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Urteil vom 25.10.2022 · IWW-Abrufnummer 233099

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 5 Sa 27/22

Eine mit Bauaufgaben betraute Arbeitnehmerin verletzt nicht ihre Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB , wenn sie im Sinne einer baldigen Realisierung des Bauvorhabens auf Forderungen anderer Behörden eingeht und die Arbeitgeberin in Kenntnis der Umstände keine entgegenstehenden Anweisungen erteilt.


Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 15.12.2021 - 4 Ca 855/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.


2. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Zahlung von Schadensersatz wegen nutzlos gewordener Bauarbeiten.



Die beklagte Arbeitnehmerin nahm zum 01.01.2012 bei der klagenden Gemeinde eine Beschäftigung als Betriebsleiterin/Kurdirektorin des Eigenbetriebs "K. O. B." auf.



Im September 2014 beauftragte die Klägerin ein Ingenieurbüro mit der Planung einer Neugestaltung der rund 2,2 km langen Dünenpromenade zwecks Verbesserung der touristischen Infrastruktur. Gegenstand der Planungen war die Schaffung einer aufgeständerten Promenade auf der Schutzdüne, der Bau von 17 Häusern für Strandkorbvermieter sowie die Erneuerung von fünf Rettungstürmen für die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V. (DLRG). Die Gesamtkosten der Baumaßnahme wurden auf etwa € 7.000.000 veranschlagt, finanziert zum weit überwiegenden Teil aus Landesmitteln und im Übrigen durch den Eigenbetrieb Kurverwaltung. Der beplante Küstenteil ist Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern. In der Küstenschutzdüne befanden sich Gebäude, die ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden waren.



Das Ingenieurbüro beantragte mit den Schreiben vom 10.12.2014 und 01.09.2015 beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) Westmecklenburg die wasserrechtliche Genehmigung für das im Küstenschutzgebiet befindliche Bauvorhaben. Die Planungsunterlagen sahen eine Errichtung der fünf DLRG-Rettungstürme in der Düne vor, d. h. seeseitig zur Promenade, während die Strandkorbvermieterhäuschen auf der anderen Seite der Promenade, d. h. landseitig, positioniert werden sollten. Mit Bescheid vom 04.05.2016 erteilte das StALU Westmecklenburg der Klägerin auf der Grundlage der eingereichten Pläne die wasserrechtliche Genehmigung für das Bauvorhaben Dünenpromenade. In dem Bescheid heißt es unter anderem:



"...



I. Entscheidung



...



4. Nebenbestimmungen



4.1. Bedingungen



...



4.1.2. Die Ausführungsplanung ist unter Berücksichtigung der in diesem Bescheid aufgeführten Nebenbestimmungen der Dezernatsgruppe Küste des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg vor Beginn weiterer Planungs- und Ausführungsphasen zur erneuten Prüfung vorzulegen.



...



II. Begründung



...



2. Rechtliche Würdigung



...



Der Errichtung von Bauwerken im Bereich von Küstenschutzanlagen (hier Landesküstenschutzdüne) kann grundsätzlich nur zugestimmt werden, wenn die Bauwerke dem öffentlichen Interesse bzw. der Sicherheit von Menschen dienen. D.h. neben der Dünenpromenade können nur die für die DLRG vorgesehenen Bauwerke im Bereich der Düne errichtet werden. ...



..."



Am 08.06.2017 erteilte der Landkreis Nordwestmecklenburg der Klägerin auf Grundlage der eingereichten Pläne die auf drei Jahre befristete Baugenehmigung zum Neubau von fünf DLRG- und 17 Strandhäusern unter gleichzeitiger Erteilung der Naturschutzgenehmigung.



Die Klägerin verabschiedete mit Datum vom 13.08.2018 eine Neufassung der Betriebssatzung für den "Eigenbetrieb K. O. B.". Dort heißt es:



"...



§ 4



Leitung des Betriebes



(1) Zur Leitung des Eigenbetriebes wird ein Betriebsleiter/in (Kurdirektor/in) bestellt.



(2) Dienstvorgesetzter des Leiters des Eigenbetriebes ist der Bürgermeister. Der Leiter des Eigenbetriebes ist Vorgesetzter aller Beschäftigten des Eigenbetriebes.



...



§ 5



Vertretung des Betriebes



(1) Gesetzlicher Vertreter des Eigenbetriebes ist der Bürgermeister.



(2) Der Leiter des Eigenbetriebes vertritt die Gemeinde in den Angelegenheiten des Eigenbetriebes, die seiner Entscheidung unterliegen.



(3) Absatz 2 gilt auch für die Angelegenheiten, in denen die Entscheidung der Gemeindevertretung bzw. Empfehlung des Betriebsausschusses herbeizuführen ist und die keine Verpflichtungserklärungen über einen Wert von 12.500,00 Euro hinaus enthalten. ...



...



§ 6



Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse der Betriebsleitung



(1) Der Leiter des Eigenbetriebes leitet den Eigenbetrieb selbstständig und entscheidet in allen Angelegenheiten des Eigenbetriebes, soweit die Entscheidungen nicht durch die Gemeindevertretung, die Eigenbetriebsverordnung oder diese Betriebssatzung anderen Stellen vorbehalten sind; er ist für die wirtschaftliche Führung des Eigenbetriebes verantwortlich. Weiterhin vollzieht der Leiter des Eigenbetriebes die Beschlüsse der Gemeindevertretung und die Entscheidungen des Bürgermeisters in Angelegenheiten des Eigenbetriebes.



...



(4) Der Leiter des Eigenbetriebes hat den Bürgermeister und den Betriebsausschuss laufend über alle wichtigen Angelegenheiten des Eigenbetriebes zu unterrichten und auf Verlangen jede Auskunft zu erteilen. Die Unterrichtung soll unverzüglich und in der Regel schriftlich erfolgen. Die Unterrichtungspflicht besteht für alle Angelegenheiten von größerer Tragweite.



..."



Die Klägerin schrieb die Baumaßnahme Dünenpromenade im Oktober 2019 europaweit aus. Ebenfalls im Oktober 2019 reichte das Ingenieurbüro die Ausführungsplanung bei dem StALU ein. In der Sitzung am 19.12.2019 entschied die Gemeindevertretung der Klägerin über die Vergabe des Bauauftrages.



Das StALU stellte sich nunmehr auf den Standpunkt, dass angesichts der geplanten Lage der Promenade nicht mehr alle DLRG-Häuser seeseitig zur Promenade errichtet werden dürfen. Daraufhin fand am 08.01.2020 eine Besprechung statt, an der die Beklagte und der zuständige Planer sowie ein Vertreter des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz und vier Vertreter des StALU Westmecklenburg bzw. Mittleres Mecklenburg teilnahmen. Gegenstand der Besprechung waren die DLRG-Hausplattformen sowie verschiedene Planungsänderungen, z. B. zu den Strandüberfahrten, den Strandzuwegungen etc. Das StALU bezog sich hinsichtlich der DLRG-Häuser auf die Nebenbestimmungen zum Bescheid vom 04.05.2016. Im Ergebnis der Besprechung sollten die DLRG-Plattformen - im Interesse einer einheitlichen Lösung - nunmehr allesamt landseitig zur Dünenpromenade errichtet und somit um etwa 7,5 m verschoben werden. Zugleich gestattete das StALU eine 6. Plattform am Strandübergang 3 als Ersatz für den bislang genutzten mobilen Wagen, ohne hierfür eine Änderung der Genehmigung zu verlangen. Dieser Kompromiss diente dazu, Bauverzögerungen und evtl. damit verbundene Schadensersatzforderungen zu vermeiden und das Vergabeverfahren nicht zu gefährden.



Am 10.01.2020 erhielt das bauausführende Unternehmen auf der Grundlage seines Angebots vom 25.11.2019 den Zuschlag für die Bauarbeiten.



Am Donnerstag, 23.01.2020, fand auf Einladung des Bürgermeisters der Klägerin eine Informationsveranstaltung für die Bürger der Gemeinde statt, an der auch 2-3 weitere Gemeindevertreter teilnahmen. In dieser Veranstaltung stellte der Planer die Baumaßnahme anhand von verschiedenen Folien vor. Die OZ berichtete daraufhin in ihrer Wochenendausgabe vom 25./26.01.2020 wie folgt hierüber:



"...



Acht Jahre dauerte die Planung für die Dünenpromenade in B.. Nun ist es soweit: "Sie wird realisiert", sagt der Planer B. O.. Er informierte bei einer Einwohnerversammlung über den aktuellen Stand der Baumaßnahmen. Die beginnen im März und sollen Mitte Dezember abgeschlossen werden.



Das Interesse der B. war groß. Knapp 150 Menschen kamen in den Festsaal der Gemeinde und stellten letzte Fragen. Doch bevor es zu diesen kam, stellte B. O. den konkreten Zeitplan für das kommende Jahr vor. Bis Ende Februar sollen zunächst die Bauvorbereitungen für die neue Promenade abgeschlossen werden. Danach geht es Schlag auf Schlag: Bis Ende April sollen 288 Pfähle in den Boden gerammt werden. Zehn pro Tag.



...



Anderen Einwohnern war während O. Präsentation aufgefallen, dass sich die Pläne bezüglich der Häuser für die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) verändert haben. "Sollten diese nicht erst auf der Seeseite der Promenade stehen?", hakte einer nach. "Das stimmt. Das war anders geplant", erklärt B. O..



DLRG-Häuser entstehen an Landseite



Der Grund für die Änderung: Unstimmigkeiten mit dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (Stalu). "Um weiter voranzukommen, mussten wir uns schließlich auf einen Kompromiss einigen", argumentierte B. O.. Künftig werden die sechs DLRG-Häuser daher auf der Landseite der Promenade stehen.



..."



Mit Schreiben vom 17.02.2020 beantragte das Ingenieurbüro beim Landkreis Nordwestmecklenburg eine Änderung der Baugenehmigung für die DLRG- und die Strandhäuser. Gegenstand des Antrags sind insbesondere der Bau eines 6. DLRG-Hauses und die Platzierung aller DLRG-Häuser landseitig zur Dünenpromenade unter Bezugnahme auf die Forderungen des StALU. Im Übrigen betrifft der Antrag bauliche Veränderungen beim Treppenaufgang zu den DLRG-Häusern und eine Grundriss- bzw. Lageänderung bei den Strandhäusern. Der Landkreis Nordwestmecklenburg lehnte es mit E-Mail vom 20.02.2020 ab, die beantragten Änderungen als Nachtrag zu der bereits erteilten Baugenehmigung zu behandeln, und forderte die Einreichung eines neuen Bauantrages.



Am 24.02.2020 fand in Anwesenheit des damaligen Wirtschaftsministers, der damaligen Landrätin, des Bürgermeisters und weiterer Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft der 1. Spatenstich für das Bauvorhaben Dünenpromenade statt. Im Anschluss daran wurden zunächst die Pfähle für den Steg gerammt. Mit der E-Mail vom 13.03.2020 unterrichtete die Beklagte den Bürgermeister der Klägerin auf Nachfrage über die Hintergründe für die Verschiebung der DLRG-Häuser auf die andere Seite der Promenade. Am 26.03.2020 begann die Rammung der Pfähle für die DLRG-Häuser, jeweils zwei pro Rettungsturm. Mit Schreiben vom 09.04.2020 wandte sich die Klägerin, vertreten durch den Bürgermeister und seine beiden Stellvertreter, wegen der Standorte für die DLRG-Häuser an den Minister für Landwirtschaft und Umwelt. Der Minister folgte in seiner Stellungnahme vom 02.06.2020 der Auffassung des StALU und verwies auf die Notwendigkeit des Küstenschutzes, insbesondere des Schutzes bei Sturmfluten. Er regte an, es bei dem abgestimmten landseitigen Standort der DLRG-Häuser zu belassen.



Mit Schreiben vom 12.06.2020 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis der Beklagten außerordentlich und hilfsweise ordentlich, wogegen sich die Beklagte gerichtlich zur Wehr setzte (Arbeitsgericht Schwerin, Aktenzeichen 5 Ca 915/20). Die Parteien einigten sich in diesem Rechtsstreit auf ein Ausscheiden der Beklagten zum 31.03.2021 gegen Zahlung einer Abfindung von € 27.500,-. Die Beklagte bezog zuletzt ein monatliches Gehalt von € 4.943,53 brutto.



Am 24.06.2020 tagte der Hauptausschuss und erörterte die Positionierung der DLRG-Häuser. In dieser Sitzung erläuterte der Planer nochmals die Gründe für die Verlagerung. Der Hauptausschuss forderte hingegen eine Verlegung der DLRG-Häuser zur Seeseite. Am 25.06.2020 verhängte die Klägerin einen Baustopp für das Bauvorhaben Dünenpromenade.



