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29.05.2009 · IWW-Abrufnummer 091725

Finanzgericht Köln: Urteil vom 27.01.2009 – 6 K 3954/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

6 K 3954/07

Tenor:

aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Die Bescheide für 2002 bis 2004 über Umsatzsteuer- und Einkommensteuer vom 12. Mai 2006 sowie über Gewerbesteuermessbetrag vom 30. Mai 2006 und die hier ergangene Einspruchsentscheidung vom 18. September 2007 werden in der Weise geändert, dass die Hinzuschätzungen
für 2002 in Höhe von 54.810,61 €
für 2003 in Höhe von 37.719,73 €
für 2004 in Höhe von 50.873,70 €
zum Umsatz, Gewinn aus Gewerbebetrieb sowie Gewerbeertrag entfallen und dementsprechend die Rückstellungen für Gewerbesteuer und für Zinsen nach § 233a AO beim Gewinn aus Gewerbebetrieb sowie beim Gewerbeertrag aufgelöst werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kostenentscheidung ohne Sicher-heitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwehren, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe die Umsätze und Gewinne aus der Buchführung des Klägers um Zuschätzungen erhöht werden müssen.

Der Kläger ist seit April 2000 Inhaber der Gaststätte "D" im ...Stadtteil .... Es handelt sich um eine Schank- und Speisewirtschaft im Stil eines Brauhauses. Die Gaststätte ist täglich geöffnet. Auf die im Rahmen der Betriebsprüfung eingereichte Speisekarte wird Bezug genommen.

In den Streitjahren (2002 bis 2004) arbeitete der Kläger, der vor der Übernahme der Gaststätte dort viele Jahre als Buffetier tätig war, im Verkauf mit. Sein Stellvertreter war Herr M.. Es waren mehrere Kellner und Köche angestellt. Insgesamt beschäftigte der Kläger im Jahresdurchschnitt 13 Arbeitnehmer (einschließlich Aushilfen).

Es waren zwei miteinander verbundene elektronische Registrierkassen vorhanden, die über verschiedene Schlüssel bedient wurden. Kasse 1 wurde von den einzelnen Kellnern geführt und hatte verschiedene Bedienerspeicher. Kasse 2 wurde nur vom Thekenpersonal - in der Regel vom Kläger - bedient.

Die Kellner wickelten das Geschäft an den Tischen nur über ihre Notizzettel, die Bierdeckel der Gäste und die Verzehrbons für Theke und Küche ab. Im Regelfall buchten die Kellner erst nach der Bezahlung die Speisen und Getränke in die Kasse 1 ein. Manchmal benutzten sie die Kasse vor dem Kassieren als Rechenmaschine. Die Kassen können eine Rechnung bzw. einen Bewirtungsbeleg im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG ausdrucken. Zum Vergleich sind zwei aktuell erstellte Exemplare zu den Akten gereicht worden (Bl. 111 FG-Akte). Bewirtungsbelege oder Rechnungen werden von den Gästen jedoch nur in Ausnahmefällen verlangt. War dem Kellner bereits bei der Bestellung gesagt worden, dass alle Umsätze eines Tisches am Ende in einer Rechnung erscheinen sollten, buchte er sie in der Kasse mit der entsprechenden Tischnummer und konnte bei der Abrechnung den Bewirtungsbeleg allein mit seinem Schlüssel erzeugen. Verlangte ein Gast erst beim Bezahlen einen Bewirtungsbeleg, musste der Kläger sich mit seinem Schlüssel in die Kellnerkasse einschalten und aus den bereits erfassten Umsätzen des Kellners eine gesonderte manuelle Rechnung erzeugen, die dem Gast ausgehändigt wurde. Kopien der von den Kassen erstellten Rechnungen fertigte der Kläger nicht.

Von den Gästen gezahlte Trinkgelder wurden in den Kassen nicht erfasst. Alle von den Kellnern vereinnahmten Beträge sammelten diese in ihren Brieftaschen.

Nach Geschäftsschluss erstellten die Kassen auf Anforderung tägliche Finanzberichte mit fortlaufenden Nummern (von Nr. 1 am 2. Januar 2002 bis zu Nr. 1150 am 1. Januar 2005) und Angabe der Uhrzeit (Z-Bons). Diese bestanden aus getrennten Einzelberichten über die Solleinnahmen jeder Kasse, die durch Auszählen des Kasseninhalts mit dem Ist-Bestand verglichen wurden. Ferner wurde ein Bedienerbericht erstellt, in dem die aufaddierten Einnahmen getrennt nach den einzelnen Kellnern und dem Thekenbereich dargestellt wurden. Die Bedienerberichte dienten als Grundlage für die Abrechnung des Klägers mit den Kellnern. Diese gaben ihm aus ihren Brieftaschen den Kassensollbetrag gemäß ihrem jeweiligen Kellnerspeicher. Den Rest des Bargelds – ihre Trinkgelder - behielten sie. Die Einnahmen beider Kassen wurden schließlich auf einem Tagesendsummenbon zusammengefasst. Nach dessen Ausdruck war der Tagesspeicher gelöscht. Die vorgenannten Finanzberichte der Kassen wurden chronologisch in Heftstreifen für jeden Monat geordnet aufbewahrt. Die Kassenstreifen bewahrte der Kläger nicht auf.

