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18.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200752

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 06.12.2017 – 4 Sa 852/17

1. Verlangt der Arbeitnehmer, einen bestimmten Teil seiner künftigen Entgeltansprüche nach §1a BetrAVG umzuwandeln, können den Arbeitgeber Hinweis- und Aufklärungspflichten treffen (hier: Hinweis auf eine anstehende Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V), deren Verletzung Schadensersatzansprüche begründen können.

2. Überträgt der Arbeitgeber die Information und Beratung über den von ihm gewählten Durchführungsweg einem Kreditinstitut, ist dieses als Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 Satz 1 BGB anzusehen.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.05.2017 - 3 Ca 177/17 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger 1.253,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2016 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den weiteren Schaden, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte ihn bei Abschluss der Vereinbarung über die Entgeltumwandlung vom 23.09.2003 nicht über die bevorstehende Beitragspflicht von einmaligen Kapitalleistungen aus einer betrieblicher Altersversorgung ab dem 01.01.2004 aufgeklärt hat, zu ersetzen, insbesondere die von ihm ab dem 01.01.2017 weiterhin zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Zusage einer betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung.



Der 1950 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.10.1983 bis zum 30.11.2014 bei der Beklagten angestellt. In dem hier relevanten Zeitraum ab dem Jahr 2003 lag sein Arbeitsentgelt durchgängig deutlich oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung. Einzelheiten ergeben sich aus einer tabellarischen Übersicht auf Aktenblatt 34.



Die Beklagte ist Mitglied in der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und dadurch an die für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Tarifverträge gebunden. Am 18.02.2003 haben die VKA und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen "Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer im kommunalen Öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) geschlossen, der rückwirkend zum 01.01.2003 in Kraft getreten ist. Darin wird auf Grundlage des § 17 Abs. 5 BetrAVG für die vom tariflichen Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer die Möglichkeit der Entgeltumwandlung eröffnet.



Unter § 6 TV-EUmw/VKA heißt es:

"§ 6 Durchführungsweg 1Die Entgeltumwandlung im Rahmen der durch das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vorgesehenen Durchführungswege ist vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 bei öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen durchzuführen. 2Der Arbeitgeber kann im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach Satz 1 auch von der Sparkassen-Finanzgruppe oder den Kommunalversicherern angebotene Durchführungswege bestimmen. 3Durch landesbezirklichen Tarifvertrag können bei Bedarf abweichende Regelungen zu den Sätzen 1 und 2 getroffen werden. Die Beklagte hat nach § 6 Satz 2 TV-EUmw/VKA bestimmt, für Entgeltumwandlungsvereinbarungen den Durchführungsweg über die "neue leben Pensionsverwaltung AG", die zur Sparkassenfinanzgruppe gehört, zu wählen. Zu diesem Zweck schloss sie am 20.03.2003 mit dieser einen "Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse bzw. eine Direktversicherung". Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Aktenblatt 85 - 86 Bezug genommen. Am 09.04.2003 fand auf Einladung des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats eine Betriebsversammlung statt, in der ein Mitarbeiter der Sparkasse M (heute: Sparkasse B), nämlich deren "Fachberater für betriebliche Altersversorgung" C, über Fragen der Entgeltumwandlung informierte. Im Einladungsschreiben wurde dies als Tagesordnungspunkt 3 "Die Sparkasse M informiert zu dem Thema: Entgeltumwandlung über eine Pensionskasse (Betriebsrente) - Möglichkeit der Vorsorge und Chance der Netto-Lohnerhöhung" angekündigt. Nachfolgend bestand für die Beschäftigten der Beklagten die Möglichkeit, sich durch Herrn C in Einzelgesprächen weiter informieren zu lassen, zunächst in einem Büroraum der Beklagten, später im Gebäude der Sparkasse M. Die Mitarbeiter der Beklagten wurden dafür während ihrer Arbeitszeit von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Der Kläger entschloss sich im September 2003 ohne weitere Einzelberatung zum Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung. In der Vertragsurkunde vom 23.09.2003 heißt es u.a.: "Vereinbarung zur Entgeltumwandlung über eine Pensionskasse Zwischen Stadtwerke M GmbH nachstehend "Arbeitgeber" genannt und Herrn M1 T nachstehend "Arbeitnehmer" genannt wird in Abänderung/Ergänzung des Dienst- bzw. Arbeitsvertrages mit Wirkung ab 11.03 (MM.JJ) folgende Vereinbarung getroffen: 1. Der Arbeitnehmer vereinbart mit dem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung, wonach bis auf weiteres aus seinem Gehalt ein Betrag in Höhe von 2.448,-- EUR jährlich zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse verwendet wird. Diese Vereinbarung bezieht sich nur auf zukünftige, noch nicht fällig gewordene Entgeltansprüche. ... 4. Nach den derzeit geltenden steuerrechtlichen Regelungen sind erst die späteren Versorgungsleistungen einkommensteuerpflichtig. Steuerrechtliche und beitragsrechtliche Änderungen in der Zukunft gehen nicht zu Lasten des Arbeitgebers. ..." Mit Versicherungsbeginn zum 01.12.2003 schloss die Beklagte daraufhin zugunsten des Klägers als versicherter Person mit der neue leben Pensionsverwaltung AG einen Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein vom 14.10.2003 auf Aktenblatt 21 - 26 Bezug genommen. Der Kläger erhielt von der Versicherungsgesellschaft jährlich eine Mitteilung über den aktuellen Stand seiner Versorgungsanwartschaft. Seit 2009 war darin ein Hinweis auf die Beitragspflichtigkeit von Einmalzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung enthalten. Während der Laufzeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung wandelte er insgesamt Arbeitsentgelt in Höhe von 30.704,-- € brutto um. Seit dem 01.12.2014 bezieht der Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte und erhält außerdem Leistungen der VBL-Zusatzversorgung. Die Rentenversicherung bei der neue leben Pensionsverwaltung AG übernahm er vereinbarungsgemäß bei Ausscheiden und kündigte sie nachfolgend vor dem vorgesehenen Ablauf am 01.12.2015 zum 31.01.2015. Ihm wurde daraufhin den Kapitalbetrag in Höhe von 35.101,03 € überwiesen, auf den an Steuern 8.362,59 € zu entrichten waren. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entgeltumwandlungsvereinbarung am 23.09.2003 waren Einmalzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung nicht beitragspflichtig in der gesetzlichen Sozialversicherung. Auf Initiative der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen befasste sich der Deutsche Bundestag seit Frühjahr 2003 mit einem Gesetzentwurf, der u.a. zum Inhalt hatte, auch Einmalzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu unterwerfen. Dazu fand im Juni 2003 eine viertägige öffentliche Anhörung von Sachverständigen statt. Der Gesetzentwurf wurde am 09.09.2003 durch den Deutschen Bundestag in erster Lesung beraten und am 14.11.2003 als "Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung" (BGBl. I, 2190) verabschiedet. Durch dieses, am 01.01.2004 in Kraft getretene Gesetz (nachfolgend: "GKV Modernisierungsgesetz") erhielt § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V folgende Fassung: "Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate."



Mit Schreiben vom 15.03.2016 nahm die Techniker Krankenkasse, bei der der Kläger krankenversichert ist, diesen wegen des Bezugs der genannten Kapitalleistung für das Jahr 2015 auf Beitragsleistungen zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 42,71 € zuzüglich eines Zusatzbeitrages in Höhe von 2,34 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 6,87 € in Anspruch. Für das Jahr 2016 betrugen die Beitragsleistung zur Krankenversicherung 42,71 €, der Zusatzbeitrag 2,93 € und der Beitrag zur Pflegeversicherung 6,87 €. Insgesamt zahlte der Kläger infolge der Einmalzahlung der neuen Leben Pensionsverwaltung AG für die Jahre 2015 und 2016 Beiträge in Höhe von 1.253,16 €.



Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte wegen der Verletzung von Hinweis- und Aufklärungspflichten ihm gegenüber schadensersatzpflichtig ist. Eine vorgerichtliche Zahlungsaufforderung mit Fristsetzung zum 01.08.2016 blieb erfolglos. Mit der Klageerhebung verkündete er der Sparkasse B, dieser zugestellt am 18.01.2017, den Streit.



Der Kläger hat vorgetragen, in der Betriebsversammlung am 09.04.2003 habe Herr C das Finanzprodukt der neue leben Pensionsverwaltung AG als das "Highlight" unter den Vorsorgemodellen empfohlen. Weder damals noch im Zusammenhang mit dem Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung sei er darauf hingewiesen worden, dass ab dem 01.01.2004 auf den Auszahlungsbetrag Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt werden müssten. Die Nichtaufklärung über diese Belastung stelle einen Beratungsfehler dar, für den die Beklagte als Arbeitgeber hafte. Sie sei gehalten gewesen, ihn über die Risiken, die die gewählte Versorgung mit sich bringe, zu informieren, damit er einen möglichen Schaden habe kalkulieren und gegebenenfalls von einer Entgeltumwandlung Abstand hätte nehmen können. Herr C sei als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen. Er sei als Berater in deren Pflichtenkreis tätig geworden. Seine akquisitorischen Aufgaben habe er für den Arbeitgeber wahrgenommen, der Durchführungsweg und Tarif bestimmt habe und auch Versicherungsnehmer geworden sei. Die Beklagte habe besonderes Vertrauen in Anspruch genommen, indem sie den Eindruck erweckt habe, es handele sich bei der von ihr vorgeschlagenen betrieblichen Altersvorsorge um die günstigste Art der Umwandlung. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entgeltumwandlungsvereinbarung sei in Fachkreisen seit längerem bekannt gewesen, dass die fragliche Gesetzesänderung kommen werde. Die bereits im Sommer 2003 vorliegenden Hinweise auf die anstehende Beitragspflicht hätte Auswirkungen auf die Beratungspraxis hinsichtlich empfohlener Produkte haben müssen. Bei Kenntnis der Umstände hätte er die Entgeltumwandlung nicht vorgenommen, sondern sich stattdessen privat um eine vergleichbare Absicherung gekümmert. Er sei sich sicher, dass er einen besseren Zinsgewinn mit einer privaten Vorsorge hätte erzielen können, weil damals eine gute Verzinsung noch möglich gewesen seien. Unter Berücksichtigung steigender Beiträge in den Folgejahren werde er insgesamt auf die Einmalzahlung Beiträge in Höhe von wenigstens 6.550,-- € zu leisten haben. Die Differenz zwischen insgesamt eingezahltem Entgelt und dem Auszahlungsbetrag liege so schon lediglich bei 4.437,13 € ohne Kaufkraftverlust. Nach Abzug der anfallenden Beiträge bedeute für ihn die vereinbarte Entgeltumwandlung keine zusätzliche Altersvorsorge, sondern die Vernichtung von Geldern. Hätte er die Entgeltumwandlung nicht genommen, hätte er zwar das dann höhere Arbeitsentgelt versteuern müssen. Diese Belastung wäre für ihn jedoch nicht messbar höher gewesen, als die dann nachgelagert gezahlten Steuern. Mehrbeiträge zu den ohnehin zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungen wären nicht angefallen, da sein Einkommen deutlich oberhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze gelegen habe und ab 2009 Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung auch nicht mehr von der Sozialversicherungspflicht befreit gewesen seien. Hilfsweise werde sein Schadensersatzanspruch auf die Differenz zwischen eingezahltem Entgelt und dem Auszahlungsbetrag abzüglich der zu leistenden Beiträge gestützt. Der Schaden belaufe sich dann auf wenigstens 2.113,-- €. Es komme nicht darauf an, dass die neue leben in ihren jährlichen Standmitteilungen einen Hinweis auf die zukünftige Beitragspflicht aufgenommen habe. Dieser Hinweis habe sich ohne drucktechnische Hervorhebungen im Fließtext befunden. Im Jahre 2009 habe ein solcher Hinweis den Eintritt eines Schadens auch nicht mehr verhindern können. Eine Kündigung des Vertrages sei nicht möglich oder wäre jedenfalls mit hohen Verlusten verbunden gewesen, die die Höhe der Beitragszahlungen, die er nunmehr entrichten müsse, erreicht hätten. Das gleiche hätte bei einer Beitragsfreistellung gegolten.



Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.253,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2016 zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den weiteren Schaden, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte ihm bei Abschluss der Vereinbarung über die Entgeltumwandlung vom 23.09.2003 nicht über die bevorstehende Beitragspflicht von Leistungen auch von einmaligen Kapitalleistungen aus betrieblicher Altersversorgung ab dem 01.01.2004 aufgeklärt hat, zu ersetzen, insbesondere die von ihm ab dem 01.01.2017 weiterhin zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger unterliege der irrigen Annahme, dass sie als Ausfallbürge zur Verfügung stehe, wenn die Versicherungsleistung seiner Auffassung nach zu gering ausfalle. Sie habe dafür gesorgt, dass eine sachkundige Person zur Auskunftserteilung bereit stehe. Damit habe sie ihren Pflichten genüge getan. Sie selbst habe keine Auskünfte erteilt, sondern dies dem Fachberater für betriebliche Altersversorgung bei der Sparkasse M überlassen. Dafür hafte sie nicht. Die Sparkasse M und ihre Mitarbeiter seien externe Dritte. Diesbezüglich beschränke sich ihre Pflicht auf die Auswahl und Überwachung des Beraters. Herr C sei damals wie heute Fachberater für betriebliche Altersversorgung, sodass an seiner Qualifikation keine Zweifel bestünden. Die Versicherungsverträge seien nach Einzelberatung durch Herrn C abgeschlossen worden. Dessen Beratung sei in jeder Hinsicht zutreffend gewesen. Als die fragliche Betriebsversammlung stattgefunden habe, habe es noch gar keinen Gesetzesentwurf gegeben. Ihre Personal- und Rechtsabteilung sei in diesem Zusammenhang nicht tätig geworden. Eine eigene Altersvorsorgeabteilung unterhalte sie nicht. Sie habe bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung auch nicht gewusst, dass ab dem 01.01.2004 die Arbeitnehmer zur Zahlung von Beitragssätzen zur gesetzlichen Krankenversicherung auf Einmalzahlungen herangezogen würden. Auch nachdem der Kläger seit dem Jahre 2009 in den Standmitteilungen über die anfallende Beitragspflicht unterrichtet worden sei, habe er daraus keine Konsequenzen gezogen. Die Tarifvertragsparteien seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Personalstellen nicht die richtigen Ansprechpartner seien, um die Arbeitnehmer über die einzelnen zu berücksichtigenden Aspekte bei der Entgeltumwandlung zu informieren. Sie hätten deshalb niederschriftlich erklärt, dass die Arbeitgeber nur dafür Sorge zu tragen hätten, dass die Arbeitnehmer sich informieren könnten. Eine Informationsverpflichtung des Arbeitgebers selbst sei im Tarifvertrag bewusst nicht geregelt worden. Die vom Kläger behauptete Haftung sei von den Tarifvertragsparteien als theoretische Möglichkeit gesehen und bewusst abgelehnt worden.



Das Arbeitsgericht Dortmund hat die Klage durch Urteil vom 11.05.2017 in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, die Klage sei zulässig. Ein Feststellungsinteresse sei gegeben. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass der Kläger auch zukünftig Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus der von ihm erhaltenen Kapitalleistung werde entrichten müssen. Die Klage sei aber unbegründet, denn die Beklagte treffe kein Aufklärungsverschulden. Sie habe den Kläger nicht falsch oder unzureichend informiert. Gesteigerter Hinweis- und Aufklärungspflichten hätten nicht bestanden. Die dem Kläger in der Betriebsversammlung am 09.04.2003 erteilten Informationen seien richtig und vollständig gewesen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zur Entgeltumwandlung am 23.09.2003 wäre eine Kenntnis von der fraglichen Gesetzesänderung zwar möglich gewesen, weil der entsprechende Gesetzesentwurf vom 08.09.2003 datiere. Gleichwohl hätten die Beklagte auch dann keine gesteigerte Hinweis- und Aufklärungspflichten getroffen. Der Abschluss der Vereinbarung habe nicht in ihrem Interesse gelegen, denn es seien ihr hierdurch keine Vorteile entstanden. Die Vergütung des Klägers habe oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze gelegen, sodass sie keine Sozialversicherungsbeiträge erspart habe. Sie habe auch nicht den Eindruck erweckt, den Kläger vor Nachteilen, die die ausgewählte Versorgung beinhalte, zu schützen. Der von ihm monierte Nachteil hänge nicht mit dem von ihr ausgewählten Durchführungsweg zusammen, sondern sei aufgrund der Gesetzesänderung sämtlichen Versorgungsbezügen immanent. Hinzu komme, dass die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit eröffnet habe, sich bei einem externen Berater zu informieren. Da sie bei dessen Auswahl die erforderliche Sorgfalt gewahrt habe, könne hieraus keine Haftung zu ihren Lasten abgeleitet werden. Dass sie sich eines externen Beraters bedient habe, ergebe sich schon aus der Einladung zur Betriebsversammlung. Zudem habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass sie über gesteigerte Kenntnisnahmemöglichkeiten bezüglich der im Herbst 2003 absehbaren Gesetzesänderung verfügt habe. Sie gehöre nicht zur Versicherungswirtschaft und unterhalte eine Personalabteilung mit lediglich 2,5 Stellenanteilen. Für den Kläger hätten anderweitige Informationsmöglichkeiten bestanden. Die Information über die anstehende Gesetzesänderung sei öffentlich zugänglich gewesen. Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch fehlte selbst bei unterstellter Verletzung einer Aufklärungspflicht jedenfalls eine substantiierte Darlegung des Schadens. Der Kläger hätte den tatsächlich zugeflossenen Betrag derjenigen Geldsumme gegenüberstellen müssen, welche er bei Abschluss einer vergleichbaren privaten Absicherung erhalten hätte. Mangels greifbarer Anhaltspunkte fehle es auch an der Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO. Daher könne dahinstehen, ob und in welchem Umfang den Kläger ein Mitverschulden treffe, weil er trotz der seit 2009 erhaltenen Information über die Beitragspflicht nicht tätig geworden sei.



Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Aktenblatt 170 bis 180 Bezug genommen.



Der Kläger hat gegen das ihm am 24.05.2017 zugestellte Urteil mit dem 22.06.2017 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.08.2017 mit am 23.08.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.



Der Kläger trägt vor, der Annahme des Arbeitsgerichts, die Beklagte träfe keine eigene Beratungspflicht, könne nicht gefolgt werden. Deren Vorgehen habe erkennbar darauf abgezielt, eine möglichst große Anzahl von Arbeitnehmern für die Entgeltumwandlung zu gewinnen. Bei den meisten Arbeitnehmern habe sie nämlich sehr wohl Sozialversicherungsbeiträge in nicht unerheblichem Umfang gespart. Dass es im Einzelfall bei den höher entlohnten Arbeitnehmern nicht zu einer Einsparung gekommen sei, falle daneben nicht ins Gewicht. Bei richtiger Beratung über die geänderte Rechtslage hätte er immer noch die Entscheidung treffen können, keine Entgeltumwandlung durchzuführen. Es komme nicht darauf an, dass die Beklagte im September 2003 keine Kenntnis über die geänderte Rechtslage ab 2004 gehabt habe. Sie sei verpflichtet gewesen, bei einer Zeitspanne von ca. einem halben Jahr zwischen Betriebsversammlung und der Vereinbarung sich zu vergewissern, dass die damals gegebenen Informationen noch aktuell gewesen seien. Die Materie der betrieblichen Altersversorgung sei von einer solchen Komplexität, dass ein umfassender Beratungsbedarf bei den Arbeitnehmern bestehe. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein Durchführungsweg vorgegeben werde und der Arbeitgeber lenkend Einfluss ausübe. Dass Beratungsmöglichkeiten bei der Sparkasse bestanden hätten, entlaste sie nicht. Das Arbeitsgericht habe sich nicht damit auseinander gesetzt, dass sie für die von ihr beauftragte Sparkasse nach § 278 BGB einzustehen habe. Die Ermöglichung der Durchführung einer Entgeltumwandlung stelle eine Pflicht des Arbeitgebers dar. Dieser habe gemäß § 6 TV-EUmw/VKA bestimmen können, dass die Durchführung über die Sparkasse und deren Produkte erfolge. Jedenfalls die Sparkasse M hätte darauf hinweisen müssen, dass sich seit der Durchführung der Betriebsversammlung die Gesetzeslage verändert habe. Dass die Beklagte nur eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl getroffen habe, sei nicht zutreffend. Diese Exkulpationsmöglichkeit gebe es in § 831 BGB. Vorliegend gehe es jedoch um eine vertragliche Haftung, sodass hier § 278 BGB einschlägig sei. Schließlich habe er den ihm durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden ausreichend dargelegt. Es sei gemäß §§ 249, 252 BGB zu beurteilen, was er getan hätte, wenn ihm die richtige Auskunft erteilt worden wäre. Dies sei gemäß § 287 Abs. 1 BGB vom Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu beurteilen. Er habe vorgetragen, dass er dann eine private Lebensversicherung abgeschlossen hätte, aus deren Kapitalbetrag er keine Beiträge zur Sozialversicherung hätte leisten müssen. Dafür, dass diese nicht wenigstens den gleichen Ertrag geliefert hätte, wie die über die Beklagte abgeschlossene, sei nichts ersichtlich.



Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 1.253,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2016 zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den weiteren Schaden, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte ihn bei Abschluss der Vereinbarung über die Entgeltumwandlung vom 23.09.2003 nicht über die bevorstehende Beitragspflicht von Leistungen auch von einmaligen Kapitalleistungen aus betr. AV ab dem 01.01.204 aufgeklärt hat, zu ersetzen, insbesondere die von ihm ab dem 01.01.2017 weiterhin zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.



Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, sie habe den Kläger nicht falsch oder unzureichend informiert. In der Betriebsversammlung vom 09.04.2003 habe es noch gar nicht die Möglichkeit gegeben, den Kläger über die bevorstehende Änderung des Gesetzes zu informieren. Am 23.09.2003 habe der Kläger aber weder eine Beratung von ihr gefordert, noch eine solche erhalten. Tatsächlich sei ihr zu diesem Zeitpunkt die in Rede stehende Rechtsänderung auch noch nicht bekannt gewesen. In Ziffer 4 der Vereinbarung zur Entgeltumwandlung sei ausdrücklich vereinbart worden, dass spätere steuerrechtliche und beitragsrechtliche Änderungen nicht zu ihren Lasten gingen. Die Annahme einer Beratungspflicht verstoße auch gegen den Tarifvertrag selbst. Die Tarifvertragsparteien seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Personalstellen der Arbeitgeber nicht die geeigneten Ansprechpartner seien, um die Arbeitnehmer über die Einzelheiten der zu berücksichtigenden Aspekte bei der Entgeltumwandlung zu informieren. Sie hätten daher niederschriftlich erklärt, dass die Arbeitgeber nur dafür Sorge zu tragen hätten, dass die Arbeitnehmer sich über die Entgeltumwandlung informieren könnten. Eine eigene Informationsverpflichtung des Arbeitgebers sei bewusst nicht geregelt geworden. Sie ist auch nicht verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob die Informationen, die die Sparkasse M in der Betriebsversammlung gegeben habe, noch aktuell gewesen seien. Dies würde auf eine eigene Beratungspflicht hinauslaufen. Im Übrigen scheitere die Zurechnung eines Fehlverhaltens der Sparkasse M daran, dass diese keine fehlerhafte Beratung erteilt habe. Ein Beratungsgespräch mit Herrn C habe der Kläger nicht geführt. Dann könne dem Kläger auch keine Fehlinformation erteilt worden sein. Unabhängig davon habe er seinen Schaden nicht konkret dargelegt. Er hätte im Detail darlegen müssen, wie er Eigenvorsorge betrieben hätte und den ihm tatsächlich zugeflossenen Betrag derjenige Geldsumme gegenüberstellen müssen, die er bei Abschluss einer vergleichbaren privaten Absicherung erhalten hätte. Er räume selbst ein, dass bei Eigenvorsorge der umgewandelte Bruttolohn bis zur Auszahlung der Kapitalleistung nicht steuerbefreit gewesen wäre. Unabhängig davon treffe ihn ein überwiegendes mitwirkendes Verschulden, denn es sei unstreitig, dass er seit dem Jahr 2009 von der neue leben Pensionsverwaltung AG über die Beitragspflicht unterrichtet worden sei. Dennoch habe er daraus keine Konsequenzen gezogen und weder nach Ziffer 6 der Entgeltumwandlungsvereinbarung gekündigt, noch eine Vertragsänderung beansprucht.



Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf deren zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht begründet.



Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht Dortmund eine Haftung der Beklagten wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Informationspflichten im Zusammenhang mit der zwischen den Parteien getroffenen Entgeltumwandlungsvereinbarung vom 23.09.2003 verneint. Diese ist verpflichtet, die dem Kläger für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung angefallene Beitragszahlungen für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe von zusammen 1.253,16 Euro zuzüglich Zinsen als Schadensersatz zu erstatten. Darüber hinaus war antragsgemäß festzustellen, dass sie auch für die nachfolgenden Jahre entsprechend Schadensersatz zu leisten hat. Im Einzelnen hat die Kammer die nachfolgenden Erwägungen angestellt:



1. Die Berufung des Klägers ist begründet, denn die von ihm erhobene Klage ist zulässig und begründet. Die Zulässigkeit der Klage begegnet hinsichtlich des bezifferten Leistungsantrags keinen Bedenken. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Dortmund auch den Feststellungsantrag des Klägers für zulässig gehalten und insbesondere das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bejaht. Diesbezüglich kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden (§ 69 Abs. 2 ArbGG).



Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Dortmund ist die Klage auch begründet. Die Beklagte ist dem Kläger aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. der Entgeltumwandlungsvereinbarung vom 23.09.2003 zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dadurch entstanden ist, dass sie es unterlassen hat, ihn darauf hinzuweisen, dass mit Wirkung ab dem 01.01.2004 aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung Kapitalzahlungen aus einer Entgeltumwandlung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen werden.



Die Beklagte war aufgrund der vorliegenden Umstände des Einzelfalls gehalten, den Kläger auf die mit Wirkung zum 01.01.2004 eintretende Beitragspflicht nach Maßgabe des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V hinzuweisen.



Jedem Arbeitsverhältnis wohnt die Nebenpflicht des Arbeitgebers inne, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Dies folgt aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB. Daraus können sich zum einen Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben. Zum anderen hat er, wenn er seinen Arbeitnehmern bei der Wahrnehmung ihrer Interessen behilflich ist, zweckentsprechend zu verfahren und sie vor drohenden Nachteilen zu bewahren. Die arbeitsrechtlichen Nebenpflichten des Arbeitgebers beschränken sich nicht darauf, den Arbeitnehmern weder falsche noch unvollständige Auskünfte zu erteilen. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für die Versorgungsberechtigten kann er verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Zwar hat grundsätzlich jeder Vertragspartner für die Wahrnehmung seiner Interessen selbst zu sorgen und sich Klarheit über die Folgen einer vorgesehenen Vereinbarung zu verschaffen. Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet aber seine Grenze am schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners. Hinweis- und Aufklärungspflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalles und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung. Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitsgebers andererseits sind dabei stets zu beachten. Wie groß das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ist, hängt insbesondere von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie sowie von dem Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Vorhersehbarkeit ab. Allerdings darf der Arbeitgeber weder durch das Bestehen noch durch den Inhalt einer arbeitsvertraglichen Informationspflicht überfordert werden (BAG, Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 71/07 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Auskunft; BAG, Urteil vom 11.12.2001 - 3 AZR 339/00 = NZA 2002, 1150 ff.; LAG Thüringen, Urteil vom 19.07.2010 - 6 Sa 18/10 - juris). Je größer das beim Arbeitnehmer erweckte Vertrauen ist oder je größer, atypischer und schwerer erkennbar die Gefahren für diesen sind, desto eher treffen den Arbeitgeber Informationspflichten und desto weitreichender sind sie (BAG, Urteil vom 12.08.2014 - 3 AZR 492/12 - juris; BAG, Urteil vom 10.03.1988 - 8 AZR 420/85 = AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG, Urteil vom 13.12.1988 - 3 AZR 322/87 = AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen Nr. 23; LAG Hamm, Urteil vom 09.01.2013 - 4 Sa 426/11 - juris). Der Arbeitgeber darf bei Vertragsverhandlungen nichts verschweigen, was die vollständige Vertragsdurchführung in Frage stellen kann und was ihm bekannt ist oder bekannt sein müsste. Ihn treffend gesteigert Informationspflichten, wenn der Abschluss eines Vertrags auf seine Initiative zurückgeht und er den Eindruck erweckt, er werde die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen atypischen Risiken aussetzen (BAG, Urteil vom 15.06.2010 - 3 AZR 861/08 = AP Nr. 32 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; BAG, Urteil vom 25.06.2002 - 9 AZR 155/01 = NZA 2003, 859 ff.).



