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Beschluss vom 17.11.2022 · IWW-Abrufnummer 233152

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg - Aktenzeichen 26 Ta (Kost) 6090/22

1. Der Streit über die Einrichtung einer Einigungsstelle ist regelmäßig begrenzt auf die Frage, ob die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Der Prüfungsmaßstab ist dadurch stark eingeschränkt, sodass die Bedeutung der angestrebten Auskunft sich nicht in vollem Umfang im Gegenstandswert widerspiegelt.

Es ist nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Landearbeitsgerichts allerdings nicht auszuschließen, dass hiervon in besonders gelagerten Konstellationen auch nach oben abzuweichen ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 12. Januar 2021 - 26 Ta Kost 6003/21).

2. Es geht im Verfahren nach § 100 ArbGG noch nicht um die Frage, ob und in welchem Umfang konkret ein Auskunftsanspruch nach § 106 BetrVG besteht. Dabei handelt es sich um eine im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens (§ 109 BetrVG) zu entscheidende Rechtsfrage.

3. Ob die Wirksamkeit der Bestellung des Wirtschaftsausschusses überhaupt Gegenstand des Verfahrens nach § 100 ArbGG sein kann, ist umstritten (ablehnend: LAG Köln 27. Mai 2016 10 TaBV 28/16, Rn. 69; Hessisches LAG 1. August 2006 - 4 TaBV 111/06, Rn. 34; LAG Niedersachsen 19. Februar 2013 - 1 TaBV - 155/12, Rn 19; bejahend: LAG Baden-Württemberg 7. Oktober 2020 - 10 TaBV 2/20, Rn. 47; vgl. dazu auch LAG Berlin-Brandenburg 23. Juli 2015 - 26 TaBV 857/15, Rn. 26).

Angesichts des jedenfalls auch insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstabs, rechtfertigt dieser Gesichtspunkt nicht einen deutlich erhöhten Gegenstandswert.


Tenor:

Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2020 - 23 BV 5924/21 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - teilweise abgeändert und der Gegenstandswert auf 6.250 Euro festgesetzt.



Gründe



I.



Der Betriebsrat hat in dem diesem Beschwerdeverfahren vorausgegangenen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren mit dem Antrag zu 1) die Einsetzung einer Einigungsstelle über den Regelungsgegenstand der Erteilung von Auskünften an den Wirtschaftsausschuss unter dem Vorsitz von Richter am Arbeitsgericht aD V.R. beantragt. Mit dem Antrag zu 2) hat er beantragt, die Zahl der Beisitzer auf je vier festzusetzen. Der Arbeitgeber hat sich darauf berufen, sich an die im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens zu den Auskunftsansprüchen des Wirtschaftsausschusses getroffene Regelungsabrede zu halten. Die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Jedenfalls rechtfertige der Sachverhalt allenfalls zwei Beisitzer für jede Seite.



Das Arbeitsgericht hat für den Antrag zu 1) angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls 20.000 Euro angesetzt und von einer Bewertung des Antrags zu 2) (jeweils vier Beisitzer) abgesehen. Dem Betriebsrat ging es um Auskünfte, die er vor dem Hintergrund einer befürchteten Betriebsänderung geltend gemacht hat. Der Arbeitgeber vertritt im Rahmen ihrer Beschwerde die Ansicht, ein Gegenstandswert in Höhe von 5.000 Euro sei angemessen. Aus Sicht der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist die Angelegenheit aufwändig und von so erheblicher Bedeutung, dass eine Bewertung mit



50.000 Euro gerechtfertigt gewesen wäre. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde des Arbeitgebers nicht abgeholfen. II.



Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.



1) Der Streit über die Einrichtung und Besetzung der Einigungsstelle (§ 100 ArbGG) ist nichtvermögensrechtlicher Natur. Der Maßstab für die Bewertung des Streits über die Einrichtung und Besetzung der Einigungsstelle ist § 23 Abs. 3 RVG zu entnehmen. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 Euro zu bewerten. Ausgehend von dieser gesetzlichen Vorgabe sieht der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 9. Februar 2018 (EzA-SD 6/2018, S. 9-16) für Streitigkeiten nach § 100 ArbGG unter II.4. folgende Ansätze vor: höchstens der Hilfswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei Streit über die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle (II.4.1); grundsätzlich ¼ des Hilfswerts nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei Streit über die Person des Vorsitzenden/der Vorsitzenden (II.4.2) und grundsätzlich insgesamt ¼ des Hilfswerts nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei Streit über die Anzahl der Beisitzer (II.4.3) (eingehend: Ziemann, jurisPR-ArbR 24/2020 Anm. 7; LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2020 - 26 Ta (Kost) 6078/20; 12. Januar 2021 - 26 Ta Kost 6003/21).



