08.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193723
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 24.03.2017 – 4 Sa 876/16
Grundsätzlich können auch Verstöße des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Leistungspflichten je nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sein, eine arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer, sein subjektives Leistungsvermögen auszuschöpfen, bei der Arbeit Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten zu lassen und ein ordentliches, marktüblich mindestens durchschnittliches und nach Möglichkeit fehlerfreies Arbeitsergebnis abzuliefern.
Einzelfall zur Interessenabwägung bei einer verhaltensbedingten Kündigung.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19.07.2016 - 16 Ca 579/16 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 1972 geborene, verheiratete und fünf Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 11.05.1999 bei der Beklagten als Lagerarbeiter zu einem Monatslohn von zuletzt durchschnittlich etwa 2.800,00 EUR brutto beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten arbeiten regelmäßig ungefähr 900 Arbeitnehmer.
Bei der Beklagten besteht für alle Fahrer und Verlader eine Arbeitsanweisung vom 27.08.2013. Demnach ist sämtliche Ware erst bei der Verladung in den jeweiligen Lastwagen zu scannen. Demgegenüber ist es untersagt, zunächst die zur Verladung bereitstehende Ware vollständig zu scannen und erst danach mit dem Beladevorgang zu beginnen.
Die Beklagte mahnte den Kläger mit Schreiben vom 01.04.2015 wegen falscher Beladung eines Lastwagens am 13.03.2015 ab. Mit Schreiben vom 10./21.08.2015 mahnte sie den Kläger wegen verspäteter Benachrichtigung über die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit ab.
Am 23.07.2015 belud der Kläger einen falschen Lastwagen. Wegen dieses Vorfalls erteilte die Beklagte ihm unter dem 10.08.2015 eine Abmahnung. Mit Schreiben vom 04.11.2015 mahnte die Beklagte den Kläger "letztmalig" wegen verspäteter Information über die Nichtaufnahme der Arbeit im Zusammenhang mit einer Urlaubsüberschreitung ab.
Am 04.01.2016 belud der Kläger einen Lastwagen zur Belieferung mehrerer Märkte. Als er diese Arbeit beendet hatte, fehlten fünf auf der Verladeliste vermerkte Rollcontainer sowie eine Tiefkühltransportbox für einen bestimmten Rewe-Markt. Auf Rüge des Lkw-Fahrers musste der Lkw deshalb teilweise wieder ausgeladen werden, damit das fehlende Ladegut in der Reihenfolge der anzufahrenden Märkte nachgeladen werden konnte.
Mit Schreiben vom 05.01.2016 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses an. Unter dem 08.01.2016 nahm der Betriebsrat hierzu Stellung und erhob Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung. Es entspricht der bei der Beklagten seit vielen Jahren praktizierten Vorgehensweise, dass eine Stellungnahme, die der Betriebsrat innerhalb von drei Tagen zu einer beabsichtigten fristlosen und hilfsweisen fristgerechten Kündigung abgibt, als abschließend zu betrachten ist. Wenn der Betriebsrat die Abgabe einer weiteren Stellungnahme zu einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung beabsichtigt, teilt er der Beklagten dies ausdrücklich und unmissverständlich mit.
Wegen des Vorfalls vom 04.01.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.01.2016 zum 31.07.2016. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 28.01.2016 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage, die der Beklagten am 16.02.2016 zugestellt worden ist.
Der Kläger hat die Abmahnungen teilweise für unberechtigt und die Kündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten. Insoweit hat er behauptet, auch anderen Kollegen unterliefen gelegentlich Fehler bei der Beladung der Lastwagen. Er bestreite vorsorglich, dass er am 13.03.2015 die gesamte Ware zunächst vorgescannt und erst danach verladen habe. Normalerweise scanne er jede einzelne Ware und lade sie sofort ein. Für ihn sei nicht erklärlich, weshalb er am 13.03.2015 von dieser Arbeitsweise abgewichen sein sollte. Er könne sich allerdings daran erinnern, zwei Rollcontainer nicht verladen zu haben, was er bedauere. Am 04.01.2016 hätten sich die Tiefkühltransportbox und die fünf Rollcontainer nicht scannen lassen. Dies habe er dem Disponenten Oleg Ryskin, der daraufhin sinngemäß gesagt habe: "... ok lass mal so ...".
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat behauptet, der Kläger habe am 13.03.2015 die gesamte Ware für einen Kunden seriell vorgescannt und erst danach verladen. Am 04.01.2016 habe der Kläger die Beladung des fraglichen Lkw gegen 21:21 Uhr abgeschlossen und nach der Verladung offensichtlich die Verladelisten nicht kontrolliert, da andernfalls das Fehlen der fünf Rollcontainer und der Tiefkühltransportbox aufgefallen wäre. Der Kläger habe auch keineswegs gegenüber seinem Vorarbeiter darauf hingewiesen, dass ein Scannen dieser Gegenstände nicht möglich sei. Vielmehr sei die unvollständige Beladung des Lkw erst bei der Kontrolle der Verladeliste durch den Fahrer am 05.01.2016 gegen 3 Uhr aufgefallen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 19.07.2016 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe nichts zur Fehlerquote vergleichbarer Lagerarbeiter vorgetragen, obwohl dem Arbeitgeber im Fall einer Kündigung wegen qualitativer Minderleistung die Darlegung obliege, dass der gekündigte Arbeitnehmer längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigten Arbeitnehmer deutlich überschreite.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wie auch auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19.07.2016 ist der Beklagten am 01.09.2016 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich ihre am 27.09.2016 eingelegte und am 20.10.2016 begründete Berufung.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Abmahnungen vom 10./21.08. und vom 04.11.2015 zu Unrecht unberücksichtigt gelassen und sich nicht mit der nicht mehr hinnehmbaren spezifischen Unzuverlässigkeit des Klägers auseinandergesetzt. Auch habe es sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welche anderen Reaktionsmöglichkeiten - außer der Kündigung - ihr zur Verfügung gestanden hätten, um künftigen Pflichtverletzungen des Klägers vorzubeugen. Überdies sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht lediglich Fehler begangen habe, sondern dass er gegen die eindeutige Arbeitsanweisung vom 27.08.2013 verstoßen habe.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Er ist der Ansicht, die Betriebsratsanhörung sei fehlerhaft, weil die Beklagte den Betriebsrat zu einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung angehört und sodann lediglich eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen habe. Der Sinneswandel des Arbeitgebers, statt einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung nur eine fristgerechte Kündigung auszusprechen, sei von erheblicher Relevanz. Denn andernfalls könne ein böswilliger Arbeitgeber den Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 Abs. 5 BetrVG einfach ins Leere laufen lassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Die gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie sind frist- sowie formgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 519 ZPO) und begründet (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO) worden.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Köln hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die Kündigung der Beklagten vom 13.01.2016 stellt sich als rechtsunwirksam dar.
1. Die Kündigung der Beklagten vom 13.01.2016 gilt nicht gem. §§ 4 Satz 1, 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Der Kläger hat die Kündigung innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gerichtlich angegriffen. Insoweit ist es unerheblich, dass die Zustellung der gegen diese Kündigung gerichteten Klage an die Beklagte erst am 16.02.2016 und damit erst nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Kläger erfolgt ist. Denn die Frist des § 4 Satz 1 KSchG ist gem. § 167 ZPO mit dem Eingang der Klageschrift bei Gericht gewahrt worden. Die Klage ist am 28.01.2016, und damit jedenfalls innerhalb von drei Wochen nachdem dem Kläger die Kündigung zugegangen ist, bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 16.02.2016 und damit demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden.
2. Die Kündigung des Beklagten vom 13.01.2016 ist nicht sozial gerechtfertigt. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 08. September 2011 - 2 AZR 543/10 -, Rn. 16, [...]).
Jedenfalls die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt im vorliegenden Fall zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 13.01.2016.
a. Grundsätzlich können auch Verstöße des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Leistungspflichten je nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sein, eine arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen.
aa. Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer, sein subjektives Leistungsvermögen auszuschöpfen, bei der Arbeit Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten zu lassen und ein ordentliches, marktüblich mindestens durchschnittliches und nach Möglichkeit fehlerfreies Arbeitsergebnis abzuliefern (vgl. LAG Köln, Urteil vom 26. August 2010 - 7 Sa 348/10 -, Rn. 20, [...]). Hat der Arbeitgeber aufgrund des Leistungsverhaltens des Arbeitnehmers objektiv berechtigten Grund zu der Befürchtung, er werde sich (auch) in Zukunft nicht darauf verlassen können, dass der Arbeitnehmer willens und/oder in der Lage sei, seine arbeitsvertraglichen Leistungspflichten zu erfüllen, so kann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für ihn unzumutbar und der Ausspruch einer ordentlichen leistungsbedingten Kündigung gerechtfertigt sein (vgl. APS/Vossen, 5. Aufl., § 1 KSchG Rn. 278; KR/Griebeling/Rachor, 11. Aufl., § 1 KSchG Rn. 448).
bb. Die Kammer geht im Streitfall zugunsten der Beklagten davon aus, dass der Kläger im vorliegenden Fall am 04.01.2016 die fünf Rollcontainer sowie die Tiefkühltransportbox nicht ordnungsgemäß verladen hat und das Fehlen dieser Gegenstände mangels Kontrolle der Verladeliste auch nicht bemerkt und gegenüber seinem Vorarbeiter oder gegenüber einem anderen zuständigen Mitarbeiter der Beklagten gemeldet hat.
b. Auch ausgehend von diesem Sachverhalt hält die streitgegenständliche Kündigung der erforderlichen Interessenabwägung nicht stand. Im Rahmen dieser Abwägung überwiegt das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist.
aa. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass im Streitfall im Rahmen der Interessenabwägung gewichtige Umstände vorliegen, die für das Beendigungsinteresse der Beklagten sprechen.
(1) So ist das Arbeitsverhältnis der Parteien seit März 2015 nicht störungsfrei verlaufen. Insoweit unterstellt die Kammer zugunsten der Beklagten, dass sie die dem Kläger unter dem 01.04.2015, dem 10.08.2015, dem 21.08.2015 und dem 04.11.2015 erteilten Abmahnungen zu Recht erteilt hat. Im Hinblick auf die Abmahnung vom 01.04.2015 gilt das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten ohnehin gem. § 138 Abs. 2 ZPO als zugestanden. Denn der Kläger hat das ihm vorgeworfene Fehlverhalten lediglich vorsorglich bestritten. Konkreten Vortrag zu dem ihm zur Last gelegten Fehlverhalten hat er indes nicht gehalten. Das der Abmahnung vom 10.08.2015 zugrundeliegende Fehlverhalten hat der Kläger zudem zugestanden.
Anhand der Abmahnungen ergibt sich, dass der Kläger seit März 2015 durch ein nicht unerhebliches Maß an Unzuverlässigkeit im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten in Erscheinung getreten ist. Denn wenn man, wie die Kammer dies getan hat, unterstellt, dass der Kläger auch die ihm in den Abmahnungen vom 21.08. und vom 04.11.2015 vorgeworfenen Pflichtverletzungen tatsächlich begangen hat, wird erkennbar, dass er im Zeitraum vom März 2015 bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung im Januar 2016 seine vertragliche Arbeitspflicht mehrfach durch verzögerte, unpünktliche oder unzuverlässige Leistung verletzt hat (vgl. zur Gleichartigkeit derartiger Pflichtverletzungen APS/Vossen, 5. Aufl., § 1 KSchG Rn. 428). Insoweit hat der Kläger trotz der vier vorangegangenen Abmahnungen am 04.01.2016 eine weitere gleichartige bzw. vergleichbare Pflichtverletzung begangen, als er die fünf Rollcontainer sowie die Tiefkühltransportbox nicht ordnungsgemäß verladen und das Fehlen dieser Gegenstände mangels Kontrolle der Verladeliste auch nicht bemerkt hat.
(2) Für das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist spricht auch die Tatsache, dass sich eine angemessene Reaktion auf die neuerliche Pflichtverletzung des Klägers vom 04.01.2016 als schwierig darstellt, nachdem die Beklagte dem Kläger zuvor bereits vier Abmahnungen erteilt hatte und in der letzten vorangegangenen Abmahnung - vom 04.11.2015 - ausdrücklich ausgeführt hatte, sie mahne das gezeigte "Fehlverhalten letztmalig ab". Insoweit ist der Beklagten dahingehend zuzustimmen, dass Abmahnungen ihre Warnfunktion einbüßen können, wenn der Arbeitgeber trotz ständig neuer Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers weiterhin nur abmahnt (vgl. BAG, Urteil vom 27. September 2012 - 2 AZR 955/11 -, Rn. 47, [...]; KR/Fischermeier, 11. Aufl., § 626 BGB Rn. 288). Dem Gesichtspunkt der Gefahr des Verlustes eines adäquaten Reaktionsmittels nach Ausspruch mehrerer Abmahnungen wegen gleichgelagerter Pflichtverletzungen, den die Kammer im Rahmen der Interessenabwägung durchaus zugunsten der Beklagten berücksichtigt hat, kann indes kein besonderes hohes Gewicht zukommen. Denn auch nach Ausspruch mehrerer Abmahnungen stellt sich nicht jede gleichgelagerte weitere Pflichtverletzung als absoluter Kündigungsgrund dar.
(3) Zugunsten des Beendigungsinteresses der Beklagten ist auch zu berücksichtigen, dass die fehlerhafte Beladung des Lkw zu Störungen des Betriebsablaufs geführt und durch den nachträglich anfallenden Korrekturaufwand auch einen finanziellen Schaden verursacht hat.
bb. Trotz der gewichtigen berechtigten Interessen, die im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen waren, überwiegt im Streitfall das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses das Beendigungsinteresse der Beklagten.
(1) Insoweit ist die langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers von mehr als sechzehneinhalb Jahren (im Zeitpunkt des Kündigungszugangs) zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, als das Arbeitsverhältnis seit seiner Begründung im Mai 1999 bis zum ersten Vorfall im März 2015 - mit nahezu 16 Jahre - beanstandungsfrei verlaufen ist.
(2) Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der vom Kläger am 04.01.2016 begangenen Pflichtverletzung in Gestalt der fehlerhaften Beladung eines Lkw zwar um ein die Betriebsabläufe bei der Beklagten nicht unerheblich störendes und zudem auch Mehrkosten verursachendes Fehlverhalten gehandelt hat. Dieses Fehlverhalten stellt sich gleichwohl als Arbeitsfehler dar, wie er jedem Arbeitnehmer, der mit vergleichbaren Aufgaben betraut ist wie der Kläger, einmal unterlaufen kann. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger nahezu 16 Jahre beanstandungsfrei für die Beklagte tätig war, hält es die Kammer für angemessen, dass die Beklagte den Kläger bei einem derartigen Fehlverhalten, das sich als deutlich weniger schwerwiegend darstellt, als die dem Kläger in der Abmahnung vom 04.11.2015 vorgeworfene Pflichtverletzung, und bei dem es sich um einen Arbeitsfehler - wenn auch unter Missachtung von Arbeitsanweisungen - handelt, nochmals eine Abmahnung erteilt und ihn auf die Wichtigkeit der Einhaltung der Arbeitsanweisungen im Zusammenhang mit der Beladung von Lkw nochmals - letztmalig - besonders eindringlich hingewiesen hätte. Einer solchen weiteren Abmahnung hätte die Beklagte zudem dadurch besonders Gewicht verleihen können, dass sie daneben Maßnahmen zur Beteiligung des Klägers an den durch sein Fehlverhalten entstandenen Kosten ergriffen hätte.
Dies gilt auch deshalb, weil es sich bei zwei der vier von der Beklagten abgemahnten Pflichtverletzungen des Klägers, insbesondere auch bei seinem der "letztmaligen" Abmahnung zugrundeliegenden Fehlverhalten, nicht um Fehler im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung selbst gehandelt hat. Die Abmahnung vom 10./21.08.2015 betraf eine Verletzung der Anzeigepflicht im Krankheitsfall und die "letztmalige" Abmahnung vom 04.11.2015 hat die Beklagte dem Kläger erteilt, weil dieser seinen Urlaub eigenmächtig verlängert und dies der Beklagten erst nach der geplanten Wiederaufnahme der Arbeit mitgeteilt hatte.
(3) Auch die Unterhaltspflichten des verheirateten Klägers für fünf Kinder sind zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (vgl. zur Berücksichtigung von Unterhaltspflichten bei der eine verhaltensbedingte Kündigung betreffenden Interessenabwägung BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 -, [...], Rn. 49; HWK/Quecke, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 210). Diesen kommt im Streitfall allerdings nur ein untergeordnetes Gewicht zu, da sie mit dem Kündigungsgrund nicht in Zusammenhang stehen (vgl. zur besonderen Gewichtung von Unterhaltspflichten die in einem Zusammenhang zum verhaltensbedingten Kündigungsgrund stehen: BAG, Urteil vom 02. März 1989 - 2 AZR 280/88 -, Rn. 60, [...]). Ihnen kommt allerdings auch nicht lediglich marginale Bedeutung zu. Derartig wird die Bedeutung von Unterhaltspflichten für die Interessenabwägung nur in Fällen schwerster Pflichtverletzungen, etwa bei Vermögensdelikten zulasten des Arbeitgebers, reduziert (vgl. zu derartigen Fallgestaltungen etwa BAG, Urteil vom 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 -, Rn. 36, [...]; APS/Vossen, 5. Aufl., § 1 KSchG Rn. 434). Eine derartig schwere Pflichtverletzung, die es rechtfertigen würde, die Unterhaltspflichten des Klägers völlig zu vernachlässigen oder sie nur marginal zu gewichten, liegt hier indes nicht vor.
(4) Unter Berücksichtigung der im Streitfall maßgeblichen Umstände überwiegt damit das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses das Beendigungsinteresse der Beklagten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
IV. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung ist nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich.