Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

21.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132631

Oberlandesgericht München: Urteil vom 21.06.2013 – 14 U 579/13

Bei Insolvenz des Vermieters und einem viele Jahre zuvor geschlossenen Altmietvertrag begründen weder die Gebrauchsgewährung gegen eine deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Kaltmiete noch die in der Vergangenheit unterbliebene, rechtlich zulässige Mieterhöhung als solche eine nach §§ 129, 134 InsO anfechtbare, (teilweise) unentgeltliche Leistung.


OLG München
21.06.2013

14 U 579/13

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...

gegen

...

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...

wegen Anfechtung

erteilt das Oberlandesgericht München - 14. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 21.06.2013 folgenden

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 23.01.2013, Az. 11 O 1483/12, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

I. Der Kläger verlangt als Nachlassinsolvenzverwalter auf der Grundlage insolvenzrechtlicher Anfechtung Zahlung von der Beklagten, die seit dem 1.7.2001 Mieterin der zum Nachlass gehörenden Wohnung S.str. 21 in L. ist. Er macht geltend, es liege eine nach §§ 129 Abs. 1, 134 InsO anfechtbare, weil teilweise unentgeltliche Gebrauchsüberlassung der Wohnung vor, da die Beklagte mit 4,62 € pro m2 eine deutlich unter der ortsüblichen Vergleichskaltmiete von 6,80 € bis 7,50 € liegende Kaltmiete bezahle und begehrt für die letzten vier Jahre vor Stellung des Insolvenzantrags Zahlung des Differenzbetrages. Dabei geht er von einer Wohnfläche von 72,48 m2 aus. Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

Das Landgericht Kempten hat eine Leistung i.S.v. § 134 InsO mangels bewusster Willensbetätigung i.S. einer subjektiven Entscheidung des Erblassers, von einer Mieterhöhung abzusehen, verneint und die Klage auf dieser Grundlage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers mit den Anträgen.

1.

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kempten vom 23.01.2013 (Az.: 11 O 1483/12) wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.233,28 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 27.12.2010 zu bezahlen.
2.

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kempten vom 23.01.2013 (Az.: 11 O 1483/12) wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 775,64 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 29.06.2012 zu bezahlen.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die teilunentgeltliche Leistung des Insolvenzschuldners darin bestand, der Beklagten die streitgegenständliche Wohnung Monat für Monat bei unveränderter Miete zu überlassen. Auf die Berufungsbegründung vom 4.4.2013 und das erstinstanzliche Vorbringen wird verwiesen.

Die Beklagte teilt hingegen die Auffassung des Ausgangsgerichts, dass es an der erforderlichen bewussten Willensbetätigung des Erblassers im Sinne einer subjektiven Entscheidung, von einer Mieterhöhung abzusehen, fehle. Außerdem weist die Wohnung ihrer Auffassung nach nur eine Wohnfläche von 54,48 m2 auf, da der mitvermietete Bodenraum nicht in die Wohnfläche eingerechnet werden dürfe.

Sie beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Auf die Berufungserwiderung vom 6.5.2013 und das erstinstanzliche Vorbringen wird verwiesen.

II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs im angefochtenen Urteil ist frei von Rechtsfehlern. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspricht keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse und ist auch nicht wegen der Bedeutung der Rechtsverfolgung für den Berufungsführer erforderlich.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Ausgangsgericht hat rechtsfehlerfrei eine teilunentgeltliche Leistung i.S.v. § 134 InsO abgelehnt.

1. So fehlt es, wie das Landgericht Kempten zutreffend angenommen hat, bereits am Nachweis der Voraussetzungen einer Leistung i.S.v. § 134 InsO.

a) Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Begriff der Leistung in § 134 InsO weit auszulegen ist (vgl. nur MünchKommInsO/Kirchhof, 2. Aufl. 2008, § 134 Rz. 5 ff. m.w.Nachw.) und auch eine Gebrauchsüberlassung als Leistung in Betracht kommt (s. nur MünchKommInsO/Kirchhof, 2. Aufl. 2008, §134 Rz. 9 m.w.Nachw.).

b) Jedoch behauptet auch der Kläger nicht, dass bereits die Überlassung der Wohnung im Jahre 2001 auf der Grundlage des damals mit dem Erblasser wirksam abgeschlossenen Mietvertrages eine unentgeltliche Leistung darstellte. Die Beklagte war damit in den Besitz der Wohnung gelangt und der Erblasser aufgrund des wirksamen Mietvertrages gehindert, eine Herausgabe zu verlangen, geschweige denn durchzusetzen. Erforderte mithin die nach einmaliger (in casu als solcher nicht anfechtbaren) Gebrauchsüberlassung weiterhin erfolgende tatsächliche Gebrauchsgewährung gar keine Handlung des Erblassers mehr und kann sie auch nicht als auf einem unterlassenen Herausgabeverlangen beruhend angesehen werden, weil ein solches Herausgabeverlangen rechtlich unbegründet gewesen wäre, so kommt als anfechtbare Leistung entgegen der Auffassung des Klägers nicht die tatsächliche Gebrauchsgewährung, sondern lediglich eine unterlassene Mieterhöhung in Betracht.

c) Unterlassungen sind aber nur dann Rechtshandlungen und als solche möglicherweise anfechtbar, wenn eine bewusste Willensbetätigung vorliegt, die eine rechtliche Wirkung auslöst (s. MünchKommInsO/Kirchhof, 2. Aufl. 2008, §129 Rz. 7 m.w.Nachw.). Dass der Erblasser von einer Erhöhung der Miete in einer solchen bewussten Willensbetätigung Abstand genommen hat, ist aber vom Kläger nicht dargetan. Denkbar ist damit ohne weiteres, dass eine Mieterhöhung schlicht faktisch unterblieb, beispielsweise weil der Erblasser mit anderen Dingen beschäftigt war und sich gar keine Gedanken über das Mietverhältnis machte.

