· Referentenentwurf
Sachgrundlose Befristung: Neue Einschränkungen geplant ‒ mit Tipps für Arbeitgeber
von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut
| So wie es im Koalitionsvertrag steht, soll es kommen: Nach dem neuen Entwurf aus dem Bundesarbeitsministerium vom 14.04.2021 dürfen sachgrundlose Befristungen nur noch 18 Monate statt 2 Jahre andauern und der Anteil solch befristeter Arbeitsverhältnisse soll auf 2.5 Prozent der Belegschaft begrenzt werden. Während Gewerkschaften applaudieren, stehen Arbeitgeber wieder vor neuen Herausforderungen. CE Chef easy fasst die Inhalte zusammen und stellt den Gesetzentwurf als Download bereit. |
Das gilt jetzt schon zu Kettenbefristungen
Schon jetzt gilt: Wenn Sie sachgrundlos befristete Arbeitsverträge mehrfach verlängern, wird der betroffene Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erstreiten können. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 06.06.2018 die Arbeitsgerichte ermahnt hatte, ihre Rechtsprechung anzupassen, hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor zwei Jahren reagiert: Kettenbefristungen sind seither grundsätzlich verboten ‒ und acht Jahre Abstand zur Vorbeschäftigung sind „kein“ langer Zeitraum, lautete der Tenor des Urteils (BAG, Urteil vom 23.01.19, Az. 7 AZR 733/16).
Ausnahmen sind nur in diesen Fällen möglich:
- Es besteht keine Gefahr einer Kettenbefristung beim selben Arbeitgeber (z.B. erneute Einstellung)
- Eine Vorbeschäftigung liegt sehr lange zurück
- Eine Vorbeschäftigung war nur von kurzer Dauer
Beispiele: Beschäftigung während der Schul,- Studien- oder Familienzeit oder als Werksstudent.
Die Fachgerichte können und müssen seither in vergleichbaren Fällen den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bereits einschränken.
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§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (Auszug, verknappt) Die Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu zwei Jahren zulässig; bis dahin ist die dreimalige Verlängerung zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. |
Referentenentwurf: Das sind die Änderungen im Detail
Geht es nach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), soll die Gesetzesnovelle zum 01.01.2022 mit diesen vier Kernpunkten wirksam werden:
- Absenkung der Dauer von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen von derzeit 24 auf 18 Monate
- Bis zu dieser Gesamtdauer dürfen sie nur noch einmal verlängert werden (bislang ist das dreimal möglich).
- Sachgrundlose Befristungen bleiben auf Neueinstellungen begrenzt.
- Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten dürfen nur 2,5 Prozent ihrer Arbeitnehmer sachgrundlos befristen. Für die Berechnung dieses Anteils ist auf die Anzahl der Arbeitnehmer am ersten Kalendertag des vorangegangenen Quartals abzustellen.
Beachten Sie | Befristungen mit Sachgrund werden im Entwurf gleich mit angepasst. Solche Arbeitsverträge sollen auf eine Höchstdauer von fünf Jahren begrenzt werden ‒ soweit der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber beschäftigt ist. Und: Leiharbeitszeiten für das Unternehmen sollen auf diese Zeit angerechnet werden, wenn zwischen den befristeten Arbeitsverhältnissen bzw. Überlassungen jeweils nicht mehr als drei Jahre liegen.
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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts ‒ Abruf-Nr. 47361950 |
Weitere Regeln (Kettenbefristung nach Tarifvertrag)
Tarifverträge können nach dem Entwurf eine Höchstdauer der Befristung von bis zu 54 Monaten oder bis zu dieser Gesamtdauer eine höchstens dreimalige Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages regeln.
Beachten Sie | Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
Generelle Spielregeln für befristete Arbeitsverträge
Unabhängig davon, wie Sie Arbeitsverträge befristen, Sie brauchen eigentlich einen sachlichen Grund. Das Gesetz listet diese Gründe auf.
Gründe, die die Befristung rechtfertigen TzBfG § 14, Abs. 1
- Betrieblicher Bedarf nur vorübergehend
- Befristung nach Ausbildung oder Studium, um eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern
- Vertretung eines anderen Arbeitnehmers
- Eigenart der Arbeitsleistung rechtfertigt die Befristung
- Erprobung des Arbeitnehmers
- Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen
- Haushaltsrechtliche befristete Beschäftigung im öffentlichen Dienst
- Befristung auf Grundlage eines gerichtlichen Vergleichs
3 TIPPS |
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Werdegang Rechtsprechung und Gesetzgebung
Schon Anfang 2018 verabredete die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag entsprechende Verschärfungen.
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Wir wollen den Missbrauch bei den Befristungen abschaffen. Deshalb dürfen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Bei Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen. Die Quote ist jeweils auf den Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund zu beziehen.
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist nur noch für die Dauer von 18 statt bislang von 24 Monaten zulässig, bis zu dieser Gesamtdauer ist auch nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich.
Wir wollen nicht länger unendlich lange Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen hinnehmen. Eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Wir sind uns darüber einig, dass eine Ausnahmeregelung für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (Künstler, Fußballer) zu treffen ist.
Auf die Höchstdauer von fünf Jahren wird bzw. werden auch eine oder mehrere vorherige Entleihung(en) des nunmehr befristet eingestellten Arbeitnehmers durch ein oder mehrere Verleihunternehmen angerechnet. Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ist erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren möglich.
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Relevante Rechtsprechung seit 2018
Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „Zuvor-Beschäftigungsverbot“ (BVerfG, Urteil vom 06.06.2018, Az. 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) war es gängige Praxis, Kettenbefristungen zu vereinbaren. Die Arbeitsgerichte sagten früher, dass der Arbeitnehmer maximal drei Jahre nicht im Unternehmen beschäftigt sein durfte ‒ alles danach sei nicht mehr „zuvor“.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) reagierte Anfang 2019 und urteilte, dass nun auch die sachgrundlose Befristung eines Mitarbeiters, mit dem bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis bestand, unzulässig ist (BAG, Urteil vom 23.01.19, Az. 7 AZR 733/16).
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Im August 2019 zog das BAG dann aber eine neue Grenze ein. Tenor: Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt, darf das Verbot der sachgrundlosen Kettenbefristung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeitbefristungsgesetz ‒ TzBfG) nach Vorbeschäftigung nicht angewendet werden (BAG, Urteil vom 21.08.2019, Az. 7 AZR 452/17).
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Kontroverse: Lob und Kritik
Natürlich applaudieren der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Verdi bei dieser erneut arbeitnehmerfreundlichen Vorlage.
Ganz anders warnt dagegen der Maschinenbauerverband VDMA: Der Eingriff ins Arbeitsrecht sei „Gift in der Krise“ und fordert das Gegenteil: Die Regierung sollte die Höchstdauer für die sachgrundlose Befristung von zwei auf drei Jahre ausweiten und das Vorbeschäftigungsverbot bei Befristungen ganz aufheben ‒ zumindest so lange bis die Folgen der Pandemie überwunden sind, sagt Thilo Brodtmann, VDMA-Hauptgeschäftsführer.
Das IW Institut der deutschen Wirtschaft spricht von „einem Spiel mit dem Feuer“. Gut drei Viertel der Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern hätten dann zu viele befristet Beschäftigte. Zum anderen zeigt eine IW-Untersuchung aus 2019, dass Befristungen vor allem von Firmen genutzt werden, die Beschäftigung aufbauen.
Quellen:
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts (Stand: 14.04.2021)
- Koalitonsvertrag 2018 (CDU/CSU mit SPD)
- PM VDMA
- IW Institut (29.05.2019)