Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo

· Studien zur Arbeitszeit

Zahl der Überstunden nimmt seit 2009 ab ‒ zunehmend flexible Arbeitszeiten

| In Deutschland leisten Vollzeitbeschäftigte wöchentlich oft zwischen 3 und 5 Überstunden pro Woche ‒ bei einer durchschnittlich vereinbarten Arbeitszeit von 38,6 Stunden. Besonders betroffen: Berufskraftfahrer aber auch die Chefs und Abteilungsleiter. Auffällig: Die Arbeitgeber fordern nicht nur, sie gewähren auch zunehmend Handlungsspielräume für flexible Arbeitszeiten. Lesen Sie zwei interessante Studien zu Arbeitszeiten. |

Aktuelle Studie „Arbeitszeitmonitor 2019“

In ihrer gesamten Berufslaufbahn machen Fachkräfte 9.655 und Führungskräfte 15.390 Überstunden, so das Ergebnis des aktuellen Arbeitszeitmonitor 2019 der COP CompensationPartner GmbH, deren Geschäft im Betrieb von Vergütungsdatenbanken besteht. Das Unternehmen hat die geleisteten Überstunden von 215.403 Arbeitsverhältnissen (Fach- und Führungskräfte) analysiert.

 

Insgesamt leisten 54 Prozent aller Beschäftigten Überstunden ‒ im Durchschnitt rund 3 pro Woche. Frauen verrichten im Schnitt 2,2 und Männer 3,7 Überstunden.

 

Hochgerechnete Überstunden im gesamten Berufsleben

In ihrer gesamten Berufslaufbahn leisten Fachkräfte insgesamt 9.655 Überstunden. Ein Drittel davon bekommt diese nicht ausgeglichen. Sie arbeiten somit in ihrer Karriere über ein Jahr (13 Monate) umsonst. Führungskräfte kommen auf 15.390 zusätzliche Arbeitsstunden in ihrer Berufslaufbahn. Unter ihnen erhalten 74 Prozent keinen Ausgleich. Aufsummiert arbeiten sie insgesamt über eineinhalb Jahre (21 Monate) ohne Bezahlung.

 

Immer weniger Überstunden seit 2009

Beschäftigte in Deutschland leisteten im Krisenjahr 2009 im Schnitt 6,5 Überstunden wöchentlich. Seit 2010 sinkt die Anzahl kontinuierlich und beträgt heute 3,03. „Die angespannte Situation der Finanzkrise führte im Jahr 2009 zu deutlich mehr Überstunden als heute.“ Der anschließende Wirtschaftsboom lasse nun eher die Work-Life-Balance im Vordergrund stehen, so Tim Böger, Geschäftsführer von Compensation Partner.

 

Die Anzahl der durchschnittlichen Überstunden pro Woche sinkt seit 2009 kontinuierlich.
Bild: obs/PersonalMarkt Services GmbH

Die Berechnung der kumulierten Überstunden basiert auf 24 Stunden und einer 7-Tage-Woche. Runtergerechnet auf einen 8-Stunden-Arbeitstag sind es mehr Überstunden ohne Ausgleich.

 

Höhere Einkommen führen zu mehr Überstunden

In höheren Einkommensklassen steigt die Überstundenanzahl. Während Fachkräfte mit einem Jahresgehalt von bis zu 20.000 Euro 1,9 Überstunden pro Woche verrichten, arbeiten solche mit über 120.000 Euro durchschnittlich 6,8 Stunden zusätzlich. Führungskräfte mit über 120.000 Euro im Jahr kommen auf über 10 Stunden wöchentlich.

 

Auch das Alter hat eine Auswirkung: Berufseinsteiger unter 20 Jahren leisten 1,7 Überstunden pro Woche. Beschäftigte im Alter zwischen 30 und 39 Jahren kommen auf 3,1 Überstunden. Nach dem 60. Lebensjahr bleiben Arbeitnehmer wöchentlich rund 3,7 Stunden länger im Büro.

 

Unternehmensberater machen viele; Steuerberater wenige Überstunden

Die meisten Überstunden leisten Beschäftigte in der Unternehmensberatung (5,2 Überstunden pro Woche) ‒ und nur 20 Prozent erhalten dafür einen Ausgleich. Die wenigsten Überstunden verrichten Beschäftigte in der Steuerberatung, sie leisten hier im Schnitt 1,8 Stunden pro Woche zusätzlich.

BAuA-Studie zur Arbeitszeit

Insgesamt haben sich die vertraglich geregelten Arbeitszeiten seit 2015 kaum verändert. Das ergibt die BAuA-Studie vom November 2018. Im Jahr 2017 lagen die Arbeitszeiten für Vollzeitbeschäftigte bei 38,6 Stunden und für Teilzeitbeschäftigte bei 22,9 Stunden. Junge Beschäftigte sowie Beschäftigte mit einem niedrigen Bildungsniveau weisen die größte Bandbreite an vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten auf.

 

Überstunden

Überlange Arbeitszeiten sind für viele Beschäftigten ein Thema ‒ besonders betroffen sind die Chefs und Abteilungsleiter selbst. 21 Prozent der Vollzeitbeschäftigten arbeiten durchschnittlich 48 Stunden und mehr in der Woche. Mit durchschnittlich 43,4 Stunden liegt die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigten knapp 5 Stunden über der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Gleichzeitig macht mehr als die Hälfte der Befragten keine, beziehungsweise nur bis zu zwei Überstunden pro Woche.

 

Bild: Quelle: BAuA | Grafik: IWW Institut

 

Besonders betroffen seien Kraftfahrer sowie Sicherheits-, Schutz- und Überwachungsberufe. Die sehr langen, teils tarifvertraglich verankerten Arbeitszeiten in diesen Berufsgruppen ‒ teilweise von 60 Stunden pro Woche und mehr (tatsächliche Arbeitszeit) ‒ stufen die Studienautoren als „besorgniserregend“ ein. Wenige Überstunden finden sich dagegen bei Reinigungspersonal und erzieherischen Berufen. Auffällig war auch hier, dass vor allem „Vorgesetzte“ mehr Überstunden als Beschäftigte ohne Vorgesetztenfunktion machen.

 

w„Besonders risikobehaftet sind lange Arbeitszeiten, wenn sie mit weiteren arbeitszeitlichen Belastungen, wie z. B. Schicht-, Nacht- oder Wochenendarbeit kumulieren“, so die Autoren.

 

Als Grund für Überstunden gaben knapp 4 von 5 Befragten betriebliche Vorgaben und Gründe an oder berichteten, dass die Arbeit in der vorgesehenen Zeit nicht zu schaffen sei. Persönliche Gründe wurden seltener genannt.

 

Bild: Quelle: BAuA | Grafik: IWW Institut

 

Zudem hat die Diversität der Arbeitszeiten seit 2015 leicht zugenommen. Etwa ein Fünftel der Beschäftigten arbeitet regelmäßig zu atypischen Zeiten (vor 7 oder nach 19 Uhr). Auch berichten 43 Prozent der Beschäftigten, mindestens einmal im Monat auch am Wochenende zu arbeiten. Jeder siebte Befragte (14 Prozent) erfährt häufige Änderungen der Arbeitszeiten. Hier ist der Anteil zwar konstant geblieben, jedoch hat sich der Ankündigungszeitraum verkürzt: Ein Drittel der Betroffenen erfährt erst am Vortag von den Änderungen.

 

Die Arbeit zu atypischen Zeiten, wie etwa abends, nachts oder am Wochenende ist konstant geblieben. Im Dienstleistungsbereich lässt sich im Vergleich von 2015 zu 2017 ein leichter Anstieg von Sonntagsarbeit beobachten.

Flexibilität als „Anforderung“ und „Handlungsspielraum“

  • Flexibilität, die Unternehmen von Angestellten erwarten: So wird etwa jeder achte Beschäftigte wegen dienstlicher Belange häufig in der Freizeit kontaktiert. Der Anteil derjenigen, die erwarten kontaktiert zu werden, liegt aktuell bei 24 Prozent. Zunehmend sind hiervon auch Personen mit einfacheren Tätigkeiten betroffen.
  •  
  • Ursache der hohen Flexibilitätsanforderungen seien Auftragsschwankungen und Kundenwünsche, aber auch krankheitsbedingte Ausfälle von Beschäftigten. 14 Prozent der Beschäftigten sind daher häufig von Arbeitszeitänderungen aufgrund betrieblicher Erfordernisse betroffen. Es zeige sich, dass die Kurzfristigkeit, mit der die Befragten bei den Änderungen konfrontiert werden, zugenommen hat. Jeder Dritte erfährt erst am selben Tag von der Änderung.

 

  • Flexibilität, die Unternehmen ihren Angestellten gewähren: Die Handlungsspielräume zur eigenen Gestaltung der Arbeitszeit nehmen seit 2015 zu. So können Arbeitnehmer zunehmend Einfluss nehmen auf:
    • Arbeitsbeginn und -ende, Pausengestaltung
    • die Möglichkeit, ein paar Stunden oder Tage frei zu nehmen.

 

Bild: Quelle: BAuA | Grafik: IWW Institut

 

Diese Handlungsfreiräume stellen eine wichtige Ressource für die Beschäftigten dar. Während Männer und junge Beschäftigte insgesamt ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können, stehen Beschäftigten mit niedrigem Bildungsniveau weniger Möglichkeiten zur Verfügung.

 

Die Gestaltung der Arbeitszeit gehört, so die Studienautoren zu den „zentralen Fragestellungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes“. Dabei gehe es um die Dauer und Lage von Arbeitszeiten und Ruhezeiten sowie um die Planbarkeit und Beeinflussbarkeit der persönlichen Arbeitszeiten. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ‒ vor dem Hintergrund des Wandels der Arbeitswelt ‒ wirft hierbei neue Fragen auf, die politisch zu bewerten sind.

 

Die BAuA-Studie wurde 2016 als „Arbeitszeit-Report“ veröffentlicht. Die zweite Befragungswelle wurde 2017 mit rund 9.000 abhängig Beschäftigten durchgeführt. Der jetzt vorgelegte Bericht vergleicht die Ergebnisse beider Befragungen bezüglich der Arbeitszeitaspekte Dauer, Lage und Flexibilität.

 

  • Der ganze Bericht des BAuA

Unter der Abruf-Nr. 45569557 finden Sie den aktuellen Bericht (85 Seiten) im Volltext.

 

Die BAuA betreibt Forschungs als Geschäftsbereich des Arbeitsministeriums (BMAS).

 

(JT mit Material von ots / PersonalMarkt Services GmbH)

Weiterführende Hinweise

Quelle: ID 45568583