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18.01.2012

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 26.10.2011 – 1 Ta 185/11

1. Richtet sich ein Antrag auf die Feststellung der Verpflichtung des Arbeitgebers, wiederkehrende Leistungen zu zahlen, ist der Wert dieses Antrags gem. § 42 Abs. 2 GKG auf das Dreifache des beanspruchten Jahresbetrags abzüglich eines Abschlags von in der Regel 20 % festzusetzen.

2. Neben dem Feststellungsantrag geltend gemachte Zahlungsansprüche hinsichtlich bereits fälliger Beträge dürfen im arbeitsgerichtlichen Verfahren gem. § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 2 GKG nicht hinzugerechnet werden. § 42 Abs. 4. S. 1 Halbsatz 2 GKG beschränkt aus sozialen Erwägungen das richterliche Ermessen bei der Gebührenwertfestsetzung und geht insoweit als lex specialis der Regelung in § 5 ZPO vor. Im Gegensatz zu der ähnlichen gebührenrechtlichen Sonderbestimmung in § 45 Abs. 1 S. 3 GKG steht das Additionsverbot in § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 2 GKG ausweislich seines Wortlauts auch nicht unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Identität der Anträge.


Tenor:

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgericht Koblenz vom 21.07.2011 - 2 Ca 3217/09 - wird zurückgewiesen.

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.

Gründe

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Streitwerts für das zugrundeliegende Verfahren.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Bis zum 30.06.2008 zahlte die Beklagte dem Kläger für Doppeltouren (zwei Touren pro Tag) und für Außerkreistouren (einfache Fahrtstrecke länger als 250 km) je 77,- Euro brutto an Zulagen. Ab dem 01.07.2008 kürzte die Beklagte die Zulage für eine Doppeltour auf 50,- Euro, strich die Zulage für eine Außerkreistour und ersetzte sie durch eine andere Regelung. Ab dem 01.08.2009 hat die Beklagte beide Zulagen ersatzlos gestrichen und das Monatsgehalt des Klägers im Gegenzug um 100 Euro brutto erhöht.

Mit Klage vom 23.12.2009 beantragte der Kläger zunächst, die Beklagte zu verurteilen, ihm für zwischen dem 01.07.2008 und dem 17.11.2009 gefahrene Touren je 27,- Euro als Differenz zwischen den gewährten 50,- Euro und den ursprünglich erhaltenen 77,- Euro bzw. je 77,- Euro für Touren ab dem 01.08.2009 abzüglich der monatlich gezahlten 100,- Euro brutto und somit einen Betrag von insgesamt 4.005,- Euro brutto zu zahlen. Klageerweiternd beantragte er im Verlauf des Prozesses (Bl. 69 d. A.), festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm für gefahrene Doppel- und Außerkreistouren 77,- Euro an Zulagen pro Tour zu zahlen. Weiterhin beantragte der Kläger (Bl. 77 d.A.), die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.172,- Euro brutto für Touren zwischen dem 14.01.2010 und dem 29.07.2010 (77,- Euro brutto pro Tour abzüglich der gewährten 100,- Euro brutto monatlich) zu zahlen sowie an ihn die Spesenkostenabrechnung für Dezember 2009 herauszugeben. Unter Anwendung derselben Berechnungsgrundsätze (Bl. 125 d. A.) beantragte der Kläger schließlich ein weiteres Mal klageerweiternd, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.294,- Euro brutto für Touren zwischen dem 03.09.2010 und dem 17.12.2010 zu zahlen.

Die Parteien haben den Rechtsstreit im Hinblick auf die Herausgabe der Spesenkostenabrechnung durch Teilvergleich vom 18.03.2011 beendet. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen.

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht nach Anhörung mit Beschluss vom 21.07.2011 den "Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit" auf 7.938,40 Euro für das Verfahren bis zum Teilvergleich und auf 7.838,40 Euro für die Zeit nach dem Teilvergleich sowie 100,- Euro für den Teilvergleich festgesetzt. Der Verfahrenswert setzt sich folgendermaßen zusammen: Das Gericht hat den Feststellungsantrag gem. § 42 Abs. 2 S. 1 GKG mit dem dreifachen Jahresbetrag der begehrten Zulage, ausgehend von einem Jahresbetrag in Höhe der für das Kalenderjahr 2010 vom Kläger beanspruchten Zulagen (entspricht 13.398,- Euro) unter Abzug der monatlich an den Kläger geleisteten 100,- Euro brutto (insgesamt 3.600,- Euro) sowie eines weiteren Abschlags von 20 Prozent mit 7.838,40 Euro bewertet. Hinzugerechnet hat das Gericht für das Verfahren bis zum Teilvergleich einen Wert von 100,- Euro für den Antrag auf Herausgabe der Spesenabrechnung. Hinsichtlich der Zahlungsanträge ist das Gericht von wirtschaftlicher Identität ausgegangen und hat diese daher nach § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 2 GKG nicht streitwerterhöhend berücksichtigt.

Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.07.2011 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 08.08.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er leugnet das Vorliegen einer wirtschaftlichen Identität zwischen dem Feststellungsantrag und den Zahlungsanträgen, so dass die Zahlungsanträge streitwerterhöhend zu berücksichtigen seien. Der Feststellungsantrag sei auf künftige Leistungen gerichtet, mit den Zahlungsanträgen seien hingegen zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bestehende Ansprüche geltend gemacht worden.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. 1. Die Beschwerde ist nach § 68 Abs. 1 GKG zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Das Rechtsmittel ist allein schon deshalb fristgerecht, weil das Arbeitsgericht eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Beschluss verwendet hat (vgl. § 9 Abs. 5 ArbGG). Da vorliegend das Verfahren durch Urteil endete, fielen nach Teil 8 der Anlage 1 des Gebührenverzeichnisses des GKG Gerichtsgebühren an. Daher war gem. § 63 Abs. 2 S. 2 GKG der Wert für die Gerichtsgebühren auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers festzusetzen, der über § 32 Abs. 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren verbindlich ist. Die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG erfolgt nur, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder wenn es an einem solchen Wert fehlt; vgl. hierzu im Einzelnen: Schwab/Maatje NZA 2011, 769. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Wert des Beschwerdegegenstandes höher als 200,00 EUR. Bei Erfolg der Beschwerde sind die nach der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG im Verhältnis zu den derzeit zu zahlenden Rechtsanwaltsgebühren gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG höher als 200, 00 Euro.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat den Streitwert zu Recht ohne Hinzurechnung der bezifferten Zahlungsansprüche auf 7.938,40 Euro bzw. 7.838,40 Euro festgesetzt.

Die Bewertung des zukunftsbezogenen Feststellungsantrags,mit dem der Kläger fest vereinbarte monatliche Vergütungsbestandteile geltend gemacht hat, richtet sich vorliegend nach der für den Gebührenwert maßgeblichen Sonderbestimmung bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen in § 42 Abs. 2 GKG. Danach sind entsprechende Klageanträge mit dem dreifachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung zu bewerten, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistung geringer ist. In Anwendung dieser Vorschrift hat das Arbeitsgericht daher in nicht zu beanstandender Weise den vom Kläger für die im Jahr 2010 gefahrenen Touren beanspruchten Jahresbetrag zugrunde gelegt, diesen Betrag verdreifacht und die von der Beklagten als Ausgleich in den kommenden Jahren zu zahlenden 100 Euro brutto monatlich für drei Jahre in Abzug gebracht.

Von dem sich ergebenden Betrag hat das Arbeitsgericht sodann zu Recht einen Abschlag vorgenommen. Der Streitwert einer reinen Feststellungsklage ist im Vergleich zu dem Streitwert einer Leistungsklage wegen der mangelnden Vollstreckbarkeit eines Feststellungsurteils geringer zu bewerten. Die Höhe des Abschlags bestimmt das Gericht gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen. Dieses Ermessen hat das Arbeitsgericht durch Vornahme eines Abschlags in Höhe von 20 Prozent, was allgemeiner Rechtsansicht entspricht, im vorliegenden Fall in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

Dem so ermittelten Wert des Feststellungsantrags waren die Werte der bezifferten Zahlungsanträge gem. § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 2 GKG nicht hinzuzurechnen. § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 2 GKG bestimmt als lex specialis, dass vor den Gerichten für Arbeitssachen bei Einreichung der Klage fällige Beträge dem Streitwert nicht hinzugerechnet werden. Im Gegensatz zu § 45 Abs. 1 S. 3 GKG sieht § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 2 GKG dieses Additionsverbot nach dem Wortlaut ohne Einschränkungen und damit unabhängig von einem etwaigen Vorliegen wirtschaftlicher Identität der Anträge vor. Werden mit einer Klage auf wiederkehrende Leistungen aus demselben Schuldverhältnis sowohl Rückstände als auch Leistungen, die künftig fällig werden geltend gemacht, begrenzt § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 2 GKG den Wert dieser Klage auf den nach § 42 Abs. 2 GKG festzusetzenden Wert (vgl. BAG NZA 2003, 456; Schwab/Weth, ArbGG, 3. Aufl. 2010, § 12, Rn. 179; Germelmann in GMP, ArbGG, 7. Aufl. 2009, § 12, Rn. 133). Dies entspricht nicht nur dem klaren gesetzlichen Wortlaut, sondern auch Sinn und Zweck der Regelungen von § 42 Abs. 2 bis 4 GKG, welche das dem Gericht nach § 3 ZPO bei der Streitwertberechnung eingeräumte Ermessen aus sozialen Gründen beschränken. Bei Streitigkeiten, in denen es regelmäßig um die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Arbeitnehmers geht, sollen die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegenüber denen eines allgemeinen Zivilprozesses geringer sein (vgl. BAG NZA 2003, 456; BAG v. 30.11.1984 AP ArbGG 1979 § 12 Nr. 9). Angesichts dieser gesetzlichen Regelung kommt es vorliegend für die Bestimmung des Streitwerts weder auf die wirtschaftliche Identität der Anträge noch auf die zeitliche Reihenfolge bei der Antragstellung an.

Das Beschwerdeverfahren ist nach § 68 Abs. 3 GKG gerichtsgebührenfrei, eine Kostenentscheidung war daher entbehrlich.

Ein Rechtsmittel findet gegen diesen Beschluss nicht statt (§§ 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

VorschriftenGKG § 42 Abs. 2, GKG § 42 Abs. 4 S. 1 Hs. 2, GKG § 63, GKG § 68, ZPO § 3, ZPO § 5

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