· Persönlichkeitsrecht
Ein Gespräch unter ArbG: Wenn der alte ArbG dem Neuen etwas über die ArbN sagen will
| Eine ArbN kann ein berechtigtes Interesse daran haben, dass ihr bisheriger ArbG bestimmte Behauptungen nicht gegenüber einem Folge-ArbG äußert ‒ auch wenn deren Wahrheitsgehalt unterstellt wird. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über einen Anspruch der ArbN gegen den ArbG auf Unterlassung von Äußerungen des Geschäftsführers des alten ArbG gegenüber dem neuen ArbG.
Die ArbN war beim ArbG als Leitende Fachkraft Gesundheitswesen für den Geschäftsbereich Alltagspaten beschäftigt. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.4.21 zum 31.5.21. Mit Schreiben vom 3.5.21 erklärte der ArbG die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Die ArbN habe bei Abschluss fälschlich vorgegeben, noch bei ihrem vorherigen ArbG, der Firma Z., Y.-Stadt, beschäftigt zu sein. Tatsächlich sei das Arbeitsverhältnis bereits seit dem 30.9.20 beendet gewesen. Vorsorglich kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis mit gleichem Schreiben außerordentlich fristlos wegen verschiedener behaupteter Vertragspflichtverletzungen.
Am 1.6.21 rief der Geschäftsführer des ArbG bei dem neuen ArbG der ArbN, der Fa. X. GmbH, an. Er erklärte, der Lebenslauf der ArbN habe eine unwahre Angabe hinsichtlich deren Vorbeschäftigung enthalten. Die ArbN habe ‒ noch im Zeitpunkt des Bewerbungsgesprächs ‒ angegeben, eine laufende Anstellung bei der Z. innezuhaben, obwohl sie bereits seit dem 30.9.20 ohne Anstellung gewesen sei.
Weiter erklärte der Geschäftsführer des ArbG, die ArbN sei nicht fähig gewesen, selbst einen Dienstplan zu erstellen und habe fremder Hilfe durch ihren Ehemann bedurft. Dabei habe sie einen schweren Datenschutzverstoß begangen, indem sie vertrauliche Daten an einen Dritten übersandt habe. Der Geschäftsführer gab zudem an, die ArbN habe andere Mitarbeiter angewiesen, Pflegeleistungen im rechtlichen Sinne zu erbringen, obwohl nur sogenannte Alltagsdienste erbracht werden durften. Schließlich sei sie mehrere Nachmittage unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben und habe sich privaten Angelegenheiten gewidmet. Streitig ist, ob der Geschäftsführer gegenüber dem neuen ArbG der ArbN erklärt hat, sie habe mehrfach ohne sachlichen Grund Termine mit Neuinteressenten für die Dienstleistungen des ArbG verschoben, wodurch diese zum wirtschaftlichen Schaden des ArbG abgesprungen seien.
Die ArbN erhob beim Arbeitsgericht Kaiserslautern Unterlassungsklage. Im Wesentlichen geht es um folgende Äußerungen:
- 1. Abschlusses des Arbeitsvertrags wurde durch falsche Angaben im Lebenslauf erschlichen,
- 2. Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen durch Dienstplanerstellung durch den Ehemann der ArbN,
- 3. Anweisung von Mitarbeitern zu verbotenen Pflegedienstleistungen,
- 4. Terminsverschiebungen gegenüber Neu-Interessenten,
- 5. Niederlegung der Tätigkeit.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern verurteilte den ArbG (25.1.22, 4 Ca 488/21) antragsgemäß hinsichtlich der Unterlassung der tatsächlich getätigten Äußerungen, namentlich in den Punkten 1, 2, 3 und 5. Der ArbG sei passivlegitimiert, da ihm die Handlungen seines Geschäftsführers zuzurechnen seien. Bezüglich der in Punkt 4 des Klageantrags genannten Äußerung bestehe dagegen keine Wiederholungsgefahr. Der ArbG habe sie bestritten und die ArbN habe sie nicht bewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des ArbG und die Anschlussberufung der ArbN vor dem LAG Rheinland-Pfalz (5.7.22, 6 Sa 54/22, Abruf-Nr. 230904) waren erfolglos. Der ArbG sei verpflichtet, es zu unterlassen, auf potenzielle ArbG der ArbN zuzugehen und die Behauptungen zu 1, 2, 3 und 5 aufzustellen, während ein derartiger Anspruch im Hinblick auf Ziffer 4 nicht bestehe.
Die ArbN habe hinsichtlich der in den Ziffern 1, 2, 3 und 5 enthaltenen Behauptungen einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1, 2 GG. Es könne dahinstehen, ob ein Auskunftsrecht des ArbG nach umfassender Güter- und Interessenabwägung auch gegen den ausdrücklichen Willen des betroffenen ArbN angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklung des Datenschutzrechts und der Rechtsprechung zum Persönlichkeitsschutz überhaupt noch denkbar sei. Auch wenn der von der Rechtsprechung weiter gefasste Maßstab angelegt werde, habe der ArbG ‒ durch den für ihn handelnden Geschäftsführer ‒ am 1.6.21 das Persönlichkeitsrecht der ArbN durch die unstreitig getätigten Behauptungen zu 1, 2, 3 und 5 verletzt. Nachdem der ArbG zudem die Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe, beständen keine Zweifel an der materiell-rechtlich für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr. Die ArbN könne die Unterlassung auch verlangen, wenn zugunsten des ArbG, der die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast trage, als zutreffend unterstellt werde, dass seine Behauptungen substanziiert dargetan und wahrheitsgemäß seien.
