24.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050485
Landgericht Kiel: Urteil vom 03.11.2004 – 12 O 90/04
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
12 O 90/04
Verkündet am: 03. November 2004
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LANDGERICHT KIEL
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2004 durch den Richter ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 77,42 ? zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2004 zu zahlen.
Im Übringen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtsfolgen aus einem Gebrauchtwagenkauf.
Die Klägerin kaufte am 25.10.2003 von der Beklagten einen gebrauchten Pkw Skoda Octavia Kombi zu einem Preis von 7.500 ?. Das Fahrzeug wurde ihr am 31.10.2003 übergeben. Die Klägerin zahlte daraufhin den vereinbarten Kaufpreis. Im November 2003 zeigte sie der Beklagten an, dass sich im Bereich des Beifahrerfußraums Feuchtigkeitserscheinungen ereignet hätten. Die Parteien vereinbarten daraufhin, dass die Klägerin die Werkstatt der Nebenintervenientin aufsuche, um die Ursache für den Feuchtigkeitseintritt untersuchen und ggf. beheben zu lassen. In der Folgezeit brachte die Klägerin ihr Fahrzeug ? wie vereinbart ? am 17.11.2003 und am 26.11.2003 in der Werkstatt der Nebenintervenientin. Am 24.12.2003 erklärte die Klägerin mit dem aus der Anlage K 4 zur Klageschrift ersichtlichen Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit der vorliegenden Klage ersteht die Klägerin die Rückabwicklung des am 25.10.2003 geschlossenen Kaufvertrages. Hilfsweise macht sie Minderung geltend. Sie verlangt ferner vor der Beklagten Ersatz von Gutachterkosten in Höhe von 180,12 ? sowie die Bezahlung des zu ihren Gunsten tenorierten Betrages, dem folgender unbestrittener Sachverhalt zu Grunde liegt:
Im Dezember 2003 ließ sich das klägerische Fahrzeug nicht mehr starten. Die Klägerin wandte sich daraufhin an die Beklagte, die sie wiederum an die Nebenintervenientin verwies, und dort den Mangel beheben zu lassen. Daraufhin wurden von der Nebeninterverientin Arbeiten erledigt, die sie der Klägerin in Höhe des auf sie nach Inanspruchnahme der Car-Garantie entfallenden Selbstbeteiligungsanteils von 30 % der Materialkosten in Rechnung stellte. Insoweit wird auf die Rechnung gemäß Anlage K 7 zum klägerischen Schriftsatz vom 19.05.2004 Bezug genommen. Nachdem gegen die Klägerin ein Mahnverfahren vor dem Amtsgericht Kiel eingeleitet worden war, zahlte sie den Betrag an die Nebenintervernientin.
Die Klägerin behauptet, die Nachbesserungsversuche seien fehlgeschlagen. Es gelange nach wie vor Feuchtigkeit in den Beifahrerfußraum ihres Fahrzeugs. Hierfür sei eine defekte Kunststoffhalterung in der rechten Türinnenseite der Beifahrertür unsächlich. Der Fehler sei bereits bei Übernahme des Fahrzeugs vorhanden gewesen. Die Beseitigung des Fehlers koste 340,00 ?.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.605,75 ? zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2004 zu zahlen Zug um Zug gegen R ückgabe des Pkws Skoda Octavia Kombi LX, 74 KW 1,6, Fahrzeug-Ident.-Nr. TBMJK41U2Y2285193, amtl. Kennzeichnen ....;
2. festzustellen, dass die Beklagte mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages des zu Ziffer 1 näher spezifizierten Pkws sich seit dem 03.01.2004 in Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 77,42 ? zuzüglich 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin,
die Beklagte zu einer angemessenen Minderung, mindestens 500,00 ? zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Skoda Octavia Kombi habe sich bei Übergabe in einem vertragsgemäßen Zustand befunden. Auch danach sei zu keinem Zeitpunkt ein Schaden an dem Fahrzeug vorhanden gewesen. Weder die Nebeninterverientin habe anlässlich der von ihr am 17.11.2003 und 26.11.2003 durchgeführten Überprüfungen einen Wassereintritt feststellten können noch sie, die Beklagte, im Rahmen eines Werkstattbesuches am 31.12.2003. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Kosten für eine Behebung von der Klägerin behaupteten Mangels ohnehin unter der Erheblichkeitsgrenze des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB liegen würden. Hierzu behauptet sie, dass im Falle einer Reparatur lediglich Kosten in Höhe von 71,18 ? entstunden.
Die Beklagte hat am 05.04.2004 zum Zwecke der Streitverkündigung einen Schriftsatz eingereicht, der der Nebeninterverientin am 07.04.2004 zugestellt worden ist. Die Nebenintervernientin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten mit Schriftsatz vom 16.04.2004, eingegangen bei Gericht am 20.04.2004, beigetreten.
Die Nebenintervernientin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft das Vorbringen der Beklagten.
Wege der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen mit allen Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist lediglich im Antrag zu 3. begründet; im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung von 77,42 ? nebst der beantragten Zinsen seit Rechtshängigkeit (§§ 288 Abs. 1, 291 ZPO). Dieser Anspruch folgt entweder aus § 683 BGB oder aus § 812 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Bezahlung fremder Schulden. Denn die Klägerin hat den Betrag unbestritten für die Beseitigung eines Mangels an ihrem Fahrzeug aufwenden müssen, wobei die Vermutung des § 476 BGB dafür streitet, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt der Übergabe der Sache an die Klägerin vorhanden war. Es handelte sich also insoweit um eine Nacherfüllung im Sinne von § 439 Abs. 1 BGB. Die Kosten der Nacherfüllung trägt aber nach §439 Abs. 2 BGB nicht der Käufer, sondern der Verkäufer der Sache. Daher hat die Klägerin auf eine fremde Schuld geleistet, weil nicht sie, sondern die Beklagte verpflichtet war, diese Kosten zu tragen.
Die weitergehende Klage ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin schon nach ihrem eigenen Vorbringen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 346 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach sind im Falle eines Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Klägerin war zum Rücktritt jedoch nicht berechtigt. Der Tatbestand des § 437 Nr. 2 BGB ist nicht erfüllt. Danach kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, wenn die Kaufsache mangelhaft ist. Ob das von der Klägerin gekaufte Fahrzeug mangelhaft im Sinne von § 434 BGB ist, ist zwischen den Parteien streitig. Ob dies tatsächlich zutrifft, kann im Ergebnis jedoch offen bleiben. Denn ein etwaiges Rücktrittsrecht ist jedenfalls nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Käufer dann nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist. Das ist hier der Fall.
Im Schrifttum werden unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, wie der Begriff der ?Unerheblichkeit? auszulegen ist. Ein Teil der Literatur meint das Kriterium der Unerheblichkeit entsprechende Bagatellgrenze des § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. und stürzt sich hierzu auf die Gesetzesbegründung zu § 323 Abs. 5 S. 2 BGB (Dauner-Lieb in: Anwaltkommentar zum Schuldrecht, 1. Aufl. 2002, § 323 Rdnr. 24; Faust in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kapitel 3, Rdnr. 163). Nach anderer Ansicht kommt eine Übernahme der zu § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. entwickelten Grundsätze nicht in Betracht (Ernst in MüKo, 4. Aufl. 2003, § 323 Rdnr. 243; Grothe in: Bamberger/Roth, 1 Aufl. 2003, § 323, Rdnr. 39). Danach sei die Erheblichkeitsschwelle bei § 323 Abs. 5 S. 2 BGB deutlich höher anzusetzen als bei § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a. F., da im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage eine Minderung auch wegen Mängeln möglich sei, die nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB erreichen. Der Gesamtwert der Leistung müsse in einem Umfang betroffen sein, der eine Minderung von ca. 20 % bis 50 % zulassen würde (Ernst in: MüKo, a. a. O.).
Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Entscheidung, welcher der beiden Auffassungen zu folgen ist. Der in Rede stehende Mangel ist in jedem Fall unerheblich. Dies gilt auch unter Zugrundelegung der Literaturmeinung, die aus der Sicht der Klägerin die geringeren Anforderungen an die Erheblichkeit im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB stellt, weil sie nach wie vor die zu § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. entwickelten Grundsätze heranziehen. Nach diesen Grundsätzen ist ein Rücktritt dann ausgeschlossen, wenn es sich um abgrenzbare Mängel handelt, die ohne Schwierigkeiten behoben werden können. Dabei spielen insbesondere die Erkennbarkeit des Mangels und die Kosten der Beseitigung eine Rolle. Ist der Fehler leicht erkennbar und lässt er sich mit unerheblichen Aufwand innerhalb kurzer Zeit beseitigen, so kann selbst bei objektiv erheblichen Beeinträchtigungen der Gebrauchstauglichkeit ein unerheblicher Fehler vorliegen (Huber in: Soergel, 12. Aufl. 1991, § 459 Rdnr. 77; Mezger in: RGRK, 12. Aufl. 1978, § 459 Rdnr. 20). Das ist hier der Fall. Die Klägerin behauptet, dass eine Kunststoffhalterung der Türverkleidung die Ursache für das Eindringen der Feuchtigkeit darstelle. Hierbei handelt es sich aber um einen abgrenzbaren Mangel, der selbst dann ohne größere Kosten und Mühen beseitigt werden kann, wenn man zusammen mit der Klägerin annimmt, dass für die Beseitigung des Mangels Kosten in Höhe von 340,00 ? erstehen würden. Da der Kostenaufwand somit nur ca. 4,5 % des Kaufpreises ausmachen würde, wäre es ungerecht, der Klägerin ein Rücktrittsrecht zuzubilligen (vgl. OLG Düsseldorf NJW- RR 2004, 1060 für den Fall, dass der Reparaturaufwand für die Mängelbeseitigung allenfalls 3 % des Kaufpreises ausmache). Die Klägerin wird damit auch nicht rechtlos gestellt. Ihr bleibt es unbenommen, wegen des angeblichen Mangels zu mindern. Denn das Recht auf Minderung schließt § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht aus (OLG Düsseldorf a. a. O.).
Die Klägerin macht auch hilfsweise Minderung geltend. Allerdings ist der insoweit gestellte Antrag, der darauf gerichtet ist, das Gericht möge auf einen angemessenen Minderungsbetrag, mindestens 500,00 ? erkennen, nicht zulässig. Denn der Antrag entspricht nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach muss die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Zahlungsantrag ist nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich der zu vollstreckende Geldbetrag aus dem Tenor oder jedenfalls aus allgemein zugänglichen Unterlagen ergibt. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der gestellte Antrag zu unbestimmt, weil er den zu zahlenden Geldbetrag nicht ausweist, sondern lediglich einen Mindestbetrag benennt. Weil schließlich auch keine Ausnahmen von dem Bestimmtheitsgebot Platz greifen, war die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen (vgl. KG NJW-RR 2002, 948, wonach der auf Rückzahlung eines angemessenen Minderungsbetrages gerichtete Antrag nicht ausreichend bestimmt sei).
Letztlich hat auch der Klagantrag zu 2. keinen Erfolg, da sich die Beklagte mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht im Annahmeverzug befindet. Nach §293 BGB kommt der Gläubiger nur dann in Verzug, wenn er die Ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Voraussetzung ist insoweit allerdings, dass überhaupt ein Schuldverhältnis im Sinne von § 241 Abs. 1 BGB besteht. Dies ist hier nicht der Fall. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass kein Rückgewährschuldverhältnis im Sinne von § 346 Abs. 1BGB vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 92 Abs. 2 ZPO, ferner aus § 101 ZPO, soweit die Kosten der Nebenintervention in Frage stehen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.