Am jeweils nächsten Tag zeichnete der Kläger auf einem Datev-Vordruck "Kasse" die Kassenbewegungen des Vortrages auf. Ausgehend vom bereits eingetragenen Kassenbestand notierte er zunächst gemäß dem Z-Bon aus der vorvergangenen Nacht die Einnahme und trug dazu das Datum des Vortages ein. Anschließend zeichnete er alle nachfolgenden Ausgaben - für Wareneinkäufe oder Einzahlungen bei der Bank – des Vortages mit einem Stichwort auf. Die Eintragungen schlossen mit dem rechnerisch ermittelten neuen Kassenendbestand.

Der Kläger machte in den Jahren 2002 und 2003 insgesamt drei Urlaubsreisen, die in zwei Fällen 9 Tage und einmal 15 Tage dauerten. Die für 2004 geplante Urlaubsreise wurde krankheitsbedingt storniert. Während der Abwesenheit des Klägers in 2002 und 2003 hatte Herr M. die Verantwortung für die Kassen. Dieser rief abends die Finanzberichte ab, zählte die Kassen aus und rechnete mit den Kellnern ab. Tagsüber nahm er das Geld für Wareneinkäufe und Einzahlungen aus der Kasse. Die Belege – Finanzberichte, Einkaufsrechnungen und Einzahlungsquittungen bewahrte er chronologisch auf. Die Kassenaufzeichnungen nahm er nicht vor. Dies erledigte der Kläger nach seiner Rückkehr selbst. Er orientierte sich dabei an den von Herrn M. abgelegten Belegen.

Leer ließ der Kläger in den Kassenanschreibungen stets die Spalte für die Nummer des jeweiligen Gegenkontos und des Umsatzsteuerschlüssels. Diese Eintragungen wurden im Büro der steuerlichen Beraters – zunächst die Steuerberaterin A. und ab Mitte 2003 der Prozessbevollmächtigte – bei der monatlich erstellten Buchführung vorgenommen. Die danach vervollständigten täglichen Kassenanschreibungen wurden zusammen mit den Ausgabenbelegen vom Kläger fortlaufend in Ordnern abgelegt.

Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Der Beklagte folgte den Steuererklärungen zur Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit Ausnahme des Jahres 2002, für das der Vorbehalt beim Einkommensteuer- und beim Gewerbesteuermessbescheid aufgehoben wurde.

In 2005 begann der Beklagte beim Kläger mit einer Betriebsprüfung für die Streitjahre. Darin führte der Prüfer für das Jahr 2003 über das Verhältnis zwischen Wareneinsatz und Einnahmen wochenweise – Montag bis Sonntag - einen sog. Zeitreihenvergleich durch. Dabei ging er von den wöchentlichen Warenlieferungen gemäß den Einkaufsrechnungen aus und minderte diese jeweils um Eigenverbrauch, Warenverderb, Personalbeköstigung sowie Inventurwerte. Den Eigenverbrauch entnahm er den Pauschbeträgen nach der Richtsatzsammlung von zusammen 2.460 € pro Jahr, den der Kläger erklärt hatte. Wegen Warenverderb und Personalbeköstigung setzte er wöchentlich jeweils 25 € an. Außerdem legte er eine Warenbestandserhöhung von 1.391,98 € zugrunde. Dem so ermittelten wöchentlichen Wareneinsatz stellte er die wöchentlich aufgezeichneten Bruttoeinnahmen gegenüber. Aus der Differenz errechnete er auf Netto-Brutto-Basis den Rohgewinnaufschlag in € sowie den Rohgewinnaufschlag in % vom Wareneinsatz. Der letztgenannte Wert schwankte zwischen 1.755% in Woche 10 und 65% in Woche 26, der gewogene Aufschlag betrug 202%. Schließlich bildete der Prüfer einen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag jeweils für die letzten zehn Wochen. Der höchste Durchschnittswert ergab sich für den Zeitraum von der 10. bis zur 19. Woche mit 241% (= 194 % netto/netto). Der niedrigste Durchschnittswert ergab sich für die 26. bis 35. Woche mit 167% (144% netto/netto). Der Zeitreihenvergleich ist in einer Anlage zum BP-Bericht dargestellt. Der außerdem vom Prüfer vorgenommene Chi-Quadrat-Test führte zu keinen Auffälligkeiten.

Im Prüfungsbericht vom 3. März 2006 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Buchführung des Klägers nicht ordnungsgemäß sei. Zur Begründung führte er an, dass entgegen dem BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996 weder die mit den Registrierkassen erstellten Rechnungen noch die Kassenstreifen aufbewahrt worden seien. Außerdem beanstandete er, dass die vereinnahmten Trinkgelder nicht aufgezeichnet worden waren. Im Streitfall müsse eine Schätzung der Betriebseinnahmen vorgenommen werden. Dazu sei der Zeitreihenvergleich heranzuziehen und von den 194% Rohgewinnaufschlagsatz auszugehen. Es lägen keine nachvollziehbaren Begründungen für die Schwankungen der Rohgewinnaufschläge und die Abweichung von den 161% bei der Jahresverprobung vor. Zur Abgeltung verbleibender Unsicherheiten sei für den Prüfungszeitraum ein einheitlicher Rohgewinnaufschlag von 180% netto – der zweithöchste durchschnittliche Aufschlag - zu Grunde zu legen.

Dadurch ergaben sich insgesamt folgende Erhöhungen der Nettoeinnahmen:

2002 2003 2004
54.810,61 € 37.719,73 € 50.873,70 €

Daneben traf der Prüfer weitere Prüfungsfeststellungen (Tz. 9 bis 11 des Berichts), die im vorliegenden Verfahren nicht strittig sind. Wegen der Mehrgewinne bildete der Prüfer entsprechende Rückstellungen für Gewerbesteuer und Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO.

Der Beklagte änderte am 12. Mai 2006 die Bescheide über Einkommen- und Umsatzsteuer sowie am 30. Mai 2006 die über die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre entsprechend dem Prüfungsbericht. Dabei stützte er sich für 2002 bei der Einkommensteuer und dem Gewerbesteuermessbetrag auf § 173 Abs. 1 Satz 1 AO und im Übrigen auf § 164 Abs. 2 AO. Unter Berücksichtigung der von der Stadt erlassenen Gewerbesteuerbescheide ergab sich eine Nachforderung von rund 89.000 €, die bis heute von der Vollziehung ausgesetzt ist. Der Einspruch des Klägers wurde am 18. September 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der am 19. Oktober 2007 erhobenen Klage begehrt der Kläger, die Hinzuschätzungen der Einnahmen rückgängig zu machen. Er trägt vor:

Die Buchführung könne nicht verworfen werden. Sie sei formell und materiell ordnungsmäßig. Er, der Kläger, habe alle notwendigen Unterlagen aufbewahrt. Es liege keine verspätete Aufzeichnung vor. Die Verzögerung aufgrund der kurzen Urlaube könne nicht schädlich sein. Die von den Kellnern selbst vereinnahmten Trinkgelder seien ab 2002 steuerfrei und daher nicht aufzeichnungspflichtig. Er, der Kläger, habe keine Trinkgelder erhalten. Das sei im Verhältnis zwischen dem Gast und dem Chef eines Lokals nicht üblich. Der Zeitreihenvergleich sei bisher nur als Zuschätzungsmethode anerkannt, nicht aber dafür, eine formell ordnungsgemäße Buchführung zu verwerfen. Es sei am Beklagten, gegen die Buchführung weitergehende begründete Verdachtsmomente vorzutragen und nachzuweisen.

Der Zeitreihenvergleich werde vom Beklagten schematisch angewandt, ohne den Besonderheiten des Betriebs Rechnung zu tragen. Er sei mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet. Die vom Prüfer ermittelten Höchstwerte hätten ihre Ursache alle in einmaligen saisonalen Besonderheiten, die nicht repräsentativ für die übrigen Zeiträume seien, wie etwa in 2003 in der Karnevalszeit. Höhere Preise würden über Karneval nicht verlangt. Es sei unmöglich, über ein gesamtes Jahr im Bereich Umsatz und Wareneinsatz ein gleich bleibendes Niveau zu halten, jedenfalls nicht bei einem Betrieb in der hier vorliegenden Größenordnung.

Bei der Hinzuschätzung gehe der Prüfer von fiktiven und nicht realisierten Beträgen aus. Die Schätzung bedeute, dass er, der Kläger, im Prüfungszeitraum täglich etwa 130 € - was 118 Gläser bzw. 24 Liter Kölsch entspreche - nicht erfasse. Dies sei nicht nachvollziehbar. Für ihn, den Kläger, gehe es um die wirtschaftliche Existenz.

Der Kläger beantragt Änderung der Bescheide dergestalt, dass die Zuschätzungen entfallen und die Rückstellungen für Gewerbesteuer und Zinsen nach § 233a AO entsprechend aufgelöst werden, hilfsweise Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er trägt vor:

Trotz der aufbewahrten Tagesendsummenbons sei die Buchführung nicht ordnungsgemäß, weil weder die Registrierkassenstreifen noch die mit Hilfe der Kasse erstellten Rechnungen aufbewahrt worden seien. Dass dies technisch möglich sei, werde durch die aktuellen Belege bewiesen. Die vom Steuerpflichtigen vereinnahmten Trinkgelder seien als steuerpflichtige Einnahmen ebenfalls zwingend aufzuzeichnen gewesen. Nach der Lebenserfahrung müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger selbst Trinkgelder empfangen habe.

Die Umsatzverprobung mit dem vom Prüfer durchgeführten Zeitreihenvergleich sei korrekt. Da darin ausschließlich betriebsinterne Daten verwendet worden seien, berücksichtige der Vergleich grundsätzlich die betrieblichen Besonderheiten. Der Zeitreihenvergleich unterscheide sich von einer Ausbeutekalkulation, so dass diverse vom Kläger vorgetragene Einwendungen ins Leere liefen.

Die Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlags von 194% in der Zeit vom 3. März bis 11. Mai 2003 sei nicht zu beanstanden. Eine saisonale Besonderheit aufgrund der Karnevalszeit liege nicht vor, da diese am 5. März – Aschermittwoch – geendet habe. Daran ändere es auch nichts, dass der Rohgewinnaufschlag in der 9. Kalenderwoche 111 % und in der 10. Kalenderwoche 1.750 % betrage. Der letztgenannte Rohgewinnaufschlag könne nur durch einen sehr geringen und nicht durch einen sehr hohen Wareneinsatz erzielt werden. Die in den Karnevalswochen (9. und 10. Woche) erzielten Umsätze lägen im Durchschnitt (13.471 €) nur leicht über dem durchschnittlichen Warenumsatz des Jahres 2003 (12.322 €). Auch deshalb könne eine saisonale Besonderheit ausgeschlossen werden. Der durchschnittliche Rohgewinnaufschlag für die ersten 10 Wochen des Jahres 2003 liege bei nur etwa 170 %. Größere Veranstaltungen mit höheren, nicht repräsentativen Rohgewinnaufschlägen könnten nicht pauschal, sondern nur bei substanziiertem und nachgewiesenem Vortrag berücksichtigt werden.

Mit der Rechtsprechung des FG Münster sei davon auszugehen, dass bei nicht aufgeklärten unterjährigen Schwankungen des Rohgewinnaufschlages der höchste Aufschlag auf den ganzen Prüfungszeitraum zu übertragen sei. Da er, der Beklagte, anstelle der eigentlich gebotenen 194% lediglich 180% angesetzt habe, komme eine weitere Reduzierung nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Senat ändert die Bescheide über Umsatz- und Einkommensteuer sowie Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre nach § 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO entsprechend dem Klageantrag ab.

Die angefochtenen Verwaltungsakte sind insoweit rechtswidrig und der Kläger ist dadurch in seinen Rechten verletzt, dass bei der Festsetzung der Steuern und Steuermessbeträge außer den vom Kläger erklärten Besteuerungsgrundlagen die aus dem Tenor ersichtlichen Hinzuschätzungen erfasst worden sind. Um diese Beträge mindert der Senat die Umsätze, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Gewerbeerträge. Bei der Änderung der Einkommen- und Gewerbesteuermessbescheide löst der Senat die gemäß Tz. 12 des Prüfungsberichts gebildeten Rückstellungen wegen Zinsen nach § 233a AO und nachzuzahlender Gewerbesteuer für die Streitjahre in dem Umfang auf, der auf die Hinzuschätzungen entfällt und erhöht die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie die Gewerbeerträge entsprechend. Die Berechnung der danach festzusetzenden Steuer- und Steuermessbeträge wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Die strittigen Hinzuschätzungen sind rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht vorliegen.

Rechtsgrundlage für die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist § 162 AO. Er regelt die Befugnisse des Beklagten, im Verfahren der Festsetzung der Umsatz- und Einkommensteuer des Klägers die Höhe der Umsätze und der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu ermitteln, die er aus dem Verkauf von Speisen und Getränken in seiner Gaststätte erzielt hat. Die Vorschrift ist sinngemäß anzuwenden, soweit es die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge und die Ermittlung des Gewerbeertrags durch den Beklagten angeht (§ 184 Abs. 1 Satz 3 AO). § 162 AO gilt aufgrund der Verweisung in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO schließlich sinngemäß für die Überzeugung, nach welcher der Senat über das Klagebegehren zu entscheiden hat.

Von den in § 162 AO geregelten einzelnen Fällen für die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist im Streitfall keine erfüllt.

Nach dem vom Beklagten herangezogenen § 162 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 zugrunde gelegt werden. Diese Konstellation liegt nicht vor. Aus § 158 AO folgt vielmehr, dass die Buchführung und die Aufzeichnungen des Klägers der Besteuerung zugrunde zu legen sind.

I. § 158 AO verlangt, dass die Buchführung und die Aufzeichnungen des Klägers den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen. An dieses positive Tatbestandsmerkmal der so genannten formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung (BFH-Beschluss vom 20. September 1999 X B 56/99, BFH/NV 2000, 304) knüpft § 158 AO die gesetzliche Vermutung, dass das Buchführungsergebnis sachlich richtig sei. Für die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend. Eine Buchführung kann trotz einzelner Mängel nach den §§ 140 bis 148 AO aufgrund der Gesamtwertung als formell ordnungsmäßig erscheinen. Insoweit kommt der unterschiedlichen sachlichen Gewichtung der Mängel ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. schon BFH-Urteile vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BStBl II 1973, 555; vom 7. Juli 1977 IV R 205/72, BStBl II 1978, 307 und vom 17. November 1981 VIII R 174, 77, BStBl II 1982, 430 sowie Beschluss vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484; Seer in Tipke/Kruse, § 158 AO Rn. 13). Bei der danach vorzunehmenden Gesamtwertung ist die Buchführung des Klägers als formell ordnungsmäßig anzusehen.

Der Kläger erzielt mit seiner Gaststätte durch den Verkauf von Speisen und Getränken ganz überwiegend Einnahmen aufgrund einer Vielzahl von mündlich geschlossenen Einzelverkäufen an Gäste, die ihm der Person nach nicht bekannt sind, die im Regelfall keine Rechnungen verlangen und die mit Bargeld bezahlen. Bei Betrieben dieser Art ist es für die zutreffende Besteuerung von ganz besonderer Bedeutung, dass die Buchungen und die Aufzeichnungen vollständig vorgenommen werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Das hat der Kläger durch die laufende Buchung der Einnahmen in den Registrierkassen und die vom ihm gefertigten Kassenanschreibungen getan. Die vom Beklagten erhobenen Einwendungen bleiben ohne Erfolg.

1. Dass in den Registrierkassen die von Gästen gezahlten Trinkgelder nicht erfasst worden sind, steht der Vollständigkeit der Buchungen nicht entgegen. Die Trinkgelder sind für die Besteuerung des Klägers nicht von Bedeutung. Seine Einnahme ist der Geldbetrag, den der Kellner am Tisch für die Speisen und Getränke bei der Abrechnung als Entgelt verlangt. Zu dieser Zahlung sind die Gäste aufgrund des mündlich geschlossenen Bewirtungsvertrages verpflichtet. Wenn ein Gast diesen Betrag um ein Trinkgeld aufrundet, handelt es sich insoweit um eine freiwillige Leistung an den Kellner selbst, mit welcher der Gast die persönliche Bedienung honoriert. Dieses Trinkgeld steht allein dem Kellner zu. Nach den Vereinbarungen mit dem Kläger haben die Kellner bei der internen Abrechnung zu Geschäftsschluss nur die in die Kasse gebuchten Entgelte abzuliefern. Der Kläger hat mit Recht geltend gemacht, dass ihm nicht bekannt sei, wer seiner Kellner wie viel Trinkgeld bekomme.

Eine Aufzeichnungspflicht für die Trinkgelder ergibt sich für den Kläger nicht unter lohnsteuerrechtlichen Gesichtspunkten. Trinkgelder gehören nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG als - von Dritten gezahlter - Arbeitslohn bei einem Kellner zu dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BStBl II 1999, 323). Nach § 3 Nr. 51 EStG in der seit 2002 geltenden Fassung (Fassung durch das Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern vom 8. August 2002, BGBl I 2002, 3111) sind Trinkgelder ohne betragsmäßige Begrenzung steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist.

Dass außer den Kellnern der Kläger selbst in den Streitjahren Trinkgelder – jedenfalls in nennenswerter Höhe – erhalten hat, konnte der Senat nicht feststellen. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass in Gaststätten der mitarbeitende Chef mit Trinkgeld bedacht wird. Da ihm die ganzen Einnahmen zufließen, in denen der so genannte kalkulatorische Unternehmerlohn enthalten ist, besteht für die Gäste kein Grund, dem Chef Trinkgeld zu geben. Selbst wenn das in Einzelfällen - aus welchen Gründen auch immer – einmal geschehen sein sollte, fehlt es jedenfalls an einer quantifizierbaren Größenordnung.

2. Der Buchführung kann die formelle Ordnungsmäßigkeit nicht unter Hinweis auf das Gebot des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO, dass Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festgehalten werden sollen, abgesprochen werden.

Nach der Rechtsprechung ist allerdings bei der täglichen Aufzeichnung der Kasseneinnahmen ein strenger Maßstab anzulegen. Die Eintragungen sind spätestens am nächsten Geschäftstag vorzunehmen, wenn zwingende Gründe einer Buchung am selben Tage entgegenstehen und aus den Buchungsunterlagen die Entwicklung des sollmäßigen Kassenbestandes entnommen werden kann (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BStBl II 1975, 96 und Beschluss vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667). Sinn des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO ist es, einem Buchsachverständigen jederzeit zu ermöglichen, den Soll-Bestand nach dem Kassenbuch mit den Ist-Bestand der Geschäftskasse zu vergleichen (so genannte Kassensturzfähigkeit).

Diesem Erfordernis ist der Kläger im Ergebnis nachgekommen. Die Gaststätte hatte in den drei Streitjahren täglich geöffnet. Von den insgesamt 1.096 Tagen ist der Kläger lediglich an insgesamt 33 Tagen urlaubsbedingt abwesend gewesen. Das entspricht einem Anteil von 3%. Für die übrigen 97% der Öffnungstage hat der Kläger die vorgenannten strengen Anforderungen erfüllt. Da der Geschäftsbetrieb in der Nacht endete, konnte der Kläger ohne Beanstandung die Aufzeichnungen am nächsten Morgen führen. Die Kassensturzfähigkeit war gewährleistet, da der Kläger den Anfangsbestand bereits notiert hatte, die Einnahmen aus dem Z-Bon hervorgingen und Ausgaben aus der Kasse nur gegen Beleg vorgenommen wurden.

Die abweichende Aufzeichnungspraxis während der kurzen Urlaube des Klägers hält der Senat für mit § 146 Abs. 1 Satz 2 AO vereinbar. Betroffen sind davon nur die Jahre 2002 und 2003. Auch während der dort durchgeführten Urlaube wurden die Kasseneinnahmen durch die Registrierkassen und die Z-Bons täglich aufgezeichnet. Lediglich die Kassenausgaben sind in dieser Zeit nicht täglich festgehalten worden. 47

Im Streitfall geht nicht um eine generelle Aufhebung des Prinzips der täglichen Verbuchung. In dem vom Beklagten zitierten Beschluss des Sächsischen FG (vom 4. April 2008 5 V 1035/07, bei juris) hatte der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungspflichten durchgehend verletzt. So liegt es beim Kläger unstreitig nicht. Die Pflicht zur täglichen Auszeichnung der Kassenvorgänge aus § 146 Abs. 1 Satz 2 AO muss für einen Steuerpflichtigen praktikabel sein. Es geht nicht an, dass er seinen Betrieb schließen muss, wenn er einmal jährlich für zwei Wochen Urlaub machen möchte. Der Kläger kann ferner nicht gezwungen werden, während der Urlaubszeit die täglichen Kassenaufzeichnungen einer anderen Person zu überlassen, die damit sonst nicht befasst ist. Denn es ist sein Recht als Betriebsinhaber, die Kassenaufzeichnungen durchgehend selbst zu führen. Nach dem BFH-Urteil vom 21. Februar 1990 (X R 54/87, BFH/NV 1990, 683) folgt aus dem Erfordernis der Zeitnähe sogar, dass der Steuerpflichtige das Kassenbuch selbst führen muss. Da der Stellvertreter des Klägers die angefallenen Ausgaben sämtlich durch Belege dokumentiert und diese chronologisch abgelegt hat, war für die Zeit der Abwesenheit des Klägers – wenn auch mit etwas mehr Aufwand – die Kassensturzfähigkeit durchgehend gewährleistet. Da § 146 Abs. 1 Satz 2 AO eine Sollvorschrift darstellt, lässt sich der Sonderfall der kurzfristigen Urlaubsabwesenheit mit dem Gesetz vereinbaren.

3. Die fehlende Aufbewahrung der Bewirtungsrechnungen ist ein Verstoß gegen § 147 Abs. 1 Nr. 3 AO, welcher der Buchführung nicht die formelle Ordnungsmäßigkeit im Sinne des § 158 AO nimmt.

§ 147 Abs. 1 Nr. 3 AO schreibt vor, dass Wiedergaben von abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefen aufzubewahren sind. Dazu gehören die Rechnungen, die der Kläger für seine Kundschaft ausgestellt hat. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG setzt der Betriebsausgabenabzug bei Aufwendungen für Bewirtung in einer Gaststätte unter anderen voraus, dass die Rechnung über die Bewirtung beigefügt wird. Das für den Betriebsausgabenabzug zuständige Finanzamt muss die Möglichkeit haben, durch eine Kontrollmitteilung an das für die Gaststätte zuständige Finanzamt die Überprüfung zu veranlassen, ob der Betrag dort als Einnahme versteuert wurde. Das gilt erst recht, wenn der Betriebsausgabenabzug außerdem davon abhängt, dass die Rechnung maschinell erstellt und registriert wurde (vgl. schon R 21 Abs. 7 Satz 13 EStR 1993, jetzt R 4.10 Abs. 8 Satz 8 EStR 2005). Das BMF-Schreiben vom 9. Januar 1996 (BStBl I 1996, 34) für elektronische Registrierkassen ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, soweit es verlangt Bewirtungsrechnungen aufzuheben.

Wie bereits ausgeführt kann aber eine Buchführung trotz einzelner formeller Mängel nach den §§ 140 bis 148 AO aufgrund der Gesamtwertung formell ordnungsmäßig sein, wenn dem Mangel das sachliche Gewicht fehlt. So liegt es hier bei den Bewirtungsrechnungen. Der Beklagte hat kein Kontrollmaterial vorgelegt, dessen Verbuchung nicht geprüft werden konnte, weil der Kläger keine Kopien aufbewahrt hat. Der Kläger hat ferner darauf hingewiesen, dass es bei ihm der Ausnahmefall sei, wenn ein Gast eine Rechnung wolle. Es entspricht den Erfahrungen des Senats, dass die Kellner in Brauhäusern am Tisch nur mit ihren Notizzetteln kassieren. In den Fällen, in denen die Kasse von den Mitarbeitern nur als Rechenmaschine benutzt worden ist, besteht ohnehin keine Aufbewahrungspflicht, weil trotz des Kassenausdrucks keine Rechnung im Rechtssinn erteilt worden ist.

II. Der vom Beklagten durchgeführte Zeitreihenvergleich ist kein Anlass, im Sinne des § 158 AO die sachliche Richtigkeit der Buchführung des Klägers zu beanstanden.

1. In der Rechtsprechung ist der Zeitreihenvergleich bisher nur als Schätzungsmethode in Fällen angewendet worden, in denen die Buchführung nach § 158 AO aus anderen Gründen nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden konnte (FG Münster, Urteile vom 17. Februar 1999 10 K 3407/98, bei juris; vom 20. Oktober 1999 10 K 3902/98, bei juris; vom 19. Januar 2000 10 K 3901/98, bei juris; Beschluss vom 11. Februar 2000 9 V 5542/99, DStRE 2000, 549; vom 10. November 2003 6 V 4562/03, EFG 2004, 236 mit Anm. von Kerssenbrock, ZSteu 2008, 185; vom 13. April 2004 11 V 632/04, bei juris; FG Düsseldorf, Beschluss vom 6. September 2006 11 V 2919/06, n.v.). In zwei Entscheidungen des FG Düsseldorf (Beschluss vom 15. Februar 2007 16 V 4691/06, EFG 2007, 814 und Urteil vom 20. März 2008 16 K 4689/06, EFG 2008, 1256) deutet sich allerdings die Bereitschaft an, den Zeitreihenvergleich weitergehend einsetzen: "Der Zeitreihenvergleich als Methode des inneren Betriebsvergleichs … lässt kaum Raum für Zweifel daran, dass Erlöse und Wareneinsatz nicht zutreffend verbucht wurden."

In der Literatur wollen einige Stimmen den Zeitreihenvergleich auf die Funktion als Schätzungsmethode beschränken (van Meegen, Stbg 2003, 488 [491]; Krömker, AO-StB 2004, 184 [185]; Brinkmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 162 AO Rn. 138). Andere meinen, der Zeitreihenvergleich sei bedingt geeignet, eine formell ordnungsmäßige Buchführung zu erschüttern (Carlé in KÖSDI 2005, 14717 [14720] und Meyer, DStR 2005, 2114 [2116]; ähnlich Vogelsang, BP-Handbuch, 2008 I Rn. 14 ff. und 33 ff.) beziehungsweise halten es für möglich, dass der Steuerpflichtige selbst bei einer ordnungsgemäßen Buchführung einen Zeitreihenvergleich der Finanzbehörde widerlegen müsse und sich darauf schon während des laufenden Veranlagungszeitraums durch Zwischeninventuren, eigene Zeitreihenvergleiche oder gar simulierte Betriebsprüfungen vorbereiten solle (Högemann, INF 2000, 585 [589]; Bettker/Knorr, sj 2006, 29 [30 f.]; Brettmeier, MBP 2007, 67 und 86). Einige schließlich bejahen eindeutig die Möglichkeit, mit dem Zeitreihenvergleich die Vermutung nach § 158 AO zu entkräften (Huber, StBp 2002, 199 [205]; Moritz, LSW 2005, 277 [S. 8 und 12 f.]; Burkhard, StBp 2006, 61 [62]; Pfützenreuter, EFG 2007, 816; ausführlich Wiggen, StBp 2008, 168).

2. Im vorliegenden Fall ist die Vermutung aus § 158 AO nicht erschüttert. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BFH, dass die Vermutung durch einen inneren Betriebsvergleich mit einer so genannten qualifizierten Nachkalkulation widerlegt werden kann (Urteile vom 25. Juni 1970 IV 17/65, BStBl II 1970, 838; vom 22. August 1985 IV R 29 und 30/84, BFH/NV 1986, 719). An eine solche Nachkalkulation sind allerdings wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als an die Begründung einer Schätzung, die wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin durchgeführt werden muss. Es muss der Nachweis erbracht werden, dass das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann. Ohne einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit würde der Zweck des § 158 AO konterkariert (Carlé in KÖSDI 2005, 14717 [14718]).

Richtig ist, dass der Zeitreihenvergleich einen inneren Betriebsvergleich darstellt, mit dem Umsatz und Gewinn eines Betriebs nachkalkuliert werden können (FG Münster, Beschluss vom 19. August 2004 8 V 3055/04, EFG 2004, 1810 mit zustimmender Anmerkung von Büchter-Hole, EFG 2004, 1812). Im Streitfall kann aber nicht davon gesprochen werden, dass nach dem Ergebnis des Zeitreihenvergleichs die Buchführung des Klägers schlechterdings nicht zutreffen kann.

Der Beklagte sieht mit dem Zeitreihenvergleich als festgestellt an, dass die Rohgewinnaufschlagsätze im Betrieb des Klägers ohne nachvollziehbaren Grund erheblich schwanken, der höchste durchschnittliche Rohaufschlagsatz für einen Zeitraum von 10 Wochen 241 % netto/brutto bzw. 194% netto/netto betrage und angesichts dessen der aus dem Jahresabschluss für 2003 folgende Rohgewinnaufschlagsatz von 161 % unrichtig sei. Dem kann der Senat nicht folgen.

3. Entgegen der Darstellung des Beklagten trifft es nicht zu, dass das Ergebnis des Zeitreihenvergleichs nur aufgrund der betriebsinternen Daten des Klägers gewonnen worden ist. Betriebsinterne Daten sind nur die Aufwendungen für den Wareneinkauf und die Erlöse in einer bestimmten Zeitperiode, wie hier die Kalenderwoche. Zur Berechnung der Rohgewinnaufschläge wird aber der Wareneinsatz benötigt, also der Aufwand für speziell diejenigen Waren, die in der betreffenden Periode tatsächlich veräußert bzw. verbraucht worden sind. Er ist nicht identisch mit dem Wareneinkauf. Zu Abweichungen kommt es, wenn Waren veräußert oder verbraucht werden, die in einer früheren Zeitperiode zu anderen Preisen eingekauft und zwischenzeitlich gelagert wurden. Zu den Warenbeständen gibt es in der Regel keine betriebsinternen Daten des Steuerpflichtigen. Dieser ist nicht verpflichtet, solche aufzuzeichnen. Aufzeichnen muss er lediglich den Wareneingang (§ 143 AO). Den Warenbestand hat er nur für den jährlichen Bilanzstichtag ausgehend von einer Inventur zu ermitteln, wobei verschiedene Wahlrechte bestehen. Nach §§ 240 Abs. 4, 256 Satz 2 HGB können gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden. Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann nach § 256 Satz 1 HGB für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, dass die zuerst oder dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind (vgl. auch § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG). Lediglich bei der so genannten permanenten Inventur (§ 241 Abs. 2 HGB) wird der buchmäßige Warenbestand des Lagers durch ein Warenwirtschaftssystem ständig fortgeschrieben. Es besteht aber keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, dieses aufwändige Verfahren anzuwenden.

4. Da keine konkreten Angaben des Steuerpflichtigen vorliegen, stellt die Ermittlung des wöchentlichen Wareneinsatzes durch den Beklagten im Ergebnis eine Schätzung dar. Denn er geht davon aus, dass der Kläger seine Waren durchgehend erst vollständig verbraucht, bis er neue Waren einkauft und damit also streng das so genannte fifo-Verfahren anwendet (first in – first out).

Diese Annahme ist insbesondere für die 9. und 10. Kalenderwoche des Jahres 2003, also von Montag, 24. Februar bis Sonntag, 2. März und von Montag, 3. März bis Sonntag, 9. März nicht haltbar. In diesem Zeitraum fand der Karneval statt. Am Donnerstag, dem 27. Februar 2003 war Weiberfastnacht, am Montag, dem 3. März 2003 war Rosenmontag. An beiden Tagen erzielte der Kläger hohe Einnahmen (4.431 € bzw. 4.004 € brutto). Die Wocheneinnahmen waren in etwa gleich hoch (13.688 € bzw. 13.255 € brutto). Im Zeitreihenvergleich hat der Beklagte für die 9. Kalenderwoche einen Rohgewinnaufschlagsatz von rund 111% und für die 10. Kalenderwoche von rund 1.755 % (jeweils netto/brutto) berechnet. Dieser Sprung beruht darauf, dass der Wareneinkauf in der 9. Kalenderwoche mit 6.613,68 € netto erheblich höher war als der in der 10. Kalenderwoche mit 837,74 € netto. Gleichwohl hat der Beklagte unterstellt, dass der Kläger die Waren aus der 9. Kalenderwoche bis Sonntag, den 2. März vollständig verbrauchte, so dass nichts davon mehr in der 10. Kalenderwoche eingesetzt worden ist. Tatsächlich hat der Kläger in der 9. Kalenderwoche bereits einen Vorrat für die 10. Kalenderwoche gekauft, um für die Zeit bis Aschermittwoch ausgerüstet zu sein. Aus der Buchführung ergibt sich, dass der Kläger am 25. Februar und am 1. März zusammen 2.500 Liter Kölsch für 4.425 € gekauft hat, während in der 10. Kalenderwoche kein Kölsch bezogen wurde.

Eine Schätzung des Beklagten ist ferner die Behandlung der im Kalenderjahr 2003 zu verzeichnenden Warenbestandserhöhung um 1.391,98 € (4.839,56 € zum 1. Januar und 6.231,54 € zum 31. Dezember). Fest steht nur, dass sie den Wareneinsatz im Kalenderjahr gemindert hat. Es gibt keine betriebsinternen Daten dazu, wie der Vorrat in zeitlicher Hinsicht im Einzelnen zustande gekommen ist. Es ist nicht auszuschließen, dass der Vorrat gerade in den Wochen mit den geringsten Rohgewinnaufschlägen gebildet und in den zehn Wochen mit dem durchschnittlich höchsten Rohgewinnaufschlag dagegen die eingekaufte Ware vollständig verkauft wurde. Die gleichmäßige Verteilung auf 52 Kalenderwochen mit je 26,77 € ist nur eine Annahme des Beklagten, die den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag in allen Wochen zum Nachteil des Klägers erhöht.

Das Gleiche gilt für Eigenverbrauch, Personalbeköstigung und Warenverderb. Es mag zutreffen, dass die Jahreswerte auf den eigenen Angaben des Klägers beziehungsweise auf den Pauschbeträgen der Finanzverwaltung für unentgeltliche Wertabgaben (vgl. Richtsatzsammlung 2003, BStBl I 2004, 487) beruhen. Das schließt aber nicht aus, dass gerade in den zehn Wochen mit dem durchschnittlich höchsten Rohgewinnaufschlag der Wareneinsatz überhaupt nicht um Eigenverbrauch, Personalbeköstigung und Warenverderb gemindert worden ist. Betriebsinterne Daten dazu liegen nicht vor und brauchten vom Kläger nicht erhoben zu werden.

5. Das vorstehende Problem der Schätzung des Wareneinsatzes durch den Beklagten wird dadurch, dass der Beklagte im Zeitreihenvergleich für die Rohgewinnaufschläge Durchschnittswerte für jeweils zehn Wochen gebildet hat, nicht vollständig ausgeräumt. Das zeigt gerade der vom Beklagten berechnete höchste durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz von 241% (netto/brutto) deutlich. Dies ist der gewogene Durchschnitt aus den Rohgewinnaufschlägen der Wochen 10 bis 19. In diesen Durchschnitt ist der nachweislich unzutreffende Wert der Woche 10 (1.755 % Rohgewinnaufschlagsatz) eingeflossen; der Fehler wirkt zum Nachteil des Klägers fort. Gleichgültig, ob man diesen Wert - wie vom Prüfer des Finanzgerichts im Erörterungstermin vorgeschlagen - "glättet", in dem 2.700 € Wareneinkauf von der 9. in die 10. Kalenderwoche übertragen werden, oder ob man alle durchschnittlichen Rohgewinnaufschläge, in denen der "Ausreißer" für die 10. Kalenderwoche enthalten ist, außer Betrag lässt: In beiden Fällen läge der höchste durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz über 10 Wochen deutlich unter den vom Beklagten berechneten 194 % (netto/netto). Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der Beklagte für die Schätzung einen geringeren Rohgewinnaufschlagsatz von 180% angesetzt hat. Denn ein noch deutlich niedrigerer durchschnittlicher Aufschlag als die 194 % ergäbe sich zwangsläufig, wenn man die anteiligen Werte für Eigenverbrauch, Personalbeköstigung, Warenverderb sowie die Bestandsveränderung beim Zeitreihenvergleich insgesamt wegließe.

6. Der Senat sieht davon ab, den Zeitreihenvergleich des Beklagten zu berichtigen. Es ist durchaus möglich, dass eine neue Berechnung für das Jahr 2003 an anderer Stelle einen Zeitraum von 10 Wochen aufzeigen würde, in dem der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz über den 161 % lt. Jahresabschluss liegt und der Kläger diese Abweichung nicht erklären kann. Das wäre jedenfalls bei einer – wie hier - ordnungsgemäßen Buchführung trotzdem kein Grund, der eine Hinzuschätzung durch den Beklagten rechtfertigen würde. Denn der Steuerpflichtige ist nur verpflichtet, seine im Kalenderjahr tatsächlich erzielten Einnahmen korrekt zu ermitteln. Er muss hingegen nicht rechtfertigen, warum die Einnahmen - insgesamt oder in einzelnen Zeitabschnitten des Jahres - nicht höher gewesen sind.

III. Im Fall des § 158 AO trifft die Finanzbehörde die Feststellungslast dafür, dass das Buchführungsergebnis sachlich unrichtig ist (BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 129/85, BStBl II 1992, 55 und vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51). Der Steuergläubiger hat im Allgemeinen die objektive Feststellungslast für Tatsachen, die den Steueranspruch begründen oder ihn – wie hier bei einer Schätzung - erhöhen. Nach § 96 Abs.1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen "Überzeugung". Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Buchführungsergebnisses können deshalb nicht ausreichen. Die Unrichtigkeit muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Das ist nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu, weil die Frage des Beweiswerts eines Zeitreihenvergleichs grundsätzliche Bedeutung hat.

RechtsgebietAOVorschriftenAO § 158 AO § 146 AO § 147 AO § 162

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