Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

15.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112335

Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 21.04.2011 – 5 U 51/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Rechtsstreit
A... K...,
- Beklagte und Berufungsklägerin -
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...
gegen
S... S...,
- Kläger und Berufungsbeklagter -
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...
hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2011
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Eberhard,
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth und
den Richter am Amtsgericht Zintl
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. März 2009 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 11 O 460/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.950,00 € zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, auf ihre Kosten innen vor der bestehenden Gebäudeabschlusswand, welche parallel zur gemeinsamen Nachbarwand errichtet wurde, eine Brandwand mit einer Wanddicke von 24 cm gemäß Gutachten, I. Ergänzung vom 09. Juli 2008 zu errichten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des Kostentenors und soweit sie zur Zahlung verurteilt wurde, darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1-fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Grundstücke waren mit zwei Doppelhaushälften bebaut. Diese waren längs durch eine auf der Grundstücksgrenze verlaufende Mauer getrennt. In den Jahren 2004/2005 ließ die Beklagte ihre Doppelhaushälfte entfernen und errichtete an deren Stelle - diesmal jedoch einige Zentimeter von der Grundstücksgrenze entfernt - ein neues Gebäude. Der Kläger meint, daraus Ansprüche gegen die Beklagte herleiten zu können, weil die Statik seines Gebäudes gefährdet sei und die Gebäudeabschlusswand der Beklagten keine ordnungsgemäße Brandwand darstelle.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Zu ergänzen ist Folgendes:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) - 7 K 423/05 - erließ der dortige Beklagte, der Landkreis B..., gegenüber der hiesigen Beklagten, der dortigen Beigeladen, in der mündlichen Verhandlung am 27.Oktober 2009 eine Ordnungsverfügung und gab ihr auf, bis zum 30. Juni 2010 auf der Grundlage der Änderungsgenehmigung vom 30. September 2004 die Dachhälfte des klägerischen Gebäudes dauerhaft zu sichern (Sicherung und Dachlastabführung der Dachhälfte des klägerischen Gebäudes durch eine auf mit Kopfbändern gesicherten Ständern aufgelegte Firstpfette) und zudem die Gebäudeabschlusswand zum klägerischen Gebäude entsprechend den Anforderungen einer Brandschutzwand auszuführen. Die hiesigen Parteien stimmten der Ordnungsverfügung zu. Anschließend erklärten der Kläger und der Landkreis B... den Verwaltungsrechtsstreit für erledigt, woraufhin das Verwaltungsgericht das Verfahren einstellte. Die Beklagte kam der Ordnungsverfügung vom 27. Oktober 2009 bisher nicht nach.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der zuletzt gestellten Anträge im Wesentlichen stattgegeben. Es hat die Klage lediglich insoweit abgewiesen, wie der Kläger als Inhalt der Grunddienstbarkeit eine Kostentragungspflicht des Eigentümers des dienenden Grundstücks hinsichtlich der zu duldenden Maßnahmen des Eigentümers des herrschenden Grundstücks festschreiben lassen wollte.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Eine Schlichtungsstelle habe nicht angerufen werden müssen, weil die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts und nicht des Amtsgerichts gegeben sei. Die Klageänderung sei wegen Sachdienlichkeit zulässig. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergebe sich aus §§ 823, 831 BGB. Durch die Umbauarbeiten an ihrem Haus habe die Beklagte das Eigentum des Klägers zumindest fahrlässig verletzt, weil die Standsicherheit seines Hauses nachhaltig beeinträchtigt worden sei. Das nunmehr auf Seiten des Klägers entstandene Pultdach bedürfe dringend einer wirksamen Abstützung am First. Der Lastabtrag könne nur über die bisherige Nachbarwand erfolgen. Diese müsse deshalb im Dachgeschoss verstärkt werden. Die Kosten für die Wiederherstellung der Standsicherheit würden 12.702,00 € betragen. Die Beklagte habe nicht rechtmäßig gehandelt. Sie könne sich insoweit nicht mit Erfolg auf die ihr erteilte Baugenehmigung berufen, weil sie sich nicht an die Vorgaben der Baubehörde gehalten habe. Der Anspruch des Klägers auf Eintragung der Grunddienstbarkeit ergebe sich aus § 23 BbgNRG und § 1018 BGB. Die begehrten Maßnahmen seien zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Gebäudes des Klägers erforderlich.
Gegen dieses ihr am 24. März 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 23. April 2009 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, mit am 24. Juni 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend:
Das Landgericht habe nicht beachtet, dass ihr eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Ob diese rechtswidrig sei, müsse im Verwaltungsrechtsstreit geklärt werden. Das zivilgerichtliche Verfahren sei solange auszusetzen. Aufgrund des vom Landgericht zugesprochenen Schadensersatzes und des Inhalts der zu bestellenden Grunddienstbarkeit stehe der Kläger besser als vor der Baumaßnahme der Beklagten. Statik und Brandschutz hätten sich im Vergleich zum bisherigen Zustand verbessert. Die vom Kläger begehrten Dienstbarkeiten seien weder geeignet noch erforderlich, um die Standsicherheit seines Hauses wieder herzustellen. Insoweit nenne das erstinstanzliche Urteil weder eine Anspruchsgrundlage noch gebe es eine sonstige nachvollziehbare Begründung. Schließlich habe sich das Landgericht auch nicht mit den Einwänden der Beklagten gegen die vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Maßnahmen und Kosten auseinander gesetzt.
Die Beklagte hat die Berufung zurückgenommen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Errichtung einer Brandwand richtete.
Die Beklagte beantragt nunmehr noch,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20.03.2009 - Az. 11 O 460/05 - teilweise abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen, wie sie zur Zahlung und zur Bewilligung und Veranlassung der Eintragung von Grunddienstbarkeiten verurteilt wurde.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt er,
die Beklagte zu verurteilen, den zwischen der Nachbarwand der Flurstücke 148 und 149 der Flur 1, Gemarkung E..., und der Gebäudeabschlusswand der Beklagten befindlichen Hohlraum auf deren Kosten aufzufüllen und zu verschließen, ohne dass dabei eine kraftschlüssige Verbindung erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage in Form dieses Hilfsantrages abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zu Unrecht mache die Beklagte geltend, dass die Schlussabnahme ihrer Baumaßnahme ohne Beanstandung durchgeführt worden sei. Vielmehr sei das Haus durch Bescheid vom 15. Juli 2005 zur Benutzung nicht freigegeben worden. Die vom Sachverständigen dargestellten Kosten seien angemessen.
Auf die der Beklagten erteilte Baugenehmigung komme es nicht an, weil diese unbeschadet der Rechte Dritter ergangen sei. Aus der tatsächlichen Situation gemeinsam genutzter Bauteile entspringe ein den Grundstücken immanentes Servitut. Daraus sei der Anspruch des Klägers auf die begehrten Grunddienstbarkeiten herzuleiten. Die Eintragung von Dienstbarkeiten sei schon deshalb gerechtfertigt, weil die Nachbarwand je zur Hälfte auf dem Grundstück des Klägers und auf dem Grundstück der Beklagten stehe und die Dachhälfte des Klägers zur neuen Gebäudeabschlusswand der Beklagten abgedichtet werden müsse.
Die durchgehenden Tragebalken über Erdgeschoss und Obergeschoss und die Sparren hätten im gemeinsamen Eigentum der Parteien gestanden. Die Beklagte habe diese deshalb nicht ohne Zustimmung des Klägers durchschneiden dürfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Als Beiakten haben die Akten des Landkreises B.../Bauordnungsamt betreffend das Bauvorhaben der Beklagten vorgelegen.
II. Die Berufung ist in dem von der Beklagten aufrecht erhaltenen Umfang zulässig. Insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
Eines Einigungsversuches vor einer Gütestelle, § 15a EGZPO, bedurfte es nicht. Das Brandenburgische Schlichtungsgesetz gilt nur für die Erhebung von Klagen vor Amtsgerichten (§ 1 Abs. 1 BbgSchlG).
Die Klageanträge sind auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dies gilt insbesondere für den Zahlungsantrag. Die Formulierung "- vorbehaltlich einer Änderung dieser Summe aufgrund von noch erfolgenden Darlegungen des Sachverständigen-" ist unschädlich. Indem der Kläger diesen Antrag so in der letzten mündlichen Verhandlung stellte, machte er deutlich, die Zahlung von 12.702,00 € zu begehren.
2. Die Klage ist teilweise begründet.
a) Zahlungsantrag
Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 10.950 € verlangen. Insoweit steht ihm ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu. Der Anspruch ist verschuldensabhängig.
aa) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99 ff.). Der Anspruch setzt voraus, dass der Eigentümer oder Besitzer aus besonderen Gründen gehindert ist, die Einwirkungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden. Ein faktischer Duldungszwang genügt. Er kann sich daraus ergeben, dass der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (BGH aaO.,). Dabei besteht der Abwehranspruch auch bei anderen Einwirkungen als solchen im Sinne von § 906 Abs. 1 S. 1 BGB (Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 906 Rn 35).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Vom Grundstück der Beklagten ging eine Einwirkung auf das Grundstück des Klägers aus, die dieser nicht dulden muss.
Bei der auf der Grundstücksgrenze stehenden Gebäudewand handelte es sich um eine Nachbarwand und damit um eine Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB(vgl. Palandt/Bassenge, aaO., § 921 Rn 11).
Zwar hindert die Gemeinschaftlichkeit einer Wand keinen der beteiligten Nachbarn an dem Abriss der Bebauung auf seinem Grundstück. Der einseitige Abriss begründet jedoch einen Anspruch auf Schutz der in dem gemeinschaftlichen oder nach dem Abriss ehemals gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Wand (BGH NJW 2010, 1808). Reißt jemand sein an eine Nachbarwand angrenzendes Gebäude ab und wird diese dadurch in ihrer Funktionsfähigkeit für das Nachbargebäude beeinträchtigt, liegt darin eine gegen § 922 S. 3 BGB verstoßende Änderung dieser Grenzeinrichtung, wenn nicht der Eigentümer des abgerissenen Hauses von vornherein diejenigen Maßnahmen trifft, die zur Verhinderung oder Beseitigung solcher Auswirkungen im Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind (BGHZ 78, 397; OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 2 ff.). Bei einem Verstoß gegen § 922 S. 3 BGB besteht keine Duldungspflicht des Nachbarn (Palandt/Bassenge, aaO., § 922 Rn 4).
Hier wurde die Nachbarwand durch den von der Beklagten vorgenommenen Gebäudeabriss von einer Innen- zu einer Außenwand. Im freigelegten Zustand ist eine bisherige Innenwand aber nicht mehr uneingeschränkt als Hausabschlusswand brauchbar (BGHZ 78, 379 ff.; OLG Karlsruhe aaO.). Ebenso liegt hinsichtlich der Statik des Gebäudes des Klägers nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachbarwand vor. Dadurch, dass die Beklagte das ihr gehörende Gebäude abgerissen hat, wurde das in sich geschlossene Dachgebinde aufgelöst und das statische System verändert. Das durch die Umbaumaßnahmen entstandene Pultdach muss am First wirksam abgestützt werden, wobei der Lastabtrag nur über die bisherige Nachbarwand erfolgen kann. Das Dach des Klägers darf nicht an der Gebäudeabschlusswand der Beklagten zwecks Lastabtrags befestigt werden, weil das Gebäude des Klägers unabhängig von demjenigen der Beklagten standsicher sein muss (§ 11 BbgBO). Im Übrigen hat die bisherige Nachbarwand zumindest im Obergeschoss nunmehr eine tragende Funktion erhalten, weil die durchtrennten Kehlbalken auf ihr abgesetzt wurden (S. 8 des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. B... Ki... vom 15. November 2006 und S. 2 des Ergänzungsgutachtens vom 09. Juli 2008). Ohne Firstabstützung des Daches ist das Gebäude des Klägers nicht standsicher, weil die ordnungsgemäße Lastableitung des klägerischen Daches nicht gesichert ist (S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 02. März 2009 - Anhörung des Sachverständigen -). Gegen die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen hat die Beklagte in der Berufung keine Einwände erhoben. Auch die Veränderung der auf die bisherige Nachbarwand wirkenden statischen Kräfte stellt eine Änderung im Sinne von § 922 S. 3 BGB dar (vgl. OLG Karlsruhe aaO.). Unter die genannte Bestimmung fallen nicht nur Eingriffe in die Substanz der Grenzeinrichtung, sondern auch Handlungen, die den Bestimmungszweck der Einrichtung und ihre bisherige Besonderheit für diesen Zweck zum Nachteil des Nachbarn (und Miteigentümers) aufheben oder mindern.