2) Der mit der Beschwerde angegriffene Wertansatz erweist sich danach als zu hoch.



a) Für den Antrag, der die Frage betrifft, ob die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist, ist ein Hilfswert in Höhe von 5.000 Euro hier angemessen.



aa) Der Streit über die Einrichtung einer Einigungsstelle ist regelmäßig begrenzt auf die Frage, ob die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Der Prüfungsmaßstab ist dadurch stark eingeschränkt, sodass die Bedeutung der angestrebten Auskunft sich nicht in vollem Umfang im Gegenstandswert widerspiegelt. Es ist nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Landearbeitsgerichts allerdings nicht auszuschließen, dass hiervon in besonders gelagerten Konstellationen auch nach oben abzuweichen ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 12. Januar 2021 - 26 Ta Kost 6003/21).



bb) Danach ist hier für den Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle ein Wert in Höhe von 5.000 Euro angemessen. Insoweit bewegt sich der Betrag bereits im höheren in Betracht kommenden Bereich. Dies trägt auch dem Umstand Rechnung, dass hier eine Betriebsänderung befürchtet wurde und der Arbeitgeber sich im späteren Verlauf des Verfahrens - entgegen langjähriger anderweitiger Handhabung - zudem auf den Standpunkt gestellt hat, dass es sich um einen Tendenzbetrieb handele und die Errichtung des Wirtschaftsausschusses daher nicht in Betracht komme. Eine Ausnahmekonstellation, die den Ansatz eines noch höheren Wertes rechtfertigen könnte, liegt dadurch noch nicht vor. Es geht im Verfahren nach § 100 ArbGG gerade noch nicht um die Frage, ob und in welchem Umfang ein Auskunftsanspruch besteht. Das ist eine im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens zu entscheidende Rechtsfrage. Ob die Wirksamkeit der Bestellung des Wirtschaftsausschusses überhaupt Gegenstand des Verfahrens nach § 100 ArbGG sein kann, ist umstritten (ablehnend: LAG Köln 27. Mai 2016 - 10 TaBV 28/16, Rn. 69; Hessisches LAG 1. August 2006 - 4 TaBV 111/06, Rn. 34; LAG Niedersachsen 19. Februar 2013 - 1 TaBV - 155/12, Rn 19; bejahend: LAG Baden-Württemberg 7. Oktober 2020 - 10 TaBV 2/20, Rn. 47; vgl. dazu auch LAG Berlin-Brandenburg 23. Juli 2015 - 26 TaBV 857/15, Rn. 26). Angesichts des jedenfalls auch insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstabs, wäre dadurch ein über 5.000 Euro hinausgehender Betrag nicht gerechtfertigt.



b) Der Betrag war im Hinblick auf den Streit über die Anzahl der Beisitzer zu erhöhen. Das rechtfertigt den Ansatz weiterer 1.250 Euro. Eine Wertaddition im Hinblick auf den im Antrag zu 1) vorgeschlagenen Vorsitzenden hatte nicht zu erfolgen, da insoweit kein Streit bestand.



aa) Eine Wertaddition hat zur Voraussetzung, dass es im konkreten Beschlussverfahren um zwei oder drei Teilgegenstände des Streits über die Einrichtung und Besetzung der Einigungsstelle geht. Hierüber gibt der Antrag Auskunft. Nach dem Antrag kommen drei Teilgegenstände in Betracht. Bei der Ermittlung des prozessualen Begehrens darf aber nicht am Wortlaut des Antrags verhaftet werden. Vielmehr muss stets auch die Antragsbegründung zur Auslegung des Begehrens herangezogen werden. Dabei ist das Vorbringen des antragstellenden Beteiligten so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und seinem Interesse entspricht. Wird aus der Antragsbegründung deutlich, dass nur ein oder zwei der möglichen drei Teilgegenstände des Streits über die Einrichtung und Besetzung der Einigungsstelle geltend gemacht werden sollen, bestimmen lediglich die relevanten Teilgegenstände den Gegenstandswert (entsprechend der Rechtsprechung zu Erhöhungsklagen, vgl. LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2020 - 26 Ta (Kost) 6078/20, Rn. 7; Ziemann in: Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Teil 1 A Rn 127 mwN).



bb) Hier ging es um die Frage der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle (Ansatz: 5.000 Euro) und um die Anzahl der Beisitzer. Weder die Antragschrift selbst noch die Anlagen lassen einen Schluss auf einen Streit über die Person des Vorsitzenden erkennen. Allein aus einem Abweisungsantrag des beteiligten Arbeitgebers ist nicht zu folgern, dass auch die Person des Vorsitzenden im Streit war (vgl. LAG Hamm 18. Februar 2020 - 7 Ta 477/19, Rn. 7, mit Anm. Ziemann, jurisPR-ArbR 24/2020 Anm. 7; LAG Berlin-Brandenburg 12. Januar 2021 - 26 Ta Kost 6003/21).



III.



Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 33 Abs. 9 RVG. Von der Erhebung einer Gebühr wird angesichts des überwiegenden Erfolgs der Beschwerde abgesehen.



IV.



Die Entscheidung ist unanfechtbar.

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