Sie beantragte später beim Landkreis Nordwestmecklenburg erneut eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben mit einem seeseitigen Standort der DLRG-Stationen. Die Baugenehmigung wurde wie beantragt erteilt. Welche Gespräche es dazu zwischen dem Landkreis und dem StALU gab, ist der Klägerin nicht bekannt. Die Klägerin errichtete daraufhin fünf DLRG-Häuser seeseitig zur Promenade. Die bereits landseitig gesetzten Pfähle wurden entfernt.



Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr die Kosten für die Umsetzung von 12 landseitig gerammten Pfählen zu erstatten. Die Beklagte habe sich pflichtwidrig über das gemeindliche Einvernehmen, das sich auf den seeseitigen Bau der DLRG-Häuser bezogen habe, hinweggesetzt und einer Planungsänderung zugestimmt. Trotz fehlender Baugenehmigung für eine landseitige Errichtung der DLRG-Häuser habe die Beklagte die Gründungsarbeiten hierfür zugelassen. Sie habe davon ausgehen müssen, dass diese Pfähle wieder zu entfernen seien. Zudem habe sie gegen ihre Informationspflichten aus der Eigenbetriebssatzung verstoßen. Die Beklagte hätte zunächst die Zustimmung der Klägerin zu einer Planungsänderung einholen müssen.



Die Klägerin hat erstinstanzlich - soweit für den Rechtsstreit noch von Bedeutung - beantragt,



die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 111.793,26 zzgl. fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht verletzt. Angesichts der Haltung des StALU zur Lage der DLRG-Häuser und dem dringenden Interesse der Klägerin an der Durchführung des Bauvorhabens unter Berücksichtigung der Durchführungsfristen des Förderbescheides habe die Beklagte keine andere Möglichkeit gesehen, als der Forderung des StALU nachzukommen. Eine seeseitige Positionierung sei zum damaligen Zeitpunkt unvorstellbar gewesen. Aufgrund der nur geringfügigen Lageänderung habe sie darin kein Problem gesehen. Der Landkreis habe bereits signalisiert, dass einer Genehmigung der landseitigen Positionierung nichts im Wege stehe. Ohnehin beziehe sich die Baugenehmigung nur auf den Teil oberhalb der Plattformen. Für die Pfahlgründung sei allein die wasserrechtliche Genehmigung ausschlaggebend. Die landseitige Pfahlgründung sei sowohl dem Bürgermeister als auch seinen beiden Stellvertretern und anderen Gemeindevertretern bekannt gewesen. In der Bürgerinformationsveranstaltung am 23.01.2020 habe der Planer in Anwesenheit des Bürgermeisters die neuen Standorte der DLRG-Häuser vorgestellt. Des Weiteren habe der Bürgermeister an der Bauanlaufberatung am 24.02.2020 teilgenommen, bei der ebenfalls die Ausführungspläne mit den landseitig geplanten DLRG-Häusern ausgehängt worden seien. Anlässlich des offiziellen Baubeginns habe auch die 2. stellvertretende Bürgermeisterin bei dem Planer wegen der landseitigen Positionierung der DLRG-Häuser nachgefragt. Die Klägerin hätte die landseitige Pfahlgründung jederzeit verhindern oder stoppen können. Im Übrigen bestreitet die Beklagte die von der Klägerin als Schadensersatz geltend gemachten zusätzlichen Planungs- und Baukosten dem Grunde und der Höhe nach.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Schadensersatzpflicht der Beklagten jedenfalls unter Billigkeitsgesichtspunkten abzulehnen sei, da die Klägerin vor Beginn der landseitigen Pfahlgründungen, spätestens mit der E-Mail vom 13.03.2020, die Planungsänderung gekannt habe. Sie hätte den Schaden ohne weiteres abwenden können. Selbst bei Annahme einer Pflichtverletzung der Beklagten treffe die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden, dem gegenüber ein evtl. Verschulden der Beklagten vollkommen zurücktrete. Dass die landseitige Positionierung der DLRG-Häuser von der Baugenehmigung abweiche, sei auch der Klägerin bekannt gewesen. Dennoch habe sie die Bauarbeiten zugelassen.



Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Die Beklagte habe vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig bzw. in jedem Fall mit mittlerer Fahrlässigkeit den Schaden verursacht. Der Beklagten sei der geplante Baustart am 24.02.2020 wichtiger gewesen als die Einhaltung der Baugenehmigung und das gemeindliche Einvernehmen. Die Beklagte hätte die Baumaßnahme stoppen müssen, was ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre, bzw. eine außerordentliche Versammlung der Gemeindevertreter veranlassen müssen. Nur die Beklagte habe alle maßgeblichen Informationen gehabt, um einen Baustopp zu erwirken. Den genauen Bauablauf habe nur die Beklagte gekannt. Sie habe den eingetretenen Schaden zumindest billigend in Kauf genommen.



Die Klägerin beantragt,



das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 15.12.2021, Az. 4 Ca 855/21, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 111.793,26 zzgl. fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,



die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.



Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Als Kurdirektorin habe sie im Interesse der Klägerin versucht, die seit langem geplante Baumaßnahme noch so weit wie möglich vor der Saison fertigzustellen. Die Verlagerung der DLRG-Häuser habe deren Funktionalität nicht beeinträchtigt, was im Übrigen der Minister für Landwirtschaft und Umwelt in seinem Schreiben vom 02.06.2020 bestätigt habe. Die Klägerin habe dies offenbar zunächst ebenfalls so gesehen, da sie in Kenntnis der Planungsänderung gegen die Baumaßnahmen nicht eingeschritten sei.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.



Entscheidungsgründe



Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen abgewiesen.



Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Arbeitgeber, wenn ein Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 619a BGB). Zu vertreten hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB).



Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes nach § 254 Abs. 1 BGB sind weiter davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend vom Schädiger oder vom Geschädigten verursacht worden ist. Dabei ist die Frage des mitwirkenden Verschuldens nicht mit den gleichfalls zu berücksichtigenden Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bzw. privilegierten Arbeitnehmerhaftung "durch entsprechende Anwendung" des § 254 BGB zu vermengen. Mitwirkendes Verschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB hat das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 - 8 AZR 116/14 - Rn. 25, juris = NZA 2015, 1517).



Die Beklagte hat als K. die Pflicht, die arbeitsvertraglich festgelegten Aufgaben im Rahmen der ihr übertragenen Befugnisse sowie der einschlägigen Gesetze, Verordnungen, Satzungen etc. auszuführen. Dazu gehören auch Informationspflichten gegenüber Vorgesetzten, hier insbesondere gegenüber dem Bürgermeister, sei es aus § 6 Abs. 6 der Eigenbetriebssatzung vom 13.08.2018 oder aber auch in der Funktion als Ansprechpartnerin für das Bauvorhaben Dünenpromenade.



Zudem ist die Beklagte nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihrer Arbeitgeberin Rücksicht zu nehmen. Zu den hieraus herzuleitenden Pflichten der Vertragspartner gehört im Arbeitsverhältnis die Schadensabwendungspflicht, nach der ein Arbeitnehmer gehalten ist, drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden bzw. zu beseitigen, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. In Zusammenhang damit steht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, bemerkbare oder voraussehbare Schäden oder Gefahren dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen (BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 - Rn. 43, juris = ZTR 2017, 47; BAG, Urteil vom 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21, juris = NZA 2009, 192; LAG Niedersachsen, Urteil vom 19. April 2021 - 15 Sa 557/20 - Rn. 131, juris = LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 123).



Die Beklagte hat weder ihre Informationspflichten noch ihre Pflicht zur Schadensabwendungspflicht verletzt noch gegen Weisungen der Klägerin verstoßen.



Der Bürgermeister der Klägerin war spätestens am 23.01.2020 anlässlich der Bürgerinformationsveranstaltung davon unterrichtet, dass das StALU einer seeseitigen Platzierung aller DLRG-Häuser nicht mehr zustimmte und der vorgelegten Ausführungsplanung widersprochen hatte. Im Rahmen der Bürgerinformationsveranstaltung stellte der Planer die Verlagerung der DLRG-Häuser vor und erläuterte auf Nachfrage die Gründe hierfür. Weiterer Informationen bedurfte es nicht, um die Planungsänderung nachvollziehen zu können. Der Bürgermeister wusste, wo die DLRG-Häuser gebaut werden sollen und wo die Pfähle hierfür eingerammt werden. Er wusste, in welcher Weise die Beklagte und der Planer auf die Einwände des StALU reagieren wollten und weshalb sie sich für diesen Weg entschieden hatten. Die Beklagte durfte davon ausgehen, dass der Bürgermeister jedenfalls im Rahmen der Bürgerinformationsveranstaltung ausreichend informiert war, sofern es nicht bereits zuvor im Nachgang zu dem StALU-Termin am 08.01.2020 Gespräche hierzu gegeben haben sollte.



Die Beklagte hat nicht sehenden Auges die Entstehung eines Schadens für die Klägerin zugelassen. Vielmehr hat sie ihrerseits versucht, einen der Klägerin drohenden Schaden in Form einer weiteren, erheblichen Verzögerung der Baumaßnahme, insbesondere unter Berücksichtigung des vorliegenden Fördermittelbescheides, der bereits erfolgten Auftragsvergabe und des geplanten Baubeginns, abzuwenden. Am 08.01.2020 stand fest, dass das StALU die Gründung für die DLRG-Häuser an dem geplanten seeseitigen Standort nicht mehr zulassen wird, obwohl der Bescheid vom 04.05.2016 einen anderen Eindruck erweckte. Die ursprüngliche Planung war danach nicht mehr wie vorgesehen und wie mit den Gremien abgestimmt umsetzbar. Da sich die Klägerin nicht über das StALU hinwegsetzen konnte, blieb ihr nur die Möglichkeit, hiergegen rechtlich vorzugehen oder aber der Forderung des StALU nachzukommen und den Standort der DLRG-Häuser ganz oder teilweise zu verschieben. Schon angesichts des Teilnehmerkreises der Besprechung am 08.01.2020 war nicht damit zu rechnen, das StALU umstimmen zu können - was im Übrigen auch durch die spätere Eingabe beim Minister nicht gelungen ist. Der Beklagten war vor allem daran gelegen, das Bauvorhaben nach der achtjährigen Planungsphase nunmehr zeitnah und so weit wie möglich vor der Saison umzusetzen, zumal die Fördermittel bereitstanden und das Ausschreibungsverfahren für die Bauarbeiten beendet war. Einen Baustopp wollte sie gerade nicht. Aus diesen Gründen hielt es die Beklagte im Interesse der Klägerin für sinnvoll, mit dem StALU eine einvernehmliche Lösung zu erreichen, um weitere, ggf. langjährige Verzögerungen zu vermeiden. Demgegenüber erschienen die vom StALU geforderten Lageänderungen verhältnismäßig geringfügig. Die Funktionsfähigkeit der Rettungsstationen war durch eine Verschiebung um etwa 7,5 m nicht gefährdet. Die Höhe der Häuser bot ausreichend Sicht über die Promenade hinweg. Der Rettungsweg verlängerte sich insgesamt gesehen nur geringfügig. Zudem war der Rettungsweg durch die Promenade nicht blockiert. Eine versetzte Anordnung der DLRG-Häuser, also zum Teil landseitig, zum Teil seeseitig, wäre zwar möglich gewesen, kam aber aus optischen Gründen nicht in Betracht.



Die Klägerin musste dem von der Beklagten eingeschlagenen Weg zur Lösung des Problems nicht folgen. Die Beklagte unterlag als Arbeitnehmerin den Weisungen der Klägerin. Die Klägerin hätte, nachdem sie spätestens am 23.01.2020 von der Planungsänderung und den Hintergründen hierzu erfahren hatte, die Beklagte anweisen können, die Bauarbeiten vorläufig zu stoppen, den Termin für den offiziellen Baustart am 24.02.2020 abzusagen und gegen die Entscheidung des StALU vorzugehen, auf welche Weise auch immer. Eine derartige Weisung hat die Klägerin der Beklagten jedoch nicht erteilt, sondern die Bauarbeiten erst rund vier Monate nach dem Baubeginn gestoppt, nachdem die Beklagte bereits die außerordentliche Kündigung erhalten hatte. Die Beklagte hat nicht Anweisungen der Klägerin zuwidergehandelt. Die Klägerin hat den Beginn und den Fortgang der Bauarbeiten nach den neuen Plänen zunächst geduldet, aus welchen Gründen auch immer. Ob dem Bürgermeister bekannt war, an welchen Tagen die Pfähle für die DLRG-Häuser gerammt werden, ist unerheblich. Er wusste jedenfalls, dass diese Pfähle nach den neuen Plänen und dass sie in nächster Zeit gerammt werden würden. Die endgültige Entscheidung gegen eine landseitige Platzierung der DLRG-Häuser und für die Weiterverfolgung der früheren Planung fiel erst Ende Juni 2020, und zwar nach Entlassung der Beklagten. Damit wurde sodann ein Teil der bisherigen Bauarbeiten nutzlos, was zu weiteren Planungs- und Baukosten führte.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Vorschriften§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 619a BGB, § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 276 Abs. 2 BGB, § 254 Abs. 1 BGB, § 254 BGB, § 241 Abs. 2 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO