· Fachbeitrag · Osteopathie
Unter welchen Voraussetzungen dürfen Physiotherapeuten osteopathisch behandeln?
von Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler
| Mit ärztlicher Verordnung dürfen Physiotherapeuten osteopathische Heilbehandlungen abgeben, wenn sie über eine entsprechende Zusatzausbildung verfügen. Ohne ärztliche Verordnung dürfen Physiotherapeuten osteopathisch behandeln, wenn sie eine entsprechende Zusatzausbildung und zusätzlich eine sektorale Heilpraktikererlaubnis haben. Die sektorale Heilpraktikererlaubnis erstreckt sich dann aber auch auf den Bereich der Physiotherapie und nicht ausdrücklich auf den Bereich der Osteopathie (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 11.3.2013, Az. 3 B 64.12). |
Ohne sektorale HP-Erlaubnis: Verordnung nötig
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hat sich in seinem Urteil vom 13. Juni 2012 (Az. 13 A 668.09) ausführlich zum Thema „Osteopathie“ geäußert. Dies ist insofern relevant, als sich das BVerwG in seinem eingangs erwähnten Beschluss auf eben diese Ausführungen bezogen hat.
Das OVG stellt korrekt fest, dass für den Bereich der Osteopathie - anders als für die Ausbildung zum Physiotherapeuten - keine verbindlichen bundes- und landeseinheitlichen staatlichen Ausbildungs- und Tätigkeitsbestimmungen existieren. Die Osteopathie, die einen über das Tätigkeitsspektrum eines Physiotherapeuten hinausgehenden Tätigkeitsbereich betrifft, werde in Deutschland überwiegend auch nicht als eigenständige Behandlungsmethode angesehen und die Weiterbildung im Bereich der Osteopathie begründe auch keinen eigenständigen Beruf des Osteopathen.
Die Richter kommen daher zu der Auffassung, dass osteopathische Heilbehandlungen ohne vorherige ärztliche Diagnostik - also ohne Verordnung - nicht durchgeführt werden dürfen.
Allerdings erweitere eine mehrjährige Weiterbildung in Osteopathie die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Physiotherapeuten sowohl in quantitativer wie qualitativer Hinsicht und in Bezug auf die eigenverantwortliche Tätigkeit als Physiotherapeut deutlich. Derartige Nachweise rechtfertigten nach Auffassung des OVG die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis auch ohne Kenntnisprüfung.
PRAXISHINWEIS | Wer Interesse daran hat, osteopathische Heilbehandlungen anzubieten, muss eine Zusatzausbildung absolviert haben - daran führt kein Weg vorbei. Neben der zusätzlichen Einnahmequelle bei Patienten mit Verordnung, bietet sich mithilfe der Zusatzausbildung aber auch die Chance, den sektoralen Heilpraktiker ohne zusätzliche Kenntnisprüfung zu erwerben. Dann kann Osteopathie zu einem lukrativen Geschäft im Bereich der Selbstzahlerleistungen werden. |
Der Erwerb der sektoralen HP-Erlaubnis ...
Wenn einem Physiotherapeuten eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erteilt wird, muss die Behörde von den fachlichen Kenntnissen des Antragstellers überzeugt sein. Außerdem davon, dass der Physiotherapeut die Grenzen seiner Behandlungsbefugnisse und die Vorrangstellung der Ärzte bezüglich der für erforderlich gehaltenen ärztlichen Differenzialdiagnose beachtet und Patienten mit nicht eindeutig zuzuordnenden Krankheitsbildern und dementsprechend schwierigen Diagnosen zunächst und umgehend einem Arzt zuführen wird.
Die behördliche Prüfung muss sich auf alle vom Antragsteller vorgelegten Zeugnisse und sonstigen Aus-, Fort- und Weiterbildungsnachweise erstrecken. Von Belang können auch Teilnahmebescheinigungen über absolvierte Lehrgänge, Seminare, Zusatzausbildungen und Ähnliches sein. Allerdings ist der Aussagegehalt einer solchen Bescheinigung differenziert zu betrachten. Die erfolgreiche Teilnahme an einer anerkannten Fachveranstaltung, die ein inhaltlich und zeitlich umfangreiches Unterrichtsprogramm hat und mit einer Prüfung abschließt, hat mehr Gewicht als der Besuch einer Fortbildungsveranstaltung, die nach Lehrgangsinhalt und -dauer von vergleichsweise geringer Intensität ist und auch keine Überprüfung der vermittelten Kenntnisse vorsieht.
... bei Zusatzausbildung auch ohne Kenntnisprüfung
Wer als Physiotherapeut eine sektorale Heilpraktikererlaubnis beantragen will und über eine nachweisbare zusätzliche Ausbildung im Bereich der Osteopathie verfügt, sollte beantragen, dass ihm ohne weitere Eignungsüberprüfung die Erlaubnis zur selbstständigen Ausübung der Heilkunde - beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie - erteilt wird. Zur Unterstützung seines Antrags kann er sich auf die im Fazit genannten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts berufen.
FAZIT | Das BVerwG hat in zwei Urteilen deutlich gemacht, dass sich nur im Einzelfall beantworten lässt, ob eine vorgelegte Ausbildungsanlage ein tauglicher Kenntnisnachweis ist oder nicht (Urteil vom 11.3.2013, Az. 3 B 64.12), bzw. ob (und gegebenenfalls inwieweit) die im Regelfall gebotene eingeschränkte Kenntnisüberprüfung für ausgebildete Physiotherapeuten im Hinblick auf absolvierte Zusatzausbildungen ausnahmsweise entbehrlich sein kann (Urteil vom 26.8.2009, Az. 3 C 19.08). Der Nachweis kann im Einzelfall dadurch geführt werden, dass eine mehrjährige Ausbildung im Bereich der Osteopathie - am besten an einer staatlich anerkannten Einrichtung - mit erfolgreichem Abschluss absolviert wurde. Zum Nachweis gehört nicht nur die Vorlage des Abschlusszertifikats, sondern auch die Darlegung der einzelnen Ausbildungsinhalte sowie deren zeitlicher Ausbildungsumfang.
Eine erfolgreich abgeschlossene mehrjährige Ausbildung zum Osteopathen kann es insofern erleichtern, eine sektorale Heilpraktikererlaubnis ohne zusätzliche Kenntnisüberprüfung zu erlangen. Es bleibt aber immer eine Einzelfallentscheidung der Behörde auf der Basis der vom Physiotherapeuten vorgelegten Unterlagen und der nachgewiesenen Berufserfahrung. |
Weiterführender Hinweis
- Osteopathie wirtschaftlich und rechtssicher abrechnen (PP 03/2009, Seite 10)
- Ohne Prüfung zur sektoralen HP-Erlaubnis? (PP 10/2013, Seite 10)