2. Davon abgesehen hat die Berufung aber auch deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals der Unentgeltlichkeit nicht dargetan sind. Selbst wenn man unterstellen würde, der Erblasser hätte bewusst von einer Mieterhöhung Abstand genommen und wenn man weiter die vom Kläger behauptete Wohnfläche von 72,48 m2 zugrunde legt, so hätte sich damit das Mietverhältnis entgegen dem Vorbringen des Klägers gleichwohl keineswegs ohne weiteres in ein teilweise unentgeltliches Schuldverhältnis verwandelt.

a) Der Kläger stützt sich zur Begründung der teilweisen Unentgeltlichkeit auf die angeblich erhebliche Abweichung der tatsächlich vereinbarten Kaltmiete von der örtlichen Vergleichsmiete. Dabei ist es zwar zutreffend, dass es für die Frage der Entgeltlichkeit im Ansatz allein auf den objektiven Wert der ausgetauschten Leistungen ankommt (MünchKommInsO/Kirchhof, 2. Aufl. 2008, §134 Rz. 22).

b) Der Kläger verkennt jedoch, dass es ein marktübliches und marktgerechtes Phänomen darstellt, dass die Mietpreise bei Neuvermietungen je nach örtlichem Angebot und Nachfrage ganz erheblich über den Bestandsmieten liegen (vgl. nur die Pressemitteilung des deutschen Mieterbundes vom 22.5.2013, abrufbar am 18.6.2013 unter http://www.mieterbund.de/pressemitteilung.html?&no_cache=1&tx ttnews%5Btt_news%5D=20618&cHash=c5c1b46b013686d800f2e887ef1f92ff, wonach die Preisdifferenz zwischen Wiedervermietungsmieten und Mieten in bestehenden Mietverhältnissen beispielsweise in Konstanz 44 %, in Münster 40 %, in Regensburg 39 % und in Heidelberg 36 % beträgt). Die vertragliche Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung wird also in Bestandsverträgen typischerweise offenbar deutlich abweichend als bei Neuvermietungen beurteilt.

c) Ein Grund dafür mag in folgendem liegen: Auch wenn der Vermieter nach § 558 Abs. 1 BGB in bestimmten zeitlichen Grenzen die Zustimmung zu einer Mieterhöhung bis zur örtlichen Vergleichsmiete verlangen kann, so ist doch das Vertragsprinzip nicht aufgegeben, sondern steht dem Mieter nach § 561 Abs. 1 BGB ggf. ein Sonderkündigungsrecht zu, das er ggf. wahrnehmen wird, wenn ihm die erhöhte Miete zu teuer erscheint. Der Vermieter, der die Miete erhöht, muss also befürchten, seinen Mieter zu verlieren. Dass er dieses Risiko scheut, wird je nach Zuverlässigkeit und Solvenz des Mieters, aber auch mit Rücksicht auf die Mühen, die mit der Suche nach einem Nachmieter verbunden sind, vielfach durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein.

d) Stellt aber eine erhebliche preisliche Divergenz zwischen Bestandsmieten und Neuvermietungsmieten ein marktübliches und marktgerechtes Phänomen dar, so darf für die Frage der teilweisen Unentgeltlichkeit der Gebrauchsgewährung aufgrund unterlassener Mieterhöhung i.S.v. § 134 InsO nicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete abgestellt werden. Denn diese wird nach § 558 Abs. 2 BGB allein auf der Grundlage der Neuvermietungsmieten der vergangenen vier Jahre sowie der in diesem Zeitraum erfolgten Mieterhöhungen gebildet, ohne dass Mietpreise aus älteren Verträgen Eingang finden. Dass ein Mieter aus einem älteren Mietvertrag eine deutlich geringere Miete bezahlt, lässt folglich nicht den Schluss zu, dass er den Gebrauch der Wohnung teilweise unentgeltlich i.S. eines objektiven Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung genießt, solange nicht dargetan ist, dass er auch im Vergleich zu den Mietpreisen aus entsprechend datierten Altverträgen viel zu wenig bezahlt. Dass aber die Beklagte für die von ihr bewohnte Wohnung auch im Vergleich zu Mietern mit ähnlich datierten Altverträgen deutlich weniger Miete bezahlt, hat der Kläger nicht behauptet.

3. Auf die Frage, welche Wohnfläche die streitgegenständliche Wohnung aufwies, kommt es damit nicht mehr an. Der Begriff der Wohnfläche ist auslegungsbedürftig. Nach der Rspr. des BGH kommt einer Vereinbarung der Parteien darüber, welche Flächen in die Berechnung der Wohnfläche einzubeziehen sind, Vorrang zu (s. BGH NJW 2009, 3421 Rn. 10 [BGH 16.09.2009 - VIII ZR 275/08]). Vorliegend spricht der Umstand, dass der zwischen den Parteien in seiner Bewertung streitige Dachgeschossraum im Mietvertrag nicht unter der Rubrik "Zimmer" aufgelistet ist, sondern neben dem "Kellerraum" als "Bodenraum" bezeichnet wird (s. Anlage K 2), eher dafür, dass die Mietvertragsparteien seinerzeit keine Einbeziehung in die Wohnfläche beabsichtigten.

Der Kläger kann sich zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zustellung äußern.

Dabei sollte aus Kostengründen (Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 ) auch eine Rücknahme der Berufung geprüft werden.

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Richterin am Oberlandesgericht
Richterin am Oberlandesgericht

RechtsgebietInsOVorschriften§ 134 Abs. 1 InsO

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr