27.06.2007 · IWW-Abrufnummer 063087
Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 28.06.2006 – 5 U 52/06
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 U 52/06
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 22.12.2005 verkündete und durch Beschluss vom 23.1.2006 berichtigte Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az. 14 O 368/04, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 31.095,75 Euro festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
I.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 1.5.1996 unter der Versicherungsschein-Nr. ... eine Risiko- Lebensversicherung mit Einschluss einer Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung sowie u.a. der Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung und der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Bl. 16 ff d.A.). Für den Fall der Berufsunfähigkeit war eine monatliche Rente in Höhe von 1000 DM mit dynamischer Anpassung vereinbart, als Ablauf der Versicherung der 1.5.2020 (Anlage zum Versicherungsschein, Bl. 22 d.A.).
Am 16.9.2000 erlitt der Kläger im Rahmen eines Sportunfalls am rechten Knie eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes, eine Innenmeniskus-Hinterhorn-Läsion rechts sowie eine Außenmeniskus-Läsion rechts (Arztbericht des Klinikums N. vom 12.10.2000, Bl. 24 d.A.; kernspintomografischer Untersuchungsbefund vom 20.9.2000, Bl. 23 d.A.). Im Hinblick hierauf zahlte die Beklagte gemäß einer außervertraglichen Vereinbarung an den Kläger für die Monate April 2001 bis einschließlich Juni 2001 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus der Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung die vereinbarte monatliche Rente in Höhe von 1.198,50 DM (Bl. 25 d.A.). Weiterhin zahlte die Beklagte gemäß einer weiteren außervertraglichen Vereinbarung für die Monate Juli 2001 bis einschließlich Dezember 2003 eine monatliche Rente in Höhe von 612,79 Euro (Bl. 26 d.A.). Mit Schreiben vom 4.2.2004 (Bl. 27 d.A.) lehnte die Beklagte die Erbringung weiterer Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Hinweis auf § 12 Abs. 3 VVG ab, weil ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als selbständiger Versicherungskaufmann eine zumindest 50%-ige Berufsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei.
Von Oktober 1997 bis Ende Mai 2000 war der Kläger als angestellter Versicherungsvertreter bei der R. Versicherung überwiegend im Außendienst tätig. Ausweislich seiner Einkommenssteuerbescheide (Bl. 141 ff d.A.) erzielte er im Jahr 1998 einen Bruttoarbeitslohn von 80.766,00 DM, nach Abzug von Werbungskosten (25.258,00 DM) 55.508,00 DM, im Jahr 1999 einen Bruttoarbeitslohn von 120.563,00 DM, nach Abzug von Werbungskosten (24.548,00 DM) 96.015,00 DM, in den ersten 5 Monaten des Jahres 2000 43.836,00 DM, nach Abzug von Werbungskosten (9.538,00 DM) 34.298,00 DM. Ab dem 1.6.2000 bis zum Zeitpunkt des Unfallereignisses war er als selbständiger Ausschließlichkeitsvertreter für die LVM- Versicherung tätig und betreute überwiegend im Außendienst landwirtschaftliche Betriebe. Vertragsabschlüsse aus dieser Zeit resultierten zum Teil aus "Umdeckungen", also einem Wechsel von Kunden der R. Versicherung zur LVM-Versicherung. Nach dem Unfallereignis ging der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit, zum Teil durch Umorganisation, weiter nach.
Der Kläger hat geltend gemacht, seit dem Sportunfall vom 16.9.2000 vollständig außer Stande zu sein, seinen Beruf weiter auszuüben. Er leide auch heute noch unter den zuletzt am 20.3.2003 und am 29.1.2004 von Dr. S. (Bl. 29/30, Bl. 31 d.A.) und am 8.4.2003 von Dr. M. (Bl. 32 d.A.) attestierten Verletzungen, bei denen es sich um einen nicht therapierbaren Dauerschaden handele. Bereits bei leichter körperlicher Betätigung des rechten Knies entstünden stark schmerzhafte Reizzustände des rechten Kniegelenks einhergehend mit starker Schwellneigung sowie intraarticulären Ergüssen. Dies hindere ihn daran, seine -wie im Einzelnen beschriebene- Tätigkeit weiter auszuüben, zumal eine weitere Umorganisation nicht möglich bzw. zumutbar sei. Hinzu komme, dass auf Grund von Zwangshaltungen auch das linke Bein /Kniegelenk geschädigt sowie Schmerzen und Parästhesien im Bereich der LWS aufgetreten seien. Eine Verweisung auf eine Angestelltentätigkeit bzw. eine solche im Innendienst komme weder von seinem Berufsbild noch von dem mit dem Beruf verbundenen sozialen Ansehen bzw. dem erzielten/ erzielbaren Einkommen - so habe er in der Zeit vom 1.6.2000 bis zum 16.9.2000 als dem Zeitpunkt seiner faktischen Arbeitseinstellung aus selbständiger Tätigkeit Einkünfte in Höhe von 19.827,39 Euro erwirtschaftet, was einem Monatseinkommen von 7.930,96 Euro entspreche- her in Betracht.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass der Kläger durch sinnvolle Planung und Veränderung der betrieblichen Arbeitsabläufe sowie unter Zuhilfenahme geeigneter Materialien im Stande sei, seinen Beruf weiter auszuüben. Dessen ungeachtet könne er auf Grund seiner Ausbildung und seiner langjährigen Außendiensttätigkeit, im Rahmen derer er mit einer Vielzahl von Versicherungssparten befasst gewesen sei, auf die Tätigkeit eines Versicherungskaufmanns im Innendienst, die bei einer 38-Stunden-Woche in vornehmlich sitzender Tätigkeit ausgeübt werden könne, verwiesen werden. Da er nur kurze Zeit selbständig tätig gewesen sei, habe die Selbständigkeit seine Lebensstellung noch nicht geprägt, so dass ihm die Ausübung einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis zumutbar sei. Auch von den Verdienstmöglichkeiten her sei ihm eine Verweisung auf eine Innendiensttätigkeit im Angestelltenverhältnis zumutbar. Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide habe er in den letzten 29 Monaten seiner Tätigkeit als angestellter Versicherungsvertreter monatlich im Durchschnitt 6.407,62 DM = 3.276,16 Euro verdient, und im zweiten Halbjahr 2000 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 19.827,39 Euro, monatlich also 3.304,50 Euro erzielt; ein monatlicher Verdienst in dieser Größenordnung sei auch im Innendienst zu erzielen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte den Kläger zu Recht auf eine Tätigkeit im Innendienst verwiesen habe. Denn ungeachtet der Frage, ob der Kläger noch in der Lage sei, eine Tätigkeit als selbständiger Versicherungsvertreter mit überwiegender Außendiensttätigkeit auszuüben, entspreche die Vergleichstätigkeit - grundsätzlich sei die Verweisung eines Selbständigen auf ein Angestelltenverhältnis bzw. einer Tätigkeit im Außendienst auf eine solche im Innendienst möglich - sowohl im Hinblick auf die soziale Wertschätzung als auch die erzielte Vergütung der bisherigen Lebensstellung des Klägers, zumal die 3 1/2- monatige selbständige Tätigkeit für dessen Lebensstellung (noch) nicht prägend gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er macht geltend, dass das Landgericht verkannt habe, dass seine Tätigkeit für die LVM-Versicherung - jedenfalls aber seine für die R. Versicherung erbrachte gleich gelagerte Tätigkeit, die der eines Selbst ändigen sowohl vom Tätigkeitsprofil als auch von der Provisionsvergütung her entsprochen habe- für die Prägung seiner beruflichen Tätigkeit bzw. seines sozialen Status als Selbständiger ausreichend sei; bereits von daher scheide eine Verweisung auf eine Innendiensttätigkeit bzw. eine solche im Angestelltenverhältnis aus, da hierdurch sein soziales Ansehen in keiner Weise gewahrt werde. Auch seine wirtschaftliche Situation werde durch eine solche Verweisung nicht annähernd gewahrt. Bei seinen Berechnungen habe das Landgericht in Verkennung der Abzugsfähigkeit von Werbungskosten bei der Vergleichstätigkeit (z.B. Arbeitnehmerpauschbetrag) einerseits und dem bisher erzielten Einkommen andererseits - entscheidend sei ohnehin nur das jeweilige Bruttoeinkommen- ein falsches Einkommen für die Vergleichstätigkeit ermittelt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken, 14 O 368/04,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1.1.2004 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung VS-Nr. ... in Höhe von monatlich 612,79 Euro längstens bis zum Vertragsende am 1.5.2020 zu gewähren, zahlbar monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von der Beitragszahlungspflicht für die Lebensversicherung und die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung VS-Nr. ... ab dem 1.4.2004 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Entscheidungsgründe:
II.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Denn die Beklagte kann den Kläger auf eine Vergleichstätigkeit verweisen mit der Folge, dass die Beklagte leistungsfrei ist, § 2 BB-BUZ.
