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· Lohnfortzahlung/Entschädigung

Lohnfortzahlung oder staatliche Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG ‒ was gilt wann?

Bild: ©wladimir1804 - stock.adobe.com

| Wann muss der Arbeitgeber bei Ausfall eines Arbeitnehmers die Entgeltfortzahlung nach den üblichen Grundsätzen leisten und unter welchen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf eine staatliche Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)? Diese Frage ist vor dem Hintergrund der fortdauernden Coronapandemie für Arbeitgeber hochrelevant. Was Arbeitgeber dazu wissen sollten, fasst dieser Beitrag zusammen. |

Lohnfortzahlung oder Entschädigung ‒ die Gesetzesgrundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften, ob ein Arbeitnehmer Lohnfortzahlung oder Entschädigung erhält, finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) und im IfSG.

 

  • Ist der Arbeitnehmer krank, hat er gemäß § 3 EFZG den Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für die Dauer von sechs Wochen und danach auf Krankengeld.

 

  • Laut § 616 BGB verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf Arbeitsvergütung nicht dadurch, dass er für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Was unter einer „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ zu verstehen ist, ist jedoch vage und man findet in der Fachliteratur dazu eine erhebliche Spannbreite von einem Tag bis hin zu zwei Wochen. Letztlich entscheidet der Einzelfall. Als Maßgröße wird häufig die Relation der Ausfallzeit des Arbeitnehmers zur gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses herangezogen. Wichtig: Diese Regelung des § 616 BGB kann tarif- oder arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden.

 

  • Die maßgebliche Vorschrift für staatliche Entschädigungen in Pandemiezeiten ist § 56 Abs. 1 IfSG: Demnach erhalten Personen, die einen Verdienstausfall erleiden, weil die Behörde gegen sie ein Beschäftigungsverbot oder eine Quarantäne erlassen hat, eine Entschädigung in Geld. Für die Zahlung dieser Entschädigung geht der Arbeitgeber in Vorleistung. Er zahlt sie sechs Wochen lang. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich in den ersten sechs Wochen nach dem Verdienstausfall.

 

  • TIPP | Der Arbeitgeber kann eine Erstattung der Entschädigung bei der zuständigen Behörde beantragen; außerdem noch einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrags. Ab der siebten Woche gewährt die Behörde die Entschädigung auf Antrag des Arbeitnehmers in Höhe des Krankengelds.

     

Typische Konstellationen in Pandemiezeiten

Im Zusammenhang mit der Coronapandemie sind folgende drei Konstellationen besonders praxisrelevant:

 

1. Arbeitnehmer in Quarantäne, aber arbeitsfähig

Befindet sich der Arbeitnehmer in einer behördlich angeordneten Quarantäne, ohne krank zu sein, muss er die Arbeitsleistung weiter erbringen. Dies gilt aber nur, wenn er die Arbeitsaufgaben von zu Hause aus erledigen kann und zwischen den Arbeitsvertragsparteien eine entsprechende Vereinbarung (Homeoffice-Vereinbarung) besteht. In dem Fall behält er den Lohnanspruch.

 

 

 

2. Quarantäne, aber Arbeit von zu Hause nicht möglich

Befindet sich der Arbeitnehmer in einer behördlich angeordneten Quarantäne, ohne krank zu sein, ist aber eine Arbeit von zu Hause aus nicht möglich (z. B. handwerkliche Arbeiten), wird es komplizierter: Behält der Arbeitnehmer dann seinen Lohnanspruch über § 616 BGB oder ob greift der Entschädigungsanspruch des § 56 Abs. 1 IfSG?

 

Laut § 56 Abs. 1 IfSG besteht nur für Personen, die „einen Verdienstausfall erleiden“, ein Anspruch auf Entschädigung. Dieser Anspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer den Lohnanspruch nach § 616 BGB behält. Laut § 616 BGB besteht dieser aber nur bei einer Verhinderung für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Regelmäßig wird diese vage Vorgabe von den Behörden großzügig ausgelegt: Sie gehen grundsätzlich davon aus, dass § 616 BGB auch bei 14-tägiger Corona-Quarantäne anwendbar ist. In den Antragsformularen auf Entschädigung nach § 56 IfSG fragen die Behörden, ob ein Anspruch nach § 616 BGB besteht oder dieser arbeits- bzw. tarifvertraglich ausgeschlossen ist. Ist § 616 BGB ausgeschlossen, müssen die Behörden die Entschädigungszahlungen nach § 56 Abs. 1 IfSG erstatten.

 

3. Arbeitnehmer in Quarantäne und arbeitsunfähig krank

Hier bedarf es einiger Fallunterscheidungen:

 

  • Muss ein Arbeitnehmer in Quarantäne und leidet er gleichzeitig bereits an Symptomen von Covid 19, stellt sich die Frage: Muss dann der Arbeitgeber Lohnfortzahlung leisten oder greift der Entschädigungsanspruch nach dem IfSG? In Ermangelung einer eindeutigen Vorschrift, welche Bestimmung Vorrang hat, lässt sich diese Frage aktuell leider nicht eindeutig beantworten. Jedoch gehen ‒ soweit ersichtlich ‒ die Behörden in diesen Fällen von einer Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG aus. Ein solches Vorgehen erscheint jedoch zweifelhaft. So gibt es auch gute Gründe, dass die Regelungen im IfSG vorrangig sind. Schließlich liegt die Quarantäne eines an Covid-19 erkrankten Arbeitnehmers im Allgemeininteresse. Damit erscheint es angemessen, auch das Kostenrisiko auf die Allgemeinheit zu verlagern. Arbeitgeber sollten daher versuchen, sich an die zuständigen Behörden zu wenden, um einen Entschädigungsanspruch abzuklären.

 

  • Erkrankt der Arbeitnehmer erst während einer behördlich angeordneten Quarantäne arbeitsunfähig, gilt weiter der Entschädigungsanspruch nach dem IfSG. Laut § 56 Abs. 7 IfSG bleibt der Anspruch in der Höhe des Betrags bestehen, der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitnehmer auszuzahlen war.

 

  • War der Arbeitnehmer bereits vor der Quarantäne arbeitsunfähig erkrankt, erhält er Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Denn bis zum Beginn der Quarantäne war die Erkrankung des Arbeitnehmers die alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit. (Für die Entgeltfortzahlung gilt das Prinzip der Monokausalität, d. h. die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die einzige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein.)

 

 

(Ke)

 

Quelle

Quelle: ID 47106603