08.05.2007 · IWW-Abrufnummer 071606
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 03.04.2007 – 3 StR 72/07
Nach einer Urteilsabsprache kann weder auf die gesetzlich vorgeschriebene noch auf die qualifizierte Rechtsmittelbelehrung wirksam verzichtet werden.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 72/07
vom
3. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3. April 2007 beschlossen:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 9. August 2006 zulässig ist.
Gründe:
Die Revision des Angeklagten erweist sich - entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts - als zulässig.
Allerdings hat der Angeklagte ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nach der Verkündung des Urteils - ebenso wie sein anwesender Verteidiger - auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Indessen ist der erklärte Verzicht unwirksam, weil dem Urteil nach dem Inhalt des Protokolls eine Urteilsabsprache zugrunde lag und der Angeklagte weder nach § 35 a Satz 1 StPO noch darüber belehrt worden ist, dass er ungeachtet der Absprache in seiner Entscheidung frei ist, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung; vgl. BGHSt 50, 40). Dem steht nicht entgegen, dass der damalige Verteidiger des Angeklagten auf eine qualifizierte Rechtsmittelbelehrung verzichtet hat. Denn während ansonsten der Betroffene selbst und - bei Vorliegen einer ausdrücklichen Ermächtigung, Rechtsmittel zurückzunehmen und auf sie zu verzichten - auch sein Verteidiger auf die nach § 35 a StPO vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung verzichten können (vgl. Maul in KK 5. Aufl. § 35 a Rdn. 13 f. m. w. N.; BGH NStZ 1984, 181, 329), kann nach einer Urteilsabsprache weder auf die gesetzlich geregelte noch - was sich schon aus deren Sinn und Zweck zwingend ergibt - auf die zusätzlich gebotene qualifizierte Belehrung verzichtet werden (vgl. BGHSt 50, 40, 61; Graalmann-Scherer in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 35 a Rdn. 35).
Der Auffassung des Generalbundesanwalts, die Revision genüge, soweit sie eine Urteilsabsprache behaupte, nicht den Begründungserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, kann nicht gefolgt werden. Diese Vorschrift legt den notwendigen Inhalt einer Revisionsrüge fest, mit der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend gemacht wird. Sie gilt hingegen nicht für die Frage der Zulässigkeit der Revision nach Erklärung eines Rechtsmittelverzichts. Ob dieser wirksam ist oder nicht, hat das Revisionsgericht vielmehr von Amts wegen zu prüfen.
Die im Übrigen statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StPO) ist daher zulässig.