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· BAG-Urteil

Resturlaub: Arbeitgeber muss Arbeitnehmer zum Abbau auffordern!

Bild: copyright by Oliver Boehmer - bluedesign® - stock.adobe.com

| Bislang galt: Arbeitnehmer sind selbst verantwortlich, ihren Urlaubsanspruch geltend zu machen. Nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nimmt nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) alle Arbeitgeber in die Pflicht. Sie müssen ihre Mitarbeiter nun aktiv zum Abbau der Urlaubstage auffordern! Sonst droht Schadenersatz. |

 

Viele Unternehmer haben die Lage bereits gut im Griff: Sie fordern ‒ meist im November ‒ die Mitarbeiter auf, Ihre Urlaubstage bis zum Jahresende zu verplanen. Schließlich müssen Unternehmen für zugelassene Überhänge ins nächste Quartal Rückstellungen bilden.

 

Doch was bisher auf freiwilliger Basis erfolgte, ist seit November 2018 Ihre Pflicht! Mit den Urteilen des EuGH sind Sie dafür verantwortlich, wenn Kollegen ihren Urlaub nicht abbauen (EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Rs. C-619/16, Abruf-Nr. 205301, EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Rs. C-684/16, Abruf-Nr. 205302).

 

  • Der EuGH schreibt vor

„Der Arbeitgeber hat konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn ‒ erforderlichenfalls förmlich ‒ auffordert, dies zu tun.“

 

Bundesarbeitsgericht setzt EuGH-Rechtsprechung um

Wie das BAG am 19.02.2019 mitteilt, erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 541/15).

 

Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Die Vorschrift zwingt den Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliegt ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast, dass de Urlaub genommen wird. Der Arbeitgeber hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.

 

Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG kann der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt.

 

TIPP | Fordern Sie die Mitarbeiter schriftlich anhand der Musterformulierung auf, Ihre restlichen Urlaubstage bis zu einem vorgegebenen Stichtag zu verplanen. Für den Fall, dass Arbeitnehmer dem nicht nachkommen, könnte der Urlaubsanspruch dann verfallen.

 

Wenn das Jahr schon fast gelaufen ist, ist es eine Frage der Zumutbarkeit, ob der Urlaubsabbau von Ihnen noch erzwungen werden kann. Das kann zu neuen Konflikten führen.

 
  • Musterformulierung

Sehr geehrte(r) Herr / Frau,

in diesem Kalenderjahr stehen Ihnen noch ... Urlaubstage zur Verfügung. Ich fordere Sie auf, Ihre Urlaubstage bis zum (Datum) zu verplanen.

 

Sollten Sie die Urlaubstage nicht bis zum Jahresende genommen haben, verfallen sie. Eine Übertragung des Urlaubs bis zum 31.03. des nächsten Kalenderjahrs ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in Ihrer Person liegende Gründe dies rechtfertigen. Der Urlaub verfällt ausnahmsweise erst nach 15 Monaten nach dem Urlaubsjahr im Falle einer Langzeiterkrankung.

 

Übertragung von Resturlaub

Das Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass der verfügbare Urlaub im laufenden Jahr genommen wird. Abhängig von betrieblichen Regelungen oder persönlichen Gründen kann eine Übertragung aber ermöglicht werden. Auch wenn Arbeitnehmer länger krankheitsbedingt ausfallen, erfolgt in der Regel die Übertragung nicht abbaubaren Urlaubs.

Verfall der Urlaubstage erschwert

Manche Unternehmen haben bewusst vom Verfall der Urlaubstage profitiert. Dem hat der EuGH nun einen Riegel vorgeschoben. Jetzt besteht für den Arbeitgeber Schadenersatzpflicht. Konkret heißt das: Sie müssen den Urlaub dann abgelten.

Der Fall vor dem BAG

Der Beklagte (Arbeitgeber) beschäftigte den Kläger (Arbeitnehmer) vom 01.08.2001 bis zum 31.12.2013 als Wissenschaftler. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger ohne Erfolg, den von ihm nicht genommenen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 und 2013 mit einem Bruttobetrag in Höhe von 11.979,26 Euro abzugelten. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt.

 

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht München hat angenommen, der Urlaubsanspruch des Klägers sei zwar zum Jahresende verfallen. Der Kläger habe aber Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen können, weil der Beklagte seiner Verpflichtung, ihm von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, nicht nachgekommen sei. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Ersatzurlaubsanspruch abzugelten.

 

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

Die Fälle vor dem EuGH

Ein Rechtsreferendar des Landes Berlin hat in den letzten fünf Monaten seines Referendariats keinen Urlaub beantragt. Vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg fordert er die Abgeltung des Urlaubsanspruchs. Sein Arbeitgeber argumentierte dagegen, er war nicht daran gehindert worden, den Urlaub zu nehmen. In einem zweiten Fall hatte ein Angestellter der Max-Planck-Gesellschaft in ähnlichem Fall die Auszahlung für nicht genommenen Urlaub aus zwei Jahren eingefordert.

 

Mit den Urteilen ist nun klargestellt, dass die Beweislast immer beim Arbeitgeber liegt ‒ egal ob privat oder öffentlich.

 

Weiterführende Links

CE-Beitrag: Urlaubsanspruch | Schadenersatz ‒ LAG Nürnberg unbeirrt: Nur die Ausschlussfrist zählt ‒ auch bei verstrichenem Urlaub!

(JT)

Quelle: ID 45603950