Erschleichen des Arbeitsvertrags durch falsche Angaben im Lebenslauf
Der ArbG habe kein das Interesse der ArbN an informationeller Selbstbestimmung übersteigendes Interesse an der Verbreitung der Behauptung, die ArbN habe den Abschluss des Arbeitsvertrags beim ArbG durch unwahre Angaben über ihre Vorbeschäftigung erschlichen. Beim behaupteten Verhalten handele es sich bereits nicht um ein Verhalten oder eine Leistung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich um ein solches bei Anbahnung desselben. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen zu befürchten stehen soll, dass die ArbN, deren Lebenslauf erkennbar von häufigen Arbeitgeberwechseln geprägt und teilweise lückenhaft sei, erneut falsche Angaben zu einer bereits in der Vergangenheit liegenden Beschäftigung machen werde.
Die Unterstellung, es sei zu befürchten, dass die ArbN auch mit anderen personenbezogenen Daten ähnlich unsachgemäß umgehe, sei eine schlichte Vermutung ins Blaue hinein. Dafür seien keine sachlichen Anhaltspunkte ersichtlich. Demgegenüber habe die ArbN ein berechtigtes Interesse daran, den Verlauf vorangegangener Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrer persönlichen Wahrnehmung zu schildern und nicht befürchten zu müssen, dass subjektive Wahrnehmungen des ArbG ihren Ruf schädigen.
Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen durch Dienstplanerstellung durch den Ehemann der ArbN
Auch beim Vorwurf, die ArbN habe gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen, indem sie ihren Ehemann veranlasst habe, den Dienstplan zu erstellen, könne sich der ArbG nicht auf ein überwiegendes Interesse an der Weitergabe dieser als zutreffend unterstellten Information an den neuen ArbG der ArbN berufen. Der ArbG führe selbst an, die ArbN habe den Dienstplan offenbar aufgrund eigenen technischen Unverständnisses von ihrem Ehemann erstellen lassen. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der ArbG ein überwiegendes Interesse daran haben sollte, technische Schwächen der ArbN in einem Einzelfall gegenüber dem neuen ArbG zu offenbaren, nachdem Anhaltspunkte für künftiges Fehlverhalten nicht existieren und ein Schaden offensichtlich im konkreten Fall nicht eingetreten sei.
Anweisung von Mitarbeitern zu verbotenen Pflegedienstleistungen
Ähnliches gelte für die Äußerung des Geschäftsführers, die ArbN habe Mitarbeiter angewiesen, Pflegedienstleistungen an Kunden zu erbringen, obwohl genehmigtes Betätigungsfeld des ArbG lediglich eine Alltagsbegleitung sei. Die ArbN sei vor dem geschilderten Hintergrund nicht berechtigt gewesen, derartige Pflegedienstleistungen anzuweisen. Dies habe ihr klar sein müssen. Dennoch sei nicht zu verkennen, dass die ArbN, die sich auf ihr christliches Menschenbild berufen habe, ihre Anweisungen nicht aus niederen Motiven heraus erteilte habe. Nach Mitteilung der Ehefrau des Kunden habe die ArbN zudem keine vollständige Übernahme der Pflegemaßnahme durch eine Mitarbeiterin der ArbG angewiesen, sondern diese habe lediglich die Ehefrau des Kunden hierbei und beim Umlagern unterstützen sollen. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der ArbG ein das Persönlichkeitsrecht der ArbN übersteigendes Interesse an der Verbreitung der Information habe, zumal kein konkreter Schaden eingetreten sei.
Niederlegung der Tätigkeit
Soweit der Geschäftsführer dem neuen ArbG ungefragt angezeigt habe, die ArbN habe im Beschäftigungsverhältnis mit dem ArbG an mehreren Nachmittagen die Arbeit ohne Erlaubnis niedergelegt, handele es sich um arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen, wie sie in einem Arbeitsverhältnis vorkommen können, wenn auch nicht vorkommen sollten. Zwar sei im Rahmen der Interessenabwägung nach § 1004 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1, 2 GG kein Abmahnungserfordernis zu prüfen. Um die Schwere der vorgeworfenen Pflichtverletzung zu ermitteln, sei es dennoch hilfreich zu überlegen, ob ein Verhalten im bestehenden Arbeitsverhältnis hätte abgemahnt werden können.
Angesichts der Tatsache, dass unentschuldigtes Fehlen in der Regel lediglich nach Abmahnung kündigungsrelevant sei, sei kein das allgemeine Persönlichkeitsrecht der ArbN übersteigendes Interesse des ArbG an der Weitergabe einer derartigen, nicht gravierenden Pflichtverletzung an den neuen ArbG zu erkennen.
- Terminsverschiebungen gegenüber Neu-Interessenten
Der ArbG bestritt ausdrücklich, dass sein Geschäftsführer im Gespräch mit dem neuen ArbG behauptet habe, die ArbN habe mehrfach ohne sachlichen Grund Termine mit Neuinteressenten an den Dienstleistungen des ArbG verschoben, was zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden geführt habe. Die ArbN habe keinen Beweis für ihre gegenteilige Behauptung angetreten.
Relevanz für die Praxis
Wie genau ist das Persönlichkeitsrecht aufgebaut? Die Checkliste, die der obigen Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz angelehnt ist, gibt einen kurzen Überblick.
Checkliste / Das 1 x 1 des Persönlichkeitsrechts |
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