei bedarf es jedoch getrennter Verträge mit eigenständiger Vergütungsvereinbarung. |
2.8 Mahlzeitendienste/„Geschirr mit Verpackungsfunktion“
Bei den Mahlzeitendiensten („Essen auf Rädern“) werden die Speisen meist auf speziellem Warmhaltegeschirr verzehrfertig angeliefert. Das Mehrweggeschirr nimmt der Mahlzeitendienst am Folgetag (ungespült) wieder zurück. Das BMF wollte bislang eine steuerermäßigte Speisenlieferung jedoch nur dann annehmen, wenn die Anlieferung auf „Einweggeschirr“ erfolgte, da dann die bedeutsame Reinigungsdienstleistung entfiel, oder wenn der Mahlzeitendienst die Speisen nicht auf Geschirr, sondern in Transportbehältnissen anlieferte, aus denen heraus dem Kunden kein unmittelbarer Verzehr der Speisen möglich war (vgl. Bsp. 13 im BMF-Schreiben vom 16.10.08). Diese unökologischen (Einweggeschirr) oder zumindest unpraktischen Vorgaben zur Erlangung des ermäßigten Steuersatzes waren für Mahlzeitendienste wie Kunden äußerst unbefriedigend.
Das BMF hat sich hier nun zu einer praxisgerechteren Sichtweise durchgerungen. In A. 3.6. Abs. 3 S. 3 UStAE verfügt das jüngste Anwendungsschreiben nun, dass Geschirr, dem „vornehmlich Verpackungsfunktion zukommt“, bei der Gesamtbetrachtung auszuklammern ist. Dies soll gem. A. 3.6. Abs. 3 S. 4 UStAE nicht nur für die Gestellung des Portionsgeschirrs, sondern auch für die anschließende Reinigung oder Entsorgung durch den Mahlzeitendienst gelten.
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Mahlzeitendienst M übergibt den Kunden verzehrfertig zubereitete Mittag- und Abendessen in Warmhaltevorrichtungen auf von M zur Verfügung gestelltem Geschirr, auf dem die Speisen als Einzelportionen verzehrfertig angerichtet sind. Dieses Geschirr wird zu einem späteren Zeitpunkt vom Mahlzeitendienst zurückgenommen und (end-)gereinigt.
Es liegen begünstigte Lieferungen i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Da das Geschirr vornehmlich Verpackungsfunktion hat, bleibt seine Nutzungsüberlassung sowie die Endreinigung bei der Gesamtbeurteilung außer Betracht. Auf Material oder Form des Geschirrs kommt es dabei nun nicht mehr an. |
Diese Irrelevanz von „vornehmlich Verpackungsfunktion erfüllendem“ Geschirr hat nun auch in anderen Mahlzeitensachverhalten Bedeutung:
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Unternehmer U bereitet mit eigenem Personal die Mahlzeiten für Patienten in der angemieteten Küche eines Krankenhauses zu, portioniert die Speisen auf krankenhauseigenem Geschirr und transportiert die Mahlzeiten auf die Stationen. Die Ausgabe der Speisen an die Patienten erfolgt durch das Krankenhauspersonal. Das zurückgebrachte Geschirr nebst Besteck wird von U gereinigt.
Das BMF sieht hierin neuerdings begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Die Reinigung des Geschirrs und Bestecks ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen, da die Nutzung und Reinigung dieser „vornehmlich Verpackungsfunktion erfüllenden“ Gegenstände kein zu berücksichtigendes Dienstleistungselement darstellt. |
Beachten Sie | Es bleibt jedoch unverändert dabei, dass die separate Gestellung von Geschirr und Besteck beim Catering dem Grunde nach zur schädlichen Dienstleistungsprägung führt. Das zum Buffet vom Partyservice dem Kunden ergänzend überlassene Geschirr und Besteck führt daher weiterhin zur Restaurationsdienstleistung (soweit nicht von dritter Seite gestellt). Etwas anderes gilt in diesen Fällen nur dann, wenn das Geschirr zur bereits unternehmerseitig vorgenommenen Einzelportionierung dient und damit „vornehmlich Verpackungsfunktion erfüllt“ (Bsp.: Caterer liefert diverse Desserts beim Kunden bereits einzelportioniert in Glasschälchen an und nimmt die geleerten Schälchen anschließend ungereinigt wieder zurück).
3. Anwendung der neuen Weisungslage
Laut BMF tritt die neue Weisungslage „mit Wirkung vom 1.7.11“ an die Stelle des bisherigen Anwendungsschreibens vom 18.10.08 - gemeint ist damit wohl eine Anwendung auf nach dem 30.6.11 erbrachte Umsätze. Nach einer zugleich verfügten Übergangsregelung kann sich der Unternehmer für bis zum 30.9.13 ausgeführte Umsätze wahlweise auch auf die alte Verwaltungssichtweise berufen.
Der auf den Inkrafttretensstichtag der MwStVO (s.o. II.6) angesiedelte Anwendungsbeginn (1.7.11) zielt auf die Abgrenzung des BFH bei den „Standardzubereitungen“ ab, deren Anwendung das BMF auf diese Weise vor wie nach dem 1.7.11 verhindert. Sollte das BMF damit aber auch eine verzögerte Anwendung der übrigen Rechtsprechungspunkte beabsichtigen, so ist dem aus Beratersicht zu widersprechen. Denn der Unternehmer kann sich auch für vor diesem Stichtag erbrachte Umsätze auf die unter 1. dargestellte BFH-Rechtsprechung zur Ausklammerung der „nur behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen“, der „auch Nichtverzehrkunden zur Verfügung stehenden Verzehrvorrichtungen9“ sowie der „von Dritten erbrachten flankierenden Dienstleistungen“ berufen.
Definitiv erst ab dem 1.7.11 anwendbar ist demgegenüber die nicht durch Rechtsprechung gedeckte BMF-Sichtweise zum Außerbetrachtbleiben von „Geschirr mit vornehmlicher Verpackungsfunktion“.