· Kienbaum-Analyse
Arbeitgeberattraktivität: Unbefristet oder gar nicht ‒ Jobsuchende wollen Sicherheit
| Eignet sich der Kandidat? Wie entwickeln sich die Märkte? In Krisenzeiten neigen viele Unternehmen dazu, neue Stellen nur befristet auszuschreiben. Doch ‒ obwohl arbeitsrechtlich legitim ‒ stellt die Befristung ein zweischneidiges Schwert dar. Das Kienbaum Institut an der International School of Management (ISM) zeigt, dass Stellenanzeigen mit Befristung viele Bewerber deutlich abschrecken. Das kann in Zeiten des Fachkräftemangels nicht Ihr Ziel sein! |
Natürlich kennen Sie den zentralen Vorzug einer Befristung: Solche Arbeitsverhältnisse können nach der Probezeit relativ unproblematisch beendet werden. Deshalb sind sie auch so beliebt unter Arbeitgebern. Seit 2010 liegt der Anteil befristeter Verträge zwischen 38 Prozent und 46 Prozent, unter Fachkräften bei 37 Prozent. Arbeitgeber verringern dadurch das eigene Risiko, gleichzeitig aber auch den Pool potenzieller Kandidaten.
Bewerber ignorieren befristete Angebote auffällig
„Ein befristetes Angebot reduziert im Vergleich zum unbefristeten die Arbeitgeberattraktivität substanziell“, sagt Michael Knappstein vom Kienbaum Institut @ ISM, Co-Autor der Studie. Anhand eines fiktiven Bewerbungsprozesses wurde getestet, welchen Einfluss ein unbefristetes bzw. befristetes Vertragsangebot auf die Zu- oder Absage der Kandidaten hat. Befragt wurden abschlussnahe Studenten und Absolventen an verschiedenen Hochschulen. Erhielten die Teilnehmer nach einem fiktiven Auswahlgespräch ein befristetes Angebot, sank die Attraktivitätseinschätzung und die Bereitschaft zur Fortsetzung des Bewerbungsprozesses im Vergleich zum unbefristeten Angebot deutlich.
Eine Rolle bei der Einschätzung des Arbeitgebers spielt die Begründung der Befristung. Wird die befristete Einstellung als verlängerte Probezeit eingesetzt, schließen die Kandidat*innen auf ein schlechtes Betriebsklima. „Aus Sicht der Bewerber*innen ist es schwer bis unmöglich nachzuvollziehen, wie sich das Betriebsklima eines Unternehmens gestaltet. Also suchen sie nach sichtbaren Signalen, die Ableitungen ermöglichen. Ein solches Signal kann eine Befristung sein“, erklärt Knappstein. „Befristungen können ein Zeichen für ein Klima der Unsicherheit sein, in dem Beschäftigte nicht gerne arbeiten und das Wohlergehen der Beschäftigten nicht so sehr wie vielleicht woanders im Mittelpunkt steht.“
Risiko-Minimierung vs. Attraktivitätsverlust
Sollten Arbeitgeber bei Neueinstellungen deshalb komplett auf Befristungen verzichten? Nicht unbedingt, sagt Knappstein: „Unternehmen sollten Befristungen nicht gedankenlos einsetzen, wie es aktuell teilweise geschieht. Vielmehr sollte man sorgsam abwägen, welcher Faktor im Einzelfall schwerer wiegt: die Risikoreduktion zugunsten des Unternehmens oder die Attraktivitätsreduktion zulasten des Unternehmens. Gerade junge Beschäftigte schätzen Arbeitsplatzsicherheit und Planbarkeit. Die Corona-Krise hat die Bedeutung dieser Faktoren noch weiter erhöht. Das sollten Unternehmen nicht außer Acht lassen.“ Um gerade die Befristung als verlängerte Probezeit zu ersetzen, könnten stattdessen alternative Lösungen eingesetzt werden. „Bessere Auswahlprozesse können ein Weg sein, um ohne die Befristung auszukommen. Außerdem können Prozesse zur Leistungsbeurteilung optimiert werden, zum Beispiel mit anderen Verfahren oder in kürzeren Zeitabständen. Mit realistischeren Ergebnissen in der Leistungsbeurteilung kann das Instrument der Probezeit wirkungsvoller genutzt werden und muss nicht künstlich verlängert werden.“
(JT / ots)
Quelle | International School of Management (ISM)