· CRIF Bürgel
Die Ruhe vor dem Sturm: Insolvenzen noch aufgeschoben ‒ dramatische Trendumkehr erwartet
| Die Firmen- und Privatinsolvenzen sind in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 auf ein historisches Tief gesunken. Das hat einen Grund: Die Insolvenzantragspflicht für Unternehmer ist seit 01.03.2020 ausgesetzt. Und Privatinsolvenzen wurden zumindest bis Oktober aufgeschoben, weil jetzt das verkürzte Restschuldbefreiungsverfahren gilt. Doch neben der Corona-Pandemie wird der Abschwung kommen. Die Wirtschaftsauskunftei CRIF Bürgel rechnet für 2021 sowohl mit einem Anstieg privater als auch Unternehmensinsolvenzen. |
Bis zum 30.09.2020 haben in Deutschland knapp 12.200 Unternehmen eine Insolvenz angemeldet und damit 14,7 Prozent (1.bis 3. Quartal 2019: 14.381) weniger als noch im letzten Jahr. Ein Grund dafür ist, dass die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen seit dem 01.03.2020 ausgesetzt ist. Hinzu kommen die unterschiedlichen Rettungspakete für Unternehmen, die entwickelt wurden, um im Jahr 2020 ein historisches Ausmaß an Firmeninsolvenzen zu verhindern. „Die wirtschaftlichen Probleme vieler Unternehmen durch die Corona-Krise zeigen sich bislang nicht in einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Die Hilfszahlungen verschleiern derzeit die wahre finanzielle Struktur einiger Unternehmen. Derzeit haben über 300.000 Unternehmen in Deutschland finanzielle Probleme“, sagt CRIF Bürgel Geschäftsführer Dr. Frank Schlein.
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Seit dem 01.10.2020 ist in Deutschland mit einem Anstieg der Firmeninsolvenzen zu rechnen, denn ab diesem Stichtag gilt für zahlungsunfähige Unternehmen wieder die Insolvenzantragspflicht. Aktuell wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.12.2020 verlängert, dies aber nur für Unternehmen, die überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind.
CRIF Bürgel geht für das Jahr 2020 von bis zu 18.000 Insolvenzen aus. Da die Insolvenzstatistik stets die Vergangenheit abbildet, also gewissermaßen einen Blick in den Rückspiegel darstellt, werden die genauen Auswirkungen der Corona-Krise verstärkt im kommenden Jahr sichtbar werden. Die Insolvenz-Welle wird auch noch weit ins Jahr 2021 hineinreichen. Die negativen Folgen des Corona-Lockdowns und der anhaltenden Weltwirtschaftskrise wurden somit lediglich verschoben. Geschädigte sind vor allem Gläubiger, das heißt Lieferanten oder auch Vermieter, die befürchten müssen, durch eine Insolvenz auf ihren Forderungen sitzen zu bleiben und so ihr Geld nicht zu bekommen. Derzeit sind Unternehmen aus den Branchen Gastronomie, Touristik (z.B. Reisebüros), Entertainment (z.B. Kinos) und Messebauer besonders insolvenzgefährdet.
Anstieg der privaten Verschuldung beginnt im IV. Quartal
Auch bei den Privatinsolvenzen erwartet CRIF Bürgel einen starken Anstieg im Jahr 2021. Die Privatpleiten sind von Januar bis September im Vergleich zu den letzten drei Quartalen 2019 um 19 Prozent auf 53.000 (Januar bis September 2019: 65.493) Fälle zurückgegangen.
Die Gründe liegen zum einen in der längeren Bearbeitungszeit der Insolvenzgerichte während der Corona-Pandemie. Zum anderen haben viele Privatpersonen den Zeitpunkt ihres Insolvenzantrages zeitlich nach hinten verschoben, da sie auf den Stichtag zur verkürzten Restschuldbefreiung warten. Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre soll für alle Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt werden.
„Auch haben Kurzarbeit und eigene finanzielle Ersparnisse zunächst die finanzielle Schieflage vieler Bundesbürger abgemildert. In einigen Fällen helfen auch weitere Kredite“, erklärt Schlein.
Durch die aktuelle Wirtschaftskrise wird die private Verschuldung aber deutlich zunehmen. Für die Monate Oktober bis Dezember und auch im Jahr 2021 erwartet CRIF Bürgel deutlich mehr Privatinsolvenzen in Deutschland. „Für das laufende Jahr gehen wir von bis zu 85.000 Privatinsolvenzen aus ‒ 2021 könnten es über 100.000 werden“, so Schlein.
Bei höherer Arbeitslosigkeit wird es wieder mehr Insolvenzen in Deutschland geben, da die Personen bei weiterhin hohen Kosten über weniger Geld verfügen. Aber nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch der starke Anstieg von Kurzarbeit wird die Zahl der Privatinsolvenzen erhöhen. Die Menschen werden dadurch weniger Geld in der Tasche haben, um ihren Verpflichtungen wie Kreditzahlungen, Mieten oder Finanzierungen nachzukommen. Auf Dauer führt weniger Einkommen erst in die Überschuldung und dann in die Privatinsolvenz.
Bereits jetzt gelten circa 6,8 Millionen Bürger als überschuldet. Für viele dieser Personen kann ein Schock auf der Einkommensseite für ein erhöhtes Risiko einer Privatinsolvenz sorgen. Hinzu kommt, dass Soloselbstständige und Honorarkräfte aus unterschiedlichsten Branchen von einem Tag auf den anderen ihr komplettes Einkommen verloren haben. Durch die Corona-Pandemie sind so viele Bürger völlig unerwartet in eine finanzielle Schieflage geraten.
(JT mit PM CRIF Bürgel)