1. Dass die Beklagte dem Kläger gemäß den außervertraglichen Vereinbarungen für die Monate April bis Juni 2001 und sodann für die Monate Juli 2001 bis Dezember 2003 Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erbracht hat, vermag weder eine Anerkennung ihrer Leistungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 BB-BUZ zu begründen, noch ist die Beklagte so zu behandeln, als hätte sie ihre Leistungspflicht anerkannt.
§ 5 BB-BUZ verlangt von dem Versicherer - sowohl im Fall des § 2 Abs. 1 BB-BUZ als auch im Fall des § 2 Abs. 3 BB-BUZ - eine Erklärung darüber, ob , in welchem Umfang und von welchem Zeitpunkt an er seine Leistungspflicht anerkennt (BGH, Urt. v. 17.2.1993, IV ZR 206/91, VersR 1993, 562 ff; Senat, Urt. v. 25.1.2006, 5 U 28/05-3, m.w.N.). Dabei sehen die von der Beklagten verwendeten Bedingungen - mit Ausnahme des in § 5 Abs. 2 B-BUZ geregelten Falls einer Verweisung- lediglich die Möglichkeit vor, Berufsunfähigkeit zu verneinen oder eine vermutete Berufsunfähigkeit zu bejahen (BGH, a.a.O.). Zur Abgabe dieser Erklärung ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet, weil den Versicherungsleistungen für den Versicherten Lohnersatzfunktion und damit existentielle Bedeutung zukommt, so dass dieser ein schützenswertes Interesse daran hat, möglichst bald und für längere Zeit bindend Gewissheit darüber zu erlangen, ob ihm Versicherungsleistungen in Zukunft für seine Lebensplanung zur Verfügung stehen werden. Vor diesem Hintergrund dient das Anerkenntnis im Sinne des § 5 BB-BUZ dazu, das gegenwärtige Vorliegen der Berufsunfähigkeit zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages außer Streit zu stellen. Eine Zurückstellung der Frage, ob eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist oder nicht, sieht § 5 BB-BUZ nicht vor, so dass eine einseitige Leistungsbefristung oder sonstige Beschränkung des Leistungsanerkenntnisses durch den Versicherer mit Ausnahme der in § 5 Abs. 2 BB-BUZ vorgesehenen zeitlichen Leistungsbegrenzung im Fall einer Verweisung, die in den in Rede stehenden Vereinbarungen nicht zur Grundlage der Befristung gemacht worden ist, grundsätzlich unzulässig ist. Der Versicherer kann sich von der Erklärung seiner Leistungspflicht auch nicht mehr für die Vergangenheit, sondern nur noch für die Zukunft im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 BB-BUZ lösen (BGH, Urt. v. 12.11.2003, IV ZR 173/02, VersR 2004, 96 ff, m.w.N.; BGH, Urt. v. 19.11.1997, IV ZR 6/97, VersR 1998, 173 ff; BGH, Urt. v. 17.2.1993, a.a.O.; Senat, a.a.O.).