Diese Grundsätze gelten auch für Entgeltumwandlungsvereinbarungen. Bei ihnen ist der Arbeitnehmer in erhöhtem Maß schutzbedürftig, weil es nicht allein, wie bei einer vom Arbeitgeber finanzierten betrieblichen Altersversorgung, um Vertrauensschutz geht, sondern unmittelbar um Entgeltschutz (Reinecke, NZA 2015, 1153, 1155). Der Arbeitgeber schließt den Versicherungsvertrag im Interesse des Arbeitsnehmers. Schon daraus ergibt sich, dass er sich zu informieren und diese Information an seine Arbeitnehmer weiterzugeben haben (Hager, FA 2012, 262, 263). Zwar ist der Arbeitgeber nicht von sich aus verpflichtet, den Arbeitnehmer auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG hinzuweisen (BAG, Urteil vom 21.01.2014 - 3 AZR 807/11 = NJW 2014, 1982 ff.). Hat der Arbeitnehmer aber verlangt, dass ein bestimmter Teil seiner künftigen Entgeltansprüche im Sinne von § 1a Abs. 1 BetrAVG umgewandelt werden, entstehen beim Arbeitgeber Schutz- und Rücksichtnahmepflichten sowie Informationspflichten (BAG, Urteil vom 21.01.2014, a. a. O.).



Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war die Beklagte bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung der Parteien vom 23.09.2003 gehalten, den Kläger darüber zu informieren, dass er aufgrund der anstehenden Gesetzesänderung nach dem GKV Modernisierungsgesetz damit rechnen müsse, dass sein umgewandeltes Arbeitsentgelt, das bei der neue leben Pensionskasse AG angespart werden sollte, bei Eintritt des Versicherungsfalls der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterfällt. Diese Annahme steht zunächst nicht entgegen, dass das GKV Modernisierungsgesetz zum Zeitpunkt des Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung noch nicht verabschiedet und demzufolge erst recht noch nicht in Kraft getreten war. Bereits Mitte 2003 hatten die Regierungsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingebracht. Im Juni 2003 fand diesbezüglich eine viertägige öffentliche Sachverständigenanhörung statt. Am 09. September 2003 wurde schließlich der Gesetzentwurf in erster Lesung vom Deutschen Bundestag beraten, sodass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zur Entgeltumwandlungsvereinbarung mit einer Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V gerechnet werden oder sie jedenfalls in Betracht gezogen werden musste. Die möglichen Folgen des GKV Modernisierungsgesetzes haben die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen bereits am 10.09.2003 beraten (Die Beträge 2004, 212 ff.). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sowohl bei den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung als auch in der privaten Versicherungswirtschaft im Zeitpunkt des Abschlusses der hier fraglichen Entgeltumwandlungsvereinbarung bekannt war oder jedenfalls damit gerechnet werden musste, dass zukünftig auch Einmalzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung beitragspflichtig werden würden.



Es kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass sie selbst von dieser Entwicklung am 23.09.2003 keine Kenntnis hatte. Sie muss sich aber den bei der Sparkasse M, der Streitverkündeten, vorhandenen Wissensstand zurechnen lassen. Dass jedenfalls diese von dem anstehenden Gesetzesvorhaben Kenntnis hatte, wird von ihr gar nicht in Abrede gestellt und kann ohne weiteres angenommen werden. Der von ihr für die Beratung und den Abschluss von Entgeltumwandlungsvereinbarungen eingeschaltete Mitarbeiter der Streitverkündeten C fungierte dort als "Fachberater betriebliche Altersversorgung". Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass die speziell mit Fragen der betrieblichen Altersversorgung befassten Stellen der Kreditwirtschaft nicht ebenfalls Kenntnis von der anstehenden Gesetzesänderung hatten. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass bei der am 09.04.2003 im Rahmen der damaligen Betriebsversammlung durchgeführten Informationsveranstaltung auch die Streitverkündete noch nicht wissen konnte, dass im Sommer des laufenden Jahres die hier fragliche Gesetzesinitiative in den Deutschen Bundestags eingebracht werden würde. Da sie nach eigenem Vorbringen aber auch danach für die weitere Beratung der Mitarbeiter der Beklagten eingeschaltet war, wäre sie gehalten gewesen, nach Durchführung der Informationsveranstaltung bekanntgewordene maßgebliche Änderungen der Rechtslage der Beklagten mitzuteilen, um diese - etwa durch Informationsschreiben oder Merkblätter - in die Lage zu versetzen, ihren Informationspflichten Genüge zu tun. Keineswegs genügte es, erst im Rahmen von bei der Streitverkündeten durchgeführten Beratungsgespräche entsprechende Hinweise zu erteilen, da, wie der vorliegende Fall zeigt, damit gerechnet werden musste, dass es Arbeitnehmer gibt, die ohne weiteren individuellen Beratungswunsch im Anschluss an die Informationsveranstaltung vom 09.04.2003 bereit waren, eine Entgeltumwandlungsvereinbarung zu schließen.



Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass die Streitverkündete bei der Erfüllung von Informations- und Aufklärungspflichten der Beklagten als deren Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 Satz 1 BGB anzusehen war. Erfüllungsgehilfe ist, wer mit Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer Schuldnerverbindlichkeit für diesen tätig wird (BGH, Urteil vom 21.04.1954 - VI ZR 55/53 = NJW 1954, 1193). Der Begriff der Verbindlichkeit ist weit auszulegen und umfasst alle Pflichten aus einem Schuldverhältnis, also Hauptpflichten ebenso wie Nebenpflichten, Leistungspflichten ebenso wie Schutz- und Obhutspflichten (Münchener Kommentar/Grundmann, 7. Auflage 2016, § 278 BGB Rdnr. 21). Wie weit dem Schuldner fremdes Verschulden zuzurechnen ist, richtet sich nach seinem konkreten Pflichtenkreis, wie er durch Art und Inhalt des jeweiligen Schuldverhältnisses festgelegt ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Auflage 2018, § 278 Rdnr. 13).



Die Beklagte hat sich der Streitverkündeten bei der Erfüllung ihrer Informations- und Aufklärungspflichten, wie sie oben dargestellt wurden, bedient. Zwar stellte die Streitverkündete ihr Finanzprodukt im Rahmen einer Betriebsversammlung vor, zu der notwendigerweise (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) der Betriebsrat eingeladen hatte. Dies ändert aber nichts daran, dass dies letztlich auf Veranlassung der Beklagten geschah. Etwas anderes wird von ihr auch nicht behauptet. Das ergibt sich schon daraus, dass diese sich auf Grundlage des § 6 Satz 2 TV-EUmw-VKA entschlossen hatte, mit der Sparkassen-Finanzgruppe zusammenzuarbeiten und zu diesem Zweck am 20.03.2003 mit der neue leben Pensionsverwaltung AG einen Rahmenvertrag geschlossen hatte. Auch der Umstand, dass nach der Betriebsversammlung am 09.04.2003 die Beschäftigten der Beklagten während der Arbeitszeit, also auf deren Kosten, sich von der Streitverkündeten weiter beraten lassen durften, macht deutlich, dass faktisch die Beklagte der Streitverkündeten die Beratungsaufgaben gerichtet auf den eigenen Abschluss von Entgeltumwandlungsvereinbarungen übertragen hatte. Diese war daher Erfüllungsgehilfe der Beklagten. Für diese Annahme spricht auch die Überlegung, dass der Kläger ansonsten niemanden hätte, der für Beratungsfehler einstehen müsste, denn zur Sparkasse M hatte er keine eigenen vertraglichen Beziehungen und auch am Versicherungsvertrag, der von der Beklagten und der neue leben Pensionsverwaltung AG geschlossen wurde, war er nur als begünstigte Person beteiligt. Ein Anspruch wegen eines Beratungsfehlers käme daher allenfalls im Einzelfall über § 311 Abs. 3 BGB in Betracht.



Die Streitverkündete hat die der Beklagten obliegenden Aufklärungs- und Hinweispflichten verletzt, indem sie es unterließ, durch geeignetes Informationsmaterial dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten der Beklagten - und damit auch der Kläger - vor Abschluss von Entgeltumwandlungsvereinbarungen in geeigneter Weise darauf hingewiesen würden, dass aufgrund der zum 01.01.2004 anstehenden Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V die spätere Versicherungsleistung in Form einer Einmalzahlung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beitragspflichtig werden würde. Das hätte den Kläger in die Lage versetzt, zu prüfen, ob sich unter diesem Umständen die vorgesehene Art der Altersversorgung würde rentabel gestalten lassen können. Es erscheint schon zweifelhaft, ob für ihn die Geldanlage in Form einer Entgeltumwandlung bei der neue leben Pensionskasse AG überhaupt eine rentable Anlageform war. Der damals für die Mehrzahl der Arbeitnehmer bestehende Vorteil, dass umgewandeltes Arbeitsentgelt nicht der Sozialversicherungspflicht unterlag, sodass beide Vertragsparteien insoweit die sonst anfallenden Sozialversicherungsbeiträge einsparen konnten, kam für ihn nicht zum Tragen, weil er Arbeitsentgelt oberhalb der Betragsbemessungsgrenze umwandelte, sodass diesbezüglich keine Ersparnis anfiel. Nachdem die Sparkasse M ihr Finanzprodukt ausweislich der Einladung zur Betriebsversammlung mit dem Argument "Chance der Nettolohnerhöhung" bewarb, hätte sie umso sensibler auf die anstehende Änderung nach Maßgabe des GKV Modernisierungsgesetzes reagieren müssen. Eingespart hat der Kläger nur - vorübergehend - die auf das umgewandelte Entgelt entfallende Lohnsteuer. Da aber eine nachgelagerte Versteuerung auf den Auszahlungsbetrag anfiel, war der diesbezügliche Vorteil des Klägers betragsmäßig begrenzt. Wenn dann auch noch aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers umgewandeltes Arbeitsentgelt nachträglich aufgrund der Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V beitragspflichtig wird, das wegen des Überscheitens der Beitragsbemessungsgrenze im laufenden Arbeitsverhältnis niemals beitragspflichtig gewesen wäre, liegt auf der Hand, dass das fragliche Finanzprodukt für den Kläger ungeeignet war und dieser vom Abschluss der diesbezüglichen Vereinbarung abgesehen hätte, wäre er sachgerecht aufgeklärt und beraten worden. Die unterlassene Aufklärung begründet somit im vorliegenden Fall eine der Beklagten über § 278 Satz 1 BGB zurechenbare Pflichtverletzung.



Dem steht zunächst nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien angeblich das Bestehen von Aufklärungspflichten hätten ausschließen wollen, wie die Beklagte meint. Ungeachtet der Frage, ob ein solcher Ausschluss wirksam wäre, vermag die Kammer dem TV-EUmw-VKA einen derartigen Ausschluss nicht zu entnehmen. Allein der Umstand, dass womöglich die Tarifvertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass den Arbeitgeber keine Informations- und Aufklärungspflichten treffen sollten, vermag eine entsprechende tarifliche Regelung nicht zu ersetzen.



Auch Ziffer 4 der Entgeltumwandlungsvereinbarung schließt im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung nicht aus. Soweit Ziffer 4 Satz 2 bestimmt, dass steuerrechtliche und beitragsrechtliche Änderungen in der Zukunft nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, kann dies jedenfalls nicht dahin verstanden werden, dass bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung sich konkret abzeichnende Änderungen der Rechtslage nicht mitgeteilt werden müssten. Die Kammer versteht die Regelung lediglich dahin, dass sie deklaratorisch klarstellt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht absehbare, künftige Änderungen nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen sollen, dieser also nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG auf Aufstockung in Anspruch genommen werden kann.



Die unterbliebene Aufklärung ist auch kausal für den entstandenen Schaden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtmäßig verhalten hätte, der Geschädigte also den Rat oder den Hinweis unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" ist widerleglich, führt aber zur Beweislastumkehr (etwa BGH, Beschluss vom 09.04.2013 - XI ZR 25/11 - juris; BGH, Urteil vom 08.05.2012 - XI ZR 262/10 = NJW 2012, 2427 ff.; BAG, Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 71/07 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Auskunft). Nach dem Grundsatz des aufklärungsrichtigen Verhaltens ist davon auszugehen, dass der Kläger, hätte die Beklagte ihn darüber aufgeklärt, dass aufgrund einer anstehenden Gesetzesänderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Erträge aus dem umgewandelten Entgelt in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beitragspflichtig werden, vom Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung Abstand genommen hätte. Etwas anderes wäre von der Beklagten darzulegen gewesen, was jedoch nicht geschehen ist.



Soweit die Beklagte einwendet, dem Kläger sei ein überwiegendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB anzulasten, weil er auch nach erstmaligem Hinweis auf die Beitragspflichtigkeit im Jahr 2009 im Rahmen der jährlichen Standmitteilungen nichts unternommen habe, hat dieser nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass im Jahr 2009 der Eintritt eines Schadens nicht mehr zu verhindern gewesen wäre, weil eine Kündigung des Versicherungsvertrags oder eine Beitragsfreistellung mit hohen Verlusten verbunden gewesen wäre, die die Höhe der nunmehr anfallenden Beitragszahlungen erreicht hätten. Die Beklagte hat diesen Einwand nicht entkräftet und für ihre abweichende Bewertung auch kein Beweis angetreten.



Der durch die Pflichtverletzung der Beklagten entstandene Schaden ist nach der sogenannten Differenzmethode zu ermitteln. Danach ist ein rechnerischer Vergleich der durch das schädigende Ereignis eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, anzustellen (etwa BAG, Urteil vom 21.05.2015 - 8 AZR 116/14 = NZA 2015, 1517 ff.; BGH, Urteil vom 16.07.2013 - VI ZR 442/12 = DB 2013, 2017 ff.).



Danach besteht der Schaden des Klägers jedenfalls darin, dass er in den Jahren 2015 und 2016 in Höhe von 1.253,16 Euro von der Techniker Krankenkasse mit Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf das ihm zugeflossene Kapital herangezogen wurde. Ohne die erörterte Pflichtverletzung hätte er die Entgeltumwandlungsvereinbarung nicht abgeschlossen und wäre dann auch nicht beitragspflichtig geworden. Soweit die Beklagte geltend macht, er müsse darlegen, dass bei einer anderen Geldanlage keine oder geringere Beiträge angefallen wären, übersieht sie, dass er lediglich den eingetretenen Vermögensschaden und nicht darüber hinaus entgangenen Gewinn nach § 252 BGB verlangt. Der Kläger muss sich des Weiteren auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung etwaige Vorteile, die sich daraus ergeben könnten, dass er zunächst mit dem umgewandelten Entgelt nicht steuerpflichtig war, entgegenhalten lassen. Diesbezüglich hätte die Beklagte konkret die Einzelheiten vortragen müssen, denn sie trägt als Schädiger grundsätzlich die Beweislast für die Voraussetzung der Vorteilsausgleichung (Münchener Kommentar/Oettker a. a. O. § 249 Rdnr. 279). Die Beklagte ist daher verpflichtet, als Schadensersatz an den Kläger 1.253,16 Euro zu zahlen.



Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.



Aus den oben genannten Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger auch für die Zeit ab dem 01.01.2017 weiterhin schadensersatzpflichtig ist. Dies war antragsgemäß festzustellen.



Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.05.2017 abzuändern und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.



Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.



Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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