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· Insolvenzaufschub

Drei-Wochen-Frist für Insolvenzen gilt wieder ‒ Sanierungsgesetz macht Aufschub möglich

Bild: © m.mphoto - stock.adobe.com

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut

| Sehr früh schon (im März 2020) hatte sich die Bundesregierung in der Coronapandemie gegen eine drohende Pleitewelle von Unternehmen in Stellung gebracht. Doch der Insolvenzaufschub hatte auch negative Wirkungen: So wurde eine Marktbereinigung verhindert und die Zombifizierung weiter begünstigt. Dennoch: Das Mittel erschien probat, denn ohne Insolvenzaufschub wären ruhigstellende Maßnahmen (Lockdown, Schließung, Notbremse etc.) den betroffenen Unternehmen kaum zu vermitteln gewesen. Jetzt gilt wieder altes Recht ‒ fast! Wäre da nicht das neue Insolvenz- und Sanierungsgesetz, dass seit Jahresanfang neue Aufschuboptionen eröffnet. |

Rückschau: Insolvenzaufschubgesetz

In der noch andauernden Corona-Pandemie waren Unternehmen von der Insolvenzpflicht (Insolvenzaufschubgesetz) bislang befreit, wenn die

  • Umsatzeinbußen betroffener Unternehmen nachweislich „coronabedingt“ waren,
  • die Unternehmen entsprechende Anträge auf staatliche Unterstützung gestellt hatten,
  • eine Aussicht bestand, die beantragten Zuschüsse oder Hilfen zu erhalten.

 

Für einen staalich genehmigten Insolvenzaufschub spielte es zunächst keine Rolle, ob das Unternehmen nur überschuldet oder auch zahlungsunfähig war. Die Pflicht, eine Insolvenz weiterhin anzumelden, galt bis 30.09.2020 nur für Unternehmen, die nicht wegen der Corona-Pandemie in eine Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung geraten sind.

 

Erst ab 01.10.2020 wurden die Zügel etwas angezogen: Kam zur Überschuldung auch eine Zahlungsunfähigkeit hinzu, mussten sich die Unternehmen nunmehr doch insolvent melden. „Die Unternehmenskrise sei dann zu weit fortgeschritten, als dass die Unternehmen dann noch in der Lage wären, ihre laufenden Kosten und Verbindlichkeiten zu decken“, hieß es zur Begründung.

 

Deshalb ist seit Oktober 2020 auch die Zahl der Insolvenzen wieder sichtbar angestiegen.

Statistik: Anzahl der Insolvenzverfahren insgesamt in Deutschland von Februar 2020 bis Februar 2021 | Statista
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Alte Insolvenzmeldung gilt nun wieder

Seit Anfang Mai 2021 gilt nun wieder die alte Frist: Betroffene Unternehmen müssen innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen.

 

 

Beachten Sie | Mit der Insolvenzgeldumlage finanzieren Arbeitgeber gemeinsam das Insolvenzgeld. Rechtgrundlage ist § 358 SHB III. Mit dem Beschäftigungssicherungsgesetz wurde § 360 Sozialgesetzbuch (SGB) III dahingehend geändert, dass sich der Umlagesatz 2021 verdoppelt hat ‒ er liegt jetzt bei 0,12 Prozent liegt (2020 = 0,06 Prozent).

Der neue Rettungsanker ‒ nach EU-Richtlinie

Doch für das Wahlkampfjahr 2021 hat die Regierung neue Munition in der Bazooka, um das ganze Dilemma der Krise weiter hinauszuzögern. Ein neues Gesetz hat den Weg dafür geebnet.

 

Als zentrale Regierungsmaßnahme kam am 22.12.2020 mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) ein neuer Rettungsanker ins Spiel. Noch am 29.12.20 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist nun gültig. Damit wurde die seit 1999 bestehende Insolvenzordnung gründlich novelliert. Hintergrund ist die europäische Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023). Deren Inhalt ist es ‒ lapidar formuliert ‒, drohende Insolvenzen weiter in die Länge zu ziehen. Oder positiv ausgedrückt: Unternehmen sollen nicht von heute auf morgen insolvent gehen. Entweder sie nähern sich ganz langsam einer Insolvenz an oder sie schaffen es, mit Hilfe von Sanierungsinstrumenten schon im Vorfeld, ihr Geschäftsmodell tragfähig zu machen. Damit wird die Sanierung quasi vorverlegt ‒ ein bislang völlig unübliches Vorgehen. So genannte Restrukturierungsgerichte sollen den vorweggenommenen Sanierungsversuch dann rechtlich begleiten. Die Wirkung: Solche Sanierungsfälle werden in der Insolvenzstatistik erstmal nicht auffällig ‒ die Verfahren können sich nämlich lange hinziehen.

 

FAZIT | Zwar gilt jetzt wieder die Drei-Wochen-Frist für die Insolvenzanmeldung. Doch die Profi-Sanierer haben die Möglichkeiten des neuen Gesetzes längst durchschaut: Es eröffnet Möglichkeiten der Sanierung bereits vor der Insolvenz.

 

Es ist daher zu erwarten, dass sich angesichts dieser Fortentwicklung im Sanierungs- und Insolvenzrecht die Zahl der Insolvenzen in den nächsten Monaten stabilisiert. Die Bundesregierung wird das dann als Erfolg des entschlossenen Regierungshandelns deuten. De facto hat man ein anderes Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem die Zahl der Sanierungsfälle statistisch erstmal nicht auffällig wird.

 

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Neues Sanierungsgesetz ermöglicht Aufschub zur Restrukturierung „schon vor der Pleite“

 
Quelle: ID 47443064