· Fachbeitrag · Personalmanagement
Personaleinsatzplanung: Über den Daumen gepeilt oder doch bis ins kleinste Detail?
von Alexandra Buba, M.A., freie Wirtschaftsjournalistin, Nürnberg
| Die Spannbreite von „Man kann sich auch zu Tode planen!“ bis „Wozu auftragsbezogen arbeiten?“ zeigt an, dass das Thema Personaleinsatzplanung in der Kanzlei schon fast eine Glaubensfrage ist. Das zeigt auch ein Blick auf den Markt für technische Lösungen für dieses Organisationsthema: von A wie „Ausschließlich für Mandanten im Angebot“ bis Z wie „Zusatzangebot zur Kanzleiorganisationssoftware von DATEV & Co.“ ist einiges vertreten. Aber wie viel Planung ist tatsächlich erforderlich und welche Softwarelösung bildet diese am besten ab? |
Eigenorganisation comfort pro von DATEV
Beim Marktführer DATEV befindet sich die Möglichkeit zur Planung der Mitarbeiteraufgaben innerhalb der Kanzleiorganisationslösung „Eigenorganisation comfort pro“. Das gesamte System funktioniert auftragsbezogen, sodass Steuerberater damit gar nicht anders planen können. Das zu betonen ist notwendig, da „immer noch viele Kanzleien überhaupt nicht mit Aufträgen arbeiten“, wie Ralf Moosbrugger vom Produktmanagement für Eigenorganisation comfort pro bei DATEV weiß. Für eine sinnvolle Planung sei dies aber Voraussetzung.
Wird auftragsbezogen gearbeitet, lassen sich im System Planwerte für die einzelnen Aufgaben hinterlegen, entweder für einen oder mehrere Mitarbeiter. „Viele Kanzleiinhaber sagen, es reiche ihnen schon, wenn sie wüssten, wie weit ein Auftrag sei - ungeachtet dessen, welche Person ihn bearbeitet“, sagt Moosbrugger. Wer es genauer wissen will, erhält auch diese Informationen.
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Ein Neumandat wird als Auftrag mit 50 Stunden angelegt. In seiner Übersicht kann der Chef erkennen, welche Mitarbeiter noch 20 oder 30 Stunden Kapazität haben und die Aufgaben und Zeiten entsprechend verteilen. |
Eine regelrechte Kapazitätsplanung, die den Mitarbeitern genaue Zeitfenster für die Aufgaben vorgibt, bietet DATEV aber nicht an. „Die Nachfrage zeigt uns, dass das eher etwas für Großkanzleien ist. Die kleineren sehen in der Regel keine Notwendigkeit, den ganz genauen Zeitraum vorzugeben oder die Kompetenzen der jeweiligen Mitarbeiter exakt zu verwalten“, sagt Moosbrugger. Vergleichsweise detailliert ist dagegen wiederum die Aufschlüsselung der Aufträge. Hier lassen sich Unteraufträge etwa für die Bescheidprüfung anlegen.
Mitarbeiter können bei DATEV auf Monatsebene sehen, was noch zu erledigen ist. Dabei ist es in den Ansichten auch möglich, spezielle Filter zu setzen, sodass etwa nur die Aufträge angezeigt werden, die schon verfristet sind. So können die Mitarbeiter erkennen, welcher Aufgabe sie sich schnellstens widmen sollten.
Addison von Wolters Kluwer
Einfacher macht ihnen dies die Lösung Addison von Wolters Kluwer. Ein Ampelsystem sorgt dafür, dass sie bei jedem Auftrag auf einen Blick erkennen, wie dringlich er ist. Der Mitarbeiter bekommt die Information über fällige und anstehende Aufträge jeden Morgen automatisch in seiner Oberfläche angezeigt. „Wir wollen den Mitarbeitern bei der Planung helfen, damit sie wissen, was noch zu tun oder zu delegieren ist, wenn sie etwa in Urlaub gehen“, erklärt Katja Burhenne, Programmmanagerin Addison Kanzleiorganisation, die Philosophie dahinter. Das System berechnet, ob sich ein Auftrag noch schieben lässt oder nicht.
Dabei geht die Lösung durchaus ins Detail: Mitarbeiter können z. B. auch abhaken, wenn sie Teile eines Auftrags - schon Zinsen und Tilgungen einbezogen - bereits erledigt haben. Dazu ist jeder Auftrag in bestimmte Vorgänge aufgeteilt: Vorbereitung, Erfassung, Verarbeitung, Auswertung, Abrechnung. Den Haken an der richtigen Stelle gesetzt zu haben, erleichtert die Übertragung im Urlaubs- oder Krankheitsfall. Besonders charmant ist die Verbindung zum elektronischen Postbuch. Dadurch, dass der elektronische Posteingang in die Organisationslösung integriert ist, bekommt der Mitarbeiter angezeigt, wenn die für seine Aufgabe relevanten Dokumente vollständig zur Verfügung stehen.
