Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo

· Entgeltfortzahlung

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht nicht immer für eine Entgeltfortzahlung

Bild: © blende11.photo - stock.adobe.com

| Ist der Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, reicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nicht aus, um automatisch eine Entgeltfortzahlung zu bekommen. Es muss eine Fortsetzungserkrankung vorliegen, die der Arbeitnehmer beweisen muss. Das entschied das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG Hessen, Urteil vom 14.02.22, Az. 10 Sa 898/21). |

 

Das musste sich ein Arbeitnehmer vor dem LAG Hessen sagen lassen. Das Gericht begründete sein Entscheidung damit, dass die AU keine Angaben zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung enthält. Hintergrund ist, dass die Entgeltfortzahlung entfällt, wenn die Krankheit länger als sechs Wochen dauert. Der Arbeitnehmer hat dagegen weiterhin Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Erkrankung beruht.

 

Aus der Entscheidung folgen diese Grundsätze für die Praxis:

 

  • Der Arbeitnehmer muss darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen.

 

  • Bestreitet der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit, muss der Arbeitnehmer die Tatsachen darlegen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen.

 

  • Merke | Um dieser abgestuften Darlegungslast gerecht zu werden, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich zu allen Krankheiten im Jahreszeitraum substanziiert vortragen. Er kann nicht eine „Vorauswahl“ treffen und nur zu denjenigen Erkrankungen vortragen, die ihm als möglicherweise einschlägig erscheinen.

 

  • Diese Pflicht berührt zwar das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers. Sie ist aber nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gerechtfertigt. Dort wird die Verarbeitung von Gesundheitsdaten gestattet, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist.

(St)

Quelle |

 LAG Hessen 14.2.22, 10 Sa 898/21

Quelle: ID 48244662