· Digitalisierung
Gefühlter Stress im Homeoffice? Psychologe gibt Tipps für Arbeitgeber zur digitalen Organisation
| Digitale Technologien sind Fluch und Segen zugleich: Die Arbeitsabläufe haben sich durch Lockdown, Homeoffice, Videokonferenzen verändert. Was in der Pandemie erzwungen wird, um die Geschäftstätigkeit am Laufen zu halten, wirft eine Frage auf: Wie soll die Arbeitsverrichtung künftig organisiert werden? Digitale Technologien scheinen unverzichtbar geworden, doch fordern sie auch das psychische Wohlbefinden heraus. Prof. Dr. Daniel Thiemann, Psychologe der International School of Management (ISM), erklärt, warum Technostress entsteht und gibt Tipps für Arbeitgeber. |
Das heimische Ersatz-Büro ist oft nur ein Behelfsvehikel: Ecken im Wohnbereich wurden dafür auf die schnelle umgebaut ‒ und halbwegs praxistauglich gemacht. Das mobile Arbeiten ist möglich geworden. Ob diese Lösungen aber dauerhaft funtionieren, ist fraglich. Sie bedürfen ein Zutun der Unternehmensleitung.
Grundproblem: Es fehlt die Unternehmenskultur dahinter
Die große Herausforderung ist, dass flexible Arbeitsmodelle in den Unternehmen zuvor nicht erprobt wurden und nicht zur Unternehmenskultur gehörten. Das betrifft nicht nur Technik und Organisation, sondern auch die psychische Gesundheit der Mitarbeiter. Thiemann, der neue Formen der Zusammenarbeit in der Digitalisierung erforscht, sagt:
„Befunde zeigen negative Auswirkungen auf die Psyche, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Neben sozialer Vereinsamung und der organisatorischen Herausforderung ist eine wesentliche Komponente der sogenannte Technostress.“
Darunter versteht man die Formen von Stress, die direkt oder indirekt durch die Arbeit mit oder über digitale Technologien entstehen. Auslöser gibt es dafür viele. „Das können Funktionsstörungen der IT sein, aber auch Überforderung aufgrund der hohen Komplexität der verwendeten Technologien.
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Das Übermaß an digitaler Kommunikation gegenüber Face-to-Face-Interaktionen fällt vielen Mitarbeitern besonders schwer.
Neu ist das Phänomen Technostress dabei nicht. Bereits in den 1980er Jahren wurde der Begriff geprägt. Durch die Corona-Krise und die Zunahme der Arbeit über digitale Technologien nehmen die psychologischen Folgen zu und werden sichtbarer, sagt Thiemann.
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Körperlich
Psychisch
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Das Phänomen „Zoom-Fatigue“
Videokonferenzen sorgen für Erschöpfung und Müdigkeit ‒ eine neue Form des Technosstresses.
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In Zeiten zunehmender Digitalisierung steigt für viele Menschen die Frequenz, mit der sie an Video- und Webkonferenzen, Online-Meetings, Video-Chats oder Webinaren teilnehmen. Oft führt die Mediennutzung zu Müdigkeit und sogar zu Erschöpfung.
Zoom Fatigue ist eine Wortschöpfung aus zwei Teilen:
Quelle | T2informatik |
Die Bewältigung des Technostresses muss ‒ pandemiebedingt erzwungen ‒ derzeit jeder für sich „in den Griff bekommen“. Im Lockdown haben Arbeitgeber vielerorts andere Sorgen, als sich um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu kümmern.
Unterschätzen Sie nicht das gesunde Arbeitsumfeld
Die Unternehmensführung ist jetzt gefragt. „Zwar ist es grundsätzlich wichtig, Arbeitnehmern durch Schulungen Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Stressfaktoren mit auf den Weg zu geben. Noch besser ist es aber, als Unternehmen frühzeitig Voraussetzungen für eine gesunde digitale Zusammenarbeit zu schaffen“, so Thiemann.
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Zeiten ändern sich: Debatte um das Recht auf Homeoffice
Ein Aussitzen der Krise bis die Mitarbeitenden ins Büro zurückkehren, hält Thiemann für wenig aussichtsreich: „Die Corona-Krise und Debatten um das Recht auf Homeoffice zeigen, dass Unternehmen das Thema nicht als Ausnahmezustand begreifen sollten, nach dem ein ‚back to normal‘ folgt. Um zukünftig Schritt zu halten, für aktuelle Generationen von Arbeitnehmern attraktiv zu bleiben und gesunde Arbeit auch über digitale Technologien zu ermöglichen, ist es für Unternehmen wichtig, das Thema Homeoffice auch nach der Krise zu adressieren und Aspekten wie Technostress proaktiv zu begegnen.“
(JT)
Quellen:
International School of Management (ISM) / News aktuell