Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

13.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111305

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Urteil vom 11.01.2011 – 15 B 10.213

Eine Beseitigungsanordnung ist rechtswidrig, wenn noch nicht abschließend darüber entschieden ist, ob der bauaufsichtlichen Genehmigung der betreffenden Anlage öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen stehen.


In der Verwaltungsstreitsache
...
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Happ,
die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Breit,
die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Linder
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Dezember 2010
am 11. Januar 2011
folgendes Urteil:

Tenor:
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung bezüglich zwölf ungenehmigt errichteter Dachgauben im 2. und 3. Dachgeschoss seines Anwesens in der V******* ******gasse 25 in Nördlingen (FlNr. *** Gemarkung Nördlingen).

Bei dem Anwesen des Klägers handelt es sich um ein etwa im Jahr 1422 erbautes, historisches Nördlinger G*****haus. Am 2. August 2005 hat er die Baugenehmigung für eine Sanierung erhalten. Die Sanierungsmaßnahmen werden nach §§ 177 ff. BauGB gefördert. Unter dem 6. Juni 2007 hat der Kläger einen Vorbescheid für den Einbau einer zusätzlichen Wohneinheit im 2. und 3. Dachgeschoss des Hauses beantragt. Am 10. Oktober 2007 fand ein Ortstermin statt, bei dem u.a. festgestellt wurde, dass im 2. und 3. Dachgeschoss auf der westlichen Dachfläche fünf Gauben à 1,31 m x 1,12 m und auf der östlichen Dachfläche sieben Gauben à 1,06 m x 0,98 m errichtet worden waren.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Januar 2008 ordnete die Beklagte die Beseitigung der ungenehmigt errichteten Gauben an. Den nachträglichen Bauantrag für die Gauben hat sie mit Bescheid vom 31. Januar 2008 abgelehnt (Az.: 15 B 10.212).

Das Verwaltungsgericht Augsburg hat mit Urteil vom 18. Februar 2009 der Klage gegen die Beseitigungsanordnung stattgegeben. Mit Urteil vom selben Tag hat es die Beklagte wegen eines Ermessensausfalls zur erneuten Bescheidung des Bauantrags für die Gauben verpflichtet.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, die Genehmigung der Gauben sei zu Recht abgelehnt und deren Beseitigung zu Recht angeordnet worden. Es lägen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG vor, die für eine unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes des Dachs im 2. und 3. Dachgeschoss sprächen. Eine nachträgliche Genehmigung der Dachgauben sei nicht möglich. Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Februar 2009 die Klage abzuweisen.

Der Kläger tritt dem entgegen und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses zu dem Verfahren geäußert, aber keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten, wegen der beim Ortstermin am 30. September 2010 getroffenen Feststellungen und wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2010 wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschriften nebst Anlagen und im Übrigen auf die Entscheidung vom selben Tag in dem Verfahren Az.: 15 B 10.212 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beseitigungsanordnung für die fünf Dachgauben auf der West- und die sieben Dachgauben auf der Ostseite im 2. und 3. Dachgeschoss des klägerischen Hauses ist rechtswidrig, weil noch nicht abschließend darüber entschieden ist, ob ihrer bauaufsichtlichen Genehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen stehen. Die Beseitigungsanordnung vom 30. Januar 2008 ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die Beseitigungsanordnung richtet sich nach Art. 76 Satz 1 BayBO in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung (GVBl 2007, 588). Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Die vom Kläger im 2. und 3. Dachgeschoss errichteten Gauben sind formell baurechtswidrig, weil sie ohne die gemäß Art. 62 Abs. 1 BayBO a.F. wie auch gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO n.F. nötige Baugenehmigung errichtet wurden. Ob sie nachträglich genehmigungsfähig sind, ob also auf andere Weise als durch die Beseitigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, ist noch nicht abschließend geklärt, weil die Beklagte im Rahmen der Entscheidung über den Bauantrag das ihr gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat. Bei der erneuten Bescheidung des Bauantrags hat die Beklagte die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu beachten, wie sie sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 11. Januar 2011 in der Sache Az. 15 B 10.212, auf die Bezug genommen wird, ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u.a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

...



Streitwertbeschluss:
Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Februar 2009 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG und den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327), nach dessen Nr. II. 9.5 für Beseitigungsanordnungen der Zeitwert der zu beseitigenden Substanz zuzüglich der Abrisskosten zu veranschlagen ist.

Die Befugnis des Rechtsmittelgerichts zur Änderung der Streitwertfestsetzung erster Instanz von Amts wegen ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

RechtsgebietBayBO n.F. DSchG VorschriftenArt. 55 Abs. 1 BayBO n.F. Art. 76 S. 1 BayBO Art. 6 Abs. 2 S. 1 DSchG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr