06.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190387
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 01.09.2016 – 5 Sa 139/16
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15. Oktober 2015, Az. 1 Ca 660/15, werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Herausgabe oder Vernichtung eines Datenbestandes sowie auf Auskunft und Unterlassung in Anspruch. Außerdem begehrt sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das mit Reis und Hülsenfrüchten handelt. Im Jahr 2013 stellte das im gleichen Bereich tätige Unternehmen des Vaters der Beklagten, die H.-Mühle GmbH & Co. KG, den Geschäftsbetrieb ein. Für einen Betrag von € 420.000 erwarb die Klägerin die Kundenbeziehungen/den Kundenstamm von dieser und erhielt außerdem deren Lieferantenliste. Die 1977 geborene Beklagte war bis zum 30.06.2013 im väterlichen Unternehmen beschäftigt; seit 2006 als Vertriebsleiterin. Sie wurde von der Klägerin, die regelmäßig ca. 40 Arbeitnehmer beschäftigt, mit Wirkung vom 01.09.2013 als Vertriebsleiterin für den Geschäftsbereich "Abpackgeschäft" eingestellt. Ihr wurde Prokura erteilt. Ihr Jahresgehalt betrug € 130.000 brutto. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26.08.2013 ist ua. folgendes geregelt:
Am 11.04.2015 wurde die Klägerin von einem ihrer Reislieferanten aus Bangkok über eine Lieferanfrage der ihr bis dahin unbekannten N. GmbH informiert. Die Recherche der Klägerin ergab, dass diese GmbH am 22.12.2014 von der Beklagten als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin mit dem Geschäftszweck "Abfüllen und Großhandel mit Speiseölen, -fetten & Reis und Hülsenfrüchten" gegründet worden ist. Die an die E-Mail-Adresse "x.@.com" gerichtete Lieferanfrage war vom Lebensgefährten der Beklagten unterzeichnet. Die verwendete E-Mail-Adresse ist im Internet nicht veröffentlicht. Die Adresse wurde von der Beklagten in eine von ihr angelegte Datenbank der Unternehmenskontakte mit ca. 1.400 Kontakten (Kontakte Xx.xls) eingepflegt.
Im Zuge ihrer Recherche entdeckte die Klägerin am 12.04.2015 auf ihrem Firmennetzwerk das Existenzgründungskonzept der N. GmbH (Anlage K4, Bl. 35-63 d.A.), das die Beklagte mit einem Berater des RKW Baden-Württemberg entwickelt und dokumentiert hat. Als "offizieller" Start ist der 01.06.2015 angegeben. In dem Konzept heißt es ua.:
Die Klägerin stellte weiterhin fest, dass die Beklagte am 09.04.2015 ein externes Speichermedium, mutmaßlich einen USB-Stick, an ihren Arbeitsplatzrechner angeschlossen und 11.892 Datensätze übertragen hat.
Am 20.04.2015 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fristlos. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Beklagte (dort Klägerin) im Kündigungsschutzverfahren. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen (Az. 1 Ca 617/15), das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (Az. 5 Sa 83/16).
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 05.05.2015 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Az. 1 Ga 5/15) gegen die Beklagte auf Unterlassung beantragt, zu Wettbewerbszwecken die ihr im Arbeitsverhältnis zugänglich gemachten und anvertrauten Unternehmensdaten Dritten zu überlassen oder durch Dritte verwerten zu lassen oder selbst zu verwerten. Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 11.05.2015 (Az. 1 Ga 5/15) teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat das einstweilige Verfügungsverfahren zweitinstanzlich für erledigt erklärt (Az. 5 SaGa 6/15), weil das Arbeitsgericht im vorliegenden Hauptsacheverfahren dem Unterlassungsantrag am 15.10.2015 stattgegeben hat.
Auf den Eilantrag der Klägerin hat das Landgericht Mannheim am 20.05.2015 (Az. 23 O 36/15) der von der Beklagten gegründete N. GmbH und der Beklagten als deren Geschäftsführerin aufgegeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf die von der Beklagten während des Arbeitsverhältnisses angefertigten verkörperten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Aufzeichnungen hierüber und gefertigte Abschriften bzw. Kopien zuzugreifen und diese zu verwerten. Gegen die einstweilige Unterlassungsverfügung des Landgerichts Mannheim ist kein Widerspruch eingelegt worden.
Das Landgericht Mannheim hat im dortigen Hauptsacheverfahren (Az. 23 O 79/15), das die Klägerin später als das vorliegende Verfahren eingeleitet hat, die N. GmbH und die Beklagte als deren Geschäftsführerin mit Urteil vom 07.04.2016 verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf die von der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Vertriebsleiterin und Prokuristen der Klägerin während des Dienstverhältnisses angefertigten verkörperten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Aufzeichnungen hierüber und gefertigte Abschriften bzw. Kopien in Form von Kundenlisten, Lieferantenlisten, Konditionenlisten und dem Kontraktverzeichnis, sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten der Klägerin zuzugreifen und diese zu verwerten. Das Urteil wird vor dem OLG Karlsruhe mit der Berufung angegriffen (Az. 6 U 121/16).
Die Klägerin hat vorliegend erstinstanzlich beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 15.10.2015 dem Klageantrag zu 1), sprachlich teils neu gefasst, dem Klageantrag zu 1a) [im Tenor Ziff. 2)] -insoweit rechtskräftig - und dem Klageantrag zu 3), sprachlich teils neu gefasst, stattgegeben. Den Klageantrag zu 2) [im Tenor Ziff. 4] hat das Arbeitsgericht -insoweit rechtskräftig - ebenso wie den Klageantrag zu 4) abgewiesen.
Zur Begründung der Entscheidung hat das Arbeitsgericht - soweit es für die Berufung noch von Interesse ist - im Wesentlichen ausgeführt, der Klageantrag zu 1) sei begründet. Die Beklagte sei gem. § 2 Abs. 5 des Arbeitsvertrags verpflichtet, bei ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, das am 20.04.2015 durch fristlose Kündigung geendet habe, sämtliche betrieblichen Arbeitsmittel und Unterlagen sowie etwa angefertigte Abschriften und Kopien und auch selbst angefertigte Aufzeichnungen an die Klägerin herauszugeben oder zu vernichten. Die Beklagte habe ein "Kontaktverzeichnis" bestehend aus den Namen und Anschriften von Kunden, Lieferanten, Banken und Versicherungen an sich genommen. Sie habe unstreitig die auf ihrem Arbeitsplatzrechner gespeicherten Kontakte von Outlook in eine Excel-Datei überführt. Der Vortrag der Beklagten, sie könne weder bestätigen noch ausschließen, dass sie damit zugleich das Kontaktverzeichnis kopiert habe, sei unzureichend. Dazu hätte sie sich gem. § 138 Abs. 2 ZPO erklären müssen. Darüber hinaus habe die Beklagte eine Statuskopie des Warenwirtschaftssystems sowie eine Übersicht der Kontrakte der Klägerin seit dem Jahr 2005 in Besitz. Die Klägerin könne Vernichtung oder Herausgabe dieser Unterlagen zum Zweck der Vernichtung verlangen. Die Einlassung der Beklagten, bei den "vermeintlichen" Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen handele es sich um allgemein bekannte bzw. ohne nennenswerten Aufwand im Internet herauszufindende Informationen oder aber um Daten, die sie aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in ihrem Gedächtnis habe (Konditionen und Kalkulationen), sei falsch. Weder das Kontaktverzeichnis noch die Kontraktübersicht oder das Warenwirtschaftssystem der Klägerin seien allgemeinbekannt oder im Internet zu finden. Es könne sein, dass die Beklagte Daten, die in dem Kontaktverzeichnis, der Kontraktübersicht oder dem Warenwirtschaftssystem abgebildet seien, in ihrem Gedächtnis habe und jederzeit abrufen könne. Entscheidend sei, dass sie sich nicht darauf beschränkt habe, auf ihr Erinnerungswissen zurückzugreifen, sondern vielmehr die Daten auf Datenträger kopiert habe.
Auch der Klageantrag zu 3) sei begründet. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin beziehe sich auf die Weitergabe oder Verwertung der Geschäftsgeheimnisse, die sich die Beklagte unbefugt verschafft habe. Bei dem Kontaktverzeichnis der Klägerin, das Namen und Anschriften von Kunden, Lieferanten, Banken und Versicherungen enthalte, handele es sich ebenso um ein Geschäftsgeheimnis wie bei der Kontraktübersicht, die eine Zusammenfassung sämtlicher Verträge der Klägerin seit dem Jahr 2005 umfasse und bei der von der Beklagten angefertigten Statuskopie des Warenwirtschaftssystems. Dem Kontaktverzeichnis sei ua. zu entnehmen, mit welchen Lieferanten die Klägerin aktuell zusammenarbeite und an wen sie ihre Waren veräußere. Es liege auf der Hand, dass ein solches Verzeichnis lediglich den geschäftlichen Interessen der Klägerin dienen und keinen Mitbewerbern zugänglich sein solle. Ein Mitbewerber der Klägerin, der im Besitz dieses Datenmaterials sei, könne selbst Kontakt zu diesen Kunden und Lieferanten aufnehmen, wodurch eigene Akquisitionstätigkeiten erleichtert und Geschäftsinteressen der Klägerin geschädigt werden können. Auch das Warenwirtschaftssystem und die Kontraktübersicht, die sämtliche Verträge der Klägerin seit dem Jahr 2005 umfasse, seien Geschäftsgeheimnisse, an deren Geheimhaltung ein besonderes Interesse bestehe. Dem Warenwirtschaftssystem lasse sich der Warenein- und -ausgang entnehmen. Aus der Kontraktübersicht sei abzulesen, zu welchen Konditionen die Klägerin Waren eingekauft bzw. veräußert habe. Dies verschaffe der N. GmbH, die jedenfalls in einem Teilbereich Wettbewerberin der Klägerin sei, einen Vorteil, der darin bestehe, dass sie die Konditionen der Klägerin unterbieten könne.
Der Klageantrag zu 4) sei unbegründet. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zuließen, dass künftig weitere materielle Schäden eintreten könnten, die von der Feststellung der Ersatzpflicht für bereits entstandene Schäden nicht erfasst seien. Wegen weiterer Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 15.10.2015 Bezug genommen.
Gegen das ihr am 09.03.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 08.04.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz teilweise Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 09.06.2016 verlängerten Begründungsfrist mit am 08.06.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Klägerin ist der Schriftsatz am 14.06.2016 zugestellt worden. Sie hat innerhalb der bis zum 15.08.2016 verlängerten Erwiderungsfrist mit Schriftsatz vom 27.07.2016 teilweise Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe sie auf den Klageantrag zu 1) zur Herausgabe oder Vernichtung eines Datenbestandes auf Grundlage von § 2 Abs. 5 des Arbeitsvertrags verurteilt und dazu tragend ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die außerordentliche Kündigung vom 20.04.2015 beendet worden. Das Kündigungsschutzverfahren (Az. 5 Sa 83/16) sei jedoch noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Der Klageantrag zu 3) auf Unterlassung sei bereits unzulässig. Sowohl nach dem Tenor als auch nach den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils sei unklar, welche Daten sie für welche Zwecke verwenden und verwerten dürfe und was "Wettbewerbszwecke" seien. Der Klageantrag sei jedenfalls als zu weit gefasster Globalantrag unbegründet. Das Arbeitsgericht habe den Vortrag der Klägerin, sie habe das gesamte Kontaktverzeichnis in Outlook, eine Statuskopie des Warenwirtschaftssystems und eine Übersicht der Kontrakte seit dem Jahr 2005 kopiert, zu Unrecht als prozessual unstreitig behandelt. Nach ihrer Kenntnis seien in der Outlook-Kontaktdatei der Klägerin sämtliche Kontakte ausschließlich alphabetisch sortiert gewesen. Es habe sich nicht um getrennte Kunden- oder Lieferantenlisten oder Listen von Spediteuren oder sonstigen Dienstleistern oder Vertragspartnern gehandelt. Die Klägerin habe auch nicht nachvollziehbar erläutert, wie sich die von ihr behauptete Anzahl von ca. 1.400 Outlook-Kontakten zu den von ihr behaupteten gut 300 Kundenkontakten sowie den rund 40 Lieferantenkontakten verhalte. Angesichts des unzureichenden Vortrags der Klägerin hätte das Arbeitsgericht im Hinblick auf die Outlook-Datei nicht von einem Geschäftsgeheimnis ausgehen dürfen. Dazu hätte es näheren Vortrags der Klägerin zum Aufbau dieser Datei bedurft. Das Arbeitsgericht habe von ihr zu Unrecht verlangt, Einsicht in die kopierten Dateien zu nehmen, um die pauschalen Behauptungen der Klägerin substantiiert zu bestreiten. Sie habe jede Einsichtnahme vermeiden wollen, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, von der Klägerin auf Unterlassung und Schadensersatz etc. in Anspruch genommen zu werden. Sie hätte womöglich gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Mannheim vom 20.05.2015 verstoßen und existenzvernichtende Ordnungsmittel riskiert. Das Arbeitsgericht habe ihren Vortrag nicht berücksichtigt, dass auch die Statuskopie des Warenwirtschaftssystems sowie die Kontraktübersicht wettbewerbsrechtlich nicht relevant und nicht als Geschäftsgeheimnis zu qualifizieren seien. Die Unterstellung, dass die Kontraktübersicht der N. GmbH einen enormen Vorteil verschaffe, weil sie die Konditionen der Klägerin unterbieten könne, sei haltlos. Der Handel mit Reis und Hülsenfrüchten sei nicht durch spezifische Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse geprägt, sondern ausschließlich durch die Preisentwicklung am Weltmarkt und die Kosten für Fracht und Verpackung. Ihr Know-how in dieser Branche habe sie nicht erst in der Zeit ihrer Tätigkeit für die Klägerin, sondern bereits in den rund zwölf Jahren bei der H.-Mühle erworben. Sie sei für die Führung der Geschäfte der N. GmbH nicht auf die Verwertung - nicht ersichtlicher - Geschäftsgeheimnisse der Klägerin angewiesen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, inwieweit geschäftliche Daten der Vergangenheit bei einem Handelsbetrieb, der mit Grundnahrungsmitteln handle, für das aktuelle oder das zukünftige Geschäft relevant sein können. Die Argumentation, dass aus einer rein vergangenheitsbezogenen Dokumentation künftige Preisentwicklungen und Marktsituationen für einen börsennotierten Rohstoff, wie bspw. Reis, abgeleitet werden könnte, sei falsch. Die Kontraktliste der Klägerin gebe keinerlei Aufschluss über die Qualität und Zuverlässigkeit der Lieferanten. Die Namen vieler Lieferanten seien ihr aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit sowohl bei der H.-Mühle als auch bei der Klägerin bekannt. Zudem erfolge der Kontakt zu Lieferanten häufig über Broker/Makler. Deren Namen seien branchenweit bekannt und stellten definitiv kein Geschäftsgeheimnis der Klägerin dar.
Das Kontraktverzeichnis gebe Aufschluss über Geschäfte der Klägerin in der Vergangenheit und sei ein Beweismittel, zumindest Indiz, für kartellrechtswidrige Preisabsprachen. Es sei zwar verständlich, dass die Klägerin als Beteiligte eines Preiskartells ein Geheimhaltungsinteresse an den brisanten Unterlagen habe. Dieses Interesse sei jedoch nicht schützenswert. Das Bundeskartellamt habe inzwischen Ermittlungen aufgenommen.
Das Arbeitsgericht habe nicht annehmen dürfen, dass sie unbefugt Aufzeichnungen an sich genommen habe. Zum einen habe sie mehrfach im Verlauf des Arbeitsverhältnisses Daten in Outlook auf einen USB-Stick kopiert, um eingegangene E-Mails abends zu Hause bearbeiten zu können. Dass sie bei diesen Kopiervorgängen, wie die Klägerin behaupte, auch das Kontakt-Verzeichnis von Outlook mitkopiert habe, sei ihr nicht bewusst gewesen. Dies habe sie - wie oben dargelegt - auch nicht nachträglich durch Einsichtnahme überprüfen wollen. Außerdem habe sie die Kontraktliste und eine Statuskopie des Warenwirtschaftssystems nicht zu Wettbewerbszwecken kopiert, sondern um sich vor einer Diskreditierung und Denunzierung durch die Geschäftsführer der Klägerin zu schützen und ggf. das zuständige Bundeskartellamt unterrichten zu können. Dies habe sie jedoch erst nach der außerordentlichen Kündigung als Möglichkeit, sich vor ungerechtfertigten Angriffen zu schützen, in Erwägung gezogen. Der Gedanke, dass sie die kopierten Dateien für geschäftliche Zwecke der N. GmbH und für unlautere Wettbewerbszwecke nutzen könnte, sei bereits objektiv fernliegend. Die Kenntnis derartiger Daten sei für das laufende Geschäft unerheblich.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
Die Klägerin beantragt,
Die Klägerin macht geltend, das Arbeitsgericht habe ihren Klageantrag zu 4) zu Unrecht abgewiesen. Die Handlungsweise der Beklagten erfülle dem Grunde nach deliktische Anspruchsgrundlagen. Es liege in der Natur der Sache, dass der Schadenseintritt der Höhe nach noch nicht absehbar, aber wahrscheinlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 5 Sa 83/16 (Kündigungsschutzverfahren) und 5 SaGa 6/15 (einstweiliges Rechtsschutzverfahren).
Entscheidungsgründe
A. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist gem. § 524 Abs. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG zulässig.
B. In der Sache haben weder die Berufung der Beklagten noch die Anschlussberufung der Klägerin Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte sowohl einen Anspruch auf Herausgabe oder vollständige Vernichtung der im Tenor genannten Aufzeichnungen (Tenor Ziff. 1) als auch einen Anspruch auf Unterlassung hat, für Wettbewerbszwecke die von ihr während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses angefertigten textlichen oder auf Datenträgern enthaltenen Aufzeichnungen der zum Geschäftsgeheimnis der Klägerin gehörenden Kunden- und Lieferantenlisten, das Kontraktverzeichnis sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten zu verwerten oder an Dritte zu überlassen oder von diesen verwerten zu lassen (Tenor Ziff. 3). Der Klageantrag zu 4) auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht ist unzulässig.
I. Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1) zu Recht stattgegeben. Die Klägerin kann von der Beklagten die Herausgabe oder Vernichtung der im Tenor zu Ziff. 1) genannten Aufzeichnungen beanspruchen.
1. Der auf Herausgabe oder Vernichtung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
a) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet. Dadurch werden der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) abgesteckt und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) festgelegt. Zugleich wird vermieden, dass das Risiko eines Unterliegens des Klägers durch eine vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt oder der Streit in ein sich anschließendes Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert wird. Maßgeblich für die Bestimmtheit eines Klageantrags sind die Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und die Umstände des Einzelfalls. Hierbei ist das zu schützende Interesse des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie sein Interesse an der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz abzuwägen. Generalisierende Formulierungen können daher im Einzelfall unvermeidlich sein. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt (vgl. BAG 14.12.2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 14 mwN; BGH 21.05.2015 - I ZR 183/13 - Rn. 13 mwN).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die im Klageantrag und im erstinstanzlichen Urteilstenor genannten Aufzeichnungen, nämlich "Kunden- und Lieferantendaten, Kalkulationen, Konditionen, bestehend aus dem Kontaktverzeichnis, der Statuskopie Warenwirtschaftssystem und der Kontraktübersicht", so konkretisiert, dass die Beklagte erkennen kann, welche Daten von ihr verlangt werden. Im Fall einer Zwangsvollstreckung sind sie identifizierbar.
2. Der Antrag ist begründet. Die Klägerin hat einen Herausgabeanspruch sowohl aus § 2 Abs. 5 des Arbeitsvertrags als auch entsprechend § 667 BGB. Ob auch ein Anspruch aus §§ 985, 861 BGB besteht, kann dahinstehen. Herausgabe oder Vernichtung der schriftlichen oder elektronischen Aufzeichnungen kann im Übrigen mit dem Anspruch auf Beseitigung nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG verlangt werden (vgl. BGH 26.02.2009 - I ZR 28/06 - Rn. 22 mwN).
a) Die Beklagte ist zum einen nach § 2 Abs. 5 des Arbeitsvertrags verpflichtet, bei ihrem Ausscheiden sämtliche betrieblichen Arbeitsmittel und Unterlagen sowie etwa angefertigte Abschriften und Kopien und auch selbst gefertigte Aufzeichnungen an die Klägerin herauszugeben. Die Beklagte ist am 20.04.2015, unmittelbar nach Ausspruch der fristlosen Kündigung, aus dem Betrieb der Klägerin ausgeschieden. Entgegen der Ansicht der Berufung ist unerheblich, dass über die Kündigungsschutzklage (Az. 5 Sa 83/16), die in zwei Instanzen ohne Erfolg geblieben ist, noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Der Begriff "Ausscheiden" ist so zu verstehen, dass damit das tatsächliche Ausscheiden der Beklagten aus dem Betrieb gemeint ist. Die Beklagte erstrebt zwar die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, hat aber bereits Wettbewerbstätigkeiten aufgenommen, die nach dem Existenzgründungskonzept der N. GmbH auf eine dauerhafte Konkurrenz angelegt sind. Die Beklagte kann dem Herausgabeverlangen nicht entgegenhalten, das Arbeitsverhältnis bestehe fort.
b) Die Beklagte wäre aber auch ohne arbeitsvertragliche Regelung entsprechend § 667 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Danach ist sie wie eine Beauftragte verpflichtet, der Klägerin alles, was sie zur Ausführung der ihr übertragenen Arbeit erhalten und was sie aus dem Arbeitsverhältnis erlangt hat, herauszugeben (vgl. ausführlich BAG 14.12.2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 18 ff). Hierzu zählen auch die im erstinstanzlichen Tenor genannten Aufzeichnungen, dh. Kunden- und Lieferantendaten, Kalkulationen, Konditionen bestehend aus dem Kontaktverzeichnis, der Statuskopie Warenwirtschaftssystem sowie der Kontraktübersicht.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte dem Herausgabeanspruch nicht mit dem Argument begegnen kann, sie könne weder bestätigen noch ausschließen, dass sie das Outlook-Kontaktverzeichnis der Klägerin "unbewusst" auf einen USB-Stick mitkopiert habe. Damit genügt sie ihrer Erklärungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht. Hat eine Partei keine aktuelle Kenntnis, muss sie sich, etwa durch Einsichtnahme in ihre Aufzeichnungen, kundig machen (Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 138 Rn. 14 mwN). Der Beklagten war möglich und zumutbar, durch Sichten der von ihr kopierten Daten zu überprüfen, ob sie das Kontaktverzeichnis - bei der vollständigen Postfachsynchronisierung, die im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Mannheim (Az. 23 O 79/15) unstreitig war - "mitkopiert" hat. Sie kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen, wenn sie die ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Kenntnisnahme der relevanten Tatsachen nicht nutzt. Der Hinweis der Beklagten, sie habe jede Einsichtnahme in die kopierten Datenbestände vermeiden wollen, um nicht gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Mannheim vom 20.05.2015 (Az. 23 O 36/15) zu verstoßen und exzistenzvernichtende Ordnungsmittel zu riskieren, verfängt nicht. Die Erfüllung prozessualer Pflichten in einem laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren stellt zweifellos keinen Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung, auf Geschäftsgeheimnisse der Klägerin "im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszecken" zuzugreifen, dar.
c) Der Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) an den schriftlichen oder elektronischen Aufzeichnungen zu. Es kann dahinstehen, ob sich aus den auf Datenträgern gespeicherten als auch textlichen Aufzeichnungen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Klägerin kartellrechtswidrige Preisabsprachen getroffen haben könnte. Daraus folgt kein Recht der Beklagten die streitgegenständlichen Geschäftsunterlagen weiterhin behalten zu können (vgl. ausführlich BAG 14.12.2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 23). Das Bundeskartellamt hat Ermittlungen aufgenommen. Dem Anliegen der Beklagten, Kartellrechtsverstöße von den dafür zuständigen staatlichen Stellen prüfen zu lassen, ist damit hinreichend Rechnung getragen. Für einen weiteren Verbleib der schriftlichen oder elektronischen Aufzeichnungen in ihrem Besitz gibt es keine Grundlage. Ihr Hinweis, sie benötige die Datenbestände, um sich mit ihrer Hilfe gegen Diskreditierung und Denunzierung durch die Geschäftsführer der Klägerin zu schützen, rechtfertigt einen weiteren Verbleib ebenfalls nicht. Eines Zurückbehaltungsrechts an den Geschäftsunterlagen, um sich mit ihrer Hilfe in einem möglichen späteren zivil- oder strafrechtlichen Verfahren verteidigen zu können, bedarf es nicht (vgl. BAG 14.12.2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 23).
d) Der Anspruch auf Herausgabe oder Vernichtung ist nicht wegen Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Angesichts des anhängigen Berufungsverfahrens und des Hinweises der Beklagten, sie habe die Daten, soweit sie sich nicht im Gewahrsam des Landeskriminalamts Baden-Württemberg bzw. der Staatsanwaltschaft Mannheim sowie eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Rechtsanwalts befänden, inzwischen gelöscht, liegt keine endgültige Bewirkung der Leistung vor. Die behauptete Löschung ist nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erfolgt. Dies hat die Beklagte in der Berufungsbegründungsschrift (Seite 3 oben) deutlich gemacht.
II. Das Arbeitsgericht hat auch dem Klageantrag zu 3) auf Unterlassung zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, zu unterlassen, für Wettbewerbszwecke die von ihr während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin angefertigten textlichen oder auf Datenträgern enthaltenen Aufzeichnungen der zum Geschäftsgeheimnis der Klägerin gehörenden Kunden- und Lieferantenlisten, das Kontraktverzeichnis sowie Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten zu verwerten oder an Dritte zu überlassen oder von diesen verwerten zu lassen.
1. Der Klageantrag ist ebenfalls zulässig.
a) Der Unterlassungsantrag ist nicht etwa wegen doppelter Rechtshängigkeit iSd. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil die Klägerin vor dem Landgericht Mannheim - 3. Kammer für Handelssachen - (Az. 23 O 79/15) bzw. zweitinstanzlich vor dem OLG Karlsruhe (Az. 6 U 121/16) einen weiteren Rechtsstreit nicht nur gegen die N. GmbH, sondern auch gegen die Beklagte (dort Beklagte zu 2) auf Unterlassung der Benutzung ihrer Geschäftsgeheimnisse führt. Beide Parteivertreter haben in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer auf Nachfrage klargestellt, dass die Unterlassungsklage vor den Gerichten für Arbeitssachen zuerst rechtshängig geworden sei. Ob ein Fall doppelter Rechtshängigkeit vorliegt, ist vom zeitlich später angerufenen Gericht zu prüfen.
b) Der Unterlassungsantrag und - ihm folgend - der sprachlich leicht veränderte Unterlassungstenor des erstinstanzlichen Urteils (Ziff. 3) ist entgegen der Ansicht der Berufung hinreichend bestimmt.
aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr. vgl. nur BGH 21.07.2016 - I ZR 26/15 -Rn. 11 mwN; BAG 14.12.2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 14 mwN).
Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Unterlassungsantrag zu stellen sind, ist auch abhängig von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls. Es lässt sich nicht stets vermeiden, dass das Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen ein ausgesprochenes Verbot vorliegt, in gewissem Umfang auch Wertungen vornehmen muss. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (vgl. BGH 04.07.2002 - I ZR 38/00 - Rn. 28, 29 mwN).
bb) Die im erstinstanzlichen Urteilstenor enthaltenen Begriffe "zu Wettbewerbszwecken" "zum Geschäftsgeheimnis der Klägerin gehörende Kundenlisten, Lieferantenlisten, das Kontraktverzeichnis sowie die Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten" haben diesen nicht unbestimmt gemacht. Die Beklagte kann bei gehöriger Sorgfalt unter Anspannung ihrer Geisteskräfte erkennen, was sie zu unterlassen hat. Über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kann kein Zweifel bestehen. Die Klägerin braucht in ihrem Klageantrag das zu schützende Geschäftsgeheimnis nicht erst zu offenbaren (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler UWG 34. Aufl. § 17 Rn. 64 mwN).
2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.
a) Bei den im erstinstanzlichen Tenor genannten Aufzeichnungen handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse der Klägerin iSd. § 17 Abs. 1 UWG. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird insoweit Bezug genommen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen nicht durch.
aa) Als Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (vgl. BVerfG 14.03.2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - Rn. 87).
bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind weder die Kunden- noch die Lieferantenlisten der Klägerin im Internet (oder sonst wo) zu finden und für jedermann sonst offenkundig. Weder das Outlook-Kontaktverzeichnis der Klägerin noch die Kontraktübersicht noch die Statuskopie Warenwirtschaftssystem oder ihre Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten sind allgemein gekannt oder im Internet veröffentlicht. Der Geheimnischarakter dieser Aufzeichnungen wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte behauptet, sie könne die Kunden und Lieferanten der Klägerin aus dem Gedächtnis abrufen. Entgegen der Ansicht der Berufung ist auch unerheblich, ob die Klägerin in ihrer Outlook-Kontaktdatei die Kontakte ausschließlich alphabetisch sortiert hat, statt sie nach Kunden, Lieferanten, Speditionen und sonstigen Dienstleistern oder Vertragspartnern zu trennen.
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass die Kunden- und Lieferantendaten der Klägerin wertlos seien. Ihr Vermögenswert ist schon daran zu erkennen, dass der Vater der Beklagten als Geschäftsführer der H.r-Mühle den Kunden- und Lieferantenstamm im Jahr 2013 zum Preis von € 420.000 an die Klägerin verkauft hat. Da Geschäftsgeheimnisse veräußert werden können (vgl. BGH 27.04.2006 - I ZR 126/03 - Rn. 19 mwN), gehören - anders als die Beklagte meint - auch die Kunden- und Lieferantenlisten der H.-Mühle zum Geschäftsgeheimnis der Klägerin. Die H.-Mühle hat der Klägerin ausweislich des Kaufvertrags vom 25.03.2013 in Vollziehung des vereinbarten Geschäfts sowohl die vollständige Kunden- als auch die Lieferantenliste übergeben.
Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, weil die Aufdeckung ihrer Kunden und Lieferanten (Bezugsquellen) geeignet ist, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Es liegt in der Natur derartiger Listen oder der Korrespondenz mit Kunden und Lieferanten, dass sie nicht in die Hand eines Wettbewerbers geraten dürfen und das an ihnen daher ein besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht. Dementsprechend dürfen an die Manifestation des Geheimhaltungswillens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH 27.04.2006 - I ZR 126/03 - Rn. 19 mwN).
Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin sei nicht schützenswert, weil sie wettbewerbswidrige Preisabsprachen getroffen habe, verkennt sie, dass dieser Vorwurf, selbst wenn er zuträfe, das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin - außerhalb des kartellrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahrens - nicht entfallen ließe. Es reicht aus, dass es sich für die Klägerin nachteilig auswirken kann, wenn Dritte, insbesondere die N. GmbH, Kenntnis von den Geschäftsgeheimnissen erlangen.
b) Die Beklagte hat sich die textlichen oder auf Datenträgern enthaltenen Aufzeichnungen iSv. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG "sonst unbefugt verschafft". Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
Hinsichtlich der Tathandlung ist anerkannt, dass ein Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Gedächtnis Informationen während seiner Beschäftigungszeit unbeschränkt verwenden darf, auch für ein Konkurrenzunternehmen, wenn er - wie die Beklagte - keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt. Ein "sonst unbefugtes" Verhalten liegt jedoch vor, wenn ein ausgeschiedener Arbeitnehmer - wie die Beklagte - auf schriftliche Unterlagen, die auch elektronisch gespeichert sein können, zurückgreift, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis enthalten, das er während der Beschäftigungszeit (auch) in befugter Art und Weise erhalten hat (BGH 27.04.2006 - I ZR 119/00 - Rn. 26; BGH 27.04.2006 - I ZR 126/03 - Rn. 14 mwN).
Es ist deshalb unerheblich, dass die Beklagte behauptet, sie habe im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mehrfach betriebliche Daten kopiert, um zu Hause nach Feierabend noch E-Mails bearbeiten zu können. Hinzu kommt, dass ein Datentransfer auf das private Smartphone der Beklagten nicht erforderlich war, weil ihr die Klägerin ein dienstliches iPhone zur Verfügung gestellt hat. Im Übrigen war der Beklagten in § 11 des schriftlichen Arbeitsvertrags untersagt worden, an ihrem Dienst-Rechner und im Netzwerk der Klägerin Hardware ohne Zustimmung der Geschäftsleitung anzuschließen.
Auch die Ausführungen der Beklagten zur angeblichen Nutzlosigkeit der kopierten Daten für die Geschäftstätigkeit der N. GmbH, verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg. Selbst wenn man der Beklagten abnehmen wollte, dass die von ihr gegründete N. GmbH die Aufzeichnungen, die sie sich unbefugt verschafft hat, überhaupt nicht benötigen sollte, stellen sie Geschäftsgeheimnisse der Klägerin dar.
III. Das Arbeitsgericht hat den Klageantrag zu 4) auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, den sie wegen einer Handlung, die nach Ziff. 3) des Urteilstenors zu unterlassen ist, erlitten hat oder noch erleiden wird, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Der Antrag ist unzulässig, denn er ist wirtschaftlich auf dasselbe gerichtet wie der Klageantrag zu 3), so dass es am Rechtsschutzinteresse fehlt. Mehr als eine Entscheidung über die Unterlassungspflicht kann die Klägerin mit einer Feststellung der Schadenersatzpflicht nicht erreichen (so schon BAG 05.12.1969 - 3 AZR 514/68 - zu A 2 der Gründe).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
Verkündet am 01.09.2016