Die Addison ergänzende OneClick-Cloud-Lösung verfügt zudem über eine Timeline, aus der sowohl Kanzleimitarbeiter als auch Mandanten ersehen können, wer bis wann was zu tun hat. Der Mandant kann dabei per App seine Aufgaben - z. B. „Belege einliefern“ - einsehen, bearbeiten und auf erledigt setzen. Kanzleimitarbeiter können so den Bearbeitungsstand durch den Mandanten ablesen und die nächsten Schritte bearbeiten. Der Chef kann sich Informationen in der Gesamtschau anzeigen lassen und dann auf dem kurzen Dienstweg Aufgaben umverteilen. Als Einstieg in die Planung werden die ersten Plan-Werte durch die Ist-Werte der Vergangenheit festgelegt. Diese können automatisiert übernommen oder angepasst werden. Die Mitarbeiterdaten mit den Kapazitäten werden aus den Stammdaten gezogen - abzüglich Weiterbildungs-, Verwaltungs-, Urlaubszeiten usw. Keine Rolle spielen bei Addison die Kompetenzen der Mitarbeiter.
Tax Time Solutions von BTS Business Time Solutions
Als wichtige Ergänzung zu den bestehenden Kanzleiorganisationslösungen und ihren Funktionalitäten versteht sich Tax Time Solutions (TTS) von BTS Business Time Solutions. Die von Steuerberatern entwickelte Lösung setzt ihren Fokus gezielt auf die Frage, wie sich Mitarbeitern Mandanten so zuordnen lassen, dass ihre Fähigkeiten optimal zum Einsatz kommen. „Das haben sich die anderen nicht auf die Fahne geschrieben. Sie machen eher Projektmanagement im kleinteiligen Sinne“, erklärt Firmengründer und Steuerberater Werner Euskirchen aus Bad Honnef.
Die Verknüpfung zu den großen Kanzleiorganisationslösungen funktioniert über eine Schnittstelle, über die aber nur die Stammdaten übertragen werden. Die Aufgaben sollen bewusst nicht übernommen werden. „Für die Planung ist DATEV zu kleinteilig“, erklärt Euskirchen. Bei TTS plant man bei Bedarf z. B. Jahresabschlüsse mit den üblichen Jahressteuererklärungen als eine Gesamtaufgabe. Andererseits können komplexe Aufgaben komfortabel in Haupt- und Teilaufgaben aufgeteilt und einem oder mehreren Mitarbeitern übertragen werden. Aufgaben müssen individuell angelegt werden. Das System zeigt dann eine Auswahl der Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Kompetenzen für die Aufgabe infrage kommen und im geplanten Zeitraum Zeit haben. In der Praxis wird die Wahl auf denjenigen fallen, der die geringste Auslastung hat.
Auf Mitarbeiterseite soll diese Lösung die eigenverantwortliche Planung erleichtern. Das System zeigt für die Aufgaben ein voraussichtliches Startdatum und ein Fertigstellungsdatum an. Ist das Startdatum um zwei Wochen überschritten, erhält der Mitarbeiter einen Hinweis. Den Chefs will das System eine sachliche Argumentationsgrundlage an die Hand geben, wenn es darum geht, neue Aufgaben zu verteilen. „Ich komme aus der Praxis - aus einer Kanzlei mit 18 Mitarbeitern und 3 Chefs. Da ist eine Unterstützung durch die Technik bei der Klärung der Frage, wer überhaupt noch Kapazitäten hat, sehr hilfreich“, sagt Euskirchen.
Software ersetzt die Kommunikation nicht
Es geht aber keinesfalls darum, die Kommunikation mit den Mitarbeitern zu ersetzen, betont Euskirchen. Sie sei genauso notwendig, werde nur fundierter. „Wenn Sie einem Mitarbeiter eine neue Aufgabe zuteilen wollen, wehrt er das oftmals reflexartig ab, weil er die vielen Dinge sieht, die er noch zu bearbeiten hat. Dass diese vielleicht erst in vier Wochen fertig sein müssen, bedenkt er nicht. Und Sie wissen es ohne Planung nichtr“, sagt er. „Mithilfe der technischen Unterstützung können Sie ihm jetzt sagen, welche Aufgaben er schieben soll. Gleichzeitig werden gut ausgelastete Mitarbeiter nicht mit weiteren Aufgaben überlastet. Die Transparenz nützt also beiden Seiten.“
Grundsätzlich schlage die Technik zwar Lösungen vor, doch die letzte Entscheidung treffe immer der Chef. Ähnlich schätzt auch Moosbrugger von DATEV den Einsatz von Planungssystemen ein: „Es gibt so viele weiche Faktoren, die bei der Frage mitspielen, welcher Mitarbeiter welchen Mandanten betreuen soll, dass die Technik hier schnell an ihre Grenzen kommen kann.“ Sehr oft werden Mandate in kleineren Kanzleien politisch verteilt: Ein bestimmter Mandant will einen bestimmten Bearbeiter - und bekommt ihn auch.
Planungstools sind ohne Controlling nur teilweise nützlich
Beim Einsatz von Planungstools kommt es immer auch auf die Qualität des Controllings an. „Man kann Soll-/Ist-Auswertungen fahren und sich fragen, warum ein Mitarbeiter beispielsweise viel schneller war als geplant“, erklärt Burhenne von Wolters Kluwer. Solche Hinweise können auch Aufschluss über generell wichtige Aspekte der Kanzleiorganisation geben. Soweit die Theorie. „Denn häufig wird zwar geplant, aber nichts verglichen“, weiß Moosbrugger. Das ist nicht nur deshalb ungünstig, weil dadurch Möglichkeiten zur Verbesserung verschenkt werden, sondern auch, weil die Planung leidet.
Die Lösungen zur Planung bieten mehrheitlich die Möglichkeit, die Planung der Folgejahre mit Ist-Werten vorzunehmen. Der Vorteil ist, dass die Planung dadurch näher an die tatsächlichen Verhältnisse heranrückt und die Bearbeitungszeit später eher mit den geplanten Werten übereinstimmt. Der Nachteil bei der Übernahme der Ist-Werte ist allerdings, dass der Berater auf diese Weise den Überblick darüber verliert, wie sich die Bearbeitungszeiten über einen längeren Zeitraum entwickeln. Ihm geht die Information verloren, dass eine bestimmte Fibu vielleicht jedes Jahr 15 % mehr Arbeitszeit in Anspruch nimmt. „Mit welchen Werten Berater planen sollten, ist sehr kanzleispezifisch und von der jeweiligen Strategie abhängiga“, sagt Moosbrugger.
Kein Standardsystem
Auch andere Anpassungen sind von der Kanzlei und der jeweiligen Strategie abhängig - denn das System erlaubt eine Fülle von Individualisierungen. Das liegt an den unterschiedlichen Gepflogenheiten in den Kanzleien. So spielt es für die Planung z. B. eine Rolle, ob die Bescheidprüfung zusammen mit der Erstellung der Steuererklärung im Folgejahr abgerechnet wird oder die Kanzlei erst dann eine Gesamtrechnung stellt, wenn der Bescheid eingegangen ist und geprüft wurde. Je nach Regelung bedingt dies die Anlage eines neuen Gesamtauftrags oder eines Teilauftrags.
„Das einzig Einheitliche beim Thema Planung in den Kanzleien ist, dass es nichts Einheitliches gibt“, sagt Moosbrugger. Tatsächlich werde die Eigenorganisation comfort pro in den Kanzleien immer individuell passend zu ihren Prozessen konfiguriert. Wie wichtig das ist, betont auch Burhenne. „Es ist oftmals die wesentliche Hürde, dass man nicht weiß, wie man was einstellen soll. Die intensive Beratung und Unterstützung in diesem Punkt ist ein Hauptbestandteil unserer Arbeit, da die Software ja zunächst mit einem gewissen Standard ausgeliefert wird.“
Planung einmal im Jahr
Unabhängig von der eingesetzten Software sollten Steuerberater einmal jährlich ihre Aufträge und Ressourcen planen und den Einsatz ihrer Mitarbeiter nicht einfach über den Daumen peilen. „Ist das System gut gepflegt, geht das auf Knopfdruck“, sagt Burhenne. In allen anderen Fällen ist etwas mehr Mühe notwendig. Dass man es übertreiben kann, gilt aber - wie überall im Leben - auch hier. „Man kann sich auch zu Tode planen“, sagt Moosbrugger, schließlich müsse der Aufwand in angemessenem Verhältnis zum Nutzen stehen.
Weiterführender Hinweis
- „Einführung eines Dokumenten-Management-Systems: Erfolgsfaktoren und potenzielle Risiken“ in KP 16, 118