Allerdings ist es den Parteien einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach dem behaupteten Eintritt des Versicherungsfalls nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht verwehrt, - wie hier- einvernehmlich von der in §§ 5, 7 BB-BUZ vorgesehenen Regelungssystematik abzuweichen. Grenzen sind solchen Abreden durch §§ 242, 138 BGB gesetzt. Denn wegen der existentiellen Bedeutung der Versicherungsleistungen für den Versicherten und wegen der für diesen schwer durchschaubaren Regelungssystematik der §§ 5-7 BB-BUZ soll verhindert werden, dass der Versicherer seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis zum Nachteil des Versicherungsnehmers aus zu nutzt bzw. seine Verhandlungsmacht einem unerfahrenen und sich in wirtschaftlicher Bedrängnis befindenden Versicherungsnehmer gegenüber dazu missbraucht, statt ein an sich nahe liegendes unbeschränktes Anerkenntnis abzugeben sich lediglich zeitlich begrenzt zu binden, um die Erstprüfung des Versicherungsfalls und damit den zeitlichen Anknüpfungspunkt der Nachprüfung zu seinen Gunsten hinauszuschieben (BGH, Urt. v. 12.11.2003, a.a.O.; Senat, a.a.O.).
Dem werden die zwischen den Parteien getroffenen außervertraglichen Vereinbarungen gerecht. Mit ihnen hat die Beklagte Leistungen für Zeiträume zugesagt, für die auf der Grundlage der vorliegenden Arztberichte (vgl. Bericht Dr. S. vom 20.3.2003, Bl. 29/30 d.A., Attest Dr. M. vom 8.4.2003, Bl. 32 d.A.) und im Übrigen auch nach der Einschätzung beider Parteien offen war, ob und in welchem Ausmaß Berufsunfähigkeit beim Kläger bestand und welchen Erfolg die eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen haben würden. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien nämlich unstreitig, dass bis zu der ablehnenden Entscheidung der Beklagten keine medizinischen Gutachten vorgelegen haben, aus denen sich eine Berufsunfähigkeit des Kl ägers ergab (vgl. Bl. 212 d.A.). Hinzu kommt, dass der Kläger in Folge dieser Abreden während eines nicht unerheblichen Zeitraums über eine wirtschaftliche Sicherung verfügte. Auch konnte der - versicherungstechnisch erfahrene- Kläger aus dem Text der Verträge eindeutig entnehmen, dass die Beklagte sich zur Leistung nicht verpflichtet hielt, also kulanzhalber zahlte, und dass eine Prüfung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, erst nach Zeitablauf erfolgen sollte. Vor- und Nachteile der Vereinbarungen waren dem Kläger, der sich nicht in aktueller wirtschaftlicher Not befand, also klar erkennbar. Von daher besteht kein Grund, der Beklagten die Berufung auf die zeitliche Begrenzung ihrer Leistungspflicht zu versagen.
2. Gemäß § 2 Abs. 1 BB-BUZ liegt eine die Leistungspflicht begründende (vollständige) Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte in Folge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Die Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherung garantiert allerdings weder ein unveränderliches Einkommens- und Lohnniveau noch eine in allen Beziehungen dem bisherigen Beruf entsprechende Erwerbstätigkeit. Da der Versicherungsnehmer nach den Versicherungsbedingungen auf die Ausübung von Vergleichsberufen verwiesen werden kann, müssen gewisse Umstellungen hingenommen werden. Ein Vergleichsberuf ist gefunden, wenn die aufgezeigte Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes absinkt. Eine solche Tätigkeit entspricht der "bisherigen Lebensstellung des Versicherten", so dass eine Verweisung zulässig ist (BGH, Urt. v. 17.9.1986, IVa ZR 252/84, BGH Warn 1986, Nr. 248).
(a) Die Beklagte, die die Möglichkeiten eines Vergleichsberufes aufzeigen muss (BGH, Urt. v. 11.11.1987, IVa ZR 240/86, VersR 1988, 234), hat den Kläger auf eine Tätigkeit im Innendienst verwiesen. Dass der Kläger diese Tätigkeit auf Grund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann, steht außer Streit.
(b) Eine Innendiensttätigkeit entspricht auch der bisherigen Lebensstellung des Klägers.
Die Lebensstellung des Versicherten wird vor allem geprägt von den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, die ihm seine letzte berufliche Tätigkeit verschafft haben. In besonderem Maße und gerade nach dem Sinn der Berufsunfähigkeitsversicherung wird die Lebensstellung eines Menschen von seinem "ökonomischen Status" gekennzeichnet, von dem durch seine Arbeit erzielten Einkommen. Auf Tätigkeiten, die mit einem spürbaren wirtschaftlichen Abstieg des Versicherten verbunden sind und die in ihrem sozialen Ansehen dem seiner bisherigen Tätigkeit nicht entsprechen, darf der Versicherer ihn deshalb nicht verweisen.
Der von der Beklagten aufgezeigte Beruf eines Sachbearbeiters im Innendienst ist mit der von dem Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines selbständigen Ausschließlichkeitsvertreters im Außendienst, aber auch mit seiner Außendiensttätigkeit bei der R. Versicherung, die nach seinem Sachvortrag der eines Selbständigen entsprochen hat, in seiner Wertschätzung uneingeschränkt vergleichbar (Senat, Urt. v. 8.1.2003, 5 U 910/01-77, NJW-RR 2003, 468 ff; vgl. auch BGH, a.a.O.; BGH, Urt. v. 11.12.2002, IV ZR 302/01, RuS 2003, 164; OLG Köln, RuS 1991, 323, sowie OLG Hamm, ZfS 2000, 398 ).
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Vergleichsberuf einen spürbaren wirtschaftlichen Abstieg für ihn bedeutet. Für die Frage, ob die Vergleichstätigkeit mit einem spürbaren wirtschaftlichen Abstieg verbunden ist, ist ein Vergleich des zuletzt in gesunden Tagen erzielten mit dem nunmehr erzielbaren Verdienst vorzunehmen. Dieser Vergleich hat jedoch nicht schematisch - etwa durch eine Gegenüberstellung des letzten in gesunden Tagen erhaltenen Monatslohns zum ersten nach Aufnahme der Tätigkeit- zu erfolgen. Die Zulässigkeit einer Verweisung setzt nämlich nicht die Gleichheit des durch Arbeit erzielten Einkommens, sondern die Vergleichbarkeit der Lebensstellung voraus, die sich ein Versicherter auf Grund einer beruflichen Tätigkeit verschafft hat und verschaffen kann. Daher darf berücksichtigt werden, dass ein Versicherter, der eine neue -selbständige- Tätigkeit aufgenommen hat, zu deren Beginn, beispielsweise in der Gründungsphase eines Unternehmens, geringere Einkünfte erzielt, sich sein Verdienst im Laufe der Zeit jedoch maßgeblich erhöhen wird (BGH, NJW-RR 2000, 550; Senat, a.a.O.). Aussichten und Chancen, die sich im Beruf des Versicherten geboten haben, prägen seinen Status allerdings dann nicht, wenn offen ist, ob er sie hätte verwirklichen können. Darüber hinaus kann in den Fällen, in denen der Versicherte wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht aus einer mit einer gewissen zeitlichen Konstanz ausgeübten beruflichen Tätigkeit ausscheidet, sondern einen Arbeitsplatz verliert, den er zu dem Zeitpunkt des Eintritts der behaupteten Berufsunfähigkeit noch nicht so lange innehatte, dass er seine Lebensstellung schon zu prägen vermocht hat, nicht auf die Perspektive des letzten beruflichen Einsatzes abgestellt werden. Vielmehr ergeben sich die beruflichen Voraussetzungen seiner bisherigen Lebensstellung erst bei einer in zeitlicher Hinsicht umfassenderen Betrachtung. Dies muss vor allem dann gelten, wenn die Erwerbsbiografie eines Versicherten von einem häufigen Wechsel der beruflichen Tätigkeiten oder gar von Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit gekennzeichnet war, ohne dass solche Veränderungen als leidensbedingt betrachtet werden könnten. In solchen Fällen muss die Frage, ob einem Versicherten mit einer Verweisung ein spürbarer wirtschaftlicher Abstieg zugemutet wird, weder nach dem zuletzt konkret erzielten Verdienst noch gar nach offenen Möglichkeiten einer Steigerung dieses Verdienstes, schon gar nicht nach Einkommen beantwortet werden. Vielmehr ist grundsätzlich wertend zu betrachten, was der Kläger in einem längeren, wenigstens ein Jahr vor dem von ihm behaupteten Eintritt seiner Berufsunfähigkeit umfassenden Zeitraum durch berufliche Arbeit zu erwirtschaften vermocht hat (Senat, a.a.O.).
Dabei kann vorliegend unentschieden bleiben, ob für die Frage der Vergleichbarkeit des konkret erzielten bzw. des erzielbaren Verdienstes auf das Brutto- oder das Nettoeinkommen abzustellen ist, was in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird (zum Nachweis vgl. Müller-Frank, Aktuelle Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeits- (Zusatz-) Versicherung, S. 83). Der Bundesgerichtshof hat beides für zulässig erachtet (BGH, Urt. v. 22.10.1997, IV ZR 259/96, NJW-RR 1998, 239), der Senat hat zuletzt der Auffassung, wonach ein Vergleich der Nettoeinkommen vorzunehmen ist, den Vorzug gegeben (Urt. v. 31.5.2006, 5 U 605/05-92). Denn es kann, gleichgültig welcher Vergleichsberechnung gefolgt wird, nicht festgestellt werden, dass die Verweisung des Klägers auf eine Tätigkeit im Innendienst zu unzumutbaren Einkommenseinbußen und damit zu einer spürbare Beeinträchtigung in der bisherigen Lebensstellung führt.
Zieht man als Vergleichsmaßstab den jährlichen Bruttoverdienst des Klägers heran, ist als Beurteilungsmaßstab für die Frage, ob die Vergleichstätigkeit mit unzumutbaren Einkommenseinbußen verbunden ist, auf den durchschnittlichen jährlichen Bruttoverdienst, den der Kläger aus seiner Tätigkeit bei der R. Versicherung erzielt hat, abzustellen. Außer Betracht zu bleiben hat die 3 1/2-monatige Tätigkeit des Klägers als selbständiger Ausschließlichkeitsvertreter, da diese nicht als prägend für seine Lebensstellung angesehen werden kann und der Verdienst in dieser Zeit ohnehin im Wesentlichen durch so genannte Umdeckungen erzielt worden ist. Ungeachtet der Frage, ob solche Umdeckungen überhaupt für die Vergleichbarkeit der Verdienstsituation herangezogen werden können, liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass weitere Umdeckungen, insbesondere in der in dem Zeitraum von 3 1/2 Monaten erzielten Größenordnung, auch weiterhin erfolgt sind. Während seiner Tätigkeit bei der R. Versicherung hat der Kläger im Jahr 1998 einen Bruttoarbeitslohn von 80.766,00 DM, nach Abzug von Werbungskosten (25.258,00 DM) 55.508,00 DM, im Jahr 1999 einen Bruttoarbeitslohn von 120.563,00 DM, nach Abzug von Werbungskosten (24.548,00 DM) 96.015,00 DM, und in den ersten 5 Monaten des Jahres 2000 43.836,00 DM, nach Abzug von Werbungskosten (9.538,00 DM) 34.298,00 DM erzielt. Danach ergibt sich - nach Abzug der Werbungskosten- für einen durch die vorgelegten Einkommenssteuerbescheide dokumentierten Zeitraum von 29 Monaten, in der der Kläger ununterbrochen bei der R. Versicherung im Angestelltenverhältnis im Außendienst tätig war, ein durchschnittlicher monatlicher Bruttoverdienst in Höhe von 6.407,62 DM = 3.276,16 Euro.
Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger bei einer Innendiensttätigkeit nach dem Gehaltstarifvertrag für das Versicherungsgewerbe in der Tarifgruppe VII (14 und mehr Berufsjahre) im Jahr 2004 ein Monatsgehalt in Höhe von 3.358 Euro und im Jahr 2005 ein Monatsgehalt in Höhe von 3.402 Euro hätte verdienen können, zuzüglich Weihnachtsgeld und ggf. weiterer Zulagen, so dass sich jedenfalls ein monatliches Durchschnittsgehalt in Höhe von 3.721,78 Euro bzw. 3.770,55 Euro ergebe. Ist mithin unstreitig, dass bei einer Verweisung auf die Vergleichstätigkeit ein monatliches Durchschnittsgehalt in dieser Größenordnung zu erzielen ist, ist die Verweisung auf die Tätigkeit im Innendienst nicht mit spürbaren Einkommensverlusten für den Kläger verbunden.
Soweit der Kläger hiergegen einwendet, das Landgericht sei gehalten gewesen, im Rahmen des Vergleichs der Einkommen von dem jeweiligen Bruttoeinkommen einen Abzug von Werbungskosten vorzunehmen bzw. nicht vorzunehmen, weil ansonsten ein unterschiedlicher Bewertungsmaßstab zur Anwendung komme, rechtfertigt sich keine andere Beurteilung. Will der Versicherte geltend machen, die neu auszuübende Tätigkeit entspreche nicht der bisherigen Lebensstellung, ist es an ihm, die konkreten Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll; dies gilt auch, soweit es um die Frage spürbarer wirtschaftlicher Einbußen geht (BGH, Urt. v. 17.9.1986, IVa ZR 252/84, a.a.O.). Dem hat der Kläger nicht genügt. Sein Einwand, ein Abzug von Werbungskosten sei in keinem Fall vorzunehmen, geht fehl. Die (echten) Werbungskosten sind, entgegen der Auffassung des Klägers, bei der Bemessung des Bruttoeinkommens von - wie hier- Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Abzug zu bringen, denn es handelt sich um solche Aufwendungen, die tatsächlich notwendig sind für die Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie mindern nach der Natur der Sache den Ertrag der Einkünfte, der im Ergebnis dem Leistungsberechtigten aus der jeweiligen Quelle zufließt. Dem entspricht der Begriff der der Steuerpflicht unterworfenen Einkünfte aus - wie hier- nichtselbständiger Arbeit (vgl. BFH, Urt. v. 10.4.2002, VI R 46/01, BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579; BSG, Urt. v. 16.3.1982, 9a/9 RV 47/81, SozR 3100 § 10 Nr. 21). Weiterhin hat der Kläger nicht konkret aufgezeigt, ob und in welchem Umfang Werbungskosten beispielsweise als Arbeitnehmerpauschbetrag bei der Vergleichstätigkeit in Abzug zu bringen sind und sich aus diesem Grund bei einer Vergleichsberechnung eine wesentliche Einkommenseinbuße ergibt. Von daher kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass ein Verweis auf die Vergleichstätigkeit mit einer unzumutbaren Einkommensminderung im Bruttoverdienst verbunden ist.
Die nämlichen Erwägungen gelten, soweit als Vergleichsmaßstab das Nettoeinkommen als das tatsächlich verfügbare Einkommen - die Lebensstellung des Versicherten wird durch die konkrete Möglichkeit der Verwendung der Mittel geprägt (Senat, a.a.O.) - herangezogen wird. Dafür, dass der Kläger bei der Ausübung der Vergleichstätigkeit spürbare Einkommensverluste im Nettoverdienst, der ebenfalls zu bereinigen ist (vgl. Senat, Urt. v. 31.5.2006, 5 U 605/05-92), hinzunehmen hätte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Solche hat der Kläger nicht, auch nicht auf den Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 7.6.2006 (Bl. 211/212 d.A.), aufgezeigt.
Kann die Beklagte den Kläger folglich auf eine Vergleichstätigkeit verweisen, liegt Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 (1) BB-BUZ nicht vor und ist die Beklagte zu Leistungen nicht verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5, 9 ZPO (vgl. hierzu auch Senat, Beschl. v.24.11.2005, 5 W 328/05-95, m.w.N., BGH, Beschl.v. 1.12.2004, IV ZR 150/04, NJW-RR 2005, 259) .
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.