23.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144313
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 23.03.2015 – 9 TaBV 86/14
1) Der Betriebsrat kann im Beschlussverfahren nicht die Feststellung eines zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisses verlangen, sondern nur eigene betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche verfolgen. Entscheidend ist, ob der Betriebsrat ausschließlich Rechte der Arbeitnehmer reklamiert oder sich eigener Rechte berühmt, deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Mit der Feststellung von Zeitgutschriften für die Mitarbeiter anlässlich des Sturms "Ela" begehrt der Betriebsrat hier zulässiger Weise die Anwendung der Betriebsvereinbarung auf einen konkreten Fall.
2) Unter Zugrundelegung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze für Betriebsvereinbarungen erfasst der Begriff der "Naturkatastrophe" in der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1998 auch das sog. "Wegerisiko". Zudem ist der Sturm Ela vom 09.06.2014 auch eine Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
9 TaBV 86/14
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.11.2014, Az. 8 BV 167/14 abgeändert und die Arbeitgeberin verpflichtet, entsprechend der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 den Mitarbeitern die Arbeitsausfälle in Folge der Unwetterkatastrophe vom 09.06.2014 im Gleitzeitkonto der betroffenen Mitarbeiter gut zu schreiben.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
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I.
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Die Beteiligten streiten über die Frage der Berücksichtigung von Zeitgutschriften auf den Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter infolge von Arbeitsausfällen anlässlich des Sturms "Ela" am 10.06.2014.
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Beteiligte zu 2), die Arbeitgeberin, betreibt ein Versicherungsunternehmen (im Folgenden auch: Arbeitgeberin). In E. unterhält sie eine Geschäftsstelle sowie eine Schadensabteilung. In der Geschäftsstelle arbeiteten am 10.06.2014 26 Mitarbeiter, in der Schadensabteilung 62 Mitarbeiter.
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Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat (im Folgenden auch: Betriebsrat).
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Am 16.11.1998 schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit (im Folgenden: BV Arbeitszeit). Darin vereinbarten die Betriebspartner für die Mitarbeiter jeweils ein Gleitzeitkonto, § 4 BV Arbeitszeit sowie einen flexiblen Arbeitszeitrahmen von 7.00 Uhr - 19.00 Uhr, § 3 BV Arbeitszeit. Zudem richteten sie ein "Freizeitkonto" ein, § 5 BV Arbeitszeit. Darüber hinaus vereinbarten sie - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - Folgendes:
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"§ 13
8
Zeitgutschriften
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Unberührt der Regelung des § 616 BGB, des MTV für das private Versicherungsgewerbe und der BV "Arbeitsordnung und Sozialleistungen" werden die Zeiten folgender Arbeitsausfälle dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben:
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a)Verletzung als Folge eines auf dem direkten Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erlittenen Unfalles;
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b)Akute Verletzung oder Erkrankung am Arbeitsplatz;
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c)Facharztuntersuchungen und Vorladungen zu Amts- und Vertrauensärzten;
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d)Schwangerschafts- und Krebsvorsorgeuntersuchungen;
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e)Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten aus öffentlichen Ehrenämtern;
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f)Förmliche Vorladung zu Behörden, soweit diese nicht in der Person des Mitarbeiters begründet sind;
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g)Naturkatastrophen (Nachweis nur bei lokalem Auftreten erforderlich).
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Am 09.06.2014 gab es im Bereich der Städte Krefeld, Düsseldorf, Duisburg-Süd, Mülheim und Essen ein Unwetter mit orkanartigen Böen, das im Stadtgebiet Düsseldorf dazu führte, dass zahlreiche Bäume entwurzelten und u.a. auf Straßen stürzten. Dies bewirkte insbesondere am Folgetrag erhebliche Störungen im Straßenverkehr, da eine Vielzahl von Bäumen zu entfernen waren. Zudem kam es auch im Nahverkehr zu vielfältigen Einschränkungen.
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Einige Mitarbeiter der Arbeitgeberin trafen an diesem Tag zum Teil gar nicht, zum Teil mit erheblichen Verspätungen an ihrem Arbeitsplatz ein. Von den 62 Mitarbeitern der Schadensabteilung erschienen 32 zur Arbeit. 2 Mitarbeiter befanden sich im Erziehungsurlaub, 5 Mitarbeiter waren krank, 3 Mitarbeiter hatten einen nicht sturmbedingten Zeitausgleichstag, 5 Mitarbeiter hatten aufgrund ihrer Teilzeitregelung an diesem Tag frei, 13 Mitarbeiter hatten nicht sturmbedingten Urlaub. 1 Mitarbeiter nahm sturmbedingt einen Zeitausgleichstag, 1 Mitarbeiter einen Urlaubstag. 5 Mitarbeiter der Schadensabteilung haben gegenüber der Beklagten erklärt, sie hätten länger als üblich für den Weg gebraucht. Dabei handelt es sich um die Mitarbeiter H. (3 Stunden), K. (5 Stunden), L. (2,5 Stunden), I. (2 Stunden 10 Minuten) und M. (1 Stunde 36 Minuten). Frau H. erhielt aus Kulanz eine Zeitgutschrift von 1,5 Stunden, Herr K. von 2,5 Stunden und Herr L. 1 Stunde 15 Minuten. Zwei Mitarbeiter haben gegenüber dem Betriebsrat geltend gemacht, sie seien länger als normal unterwegs gewesen, die Mitarbeiterin Q. 27 Minuten, Frau E. 1 Stunde. Die Mitarbeiter T. und I. erschienen nicht. Von den 26 Mitarbeitern der Geschäftsstelle erschienen 9 zur Arbeit. 1 Mitarbeiter war krank, 1 Mitarbeiter hatte einen nicht sturmbedingten Zeitausgleichstag, 7 Mitarbeiter hatten nicht sturmbedingten Urlaub. 1 Mitarbeiter nahm sturmbedingt einen Zeitausgleichstag, 7 Mitarbeiter arbeiten im Außendienst und mussten nicht zur Geschäftsstelle. 3 Mitarbeiter der Schadensabteilung haben gegenüber dem Betriebsrat geltend gemacht, sie seien länger als üblich unterwegs gewesen. Dabei handelt es sich um die Mitarbeiter L. (3 Stunden, 2 Minuten), T. (1 Stunde, 30 Minuten) und S. (1 Stunde). Ein Mitarbeiter, Herr L., kam nicht. Er hatte sturmbedingt zunächst einen Tag zeitausgleich genommen und machte nachträglich einen Ausgleich geltend.
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Mit Schreiben vom 04.07.2014 (Bl. 9 f. GA) und vom 14.07.2014 (Bl 15 f. GA) forderte der Betriebsrat die Beteiligte zu 2) auf, entsprechend § 13 der Betriebsvereinbarung den betroffenen Mitarbeitern eine Zeitgutschrift zu erteilen. Mit Schreiben vom 21.07.2014 (Bl. 17 GA) erwiderte die Beteiligte zu 2), bei dem Ereignis vom 09.06.2014 handele es sich nicht um eine Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung.
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Der Antragsteller hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, mit seinem Hauptantrag mache er seinen Durchführungsanspruch geltend. Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, Zeitgutschriften aufgrund der Betriebsvereinbarung zu erteilen. Denn am Tag nach dem Unwetter sei de facto ein Zugang zur Stadt Düsseldorf nicht möglich gewesen, weil Zufahrten unpassierbar gewesen seien. Außerhalb von Düsseldorf wohnende Mitarbeiter hätten ihren Arbeitsplatz entweder gar nicht, oder mit erheblicher Verspätung erreicht. Auch innerhalb Düsseldorfs wohnende Mitarbeiter hätten ihren Arbeitsplatz gar nicht, oder erst mit erheblicher Verspätung erreicht. Dies rechtfertige die Einordnung des Unwetters als Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung.
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Der Antragsteller hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
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1.die Arbeitgeberin zu verpflichten, entsprechend der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 den Mitarbeitern die Arbeitsausfälle in Folge der Unwetterkatastrophe vom 09.06.2014 im Gleitzeitkonto der betroffenen Mitarbeiter gut zu schreiben,
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2.hilfsweise festzustellen, dass den Mitarbeitern wegen der Unwetterkatastrophe vom 09.06.2014 entsprechend der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 auf Antrag die Arbeitsausfälle wegen der verspäteten Ankunftszeiten dem Arbeitszeitkonto der betroffenen Mitarbeiter gut zu schreiben ist.
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Die Beteiligte zu 2) hat erstinstanzlich beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Die Beteiligte zu 2) hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, der Hauptantrag sei bereits unzulässig. Der Betriebsrat verfolge insoweit ausschließlich individualrechtliche Ansprüche der Mitarbeiter. Der Betriebsrat könne nicht im eigenen Namen Zeitgutschriften für Mitarbeiter geltend machen. Auch der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil durch ihn nicht geklärt werden könne, ob sie aus der Betriebsvereinbarung zu einer Zeitgutschrift verpflichtet sei. Jedenfalls seien die Anträge unbegründet. Denn der Sturm "Ela" sei keine Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung. Insoweit habe sich lediglich das Wegerisiko realisiert, das durch die Betriebsvereinbarung nicht auf die Arbeitgeberin verlagert worden sei.
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Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Anträge zurückgewiesen. Der Hauptantrag des Betriebsrats sei bereits unzulässig. Denn der Betriebsrat mache keine eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüche geltend, sondern verfolge Individualansprüche einzelner Arbeitnehmer. Der Betriebsrat könne nicht die Feststellung eines zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisses im Beschlussverfahren verlangen. Davon abzugrenzen sei der Durchführungsanspruch des Betriebsrates. Hier formuliere der Betriebsrat aber keinen Durchführungsanspruch, sondern bemühe sich um die Durchsetzung individualrechtlicher Ansprüche der Arbeitnehmer. Er möchte Gutschriften für die einzelnen Mitarbeiter erreichen, die infolge des Unwetters gar nicht, oder nur verspätet zur Arbeitsstelle anreisen konnten. Dies nun seien Individualansprüche. Um die Gutschrift der Ausfallzeiten zu erreichen, bedürfe es in jedem Einzelfall einer Prüfung des Grundes und des Umfangs der Ausfallzeit, die dem betreffenden Arbeitnehmer gutgeschrieben werden soll. Hierzu reiche es auch nicht aus, die Betriebsvereinbarung anzuwenden, sondern der Sachverhalt müsse im Einzelfall ermittelt werden, um die Berechtigung einer Gutschrift prüfen zu können. Der Hilfsantrag hingegen sei zulässig, aber unbegründet. Denn die Schwierigkeiten einiger Mitarbeiter bei der Anreise am 10.06.2014 seien nicht Folge einer Naturkatastrophe im Sinne von § 13 der BV Arbeitszeit. Die Auslegung der Vorschrift zeige, dass das Wegerisiko nicht auf die Arbeitgeberin verlagert werden sollte. Der Wortlaut spreche von Arbeitsausfällen, wobei näher definiert werde, dass die Arbeit aufgrund einer Naturkatastrophe ausfalle. Dass Beeinträchtigungen auf dem Weg zur Arbeit erfasst sein sollen, sei dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Das Wegerisiko trage ohnehin immer der Arbeitnehmer, so dass es weiterer Anhaltspunkte bedurft hätte, dieses auf die Arbeitgeberin zu verlagern. Auch der Gesamtzusammenhang und die Systematik des § 13 Betriebsvereinbarung ergäben keinen Anhaltspunkt für eine derartige Auslegung. Nichts anderes ergebe sich aus der Formulierung: "unberührt der Regelung des § 616 BGB". Denn § 616 BGB regele die Fälle der vorübergehenden Verhinderung des Arbeitnehmers durch einen in seiner Person liegenden Grund. Auch hier seien objektive Leistungshindernisse auf dem Weg zur Arbeit nicht erfasst. Der Hinweis auf § 616 BGB bedeute letztlich nur, dass die Fälle gefasst werden sollten, die einzelne und nicht eine Mehrzahl von Arbeitnehmer betreffen. Ebenso wenig rechtfertigten Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung eine andere Sichtweise. Schließlich dürfe auch nicht übersehen werden, dass die Anwendung der BV Arbeitszeit auf den Fall zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen könne. Denn diejenigen, die pflicht- und verantwortungsbewusst lange Staus und Anreisezeiten in Kauf genommen hätten, würden gegenüber denen benachteiligt, die sich aus Unbequemlichkeit gar nicht erst auf den Weg gemacht hätten. Dies könnten die Betriebspartner nicht gewollt haben.
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Gegen den ihm am 01.12.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 12.12.2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 02.02.2015 (Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Der Antragsteller verfolgt mit der Beschwerde sein ursprüngliches Begehren weiter. Er meint, das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass er mit dem Haupantrag Individualansprüche der Arbeitnehmer verfolge. Der Antrag sei auch begründet. Ziel des Antrags sei es, zu erreichen, dass die Arbeitgeberin die sturmbedingten Ausfallzeiten den Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter gutschreibe. Deshalb sei der Hauptantrag auch nicht unzulässig und entspreche der ständigen Rechtsprechung des BAG. Es werde gerade keine konkrete Zahlung für die Arbeitnehmer gefordert, sondern abstrakt die Durchführung der Betriebsvereinbarung geltend gemacht. Konkrete Zahlungsansprüche stünden nicht zur Debatte. Auch materiell bestünde der geltend gemachte Anspruch. Zwar trage der Arbeitnehmer grundsätzlich das Wegerisiko. Davon abweichende Regelungen seien aber möglich. Hier zeige schon die Bezugnahme auf § 616 BGB, dass eine Verlagerung auf die Arbeitgeberin beabsichtigt gewesen sei. Dieses Risiko habe sich infolge der Naturkatastrophe realisiert. Auch das Argument der Ungerechtigkeiten infolge der Behandlung des Sturms als Naturkatastrophe greife nicht. Denn es liege im Beurteilungsspielraum der Betriebspartner, welche Fälle zu einer Zeitgutschrift führen sollen, auch wenn dadurch im Einzelfall Ungerechtigkeiten entstehen könnten. Auch komme es nicht darauf an, dass die Mitarbeiter, die nur eine kurze Anreise haben, keinen Nachteil dadurch erleiden, dass sie arbeiten, sondern umgekehrt diejenigen, die nicht arbeiten können, keine Nachteile erleiden. Auch sei nicht entscheidend, ob wenige oder eine Vielzahl von Mitarbeitern betroffen seien. Denn gerade bei den in der Betriebsvereinbarung erwähnten Naturkatastrophen gehe es regelmäßig um mehrere Mitarbeiter.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichtes Düsseldorf vom 05.11.2014 (Az.: 8 BV 167/14) abzuändern und
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1.die Arbeitgeberin zu verpflichten, entsprechend der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 den Mitarbeitern die Arbeitsausfälle in Folge der Unwetterkatastrophe vom 09.06.2014 im Gleitzeitkonto der betroffenen Mitarbeiter gut zu schreiben.
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2.Hilfsweise festzustellen, dass den Mitarbeitern wegen der Unwetterkatastrophe vom 09.06.2014 entsprechend der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 auf Antrag die Arbeitsausfälle wegen der verspäteten Ankunftszeiten dem Arbeitszeitkonto der betroffenen Mitarbeiter gut zu schreiben ist.
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Die Beteiligte zu 2) beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Die Beteiligte zu 2) verteidigt in erster Linie den angefochtenen Beschluss und macht unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend: Zutreffend habe das Arbeitsgericht entschieden, dass der Antrag zu 1) bereits deshalb der Abweisung unterliege, weil der Betriebsrat nicht befugt sei, Ansprüche von Arbeitnehmern geltend zu machen. Diesen Inhalt aber habe der Antrag, weil es darum gehe, die Arbeitsausfälle den Arbeitszeitkonten der betroffenen Mitarbeiter "gutzuschreiben". Konkret könne die Festlegung auch nur unter Berücksichtigung des Individualanspruchs geltend gemacht werden, weil die Voraussetzungen bei jedem Mitarbeiter unterschiedlich seien. Es sei aber nicht Sinn des Durchsetzungsanspruchs, Individualansprüche feststellen zu lassen. Hinzu komme folgendes: Da die Ansprüche der Arbeitnehmer von individuellen Faktoren abhängig seien, sei der Antrag auch gar nicht geeignet, eine Klärung herbeizuführen. Es könne also gar nicht abschlie ßend geklärt werden, ob die Mitarbeiter überhaupt Ansprüche hätten. Auch materiell habe der Antragsteller keinen Anspruch. Zum einen habe das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass das Wegerisiko durch die Betriebsvereinbarung nicht auf sie verlagert werden sollte. Ergänzend sei zu beachten, dass § 616 BGB dispositiv sei. Die Nennung der Norm im Wortlaut der Betriebsvereinbarung zeige nur, dass die Fälle aufgelistet werden sollten, die in jedem Fall eine Gutschrift auslösen sollten. Es gehe um Naturkatastrophen oder Erkrankungen am Arbeitsplatz, nicht bei der Anreise. Die Übernahme des Wegerisikos durch objektive Einflüsse hätte ausdrücklich vereinbart werden müssen. Die Anträge seien auch deshalb abweisungsreif, weil die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße, weil der zugrunde liegende Tarifvertrag vom 18.06.1996 keine Öffnungsklausel enthalte. Dieser rechtliche Gesichtspunkt sei vom Arbeitsgericht nicht erörtert worden. Vielmehr regelten §§ 12, 14 MTV abschließend die den Arbeitnehmern zustehenden freien Tage. Die Besitzstandsregelung in § 26 MTV greife ebenfalls nicht. Denn diese regele nur, dass "bereits bestehende günstigere Regelungen" unberücksichtigt bleiben sollen. Da die Betriebsvereinbarung vom 16.12.1998 datiere und zeitlich später abgeschlossen worden sei, könne sie keine weitergehenden Ansprüche begründen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle und Ergebnisse der Anhörung.
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II.
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Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist begründet. Denn er hat entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes einen Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin die vereinbarte Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 durchführt und den betroffenen Mitarbeitern Arbeitsausfälle infolge des Sturms "Ela" vom 09.06.2014 dem Gleitzeitkonto gutschreibt. Denn der Sturm "Ela" fällt unter den Begriff "Naturkatastrophe" im Sinne der Betriebsvereinbarung, da die Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 bei einer Naturkatastrophe auch das Wegerisiko erfasst und vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber verlagert. Mit dem Antrag macht der Betriebsrat zudem eigene, ihm zustehende Rechte aus der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 geltend und agiert nicht als Prozesstandschafter für die Mitarbeiter. Ob die einzelnen Mitarbeiter vom Sturm betroffen gewesen sind und in welchem Umfang bei grundsätzlicher Betroffenheit Zeitgutschriften zu erteilen sind, ist eine Frage der jeweiligen Ansprüche der Mitarbeiter, die nicht streitgegenständlich sind.
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A.Die Beschwerde ist zulässig.
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Sie ist an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG), sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
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Als notwendige Beteiligte des Verfahrens waren keine weiteren Gremien zu beteiligen.
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Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist dabei nach herrschender Auffassung jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (BAG v. 28.03.2006 - 1 ABR 59/04, AP Nr. 128 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG v. 16.05.2007 -7 ABR 63/06 Rz. 11, AP Nr. 3 zu § 96a ArbGG 1979 Rz. 11; LAG Düsseldorf v. 14.09.2010 - 16 TaBV 11/10, juris).
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Dies sind hier nur die Arbeitgeberin und der örtliche Betriebsrat.
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B.In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel Erfolg.
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Die Beschwerde ist begründet. Der Betriebsrat hat einen Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin die vereinbarte Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 durchführt und den betroffenen Mitarbeitern Arbeitsausfälle infolge des Sturms "Ela" vom 09.06.2014 dem Gleitzeitkonto gut geschrieben werden.
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1.Der Antrag ist zulässig. Mit dem Antrag macht der Betriebsrat eigene, ihm zustehende Rechte aus der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 geltend und agiert nicht als Prozesstandschafter für die Mitarbeiter. Ob die einzelnen Mitarbeiter vom Sturm betroffen gewesen sind und in welchem Umfang bei der Betroffenheit Zeitgutschriften zu erteilen sind, ist eine Frage der jeweiligen Ansprüche der Mitarbeiter, die nicht streitgegenständlich sind.
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aa)Mit dem Antrag, die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Mitarbeitern Arbeitsausfälle in Folge der Unwetterkatastrophe dem Gleitzeitkonto gut zu schreiben, geht es dem Antragsteller nicht um die Durchsetzung eigener vermögensrechtlicher Rechtspositionen oder solcher der Arbeitnehmer, sondern um die Durchsetzung seines Mitbestimmungsrechtes bei der Durchführung der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1998 über flexible Arbeitszeit. Dies ergibt die Auslegung des Antrags.
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Ein Antrag kann entsprechend dem Rechtsschutzziel des Antragstellers ausgelegt werden. Für das Verständnis eines Antrags ist nicht an dem buchstäblichen Wortlaut der Antragsfassung zu haften. Bei Zweifeln ist der Antrag auszulegen. Das Gericht hat den erklärten Willen zu erforschen, wie er aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage hervorgeht. Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) sind für die Auslegung von Klageanträgen heranzuziehen (BAG v. 22.12.2009 - 3 AZN 753/09, juris; BAG v. 16.12.2008 - 9 AZR 164/08, DB 2009, 1246).
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Der Betriebsrat hat nicht nur in seinen Schriftsätzen, sondern auch in den Anhörungen klargestellt, dass es ihm nicht darum geht, die Ansprüche der Mitarbeiter durchzusetzen. Dies kann er auch gar nicht, da die konkreten Ansprüche der Mitarbeiter von individuellen Faktoren abhängig sind, etwa Entfernung des Wohnortes vom Arbeitsort, Betroffenheit des Wohnortes bzw. des Anreiseweges durch den Sturm, sowie tatsächliche Dauer der Anreise. Schon dies zeigt deutlich, dass es ihm nicht auf die Durchsetzung des individuellen Anspruchs der Mitarbeiter im Sinne einer ganz konkreten Zeitgutschrift ankommt, sondern dass er lediglich die mit der Arbeitgeberin getroffene Vereinbarung durchsetzen will (vgl. dazu auch BAG v. 22.01.2013 - 1 ABR 92/11, NZA 2013, 752). Er will erreichen, dass die Arbeitgeberin das konkrete Ereignis "Sturm vom 09.06.2014" als Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung behandelt und die Betriebsvereinbarung auf diesen Fall anwendet mit der Folge, dass den betroffenen Arbeitnehmern Zeitgutschriften erteilt werden.
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bb)Bei diesem Antrag fehlt dem Antragsteller auch nicht etwa die Antragsbefugnis.
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Die Antragsbefugnis ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Sachentscheidungsvoraussetzung. Ihr Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Das Erfordernis dient dazu, Popularanträge auszuschließen. Die Arbeitsgerichte sollen nicht zur Verfolgung fremder Rechte angerufen werden. Voraussetzung der Antragsbefugnis im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist grundsätzlich, dass der Antragsteller eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte behauptet. Dem Betriebsrat fehlt daher die Antragsbefugnis in der Regel, wenn er ausschließlich Rechte der Arbeitnehmer reklamiert (BAG v. 22.01.2013 - 1 ABR 92/11, NZA 2013, 752; BAG v. 20.04.2010 - 1 ABR 85/08, EzA BetrVG 2001 § 82 Nr. 2; BAG v. 05.10.2010 - 1 ABR 20/09, NZA 2011, 598). Die erforderliche Betroffenheit ist gegeben, wenn sich der Antragsteller eigener Rechte berühmt und deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (BAG v. 30.09.2008 - 1 ABR 54/07, BAGE 128, 92-101; BAG v. 19.09.2006 - 1 ABR 53/05, BAGE 119, 279; BAG v. 18.02.2003 - 1 ABR 17/02, juris).
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Auf dieser Grundlage hat das BAG wiederholt entschieden, dass der Betriebsrat nicht die Feststellung eines zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisses im Beschlussverfahren verlangen kann. Die Feststellung individualrechtlicher Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber sei keine Angelegenheit aus dem BetrVG im Sinne von § 80 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG (BAG v. 17.10.1989 - 1 ABR 75/88, NZA 1990, 441; BAG v. 24.02.1987 - 1 ABR 73/84, AP Nr. 28 zu § 80 BetrVG 1972, BAG v. 24.11.1987 - 1 ABR 57/86, AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG v. 26.01.1988 - 1 ABR 18/86 -, juris). Davon abzugrenzen seien eigene betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber. Bei einem Streit der Betriebspartner über die Befugnis des Betriebsrats, die zutreffende Durchführung der in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG genannten Regelungen verlangen zu können, fehlte es nicht an der Antragsbefugnis (BAG v. 10.06.1986, AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972). Dies jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber in der Betriebsvereinbarung gegenüber dem Betriebsrat zur Durchführung von Handlungen verpflichtet habe. Von diesem Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung zu unterscheiden seien diejenigen Fälle, in denen durch die Betriebsvereinbarung normativ Ansprüche der Arbeitnehmer begründet werden. Darauf, dass auch diese normativ begründeten Ansprüche der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erfüllt werden, habe der Betriebsrat nach einer früheren Rechtsprechung des BAG keinen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber. Die Betriebsvereinbarung sei ebenso wie der Tarifvertrag ein Normenvertrag und kein schuldrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter. Die Bejahung eines solchen Anspruchs würde im Ergebnis bedeuten, dass Rechtsstreitigkeiten über solche Ansprüche der Arbeitnehmer, die in den Normen einer Betriebsvereinbarung ihre Grundlage haben, zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgetragen werden. Der Individualrechtsschutz des einzelnen Arbeitnehmers würde auf das Verhältnis Arbeitgeber/Betriebsrat verlagert. Dem Betriebsrat käme die Rolle eines gesetzlichen Prozessstandschafters für die Arbeitnehmer zu. Dass auch dem Betriebsrat eine so weitgehende Befugnis eingeräumt werden sollte, könne weder § 77 Abs. 1 noch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entnommen werden. Der Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung habe daher nicht die Befugnis zum Inhalt, vom Arbeitgeber aus eigenem Recht die Erfüllung von Ansprüchen der Arbeitnehmer aus dieser Betriebsvereinbarung zu verlangen (BAG v. 17.10.1989 - 1 ABR 75/88, NZA 1990, 441).
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An dieser einschränkenden Auslegung der Prozessführungsbefugnis hat das BAG in den neueren Entscheidungen zu Recht nicht mehr festgehalten. Entscheidend ist, ob der Betriebsrat ausschließlich Rechte der Arbeitnehmer reklamiert (BAG v. 22.01.2013 - 1 ABR 92/11, NZA 2013, 752; BAG v. 20.04.2010 - 1 ABR 85/08, EzA BetrVG 2001 § 82 Nr. 2; BAG v. 05.10.2010 - 1 ABR 20/09, NZA 2011, 598). Die erforderliche Betroffenheit ist gegeben, wenn sich der Antragsteller eigener Rechte berühmt und deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (BAG v. 30.09.2008 - 1 ABR 54/07, BAGE 128, 92-101; BAG v. 19.09.2006 - 1 ABR 53/05, BAGE 119, 279; BAG v. 18.02.2003 - 1 ABR 17/02, juris). Begehrt der Betriebsrat demgegenüber die Durchsetzung einer Betriebsvereinbarung kommt es bei der eigenen Betroffenheit nicht darauf an, ob durch die Betriebsvereinbarung eigene normative Rechte für die Arbeitnehmer begründet werden. Dies ist nur die Folge der Betroffenheit des eigenen Rechtes des Betriebsrates auf Durchführung der Betriebsvereinbarung. Denn in erster Linie geht es um die Durchsetzung der eigenen Rechte des Betriebsrates und gleichsam als Reflex auch um Ansprüche der Arbeitnehmer. Insofern korrespondiert mit dem Durchsetzungsanspruch des Betriebsrates in den meisten Fällen auch ein Anspruch der Arbeitnehmer. Entscheidend ist in diesen Fällen das Begehren des Betriebsrates. Insoweit fehlt die Antragsbefugnis nur, wenn ausschließlich Rechte der Arbeitnehmer geltend gemacht werden (BAG v. 05.10.2010 - 1 ABR 20/09, NZA 2011, 598; BAG v. 22.01.2013 - 1 ABR 92/11, NZA 2013, 752).
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So liegt der Fall hier nicht. Der Betriebsrat verlangt aus eigenem Recht die Durchführung der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1998. Er verfolgt nicht die Durchsetzung des individuellen Anspruchs der Mitarbeiter im Sinne einer ganz konkreten Zeitgutschrift für den jeweiligen Arbeitnehmer, sondern will erreichen, dass die mit der Arbeitgeberin getroffene Vereinbarung aus der Betriebsvereinbarung auf einen konkreten Fall angewendet wird. Es geht ihm erkennbar darum, der Verletzung seines Mitbestimmungsrechtes aus der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vorzubeugen. Denn die Arbeitgeberin hat gerade in Abrede gestellt, dass die mit dem Antragsteller abgeschlossene Betriebsvereinbarung den Sturm Ela vom 09.06.2014 erfasst. Darin liegt die Wahrnehmung eigener Rechte (vgl. auch BAG v. 18.02.2003 - 1 ABR 17/02, juris). Ob der Anspruch besteht, ist dann eine Frage der Begründetheit des Antrags (vgl. nur BAG v. 22.01.2013 - 1 ABR 92/11, NZA 2013, 752).
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cc)Dabei geht es auch nicht um die Erstattung eines abstrakten "Rechtsgutachtens". Diese Einwendung der Arbeitgeberin bezieht sich ohnehin zunächst einmal auf die Frage des Feststellunginteresses im Rahmen einer Feststellungsklage. Insoweit ist ihr zuzugeben, dass nach dem im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden kann, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat (vgl. BAG v. 30.04.2014 - 7 ABR 30/12, juris; BAG v. 24.04.2007 - 1 ABR 27/06, juris). Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen. Die Klärung solcher Fragen liefe darauf hinaus, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Das ist den Gerichten verwehrt (BAG v. 30.04.2014 - 7 ABR 30/12, juris; BAG v. 18.01.2012 - 7 ABR 73/10, juris).
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Dieser Gesichtspunkt geht schon deshalb fehl, weil hier ein Leistungsantrag, kein Feststellungsantrag erhoben worden ist. Zudem ist konkret streitig, ob ein bestimmtes Ereignis, durch das die Mitarbeiter jedenfalls teilweise unstreitig an der rechtzeitigen Anreise gehindert worden sind, zu einer Zeitgutschrift aufgrund der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung führt. Es geht nicht darum, ob konkrete Mitarbeiter eine Zeitgutschrift erhalten müssen, sondern nur darum, ob der Sturm vom 06.09.2014 ein Fall ist, der zu einer Zeitgutschrift aufgrund der Betriebsvereinbarung führt und dass den betroffenen Mitarbeitern dann eine entsprechende Zeitgutschrift zu erteilen ist.
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2.Der Antrag ist auch begründet. Denn der Sturm "Ela" fällt unter den Begriff "Naturkatastrophe" im Sinne der Betriebsvereinbarung, da die Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 bei einer Naturkatastrophe auch das Wegerisiko erfasst und vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber verlagert. Dies ergibt die Auslegung der Betriebsvereinbarung.
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aa)Betriebsvereinbarungen sind nach der zutreffenden und ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der die erkennende Kammer folgt, wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem dadurch vermittelten Wortsinn. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine tatsächliche Übung herangezogen werden. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen, sachgerechten und praktisch handhabbaren Regelung führt (BAG v. 24.04.2013 - 7 AZR 523/11, DB 2013, 2094; BAG v. 14.03.2012 - 7 AZR 147/11, NZA 2012, 1138; BAG v. 19.02.2008 - 1 AZR 114/07, NZA 2008, 1313; BAG v. 30.03.2008 - 8 AZR 1022/06 - NZA 2008, 1297; BAG v. 19.2.2008 - 1 AZR 114/07, NZA 2008, 1313; BAG v. 29.09.2004 -1 AZR 634/03, EzA § 42d EStG Nr. 2; BAG v. 21.01.2003 - 1 ABR 5/02 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 117; BAG v. 22.07.2003 - 1 AZR 496/02 -, zu II 1 der Gründe: Fitting, § 122a Rz.175; Richardi, § 112 Rz.139; Däubler, § 112 a Rz.25).
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Auszugehen ist also zunächst vom Wortlaut und dem dadurch vermittelten Wortsinn. Raum für die Feststellung eines vom Wortlaut abweichenden Parteiwillens besteht daneben nach der ständigen Rechtsprechung des BAG nicht. Zwar darf nicht an dem buchstäblichen Sinne des Wortlauts gehaftet werden, sondern es ist der wirkliche Wille zu erforschen (so schon BAG v. 19.06.1963 - 4 AZR 125/62, AP Nr. 116 zu § 1 TVG Auslegung; BAG v. 23.05.1984 - 5 AZR 459/82, juris). Daneben ist der von den Betriebsparteien verfolgte Zweck in erster Linie zu berücksichtigen. Der wirkliche Wille und verfolgte Zweck müssen aber im Wortlaut oder sonst irgendwie in der Betriebsvereinbarung zumindest andeutungsweise ihren Niederschlag gefunden haben (BAG v. 22.01.1960 - 1 AZR 449/57 - AP Nr. 96 zu § 1 TVG Auslegung; BAG v. 23.05.1984 - 5 AZR 459/82, juris). Selbst wenn die Parteien eine falsche Bezeichnung (falsa demonstratio) wählen, sie aber übereinstimmend etwas anderes meinen, gilt nicht entsprechend den Grundsätzen bei der Vertragsauslegung das gemeinsam Gewollte (BAG v. 23.05.1984 - 5 AZR 459/82, juris).
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bb)Unter Zugrundelegung dieser Auslegungsgrundsätze erfasst der Begriff der "Naturkatastrophe in der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1998 auch das sog. "Wegerisiko". Zudem ist der Sturm Ela vom 09.06.2014 auch eine Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung.
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(1)Die Betriebsvereinbarung erfasst bei einer Naturkatastrophe auch das Wegerisiko.
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Dem Arbeitsgericht und der Beklagte sind zuzugeben, dass nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen der Arbeitnehmer - soweit keine abweichende Vereinbarung existiert - seine Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte selbst zu tragen hat (vgl. BAG v. 22.06.2011 - 8 AZR 102/10, juris). Die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz sind erforderliche Handlungen des Arbeitnehmers, um die geschuldete Tätigkeit am Arbeitsplatz aufnehmen zu können. Sowohl die dafür erforderliche Zeit als auch die damit verbundenen Kosten muss der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst aufwenden (vgl. BAG v. 22.06.2011 - 8 AZR 102/10, juris).
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Hier haben die Betriebspartner aber das Wegerisiko auch für den Fall der Naturkatastrophe auf den Arbeitgeber verlagert.
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Zunächst spricht der Wortlaut aus Sicht der Kammer auch für die Übernahme des Wegerisikos durch den Arbeitgeber. Denn die Regelung in § 13 der Betriebsvereinbarung differenziert bei einem Arbeitsausfall und dem Anlass für den jeweiligen Arbeitsausfall gar nicht nach dem Wegerisiko. Im Eingangssatz heißt es nur, dass "Arbeitsausfälle" dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben werden. Ob und aus welchem Grund die Arbeit ausfällt, wird hier nicht abgearbeitet. Auch wird nicht danach differenziert, in welcher Phase der Grund für den Arbeitsausfall auftritt. Es wird lediglich global von "Arbeitsausfall" gesprochen. Die Arbeit fällt aber stets aus, wenn sie nicht erbracht wird. Ob der Betrieb abgebrannt ist, der Arbeitnehmer krank ist, oder er einen Unfall bei der Anreise erleidet, ist für diese Begriffsdefinition unerheblich. Denn der Begriff bezeichnet nur die Folge für die Arbeit als solche, also den Ausfall derselben.
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Dass der Begriff des Arbeitsausfalls keinen Bezug zum Wegerisiko herstellt, zeigt sich besonders deutlich an Ziffer a) der Regelung. Denn dort wird gerade ein Fall des Wegerisikos erfasst. Denn es wird klargestellt, dass eine Gleitzeitgutschrift auch dann erfolgt, wenn der Arbeitsausfall Folge einer Verletzung eines auf dem direkten Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erlittenen Unfalls ist. Dass der Begriff des Arbeitsausfalls global zu verstehen ist, zeigt sich auch an Ziffer c). Denn dort geht es um eine Abwesenheit aus persönlichen Gründen. Insgesamt zeigen sowohl der Begriff des "Arbeitsausfalls" selbst als auch die systematisch später geregelten Gründe des jeweiligen Arbeitsausfalls nur, dass es um den Ausfall als solchen geht. Warum der Arbeitsausfall entsteht, ist für den Begriff des Ausfalls irrelevant. Entscheidend für die Zeitgutschrift ist der Arbeitsausfall und das Vorliegen des in der Betriebsvereinbarung unter Ziffer a ) - e) geregelten Grundes für den Ausfall.
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Auch aus Ziffer g) der Betriebsvereinbarung ergibt sich keine Beschränkung auf Fälle außerhalb des Wegerisikos. Denn Ziffer g) nennt als Grund für den Arbeitsausfall den Begriff der "Naturkatastrophe". Auch in diesem Zusammenhang wird nicht danach differenziert, wo genau bzw. in welchem Bereich oder in welcher Risikosphäre die Naturkatastrophe eintritt. Es wird also nicht geregelt, ob nur Naturkatastrophen erfasst werden sollen, bei denen der Betrieb selbst betroffen ist, also die Arbeit ausfällt, weil im Betrieb wegen der Naturkatstrophe nicht gearbeitet werden kann. Die Regelung "Arbeitsausfall als Folge einer Naturkatastrophe" ist sowohl vom Wortlaut als auch nach Systematik, Regelungszusammenhang und Entstehungsgeschichte umfassend zu verstehen. Wie gesehen ergibt sich aus dem Begriff "Arbeitsausfall" keine Beschränkung. Auch der Begriff der Naturkatastrophe enthält aus sich heraus keine Differenzierung. Denn eine Naturkatastrophe ist nach der allgemeinen Definition die Sammelbezeichnung für alle extremen Naturereignisse, die zu zahlreichen Todesopfern, Verletzten, Obdachlosen oder Schäden an der Infrastruktur führen (Brockhaus, Lexikon). Insoweit fehlt jegliche räumliche oder zeitliche Einschränkung. Im Gegenteil findet sich in Ziffer g) noch eine Formulierung, die aus Sicht der Kammer nur die Auslegung zulässt, dass es irrelevant ist, wo sich die Naturkatastrophe auswirkt. Denn es findet sich der Hinweis: "Nachweis nur bei lokalem Auftreten erforderlich". Wollte man die Naturkatastrophe nur auf den Betrieb beschränken, bedürfte es dieser Einschränkung nicht. Denn wenn der Betrieb unmittelbar von der Naturkatastrophe betroffen ist, bedarf es im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber keines Nachweises. Dies hat auch das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Der Hinweis kann aber nur bedeuten, dass auch lokale Katastrophen erfasst werden, also etwa am Wohnort des Arbeitnehmers eine Naturkatastrophe aufgetreten ist, die sich gerade nicht am Betrieb ausgewirkt hat. Wollte man dann, wie die Beklagte es andeutet, in diesem Fall danach differenzieren, ob das Wohnhaus des Arbeitnehmers zerstört worden ist oder aber die Anreise unmöglich ist, weil Bäume auf der Strecke die Anreise verhindern, werden die Grenzen der objektiven sinnhaften Auslegung gänzlich verlassen. Denn ein Anhaltspunkt für eine derart einschränkende Auslegung findet sich im Regelungstext nicht. Dem Arbeitnehmer Zeitgutschriften zu erteilen, nur wenn der Betrieb betroffen ist oder der Arbeitnehmer persönlich von einer Naturkatastrophe betroffen ist, wird der Regelung nicht gerecht. Denn der Begriff der Naturkatastrophe und der Begriff Arbeitsausfall sind umfassend zu verstehen. Gerade weil der Begriff der Naturkatastrophe ohne Einschränkung verwendet wird und sie sich nach dem Wortlaut der Regelung auch lokal auswirken kann, ist zwangsläufig auch das Wegerisiko erfasst. Einer besonderen Regelung bedarf es dazu nicht. Im Gegenteil muss umgekehrt eine Einschränkung in den Regelungstext aufgenommen werden, falls diese gewollt gewesen wären. Es ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich das Wegerisiko trägt. Denn die Beteiligten haben sich in der Betriebsvereinbarung gerade darauf verständigt, im Bereich des § 616 BGB Regelungen zu treffen. Dass diese dann auch vom gesetzlichen Leitbild abweichen können, ist zwangsläufige Folge einer Regelung. Denn ansonsten bedürfte es keiner Regelung. Darüber hinaus spricht für die hier vertretene Auslegung auch die von der Beteiligten zu 2) behauptete Entstehungsgeschichte. Sie meint, die Regelung beruhe auf einem Muster, das bei der Muttergesellschaft verwendet würde, weil der Betrieb dort zuweilen vom Hochwasser betroffen sei. Dann aber ist zwangsläufig auch das Wegerisiko erfasst, weil dann unabhängig von der Betroffenheit des Betriebes jedenfalls auch die Anreise nicht möglich ist. Auch dies zeigt letztlich, welche sprachlichen Klimmzüge es erfordert, der Regelung eine sinnhafte Einschränkung zuteil werden zu lassen, die sprachlich nicht im Regelungstext enthalten ist. Nach Auffassung der Kammer ist die Regelung letztlich sprachlich eindeutig. Naturkatastrophen werden erfasst. Es spielt keine Rolle, ob sie bei Arbeitnehmer eintreten oder beim Arbeitgeber. In beiden Fällen ist auch das Wegerisiko erfasst. Denn es ist der Regelung nicht zu entnehmen, dass sie danach differenzieren möchte, wo genau sich die Naturkatastrophe auswirkt. Im Falle der Naturkatastrophe sollten Zeitgutschriften für den Arbeitsausfall erteilt werden, auch wenn sich die Katstrophe nur auf dem Abreiseweg auswirkt. Gegen diese Auslegung sprechen auch keine "Gerechtigkeitserwägungen". Dass einzelne Arbeitnehmer Regelungen ausnutzen können beeinflusst die Auslegung der Regelung nicht. Denn die Betriebspartner können davon ausgehen, dass die Mitarbeiter verantwortungsbewusst mit ihren Möglichkeiten umgehen. Wird Missbrauch erkannt, wäre die Regelung dann gemeinsam zu ändern. Eine einschränkende Auslegung aber rechtfertigt dieser Gesichtspunkt nicht.
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(2)Der Sturm Ela war auch eine Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung. Dass es sich bei dem Sturm vom 09.06.2014 um eine Naturkatastrophe handelte, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Dies zu Recht. Denn eine Naturkatastrophe ist nach der allgemeinen Definition wie gesehen die Sammelbezeichnung für alle extremen Naturereignisse, die zu zahlreichen Todesopfern, Verletzten, Obdachlosen oder Schäden an der Infrastruktur führen. Das Naturereignis wird also zur Naturkatastrophe durch die vom Ereignis hervorgerufenen Auswirkungen auf Menschen, Tiere oder Infrastruktur. Es geht darum, dass die durch das Ereignis bewirkte Veränderung auf Lebewesen und Lebensweise verheerende Auswirkungen hat. In diesem Sinne war der Sturm vom 09.06.2014 eine Naturkatastrophe. Beim Durchzug des Sturms traten in einem Streifen vom Rheinland bis ins Ruhrgebiet Böen bis Orkanstärke auf. Am Flughafen Düsseldorf wurden Windgeschwindigkeiten von bis zu 142 km/h gemessen. Gebietsweise fielen rund 40 Liter Niederschläge auf den Quadratmeter. Der Sturm führte Gewitterfronten mit Sturmböen, Regen und teils auch Hagel. Es kamen insgesamt sechs Menschen ums Leben; in Nordrhein-Westfalen wurden zudem 30 Menschen schwer und 37 leicht verletzt. Es kam zu schweren Zerstörungen und mehrere Tage anhaltenden Verkehrsbeeinträchtigungen. Die Versicherungsschäden beliefen sich auf mindestens 600 Millionen Euro eingeschätzt (Wikipedia, Eintrag "Ela").
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cc)Die Betriebsvereinbarung ist auch wirksam. Insbesondere steht der Wirksamkeit nicht, wie die Beteiligte zu 2) meint, der Tarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe entgegen. Dies ergibt die Auslegung des Tarifwerkes.
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Zuzugeben ist der Beteiligten zu 2), dass in bestimmten Fällen einem Tarifwerk eine Sperrwirkung zukommt. Dies ist hier aber nicht ersichtlich, da der Tarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe in der Fassung vom 01.07.2013 keine Sperrwirkung entfaltet. Denn der Regelungskomplex "Arbeitsbefreiung" in § 14 des Tarifvertrages ist betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Wörtlich heißt es im 4. Satz: "Günstigere betriebliche Regelungen sind zulässig."
71
Die Betriebsvereinbarung zur "Flexiblen Arbeitszeit" ist von der Regelungsmacht der Betriebspartner gedeckt. Dabei entspricht der Bereich der Arbeitszeitregelungen dem Mitbestimmungsrecht der Betriebspartner aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wonach Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage mitbestimmungspflichtig ist. Zudem regelt § 87 Abs. 1 Nr. 10 Fragen der betrieblichen Lohngestaltung.
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Das Mitbestimmungsrecht auf Grundlage der § 87 BetrVG kann im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG, wonach der Betriebsrat nur mitbestimmen kann, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, beschränkt oder ausgeschlossen sein. Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG v. 18.10.2011 - 1 ABR 34/10, NZA 2012, 1248; BAG v. 03.12.1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der sozialen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts. Im Bereich der betrieblichen Lohngestaltung soll die Mitbestimmung des Betriebsrats zB die Angemessenheit des innerbetrieblichen Lohngefüges und seine Transparenz gewährleisten (BAG v. 18.10.2011 - 1 ABR 34/10, NZA 2012, 1248; BAG v. 23.03.2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 13, BAGE 133, 373; BAG v. 28.04.2009 - 1 ABR 97/07 - Rn. 21, BAGE 131, 1). Allerdings unterliegt das Beteiligungsrecht seinerseits der durch den Gesetzes- und Tarifvorbehalt gezogenen Binnengrenze. Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist. Für einen weiteren Schutz durch Mitbestimmungsrechte besteht dann kein Raum mehr (BAG v. 18.10.2011 - 1 ABR 34/10, NZA 2012, 1248; BAG v. 09.12.2003 - 1 ABR 44/02 - zu B I 3 a bb der Gründe, BAGE 109, 61). Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts durch den Tarifvorbehalt erfordert weiter, dass die Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben (BAG v. 18.10.2011 - 1 ABR 34/10, NZA 2012, 1248; BAG v. 03.12.1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a, b der Gründe, BAGE 69, 134). Die Tarifvertragsparteien dürfen das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen oder einschränken, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst zu regeln (BAG v. 18.10.2011 - 1 ABR 34/10, NZA 2012, 1248; BAG v. 09.11.2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 17, EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 15). Dabei reicht bereits die Tarifbindung des Arbeitgebers aus. Einer normativen Bindung der betriebszugehörigen Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) bedarf es hierfür nicht. Das gilt auch dann, wenn es sich bei der das Mitbestimmungsrecht verdrängenden tariflichen Regelung um Inhaltsnormen handelt. Das entspricht dem Zweck des Eingangshalbsatzes. Denn dieser geht davon aus, dass eine bestehende gesetzliche oder tarifliche Regelung dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer ausreichend Rechnung trägt und daher Mitbestimmungsrechte entbehrlich macht (BAG v. 18.10.2011 - 1 ABR 34/10, NZA 2012, 1248).
73
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt dabei nach st ändiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer auch hier folgt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. nur BAG v. 16.11.2011 - 10 AZR 549/10, juris; BAG v. 24.09.2008 - 10 AZR 669/07, NZA 2009, 45).
74
Auf dieser Grundlage ist entscheidend, ob die Auslegung des Regelungswerkes ergibt, dass die Tarifvertragsparteien bezogen auf den Regelungsgegenstand selbst eine zwingende und inhaltlich abschließende Regelung getroffen haben. Dies ist nicht der Fall. Zwar befasst sich der Tarifvertrag in seinem Paragraphen 14 mit der "Arbeitsbefreiung" und nennt Fälle, in denen Mitarbeiter in konkret bezeichnetem Umfang von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen sind. Dabei bleibt jedoch sowohl § 616 BGB "unberührt" als auch eine "günstigere betriebliche Regelung". Letztere Formulierung zeigt nachhaltig, dass die Tarifvertragsparteien keine abschließende Regelung getroffen haben. Dabei kommt es auch nicht auf die Frage der Übertragung des "Wegerisikos" an, weil sich der Tarifvertrag hierzu gar nicht verhält, sondern umfassend günstigere betriebliche Regelungen ermöglichen will.
75
dd)Als Folge der Erfassung des Sturms vom 09.06.2014 als Naturkatastrophe hat der Betriebsrat einen Anspruch darauf, dass die vom diesem Ereignis betroffenen Mitarbeiter im Umfang ihrer ganz konkreten persönlichen Betroffenheit Zeitgutschriften auf ihrem Gleitzeitkonto erhalten. In welchem Umfang dies der Fall ist, war im Beschlussverfahren nicht zu entscheiden. Denn die Individualansprüche der Arbeitnehmer sind nicht Gegenstand des Beschlussverfahrens. Hier geht es lediglich darum, dass die Beteiligte Arbeitgeberin verpflichtet ist, die Betriebsvereinbarung durchzuführen und den betroffenen Mitarbeitern Zeitgutschriften auf Grundlage der Betriebsvereinbarung im Umfang der Betroffenheit der Mitarbeiter zu erteilen hat.
76
III.
77
Da der Rechtssache weder grundsätzlich Bedeutung zukommt noch die Voraussetzungen einer Divergenzrechtsbeschwerde ersichtlich sind, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zu Gunsten der Arbeitgeberin kein gesetzlicher Grund (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).
78
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:
79
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
80
Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 92a ArbGG verwiesen.