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· Bundesarbeitsgericht

Arbeitgeber müssen Arbeitsmittel bereitstellen oder finanziell dafür aufkommen

Bild: © blobbotronic - stock.adobe.com

| Damit Beschäftigte ihrem Job nachgehen können, müssen Arbeitgeber essentielle Arbeitsmittel bereitstellen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in zwei Entscheidungen klargestellt (BAG, Urteile vom 10.11.2021, Az. 5 AZR 334/21 und 5 AZR 335/21). Aber: Vertragliche Abweichungen von diesem Grundsatz sind möglich! Dann aber müssen Arbeitgeber die Nutzung privater Arbeitsmittel finanziell kompensieren. Im konkreten Fall ging es um einen Fahrradkurier. Sein Arbeitgeber hatte ihm sowohl ein Fahrrad als auch ein internetfähiges Mobiltelefon vertraglich verweigert. |

 

Fahrradkurier klagte auf Gestellung von Fahrrad und Mobiltelefon

In einem der Urteilsfälle (Az. 5 AZR 334/21) hatte ein Fahrradkurier, der für seine Lieferfahrten sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon zu nutzen hatte, gegen seinen Arbeitgeber auf Gestellung eines Fahrrads sowie eines geeigneten Mobiltelefons geklagt. Die Verpflichtung zur Nutzung des eigenen Fahrrads sowie Mobiltelefons ergab sich aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelte. Diese AGB hielt der Fahrradkurier für unwirksam, weil es in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers falle, die notwendigen Arbeitsmittel bereitzustellen. Dieser Grundsatz sei vertraglich nicht wirksam abbedungen worden.

 

Das sah der Arbeitgeber anders: Die vertragliche Regelung sei wirksam. Da die bei ihm als Fahrradkuriere beschäftigten Arbeitnehmer ohnehin über ein Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon verfügten, würden sie durch die Verwendung ihrer eigenen Geräte nicht bzw. nicht erheblich belastet. Darüber hinaus seien etwaige Nachteile durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, Aufwendungsersatz geltend machen zu können, und ‒ bezüglich des Fahrrads ‒ durch das gewährte Reparaturbudget ausgeglichen.

 

BAG: AGB des Arbeitsgebers benachteiligten den Fahrradkurier unzulässig

Wie schon die Vorinstanz sah das BAG in der in den ABG vereinbarten Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons jedoch eine unangemessene Benachteligung des Fahrradkuriers und sei daher unwirksam (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch ‒ BGB). Die Firma werde damit von entsprechenden Anschaffungs- und Betriebskosten entlastet und trage nicht das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der essentiellen Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Das widerspreche dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen hat.

 

Eine ausreichende Kompensation dieses Nachteils sei nicht erfolgt, das Reparaturbudget reiche dazu nicht aus ‒ und für die Nutzung des Mobiltelefons sei gar kein finanzieller Ausgleich vorgesehen. Deshalb könne der Fahrradkurier von seinem Arbeitgeber nach § 611a Abs. 1 (BGB) verlangen, dass dieser ihm die für die vereinbarte Tätigkeit als Kurier („Rider“) notwendigen essentiellen Arbeitsmittel ‒ ein geeignetes verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon ‒ bereitstellt.

 

PRAXISTIPP | Das BAG hat in der Entscheidung auch klargestellt, dass vertraglich prinzipiell von dem Grundsatz, dass ein Arbeitgeber für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit die essentiellen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, abgewichen werden darf. In AGB von Arbeitgebern sei dies auch wirksam möglich, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung eigener Arbeitsmittel eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zusagt wird. Daran hat es im Streitfall gefehlt. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wird in vertraglichen Vereinbarungen bzw. AGB eine angemessener finanzieller Ausgleich gewährt, spricht nichts gegen deren Wirksamkeit.

  

 

(Ke)

 

Quelle

  • Pressemitteilung des BAG 38/21 vom 10.11.2021
Quelle: ID 47786213