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30.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142810

Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 24.01.2014 – 10 U 7/13

Der Auftraggeber von Bauleistungen hat keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Auftragnehmer ihm Bescheinigungen zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die bei ihm oder seinen Subunternehmern auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer vorlegt. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Eine vertragliche Nebenpflicht zur Vorlage derartiger Unterlagen kann sich nur ausnahmsweise aus § 242 BGB ergeben.


Oberlandesgericht Naumburg

Urt. v. 24.01.2014

Az.: 10 U 7/13

In dem Rechtsstreit

...

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2013 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, den Richter am Oberlandesgericht Haberland und den Richter am Oberlandesgericht Nolte

für Recht erkannt:
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Januar 2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.602,01 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2012, Mahnkosten in Höhe von 20 € sowie Inkassokosten in Höhe von 60,57 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren beträgt 14.602,01 €.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer nach Grund und Höhe unstreitigen Werklohnforderung in Anspruch. Die Beklagte beruft sich auf ein Zurückbehaltungs- bzw. Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf ihrer Auffassung nach nicht vollständig vorgelegte Bescheinigungen/Nachweise zur Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Verpflichtungen.

Die Beklagte hat die Klägerin mit der Ausführung von Innenputzarbeiten in einer Schule in L. beauftragt. Hauptauftraggeberin war die Stadt L. . Deren Vertragsbedingungen, welche sich im Einzelnen aus dem Auftragsschreiben vom 13.08.2010 ergeben, hat sie auch im Verhältnis zur Klägerin vereinbart. Ferner sind die als Anlage B 6 vorgelegte "Vereinbarung zwischen Auftragnehmer und Nachunternehmer zur Einhaltung der tarifvertraglichen und öffentlich-rechtlichen Bestimmungen bei der Ausführung von Bauleistungen" auch für das hiesige Vertragsverhältnis vereinbart. Die Leistungen sind zwischen dem 16.08.2010 und dem 09.05.2011 vollständig erbracht und mangelfrei abgenommen.

Die Klägerin beschäftigt keine eigenen Mitarbeiter. Sie hat die Putzarbeiten vielmehr zum einen durch Mitarbeiter der Fa. M. Bau Ltd., Niederlassung Deutschland, ausführen lassen, deren Gesellschafter auch die Gesellschafter der Klägerin sind, zum anderen hat sie eine Fa. G. mit der Ausführung eines Teils der Putzarbeiten betraut, wobei sie ausführt, dies sei im Rahmen einer "ARGE" geschehen.

Die Beklagte hat sich auf ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick darauf berufen, dass die Klägerin ihr gegenüber keine vollständigen, alle für die Klägerin und ihre Nachunternehmer auf der Baustelle tätigen Bescheinigungen über die Erfüllung der Beitragspflicht zur Sozialversicherung vorgelegt habe und keine ausreichenden Bescheinigungen nach § 48 b EStG vorgelegt habe. Sie befürchte deshalb, ihrerseits durch ihre Auftraggeberin für die Erfüllung der entsprechenden Beitrags- bzw. Steuerpflichten in Anspruch genommen zu werden. Die Beklagte meint, die Klägerin sei zur Weitergabe des Auftrags an Subunternehmer nur mit ihrer Zustimmung befugt gewesen, habe ihr gegenüber aber deren Tätigkeit nicht mitgeteilt. Ihr sei auch nicht nachvollziehbar, ob an die tatsächlich vor Ort tätigen Arbeitnehmer der tarifliche Mindestlohn gezahlt worden sei.

Die Klägerin hat replizierend während des erstinstanzlichen Verfahrens eine Fülle weiterer Bescheinigungen vorgelegt, aus denen sich ihrer Auffassung nach ergibt, dass weder für sie noch für die Fa. M. Ltd. oder die Fa. G. Beitragsrückstände hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge bestehen.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes im erstinstanzlichen Verfahren wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 14.602,01 € nebst Zinsen sowie Inkassokosten in Höhe von 969,57 €, Mahnkosten von 20 € und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 899,40 € zu zahlen. Der Werklohnanspruch der Klägerin sei fällig, da sie ihre Leistungen mangelfrei erbracht habe und diese abgenommen worden seien. Die Beklagte könne sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Aus der als Anlage B 6 vorgelegten Vereinbarung ergebe sich, dass die Klägerin bei einer gegen Ziffer 1 jener Vereinbarung verstoßenden Entlohnung oder der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Vertragsstrafe schulde. Sie sei mithin abgesichert. Die von der Beklagten verlangten weiteren Bescheinigungen seien im Verlauf des Rechtsstreits vorgelegt worden. Die Klägerin könne auch gem. § 286 BGB auch den Ersatz der Inkassokosten verlangen, denn das Inkassobüro sei zu einem Zeitpunkt beauftragt worden, als nicht erkennbar gewesen sei, dass die Beklagte zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig gewesen sei, so dass sie darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte auch ohne gerichtliche Hilfe zahlen werde und es der Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht bedürfe.

Die Berufung der Beklagten ist primär auf die Abweisung der Klage gerichtet, hilfsweise auf die Verurteilung zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Vorlage der weiterhin geforderten Bescheinigungen. Die Beklagte beruft sich hierzu nunmehr auf ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB. Sie befürchtet weiterhin, als Auftraggeberin der Bauleistungen als Gesamtschuldnerin neben der Klägerin für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Pflichten der Klägerin und ihrer Subunternehmer in Anspruch genommen zu werden. Die Klägerin habe nicht im Einzelnen dargelegt, welche Arbeitnehmer zu welchen Zeiträumen auf der Baustelle tätig gewesen seien. Die vorgelegten Bescheinigungen seien unzureichend, wozu sie auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt. Die Beklagte meint, einer Entscheidung des OLG Köln (Urt. v. 19.10.2012, 19 U 67/12) entnehmen zu können, dass die Klägerin auch ohne vertragliche Vereinbarung eine Nebenpflicht zur Vorlage der von ihr geforderten Unterlagen treffe. Aus den Gründen jener Entscheidung, wonach bei Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung zur Vorlage solcher Unterlagen, wie sie sie von der Klägerin fordere, diese auch durch einen anderen Nachweis einer nicht mehr bestehenden Haftung des Auftraggebers erfüllt werden könne, folge im Umkehrschluss, dass bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung eine Vorlagepflicht des Auftragnehmers bestehe, wenn dieser aus nachvollziehbaren Gründen hierzu aufgefordert werde. Sie habe die Klägerin vorprozessual bis zum 09.05.2011 fünfmal zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert, weshalb auch die Einschaltung eines Inkassobüros nicht erforderlich gewesen sei; da sie sich nicht im Verzug befunden habe, sei sie auch nicht zum Ersatz der Mahn- und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verpflichtet.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Halle aufzuheben und die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise: sie zur Zahlung von 14.602,01 € zu verurteilen, Zug-um-Zug gegen Vorlage

a) einer Beitragserfüllungsbescheinigung der S. Bau (Teilnahme an dem Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft) oder

b) einer Negativbescheinigung der S. Bau oder

c) einer Negativbescheinigung der B. Bau und

d) einer Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes N. nach § 48 b EStG oder

e) einer sonstigen Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass eine Haftung der Beklagten für Beiträge der Klägerin, der M. Bau Limited und der Firma G., L. Weg 2, K., nicht besteht,

wobei sich die gemäß Buchstaben a) bis e) vorzulegende Bescheinigung auf die gesamte Tätigkeit der vorgenannten Firmen im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags über Putzarbeiten am Bauvorhaben Nachbarschaftsschule D. Straße in L. in der Zeit vom 16.08.2010 bis zum 09.05.2011 erstrecken muss.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Auf den mit der Ladungsverfügung erteilten Hinweis zum fehlenden Vortrag hinsichtlich des Verzugszeitpunkts hat die Klägerin diesen ergänzt; insoweit wird zum Inhalt ihres unstreitig gebliebenen weiteren tatsächlichen Vorbringens auf den Schriftsatz vom 12.11.2013 Bezug genommen. Sie meint, es sei trotz der zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgehändigten Gewährleistungsbürgschaft und ihrer eigenen überhöhten und später der Höhe nach korrigierten Schlussrechnungsforderung unbillig, den Verzug der Beklagten nicht schon ab Juli/August 2011 in voller Höhe anzunehmen, da die Beklagte auch über diesen Zeitpunkt hinaus die Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 4.457,32 € zurückgehalten habe. Die Bonitätsprüfung sei nur erfolgt, um feststellen zu können, ob sich ein Rechtsstreit überhaupt lohne. Für die Erfolglosigkeit der eigenen Mahnungen könne es vielfache Gründe gegeben haben. Die genauen Gründe seien auch erst nach Einschaltung des Inkassounternehmens bekannt geworden.

II.

Die zulässige Berufung hat nur hinsichtlich eines Teils der Nebenforderungen Erfolg.

1. a) Mit dem Hauptantrag hat die Berufung hinsichtlich der Hauptforderung keinen Erfolg. Auch wenn sich die Einschaltung der Fa. M. Bau Ltd. und die Weitergabe eines Teils des Auftrags an die Fa. G. im Verhältnis zur Beklagten als Beauftragung von (weiteren) Subunternehmern darstellt und auch wenn ihre Auffassung zutreffend wäre, dass die Klägerin hierzu nach den vertraglichen Vereinbarungen ihrer Zustimmung bedurft hätte, bleibt das in rechtlicher Hinsicht ohne Auswirkungen auf Grund oder Höhe des Werklohnanspruchs der Klägerin. Allenfalls hätte die Beklagte den Werkvertrag kündigen können; doch hiervon hat sie keinen Gebrauch gemacht.

b) Allerdings ist die Berufung teilweise erfolgreich, soweit sich die Beklagte gegen den zuerkannten Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens wendet.

aa) Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz ihres Verzugsschadens aus § 286 Abs. 2 BGB.

Die Beklagte befand sich nach dem ergänzenden und unbestritten gebliebenen tatsächlichen Vorbringen der Klägerin im Berufungsrechtszug zu dem Zeitpunkt, als der Klägerin die insoweit angefallenen Kosten entstanden sind, in Verzug. Die Fälligkeit des Restwerklohnanspruchs ist gem. § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B spätestens 30 Tage nach Zugang der Schlussrechnung eingetreten, mithin bei einem Zugang spätestens am 22.05.2011 dann spätestens am 21.06.2011. Verzug ist ungeachtet der behaupteten telefonischen Mahnungen gem. § 286 Abs. 1 BGB spätestens am 20.07.2011 eingetreten, mithin auch vor den ersten eigenen schriftlichen Mahnschreiben der Klägerin. Auf den Inhalt des nicht vorgelegten Schreibens der Beklagten vom 08.08.2011, mit welchem sie vertragswidrig die Zahlung auf die Schlussrechnung der Klägerin vom Rechnungsrücklauf seitens der Hauptauftraggeberin abhängig gemacht haben soll, kommt es daher nicht an.

Allerdings ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, dass die Gewährleistungsbürgschaft erst am 05.12.2011 übersandt worden ist und die ursprüngliche Schlussrechnungsforderung der Höhe nach übersetzt war. Wie die Klägerin nunmehr durchaus auch selbst sieht, befand sich die Beklagte damit im Zeitpunkt der Einschaltung des Inkassobüros, die jedenfalls vor dem Anwaltsschreiben der Beklagten vom 17.11.2011 erfolgt sein muss, nur mit einem Teilbetrag in Höhe von 11.386,40 € in Verzug. Unabhängig von den weiteren, nachfolgend dargestellten Erwägungen könnte ein Anspruch auf Ersatz der Inkassokosten daher auch nur aus diesem Streitwert begründet sein.

Die Klägerin kann hier auch nicht damit durchdringen, die Beklagte habe sich treuwidrig verhalten, indem sie auch die vertraglich vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft nicht gestellt habe. Damit könnte sie allenfalls eine (weitere) Vertragspflicht verletzt haben, aber dies führt nicht zu einem früheren Verzugseintritt hinsichtlich des Teilbetrags der Schlussrechnungsforderung, welche die Beklagte unabhängig von den weiteren Einwendungen allein schon deshalb zurückhalten durfte, weil die Klägerin ihrerseits die Gewährleistungsbürgschaft noch nicht übersandt hatte. Beide Bürgschaften stehen nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis voneinander in der Weise, dass die eine erst nach Vorlage der anderen auszureichen gewesen wäre.

bb) Hinsichtlich der Höhe des Verzugsschadens begegnet es jedoch durchgreifenden Bedenken, dass hier eigene Mahnkosten, Inkassokosten und Rechtsanwaltskosten nebeneinander geltend gemacht werden. Die ihr insoweit entstandenen Kosten könnte die Klägerin aus § 286 BGB nur dann als Verzugsschaden ersetzt verlangen, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren.

Neben dem Ersatz des Aufwands für ihre eigene Mahntätigkeit hat die Klägerin nur in eingeschränktem Umfang auch Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Inkassobüro. Allerdings ist ihr hinsichtlich der mit 60,57 € bezifferten Kosten für die Einholung einer Bonitätsauskunft durch das von ihr beauftragte Inkassounternehmen ein zusätzlicher, über den eigenen Mahnaufwand hinausgehender Vermögensschaden entstanden.

Die darüber hinausgehenden Inkassokosten sind als Verzugsschaden neben den ebenfalls geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ersatzfähig, wenn die Klägerin nicht von einer Zahlungsunwilligkeit oder Zahlungsunfähigkeit der Beklagten ausgehen musste und zudem davon ausgehen durfte, ihre Forderung auch ohne spätere gerichtliche Hilfe durchsetzen zu können (vgl. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 31.10.2005, veröffentlicht u.a.: NJW-RR 2006, 242 [OLG Hamm 31.10.2005 - 24 W 23/05]). Die Klägerin trägt aber selbst vor, dass erst aufgrund der seitens des Inkassobüros eingeholten Bonitätsauskunft ihre Unsicherheit gewichen sei, dass die Beklagte zahlungsunfähig sein könnte. Das bestätigt sie auch mit ihrer Stellungnahme auf den erteilten Hinweis noch einmal. Wenn die Klägerin außerdem schon auf die beiden in erster Instanz vorgelegten handschriftlichen Fax-Schreiben vom 22.09. und 10.10.2011 (Bd. I Bl. 190 u. 191) ohne Reaktion geblieben war, in denen sie die Beklagte gemahnt und ausdrücklich "rechtliche Schritte" angekündigt hat, bleibt unklar, worauf danach bei der Einschaltung des Inkassobüros die Erwartung beruht haben soll, gleichwohl noch ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe zum Ziel zu gelangen. Zudem ergibt sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 22.09.2011, dass es schon zu diesem Zeitpunkt eine Diskussion darüber gab, ob von der Beklagten verlangte Bescheinigungen in ausreichendem Umfang vorgelegt worden waren, und dass sich die Beklagte offenbar auch auf eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung bezogen hatte. Die weiteren, mit der Stellungnahme auf den erteilten Hinweis noch vorgelegten Fax-Schreiben an die Beklagte bestätigen dies. Die Klägerin war sich ersichtlich bewusst, dass die Beklagte von ihr die Vorlage weiterer Nachweise zur Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsverpflichtungen erwartete und hierum auch bemüht. Aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 05.12.2012 ergibt sich zudem, dass die Klägerin vorgerichtlich eine höhere Forderung erhoben hatte, die dann erst aufgrund der Korrespondenz mit dem Inkassobüro reduziert worden ist. Mithin war hinreichend deutlich, dass die Klägerin - wie sie ja auch zumindest am 10.10.2011 selbst erkannte hatte - mit der Notwendigkeit rechnen musste, zur Durchsetzung ihrer Forderung gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

2. Auch mit dem Hilfsantrag hat die Berufung keinen weitergehenden Erfolg.

a) Hinsichtlich der im Hilfsantrag zu lit. a) bis c) genannten Bescheinigungen besteht kein Anspruch auf deren Vorlage, so dass die Beklagte sich schon aus diesem Grund weder auf ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB noch auf ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB berufen kann. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die vorgelegten Bescheinigungen vollständig sind und sich aus ihnen entnehmen lässt, dass die Sozialversicherungsbeiträge für alle seitens der Klägerin und ihrer Nachunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer vollständig entrichtet worden sind.

aa) Der Auftraggeber von Bauleistungen hat keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Auftragnehmer ihm Bescheinigungen zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die bei ihm oder seinen Subunternehmern auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer vorlegt (so auch OLG Dresden, Urt. v. 06.03.2013, 13 U 545/12, zitiert nach juris).

Auch auf § 14 AEntG kann sich die Beklagte insoweit nicht stützen. Zwar haftet sie nach dieser Vorschrift wie eine Bürgin für die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Mindestentgelts und der Beiträge zu einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 AEntG. § 19 AEntG bestimmt insoweit jedoch nur im Verhältnis zu der für die Prüfung zuständigen Behörde eine Verpflichtung, die dort genannten Dokumente aufzubewahren und bei einer Prüfung vorzulegen.

bb) Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Vorlage derartiger Unterlagen gegenüber dem Auftraggeber besteht auch nach den hiesigen vertraglichen Vereinbarungen nicht. Über die zur Absicherung der Beitragspflicht zur Sozialversicherung bestehenden Verpflichtungen des Auftragnehmers verhält sich die als Anlage B 6 vorgelegte "Vereinbarung zwischen Auftragnehmer und Nachunternehmer zur Einhaltung der tarifvertraglichen und öffentlich-rechtlichen Bestimmungen bei der Ausführung von Bauleistungen". Der dortige Kontrollmechanismus sieht aber gerade keine Verpflichtung zur Vorlage irgendwelcher Bescheinigungen an den Auftraggeber vor. Vielmehr ist in Ziffer 1 die Verpflichtung geregelt, dem Auftraggeber zu Gunsten des öffentlichen Hauptauftraggebers stichprobenweise Einblick in die Lohnabrechnungen zu geben. Soweit Nachunternehmer verpflichtet werden, ist dort bestimmt, dass die entsprechende Verpflichtung an diese weiterzureichen ist. Wie das Landgericht zudem zu Recht herausgestellt hat, ist für den Fall einer Nichtabführung von Sozialbeiträgen in Ziffer 3 der genannten Vereinbarung zudem eine Vertragsstrafe bestimmt. Die Vertragsparteien haben sich mithin gerade keine Verpflichtung des Auftragnehmers begründet, dem Auftraggeber durch Vorlage entsprechender Bescheinigungen den Nachweis der Erfüllung der Beitragspflichten zu erbringen, sondern vielmehr lediglich - und zwar auf Verlangen des Hauptauftraggebers, zu dem hier aber nichts vorgetragen ist - diesem die Möglichkeit gegeben, seinerseits stichprobenweise Einblick in die Lohnunterlagen zu nehmen. Die Klägerin hat damit in erster Instanz weit mehr getan, als sie nach den vertraglichen Verpflichtungen geschuldet hätte, indem sie den Versuch unternommen hat, durch die Vorlage umfangreicher Anlagenkonvolute zu ihren Schriftsätzen die Bedenken der Beklagten hinsichtlich des Risikos einer Mithaftung zu entkräften.

cc) Eine Verpflichtung zur Vorlage der von der Beklagten verlangten Bescheinigungen besteht auch nicht als eine vertragliche Nebenpflicht.

(1) Soweit sich die Beklagte insoweit auf das von ihr zitierte Urteil des OLG Köln stützen möchte, trägt dieses den von ihr angestrengten Umkehrschluss gerade nicht. Soweit dort bei einer ausdrücklich vertraglich vereinbarten Pflicht zur Vorlage bestimmter Unterlagen auch eine andere Form des Nachweises der Erfüllung der Beitragspflichten als erfüllungsgeeignet angesehen worden ist, folgt daraus nicht, dass auch ein Anspruch des Auftraggebers auf die Vorlage solcher anderweitigen Nachweise besteht.

(2) Eine Nebenpflicht zur Vorlage der von der Beklagten vermissten Unterlagen folgt aber auch nicht aus § 242 BGB. Zwar schulden die Vertragsparteien im Rahmen von Treu und Glauben wechselseitige Rücksichtnahme auf schützenswerte Interessen des anderen Vertragspartners. Die Beklagte hat im Hinblick auf eine mögliche Haftung wie eine Bürgin aus § 14 AEntG und § 28 Abs. 3 a SGB IV für seitens ihrer Auftragnehmerin oder deren Nachunternehmern nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge ein berechtigtes Interesse daran, dass die Klägerin und ihre Nachunternehmer ihre Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge erfüllen. Man mag daran denken, dass der Auftraggeber zur Abwehr einer eigenen Haftung möglicherweise dann einen Anspruch auf Vorlage entsprechender Unterlagen durch den Auftragnehmer haben könnte, wenn er seinerseits wegen der Nichterfüllung in Anspruch genommen wird und sich in Beweisnot befindet, aus der ihm sein Vertragspartner leicht helfen kann. Die Beklagte behauptet indessen schon gar nicht, dass sie ihrerseits in Anspruch genommen würde; sie befürchtet lediglich, dass dies in Zukunft geschehen könnte. Daraus folgt aber nicht, dass der Auftragnehmer stets und unabhängig davon, ob der Auftraggeber überhaupt in Anspruch genommen wird, verpflichtet wäre, dem Auftraggeber entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die bloße Erkenntnis, dass ein Nachunternehmer seine Beitragspflichten möglicherweise nicht erfüllt hat, ist außerhalb einer tatsachlich erfolgenden Inanspruchnahme seines Auftraggebers für diesen ohne Bedeutung. Dass ihm insoweit stets die Gefahr einer Haftung droht, ergibt sich aus dem Gesetz.

b) Hinsichtlich der im Hilfsantrag zu lit. d) verlangten Vorlage einer Bescheinigung nach § 48 b EStG mag angesichts der sprachlich äußerst knappen Fassung der Vorgaben zu den vorzulegenden Bescheinigungen im Auftragsschreiben durchaus zweifelhaft erscheinen, ob und ggf. mit welcher Rechtsfolge die Vorlage einer solchen Bescheinigung vertraglich vereinbart war.

Das kann jedoch dahinstehen, denn die Klägerin hat eine solche Bescheinigung in erster Instanz vorgelegt (Bd. I Bl. 44 d.A.) Soweit die Beklagte hierauf moniert hat, dass der auf der Bescheinigung angegebene Zeitraum (09.09.2011 bis 08.09.2012) nicht mit dem Zeitraum der Erbringung der Bauleistungen identisch ist, vermag auch dies kein Zurückbehaltungsrecht zu begründen. Denn solange eine Bescheinigung nach § 48 b EStG nicht vorgelegt ist, ist nicht etwa der Werklohn nicht fällig, sondern die Empfängerin der Bauleistungen, also die Beklagte, hätte dann gem. § 48 Abs. 1 EStG die pauschale Bauabzugssteuer von 15 % vorzunehmen gehabt, wobei der Werklohnanspruch des Werkunternehmers aber unberührt bleibt, solange die Empfängerin der Bauleistungen die Bauabzugssteuer nicht an das Finanzamt abgeführt hat (vgl. OLG Dresden, aaO.). Dieses behauptet sie jedoch schon selbst nicht. Nachdem die Beklagte aber jedenfalls nach deren Übersendung in erster Instanz eine damals (noch) gültige Bescheinigung vorliegen hatte, kann sie sich nicht auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf berufen, da sie sich treuwidrig verhält, wenn sie den Werklohn trotz fehlenden Zurückbehaltungsrechts über den Zeitraum hinaus zurückhält, für welchen ihr eine Bescheinigung nach § 48 b EStG vorgelegt worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Berufung hat nur hinsichtlich eines Teils der nicht streitwertrelevanten Nebenforderungen Erfolg, so dass die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens insgesamt zu tragen hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Urteils wie auch des angefochtenen Urteils beruhen auf §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Es bestehen keine Gründe, welche die Zulassung der Revision gebieten (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Gegenstandswert entspricht der Beschwer aus dem erstinstanzlichen Urteil, § 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag führt insoweit zu keiner Streitwerterhöhung, da er lediglich ein Minus gegenüber dem Hauptantrag enthält.

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