Der Kläger hatte den genannten Beeinträchtigungen der Nachbarwand nicht zugestimmt.
bb) Eine Duldungspflicht des Klägers ergibt sich nicht aus der Baugenehmigung, die der Beklagten erteilt worden war. Die Baugenehmigung wurde unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt (§ 67 Abs. 6 BbgBO). Zudem räumte die Beklagte im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) - 7 K 423/05 - in der dortigen mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2009 selbst ein, dass die Bauausführung nicht den Vorgaben der Baugenehmigung entsprach. Im Übrigen ist der von der Beklagten im hiesigen Verfahren gestellte Aussetzungsantrag wegen zwischenzeitlicher Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegenstandslos geworden.
cc) Der Kläger war aus tatsächlichen Gründen daran gehindert, die rechtswidrige Beeinträchtigung rechtzeitig abzuwehren, z. Bsp. durch Inanspruchnahme der Gerichte oder Ordnungsbehörden. Die konkrete Bauausführung war ihm nämlich nicht im Voraus mitgeteilt worden. Erst am 24. August 2004 stellte der Kläger fest, dass die Abstützung seiner Dachhälfte in veränderter Form vorgenommen worden war. Am 30. August 2004 erklärte ihm der für die Beklagte tätige Bauingenieur L..., dass es sich bei der Abstützung lediglich um ein Provisorium handle und alsbald eine ordnungsgemäße Befestigung der Dachsparren auf der Seite des Klägers stattfinden werde.
dd) Der Inhalt und Umfang des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bestimmt sich unter Abwägung aller Umstände nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung. Er kann je nach Art und Weise der Einwirkung auf vollen Schadensersatz gehen (BGH NJW-RR 1997, 1374f).
So liegt der Fall hier. Durch die Baumaßnahmen der Beklagten wurde sowohl die Standsicherheit der bisherigen Nachbarwand als auch ihre Tauglichkeit als Abschlusswand beeinträchtigt. Es ist deshalb angemessen, dass die Beklagte dem Kläger diejenigen Kosten erstattet, die für die Wiederherstellung einer ordnungsgemäßen Statik und für einen ordnungsgemäßen Gebäudeabschluss erforderlich sind.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nach Durchführung der entsprechenden Maßnahmen besser gestellt wäre als vor dem durch die Beklagte vorgenommenen Gebäudeabriss. Der Sachverständige hat nicht erklärt, dass hinsichtlich der Statik eine Verbesserung im Vergleich zum ursprünglichen Zustand eintreten würde. Nur hinsichtlich des Brandschutzes hat er eine solche Verbesserung für den Fall angenommen, dass die jetzige Gebäudeabschlusswand der Beklagten als Brandwand entsprechend den Anforderungen des Bauordnungsrechts ausgeführt werden sollte (Sitzungsprotokoll vom 02. März 2009). Um diese Wand geht es hier aber nicht mehr, nachdem die Beklagte insoweit ihre Berufung zurückgenommen hat.
Auch die Kosten für das Verfüllen des Hohlraumes zwischen der bisherigen Nachbarwand und der angrenzenden Gebäudeaußenwand hat die Beklagte zu erstatten. Denn erst durch das Einbringen von Dämmstoffen wird die bisherige Nachbarwand wieder als Gebäudeabschlusswand brauchbar (vgl. BGHZ 78, 397 ff.). Dies entspricht auch der Regelung des § 12 Abs. 2 BbgNRG, wonach der Kläger einen Anspruch auf Ausfüllung und Verschließung der Fuge zwischen Nachbarwand und Gebäude der Beklagten hat.
Die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen betragen gemäß den nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen 10.950,00 € netto. Mit den diesbezüglichen Einwänden der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Dezember 2006 hat sich der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung am 20. Juni 2007 auseinandergesetzt. Dabei hat er insbesondere deutlich gemacht, dass für die Arbeiten nicht nur 5, sondern 50 laufende Meter Holz erforderlich sind. Nachvollziehbar ist auch, dass der Sachverständige Malerarbeiten im Dachgeschoss mit 280,00 € netto in Ansatz gebracht hat. Allein der Umstand, dass es sich um einen Bodenraum handelt, macht die Farbbehandlung einer verputzten Fläche nicht überflüssig.
Entsprechend § 249 Abs. 2 S. 2 BGB kann der Kläger im Rahmen des Ausgleichsanspruch analog 906 Abs. 2 S. 2 BGB die Erstattung der Umsatzsteuer erst verlangen, wenn diese tatsächlich angefallen ist. Mangels Ausführung der entsprechenden Arbeiten ist das aber bisher nicht der Fall gewesen, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.
b) Hilfsantrag
Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden, weil die Bedingung, unter der der Kläger ihn gestellt hat, nicht eingetreten ist. Diesen hat er nur für den Fall gestellt, dass ihm ein Ausgleichsanspruch betreffend die Verfüllung des Hohlraums nicht zugesprochen werden sollte. Dazu ist es jedoch nicht gekommen.
c) Antrag auf Bewilligung von Grunddienstbarkeiten
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass diese die von ihm begehrten Grunddienstbarkeiten bewilligt und eintragen lässt.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 894 BGB i.V.m. Art. 187 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Voraussetzung dafür wäre, dass die streitgegenständlichen Grunddienstbarkeiten bereits zu der Zeit bestanden, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist.
Zur Entstehung entsprechender Grunddienstbarkeiten hat der Kläger jedoch nichts vorgetragen. Er hat lediglich pauschal geltend gemacht, aus der tatsächlichen Situation der beiden aneinander grenzenden Grundstücke der Parteien und des auf der Grenze errichteten Doppelhauses einschließlich gemeinsam genutzter Bauteile entspringe ein diesen Grundstücken immanentes Servitut. Es ist aber schon nicht nachvollziehbar, wodurch hier ein Servitut welchen Inhalts begründet worden sein soll. Weder wird vorgetragen, dass es unter Geltung des Gemeinen Rechts vertraglich bestellt (vgl. dazu BGHZ 42, 63ff) noch dass es ersessen worden sein soll (vgl. dazu RGZ 19, 266ff). Sollte das Preußische Allgemeine Landrecht anwendbar sein, wären §§ 12 ff Theil 1 Tit. XXII PrALR einschlägig, zu deren Voraussetzungen der Kläger jedoch nichts vorgetragen hat.
Im Nachbarrecht findet sich keine Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Rechtsfolge. Aus § 6 Abs. 1 BbgNRG ergibt sich kein Anspruch auf Bestellung der vom Kläger begehrten Grunddienstbarkeiten. Diese Norm regelt nur die Voraussetzungen, unter denen eine Nachbarwand errichtet werden darf. Auch § 23 BbgNRG enthält keine entsprechende Anspruchsgrundlage. Dort sind lediglich Inhalt und Umfang des so genannten Hammerschlags- und Leiterrechts geregelt.
Schließlich kann der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch auch nicht auf § 1018 BGB stützen, weil dort nur geregelt ist, welchen Inhalt eine Grunddienstbarkeit haben kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 516 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, dass die Verurteilung der Beklagten zur Errichtung einer Brandwand bereits rechtskräftig ist, nachdem die Beklagte ihre Berufung insoweit zurückgenommen hat (§ 704 Abs. 1 ZPO). Insoweit war von einer Schuldnerschutzanordnung abzusehen (§ 713 ZPO).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.

RechtsgebieteBaurecht, BrandwandVorschriften§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr