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Beschluss vom 13.10.2022 · IWW-Abrufnummer 233156

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt - Aktenzeichen 2 TaBV 1/22

Die Vorlage der erforderlichen Bewerbungsunterlagen im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG muss nicht in Papierform, sondern kann auch in der Weise erfolgen, dass die Betriebsratsmitglieder, denen Dienst-Laptops zur Verfügung stehen, im Zuge der Information über eine beabsichtigte Einstellung umfassende Einsichtsmöglichkeiten in ein Bewerbermanagement-Tool erhalten.


Tenor:
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 10.11.2021 - 7 BV 71/21 NMB - wird zurückgewiesen.


2. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 16.03.2022 - 3 BV 84/21 NMB - wird zurückgewiesen.


3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten im Beschlussverfahren über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers sowie über die Frage der Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung dieser personellen Einzelmaßnahme.



Die Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen der Getränkeindustrie und gehört zur S-Gruppe. Sie produziert am Standort W (OT L) Mineralwasser und andere Erfrischungsgetränke.



Der Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat) ist der für den Betrieb in L gebildete Betriebsrat.



Die Arbeitgeberin schrieb Ende März 2021 eine bislang im Betrieb nicht vorhandene Stelle eines Prozess- und Projektspezialisten Technik (w/m/d) aus (Bl. 51 d.A.). Daraufhin erfolgten 33 externe Bewerbungen. Interne Bewerbungen von beschäftigten Mitarbeitern gab es nicht.



Nach Sichtung der Bewerbungen entschloss sich die Arbeitgeberin, den Bewerber T G zum 01.10.2021 als Prozess- und Projektspezialist Technik im Bereich Instandhaltung einzustellen.



Mit Schreiben vom 08.06.2021 beantragte sie gemäß § 99 BetrVG beim Betriebsrat dessen Zustimmung zur Einstellung von Herrn G. Auf den Inhalt des Schreibens (Bl. 6/7 d.A.) wird ausdrücklich Bezug genommen. Das Anhörungsschreiben ging beim Betriebsrat am 09.06.2021 ein.



Unter dem 14.06.2021 (Bl. 9 d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass er noch keine abschließende Stellungnahme abgeben könne, weil ihm noch nicht alle für seine Entscheidung notwendigen Informationen und Unterlagen vorlägen. Er benötige noch das Protokoll vom Bewerbungsgespräch bzw. Vorstellungsgespräch und die Stellenbeschreibung der neuen Stelle Prozess- und Projektspezialist Technik. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens vom 14.06.2021 wird Bezug genommen.



Nach Zurverfügungstellung der geforderten Unterlagen fasste der Betriebsrat anlässlich seiner Sitzung am 24.06.2021 den Beschluss, seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung des Herrn G nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zu verweigern, weil durch die Einstellung bereits beschäftigte Arbeitnehmer Nachteile erlitten, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sei. Die Einstellung führe dazu, dass der ohnehin schon nicht ausreichend besetzten Abteilung Technik (Bereich Elektriker) eine geplante neue Stelle verloren gehe. Dies führe wiederum zu einer weiteren Leistungs- bzw. Arbeitsverdichtung für die in der Abteilung beschäftigten Mitarbeiter. Diese müssten aufgrund der beabsichtigten Einstellung von Herrn G noch mehr Überstunden leisten, weil damit zu rechnen sei, dass weitere Aufgaben für die Bereiche der Elektriker und Schlosser anfielen. Diesen Mitarbeitern drohe daher eine Überlastung und damit ein schwerer Nachteil. Vorteile durch die Einstellung von Herrn G seien nicht ersichtlich. Dringender werde eine Einstellung im Bereich Elektrik benötigt. Auf den weiteren Inhalt des Beschlusses des Betriebsrats vom 24.06.2021 (Bl. 10 d.A.) wird Bezug genommen.



Die Mitteilung über die Zustimmungsverweigerung ging der Arbeitgeberin noch am selben Tag (24.06.2021) zu.



Am 07.07.2021 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat nochmals die Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung von Herrn G. Auf den Inhalt des Schreibens (Bl. 70 - 72 d.A.), insbesondere auf die ausführlichere Begründung, wird wiederum Bezug genommen. Die Einstellung sollte nunmehr zum 01.11.2021 erfolgen.



Mit Schreiben vom 12.07.2021 (Bl. 11 d.A.) teilte der Betriebsrat unter Bezugnahme auf den anlässlich seiner Sitzung am 08.07.2021 gefassten Beschluss mit, dass er seine Zustimmung unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG weiterhin verweigere. Er verwies auf den Beschluss vom 24.06.2021 und wiederholte im Wesentlichen seine bisherigen Einwände.



Auf den am 06.08.2021 beim Arbeitsgericht Halle eingegangenen Antrag der Arbeitgeberin wurde das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet, im Rahmen dessen die Arbeitgeberin die Feststellung begehrte, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Herrn T G als erteilt gelte. Hilfsweise begehrte sie die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats.



Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat sei über die beabsichtigte Einstellung umfassend informiert worden. Ihm hätten alle erforderlichen Unterlagen vorgelegen, spätestens im Zeitpunkt des zweiten Antrags auf Zustimmung. Der Betriebsrat habe auf sämtliche Bewerbungsunterlagen aller Bewerber Zugriff nehmen können. Die Arbeitgeberin unterhalte ein Softwareprogramm zur Abbildung von Stellenausschreibungen und Bewerbungsverfahren (SFR). Die Modalitäten des Umgangs mit dem SFR-Tool seien in einer Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung aus dem Jahr 2019 niedergelegt. Sämtliche Bewerbungsunterlagen seien dort eingepflegt. In Papierform eingehende Bewerbungen würden vollständig digitalisiert und übernommen. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG sei nicht gegeben. Es sei nicht ansatzweise erkennbar, dass durch die beabsichtigte Einstellung von Herrn G auf eine neu geschaffene Stelle anderen Arbeitnehmern Nachteile drohten. Dies sei dem Betriebsrat auch bereits hinreichend erläutert worden. Mit den weiteren, erstmals im Rahmen des Beschlussverfahrens nachgeschobenen Zustimmungsverweigerungsgründen sei der Betriebsrat ausgeschlossen. Darüber hinaus seien die nunmehr geltend gemachten weiteren Einwände allesamt unbegründet.



Die Arbeitgeberin hat beantragt,



festzustellen, dass die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik in dem Bereich Instandhaltung als erteilt gilt;



hilfsweise,



die von dem Beteiligten zu 2. verweigerte Zustimmung zur Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik in dem Bereich Instandhaltung zu ersetzen.



Der Betriebsrat hat beantragt,



die Anträge zurückzuweisen.



Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, das Zustimmungsersetzungsverfahren sei schon nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden, weil die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht hinreichend unterrichtet habe und ihm insbesondere die Bewerbungsunterlagen und von der Arbeitgeberin gefertigte Schriftstücke nicht in Papierform vorgelegt habe, sodass die Frist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG gar nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Vorlage von Unterlagen bedeute, dass diese den Betriebsratsmitgliedern (auch) in der Sitzung gegenständlich zur Verfügung stehen müssten, damit diese jederzeit Einsicht nehmen könnten. Die Betriebsratsmitglieder müssten die Unterlagen "zur Hand haben". Die Vorlagepflicht sei nicht dadurch erfüllt, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder durch Zugriff auf das SFR-Tool die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Unterlagen hätten. Selbst wenn man gleichwohl von einer ordnungsgemäßen Einleitung ausgehe, habe der Betriebsrat seine Zustimmung berechtigt verweigern dürfen. Durch die beabsichtigte Einstellung des Herrn G drohten bereits beschäftigten Mitarbeitern Nachteile in der Form einer Leistungs- und Arbeitsverdichtung (Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG). Darüber hinaus hat sich der Betriebsrat zusätzlich auf Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 BetrVG berufen und diese näher begründet.



Das Arbeitsgericht Halle hat mit Beschluss vom 10.11.2021 (7 BV 71/21 NMB; Bl. 79 ff.d.A.) die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik in dem Bereich Instandhaltung ersetzt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen.



Es hat hierzu ausgeführt, die Arbeitgeberin habe das Zustimmungsersetzungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Insbesondere habe sie den Betriebsrat über die Person des einzustellenden Arbeitnehmers, den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Vergütung vollständig unterrichtet und ihm sämtliche erforderlichen Bewerbungsunterlagen i.S.v. § 99 Abs. 1 BVG vorgelegt. Einer Vorlage der Bewerbungsunterlagen in Papierform habe es im Zeitalter der Digitalisierung nicht bedurft. Es sei ausreichend, dass dem Betriebsrat (unstreitig) ein Lesezugriff auf das elektronische Bewerbungsmanagementsystem eingeräumt worden sei. Die Zustimmung des Betriebsrats gelte zwar nicht bereits als erteilt, weil dieser seine Zustimmung form- und fristgerecht verweigert habe und sich insoweit auf den Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG berufen und die aus seiner Sicht dafür maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt habe. Tatsachen, die die Besorgnis begründeten, dass infolge der beabsichtigten personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt würden oder sonstige Nachteile erlitten, seien jedoch nicht ersichtlich, weshalb ein Zustimmungsverweigerungsgrund im Ergebnis nicht vorliege. Der Betriebsrat habe nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb und inwieweit die beabsichtigte Einstellung des Arbeitnehmers G zu mehr Überstunden oder zu einer Leistungsverdichtung für andere Arbeitnehmer führen werde. Auf andere - nachgeschobene - Zustimmungsverweigerungsgründe könne der Betriebsrat sich nicht stützen.



Gegen den ihm am 20.12.2021 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Halle hat der Betriebsrat am 05.01.2022 Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese sogleich begründet.



Nach der Verkündung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle am 10.11.2021 hatte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 15.11.2021 beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten vorläufigen Einstellung des Bewerbers T G zum 01.12.2021 (als vorläufige personelle Maßnahme gemäß § 100 BetrVG) beantragt. Auf den Inhalt des Schreibens vom 15.11.1021 (Bl. 17 - 20 d.A. im Verfahren 3 BV 84/21 NMB) wird Bezug genommen.



Der Betriebsrat hat anlässlich seiner Sitzung am 18.11.2021 den Beschluss gefasst, die beabsichtigte vorläufige Einstellung "abzulehnen" und teilte dies der Arbeitgeberin schriftlich unter Bezugnahme auf seine Beschlüsse vom 24.06.2021 und 08.07.2021 mit Schreiben vom 22.11.2021 mit.



Auf den am 23.11.2021 beim Arbeitsgericht Halle eingegangenen Antrag der Arbeitgeberin wurde ein weiteres Beschlussverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die Arbeitgeberin nunmehr die Feststellung begehrte, dass die Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik im Bereich Instandhaltung ab dem 01.12.2021 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Hilfsweise beantragte die Arbeitgeberin erneut die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Einstellung.



Sie hat die Auffassung vertreten, nach der arbeitsgerichtlichen Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren 7 BV 71/21 sei eine doppelte Antragstellung nun nicht mehr möglich und auch nicht mehr erforderlich. In der vorliegenden Konstellation bestehe nicht die Gefahr, dass der Streit auf die Wirksamkeit der vorläufigen Maßnahme beschränkt werde. Der Betriebsrat sei über die beabsichtigte vorläufige Maßnahme rechtzeitig und ausreichend informiert worden. Nachdem der Betriebsrat der Maßnahme nicht zugestimmt habe, sei fristgemäß der Antrag beim Arbeitsgericht gestellt worden. Die Einstellung von Herrn G sei aus sachlichen Gründen dringend erforderlich, da es seit September 2021 immer häufiger zu Ausfällen der (veralteten) aseptischen Anlagen sowie der Blasmaschine gekommen sei und er sich in seiner neuen Funktion systematisch und nachhaltig um diese Schwierigkeiten kümmern solle. Dadurch würden auch andere technische Mitarbeiter entlastet, die sich ansonsten um diese Aufgaben kümmern müssten. Zudem stünden kurz-fristig größere technische Projekte an, die ohne Unterstützung von Herrn G nicht vollumfänglich umgesetzt werden könnten. Der Betriebsrat setze sich durch seine Ablehnung der vorläufigen Maßnahme auch in Widerspruch zu seinem Vortrag hinsichtlich der Überlastung anderer Mitarbeiter. Die Einstellung von Herrn G trage auch dazu bei, eine Entlastung herbeizuführen. Die Behauptung, die Arbeitgeberin habe sich letztlich selbst in eine Zwangslage gebracht, entbehre jeglicher Grundlage. Im Übrigen sei dieser Einwand unerheblich, da es allein auf das Vorliegen von sachlichen Gründen und nicht auf ihre Ursache ankomme. Des Weiteren hat die Arbeitgeberin auch auf die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt verwiesen und auf die Gefahr, dass sich Herr G anderweitig orientiere.



Die Arbeitgeberin hat beantragt,



festzustellen, dass die Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik ab dem 01.12.2021 in dem Bereich Instandhaltung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist;



hilfsweise,



1. die vom Beteiligten zu 2. verweigerte Zustimmung zur Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik in dem Bereich Instandhaltung zu ersetzen;



2. festzustellen, dass die Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik ab dem 01.12.2021 in dem Bereich Instandhaltung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist;



äußerst hilfsweise,



das Verfahren mit dem Verfahren 7 BV 21/21 (Arbeitsgericht Halle) zu verbinden.



Der Betriebsrat hat beantragt,



die Anträge zurückzuweisen.



Er hat die Auffassung vertreten, der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, da die Arbeitgeberin gegen den Grundsatz der doppelten Antragstellung verstoßen habe. Sie sei verpflichtet gewesen, den Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG bereits zusammen mit dem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu stellen. Darüber hinaus werde bestritten, dass die vorläufige Einstellung von Herrn G aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei. Die Arbeitgeberin habe bereits seit März 2021 einen geeigneten Mitarbeiter gesucht und es sei nicht ersichtlich, weshalb die Einstellung nunmehr dringlich sei. Jedenfalls werde der ordnungsgemäße Betriebsablauf nicht gestört, wenn der neu geschaffene Arbeitsplatz noch einige Zeit lang unbesetzt bleibe. Die Lage auf dem angespannten Bewerbermarkt im technischen Bereich könne für die Arbeitgeberin von vornherein nicht überraschend gewesen sei.



Das Arbeitsgericht Halle hat mit Beschluss vom 16.03.2022 (3 BV 84/21 NMB, dort Bl. 81 ff.d.A.) dem Hauptantrag der Arbeitgeberin stattgegeben und festgestellt, dass die Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist ab dem 01.12.2021 in dem Bereich Instandhaltung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.



Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Die Arbeitgeberin habe nicht gegen den Grundsatz der doppelten Antragstellung verstoßen, weil der Zeitraum zwischen der Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens und dem Zeitpunkt der beabsichtigten Einstellung relativ groß gewesen sei und die Einstellung seinerzeit nicht unmittelbar bevorgestanden habe. Die Arbeitgeberin habe davon ausgehen können, dass eine gerichtliche Entscheidung jedenfalls noch vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Einstellung erfolgen werde. Erst nach der vom Arbeitsgericht ersetzten Zustimmung des Betriebsrats habe sich die Arbeitgeberin zur Durchführung der vorläufigen Maßnahme entschlossen. Dies sei nicht betriebsverfassungswidrig. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat über die beabsichtigte vorläufige Maßnahme unverzüglich und ausreichend unterrichtet. Dem Antrag sei stattzugeben, da nicht festgestellt werden könne, dass die beabsichtigte vorläufige Einstellung offensichtlich nicht dringend sei. Die Begründungen der Arbeitgeberin seien nachvollziehbar.



Gegen den ihm am 25.04.2022 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Halle hat der Betriebsrat am 15.05.2022 wiederum Beschwerde eingelegt und diese am 23.06.2022 begründet. Das Verfahren war beim Landesarbeitsgericht zunächst unter dem Aktenzeichen 2 TaBV 10/22 anhängig.



Durch Beschluss vom 13.10.2022 wurden die Verfahren 2 TaBV 1/22 und 2 TaBV 10/22 gemäß § 147 ZPO miteinander verbunden; das Verfahren war sodann einheitlich unter dem Aktenzeichen 2 TaBV 1/22 anhängig.



Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren auf vollständige Abweisung der Anträge der Arbeitgeberin unter Wiederholung und Ergänzung seines jeweiligen erstinstanzlichen Vorbringens weiter.



Er ist der Auffassung, dass die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen sei, auch ohne ausdrückliche Aufforderung des Betriebsrats ihm alle erforderlichen Unterlagen in Papierform vorzulegen. Dies ergebe sich zwingend aus dem Gesetzeswortlaut. Allein durch die Möglichkeit der Einsichtnahme in das SFR-Tool sei nicht gewährleistet, dass alle Betriebsratsmitglieder ihre Rechte und gesetzlichen Aufgaben hinreichend wahrnehmen könnten. Die gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts sei nicht überzeugend. Im Ergebnis sei das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden und der Antrag schon aus diesem Grund zurückzuweisen. Selbst wenn man eine ordnungsgemäße Einleitung des Verfahrens annehme, habe der Betriebsrat die Zustimmung zu der Einstellung berechtigt verweigert. Das Arbeitsgericht habe sich mit den genannten Verweigerungsgründen nicht ausreichend auseinandergesetzt. Im Verfahren nach § 100 BetrVG habe das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag zu Unrecht als zulässig angesehen. Die Arbeitgeberin habe gegen die Verpflichtung zur doppelten Antragstellung verstoßen. Es werde darüber hinaus weiterhin bestritten, dass eine besondere Dringlichkeit vorgelegen habe. Grundsätzlich sei der Personalbestand jedenfalls hinsichtlich der Leiterstellen ausreichend. Der Vortrag zur Notwendigkeit des sofortigen Handelns sei nicht schlüssig, da die Arbeitgeberin in diesem Fall hätte eher handeln müssen.



Der Betriebsrat beantragt,



1. unter (teilweiser) Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Halle vom 10.11.2021 (7 BV 71/21 NMB) die Anträge der Arbeitgeberin vom 06.08.2021 in vollem Umfang zurückzuweisen;



2. unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Halle vom 16.03.2022 (3 BV 84/21 NMB) die Anträge der Arbeitgeberin vom 23.11.2021 zurückzuweisen.



Die Arbeitgeberin beantragt,



1. die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 10.11.2021 (7 BV 71/21 NMB) zurückzuweisen;



2. die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 16.03.2022 (3 BV 84/21 NMB) zurückzuweisen;



hilfsweise



1. die von dem Beteiligten zu 2. verweigerte Zustimmung zur Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik in dem Bereich Instandhaltung zu ersetzen;



2. festzustellen, dass die Einstellung von Herrn T G als Prozess- und Projektspezialist Technik ab dem 01.12.2021 in dem Bereich Instandhaltung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.



Die Arbeitgeberin verteidigt die Entscheidung(en) des Arbeitsgerichts Halle und nimmt ebenfalls Bezug auf ihren jeweiligen erstinstanzlichen Vortrag.



Weiterhin und in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht vertritt sie die Auffassung, dass die Vorlage von Unterlagen i.S.v. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht zwingend eine körperliche (physische) Übergabe der Unterlagen in Papierform verlange, jedenfalls dann nicht, wenn alle Betriebsräte - wie hier - die Möglichkeit hätten, sich durch Einsicht in Bewerbungsmanagement-Tools problemlos Einblick in sämtliche Unterlagen zu verschaffen. Des Weiteren weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass der Betriebsrat die Vorlage der Unterlagen in Papierform nicht verlangt habe. Sie habe daher berechtigt davon ausgehen können, dass der Betriebsrat sich ausreichend unterrichtet gefühlt habe. Es sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Betriebsrat in einigen weiteren vergleichbaren Fällen bereits die Möglichkeit der Einsichtnahme in das SFR-Tool wahrgenommen und die Vorlage von Unterlagen in Papierform dort ebenfalls nicht verlangt habe. In der Sache sei die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats auch nach dem Vorbringen in der Beschwerdeinstanz nicht gerechtfertigt. Es sei weiter nicht ersichtlich, dass durch die beabsichtigte Einstellung andere Arbeitnehmer Nachteile erlitten. Der Vortrag des Betriebsrats zu vermeintlichen weiteren Zustimmungsverweigerungsgründen sei unbeachtlich, weil ein Nachschieben von Gründen rechtlich nicht möglich sei. Hinsichtlich der Entscheidung über die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Einstellung vertritt die Arbeitgeberin weiterhin der Auffassung, dass es Sinn und Zweck der doppelten Antragstellung sei, eine Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden. In der vorliegenden Konstellation sei eine solche Verzögerung jedoch nicht erkennbar. In der Sache ist die Arbeitgeberin der Auffassung, dass sich die Beschwerde mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Die Dringlichkeit sei in jedem Fall gegeben, da eine Entlastung anderer Mitarbeiter, die ansonsten die Arbeiten zusätzlich erledigen müssten, erforderlich sei. Herr G solle sich zunächst vorwiegend um die Probleme des Ausfalls von Anlagen kümmern. Ferner werde nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beteiligte zu 1. dringend auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen sei und dass angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt die Gefahr bestehe, dass Herr G ansonsten abgesprungen wäre.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.



II.



Die statthaften (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und auch im Übrigen zulässigen (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG) Beschwerden des Betriebsrats sind nicht begründet.



Das Arbeitsgericht Halle hat im Verfahren 7 BV 71/21 NMB die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Arbeitnehmers T G zu Recht ersetzt.



Ebenfalls zu Recht hat das Arbeitsgericht Halle im Verfahren 3 BV 84/21 NMB festgestellt, dass die Einstellung des Arbeitnehmers T G zum 01.12.2021 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.



Die Anträge der Arbeitgeberin sind, soweit ihnen entsprochen wurde und soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, zulässig und begründet.



1.



Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers T G als Prozess- und Projektspezialist Technik im Bereich Instandhaltung war antragsgemäß zu ersetzen.



Das Zustimmungsersetzungsverfahren wurde entsprechend den Vorgaben des § 99 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet; dementsprechend ist auch die Wochenfrist nach § 99 Abs. 3 BetrVG in Gang gesetzt worden, binnen derer sich der Betriebsrat geäußert und seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung verweigert hat. Im Ergebnis lag jedoch kein hinreichender Grund für die Verweigerung der Zustimmung i.S.d. § 99 Abs. 2 BetrVG vor.



a. Vor einer beabsichtigten Einstellung hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und vollständig über die Gründe, den betreffenden Arbeitsplatz, die Person des ausgewählten Bewerbers und die Eingruppierung zu unterrichten und ihm darüber hinaus Auskunft über die Mitbewerber zu geben und die Bewerbungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz selbst (§ 99 Abs. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat diese Informationen von sich aus zu geben. Nur wenn der Betriebsrat insoweit vollständig unterrichtet wurde, ist er objektiv auch in der Lage, seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Aufgaben ordnungsgemäß auszuüben. Nur dann beginnt die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG zu laufen. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit erhalten, Anregungen für die Auswahl der Bewerber zu geben und gegebenenfalls Gesichtspunkte vorzutragen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen als des vom Arbeitgeber ausgewählten Stellenbewerbers sprechen; dies gilt unabhängig davon, ob hierauf eine etwaige Zustimmungsverweigerung überhaupt gestützt werden kann. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Unterlagen bezüglich aller Stellenbewerber, auch der nicht berücksichtigten oder abgelehnten Bewerber, vorzulegen (BAG Beschluss vom 21.10.2014 - 1 ABR 10/13 - juris).



Die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG wird nicht in Lauf gesetzt, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat offenkundig unvollständig unterrichtet hat, selbst dann nicht, wenn der Betriebsrat gleichwohl zum Zustimmungsersuchen Stellung nimmt (BAG, Beschluss vom 13.03.2013 - 7 ABR 39/11 - juris, Rz. 34; BAG, Beschluss vom 14.12.2004 - 1 ABR 55/03 - juris; Rz. 48).



Durfte der Arbeitgeber dagegen aufgrund der vorliegenden Umstände davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der Auskünfte zu bitten. Wenn der Arbeitgeber aus objektiven Gründen berechtigt annehmen darf, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, folgt schon aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber zeitnah innerhalb der Wochenfrist anzeigen muss, wenn er gleichwohl noch weitere Angaben bzw. Informationen benötigt oder/und die Vorlage weiterer Unterlagen wünscht (BAG, Beschluss vom 13.03.2013 - 7 ABR 39/11 - juris, Rz. 34; BAG, Beschluss vom 14.12.2004 - 1 ABR 55/03 - juris, Rz. 47; BAG, Beschluss vom 14.03.1989 - 1 ABR 80/87 - juris, Rz. 25 ff.).



b. Nach Würdigung aller vorgetragenen Umstände ist vorliegend davon auszugehen, dass der Betriebsrat im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einstellung inhaltlich ausreichend unterrichtet worden ist und dass damit die Wochenfrist in Lauf gesetzt wurde, innerhalb derer der Betriebsrat sodann seine Zustimmungsverweigerung erklärt hat.



aa. Aus dem Schreiben der Arbeitgeberin vom 08.06.2021 und insbesondere aus dem Schreiben vom 07.07.2021 ist zu ersehen, dass der Betriebsrat über die Person des ausgewählten Bewerbers, den betreffenden Arbeitsplatz, die vorgesehene Eingruppierung/Vergütung und die Gründe der Arbeitgeberin für die beabsichtigte Einstellung in ausreichendem Maße unterrichtet worden ist. Dass der Betriebsrat diesbezüglich umfassend informiert wurde, hat er auch nicht in Abrede gestellt. Soweit er mit der Begründung inhaltlich nicht einverstanden ist, ist dieser Umstand hier nicht relevant.



Des Weiteren sind dem Betriebsrat auf dessen Verlangen (Schreiben vom 14.06.2021) ergänzend die Stellenbeschreibung und das Gesprächsprotokoll des Vorstellungsgesprächs mit dem ausgewählten Bewerber zeitnah zugänglich gemacht worden.



bb. Der gesetzlichen Verpflichtung, dem Betriebsrat die Bewerbungsunterlagen aller Stellenbewerber vorzulegen, ist die Arbeitgeberin nachgekommen, indem sie den Betriebsratsmitgliedern eine umfassende Einsichtsmöglichkeit in die digitalisierten Unterlagen gewährt hat. Unstreitig hatten die Betriebsratsmitglieder uneingeschränkten Zugriff auf die Daten des eingerichteten Bewerbermanagement-Tools.



aaa. Ob der Betriebsrat Anspruch darauf hat, dass ihm die Bewerbungsunterlagen ausgehändigt und bis zu seiner Beschlussfassung überlassen werden, ist streitig.



Zum Teil wird vertreten, dass Vorlage der Bewerbungsunterlagen i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG meine, dass alle diesbezüglich relevanten Unterlagen dem Betriebsrat (lediglich) zugänglich gemacht werden müssen, dass dem Betriebsrat also Einsicht in die Unterlagen zu gewähren ist, diese jedoch nicht zwingend ausgehändigt werden müssen (HWGNRH - Huke, BetrVG, 10. Aufl., § 99 Rz. 146; GK BetrVG - Raab, 12. Aufl., § 99 Rz. 154).



Nach anderer Auffassung sind die Unterlagen dem Betriebsrat bis zur Beschlussfassung über die beantragte Zustimmung, längstens für eine Woche, zu überlassen bzw. zur Verfügung zu stellen (Richardi / Thüsing, BetrVG, 17. Aufl., § 99 Rz.172; BAG, Beschluss vom 14.12.2004 - 1 ABR 55/03 - juris, Rz. 33).



bbb. Nach erstgenannter Auffassung ist die Beklagte ihrer Verpflichtung in jedem Fall dadurch ausreichend nachgekommen, dass sie dem Betriebsrat bzw. sämtlichen Betriebsratsmitgliedern die Möglichkeit eingeräumt hat, Einsicht in die digital gespeicherten Unterlagen zu nehmen. Der Betriebsrat hatte die Möglichkeit, sich Kenntnis über alle Umstände zu verschaffen, die für seine Entscheidung über die Zustimmung relevant waren. Ob sämtliche Betriebsratsmitglieder die unstreitig bestehende Einsichtsmöglichkeit tatsächlich wahrgenommen haben, ist nicht entscheidend.



Aber auch wenn man der zweitgenannten Auffassung folgt, ist nach Auffassung der erkennenden Kammer der Anspruch des Betriebsrats auf "Vorlage" der Bewerbungsunterlagen letztlich erfüllt worden.



Den Betriebsratsmitgliedern stehen Laptops zur Verfügung, die sie für ihre Betriebsratstätigkeit nutzen können. Dadurch ist für jedes Betriebsratsmitglied die Möglichkeit der Einsichtnahme jederzeit gegeben. Dies hat der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende auf Nachfrage des Vorsitzenden im Anhörungstermin bestätigt.



Im "Zeitalter der Digitalisierung" und der fortschreitenden Organisation möglichst papierfreier Büros kann es nach diesseitiger Auffassung keinen Unterschied mehr machen, ob dem Betriebsrat sämtliche Unterlagen in Papierform vorgelegt bzw. überlassen werden oder ob die Betriebsratsmitglieder durch "Vorlage" von Laptops in die Lage versetzt werden, sich die entsprechenden Kenntnisse zu verschaffen. Zu berücksichtigen sind hier auch Fragen der Zumutbarkeit und der Angemessenheit des Ausdrucks von unter Umständen mehreren 100 Seiten (bei einer entsprechenden Anzahl von Bewerbern).



Der Auffassung, wonach der Arbeitgeber auch bei der EDV-mäßigen Erfassung aller relevanten Unterlagen und Daten weiterhin ausnahmslos verpflichtet sei, sämtliche (Bewerbungs-) Unterlagen auszudrucken und dem Betriebsrat in Papierform vorzulegen (so etwa DKW - Bachner/Wenckelbach, BetrVG, 18. Aufl., § 99 Rz. 159), folgt die Kammer ausdrücklich nicht. Hierfür fehlt es an einem nachvollziehbaren Grund. Entscheidend ist die jederzeitige Möglichkeit, sich die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Betriebsrat diese durch Lesen von Papieren oder durch Lesen am Rechner erhält.



Wenn gewährleistet ist, dass dem Betriebsrat ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf alle digitalisierten Bewerbungsunterlagen und die entsprechend eingepflegten Daten ermöglicht wird, spricht nichts dagegen, den Anspruch des Betriebsrats auf Vorlage von Unterlagen i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG auch durch die Einräumung eines Einsichtsrechts des Betriebsrats in die im System hinterlegten Unterlagen zu ermöglichen (hierfür auch LAG Köln, Beschluss vom 15.05.2020 - 9 TaBV 32/19 - juris, Rz. 47 ff.; Lützeler / Kopp, Arbeitsrecht Aktuell 2015, 491(493)).



Mögliche Problematiken im Hinblick auf den Schutz von Daten der Stellenbewerber stellen sich gleichermaßen sowohl bei der Einsicht in die digitalisierten Unterlagen als auch bei der Einsicht in ausgedruckte und in Papierform vorgelegte Unterlagen (mit eben denselben Daten). Diese Problematiken können somit nicht als Argument für eine Vorlage der Unterlagen in Papierform herangezogen werden. Unabhängig davon besteht für alle Betriebsratsmitglieder eine besondere Schweigepflicht nach § 99 Abs. 1 S. 3 BetrVG (zur Schweigepflicht: Richardi / Thüsing, BetrVG, 17. Aufl., § 99, Rz. 195-199; Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 99, Rz. 185).



Die vom Betriebsrat geäußerte Auffassung, ein Zugriffsrecht auf hinterlegte Daten sei nicht ausreichend, ist auch angesichts dessen, dass die digitale Erfassung und Hinterlegung sämtlicher Bewerbungsunterlagen sowie ein Zugriffsrecht des Betriebsrats sogar Gegenstand einer Rahmenkonzernbetriebsvereinbarung sind, letztlich nicht nachvollziehbar.



Nach alledem geht die Beschwerdekammer mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass es unter den gegebenen Umständen ausreichend war, dass für den Betriebsrat die Möglichkeit bestand, durch jederzeitigen Zugriff auf das Programm SFR sämtliche Bewerbungsunterlagen einzusehen. Objektiv lagen ihm jedenfalls alle notwendigen und geforderten Informationen vor und er hatte auch die Möglichkeit, alle Bewerbungsunterlagen einzusehen. Damit konnte er sich inhaltlich zur Frage der beabsichtigten Einstellung des Arbeitnehmers G... ausreichend positionieren.



cc. Selbst wenn man jedoch der Auffassung folgte, wonach grundsätzlich ein Anspruch auf Vorlage aller Unterlagen in Papierform bestünde, führte dies vorliegend gleichwohl nicht zu dem Ergebnis, dass wegen unvollständiger Unterrichtung des Betriebsrats das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden wäre.



Der Betriebsrat hat in seiner Stellungnahme vom 14.06.2021 lediglich erklärt, er benötige für seine Entscheidung noch das Protokoll des Vorstellungsgesprächs und die Stellenbeschreibung. Weitere ergänzende Informationen hat er nicht gefordert und insbesondere nicht die Vorlage aller Bewerbungsunterlagen in Papierform verlangt.



Aus diesem Grund und insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Betriebsrat in anderen vergleichbaren Fällen ebenfalls keine Vorlage in Papierform geltend gemacht und sich mit der Möglichkeit der Einsichtnahme begnügt hatte, wie es die Vertreter der Arbeitgeberin im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht unwidersprochen vorgetragen haben, konnte und durfte die Arbeitgeberin auch im Fall der beabsichtigten Einstellung des Arbeitnehmers G... davon ausgehen, dass sie den Betriebsrat ausreichend informiert hatte.



Der Betriebsrat hätte, soweit er im konkreten Fall die Vorlage aller Unterlagen in Papierform als notwendig angesehen hätte, die Arbeitgeberin zumindest noch innerhalb der Wochenfrist darauf hinweisen müssen.



Schon nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann er sich nachträglich nicht mehr erfolgreich auf eine insoweit unzureichende Information berufen.



c. Ein Grund für eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG hat nicht vorgelegen.



aa. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG erfordert die durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt wäre.



Dass durch die oder infolge der Einstellung des Arbeitnehmers G... ein bereits beschäftigter Mitarbeiter gekündigt werden wird, ist weder ersichtlich noch wurde dies vom Betriebsrat behauptet. Angesichts der Tatsache, dass es sich um eine neu geschaffene Stelle handelt, wäre eine solche Behauptung auch nicht nachvollziehbar.



"Sonstige Nachteile" sind nicht unerhebliche Verschlechterungen in der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung eines Arbeitnehmers. Regelungszweck des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ist allein die Erhaltung des status quo der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Deren Arbeitsbedingungen sollen sich nicht erheblich verschlechtern oder erschweren. Ist mit der beabsichtigten Maßnahme für andere Arbeitnehmer lediglich der Verlust einer Chance auf eine vorteilige Veränderung (z.B. Beförderung) verbunden, stellt dies keinen Nachteil dar. Dazu müsste entweder ein Rechtsanspruch auf die erstrebte Veränderung bestanden oder zumindest eine tatsächliche Position sich bereits zu einer rechtlich erheblichen Anwartschaft verstärkt haben (BAG, Beschluss vom 01.06.2011 - 7 ABR 117/09 - juris, Rz. 47).



Vorliegend hat der Betriebsrat sonstige Nachteile für beschäftigte Mitarbeiter des Betriebes, die durch eine Einstellung des Arbeitnehmers G verursacht würden, nicht zur Überzeugung der Kammer darlegen können.



Als Mindestvoraussetzung für eine beachtliche Zustimmungsverweigerung verlangt das Gesetz selbst die Angabe von besorgnisbegründenden "Tatsachen"; es genügt nicht, dass der Betriebsrat lediglich pauschale Behauptungen vorbringt oder lediglich Vermutungen anstellt (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 28.08.2020 - 10 TaBV 8/19 - juris, Rz. 170).



Die Behauptung, durch die Einstellung des Arbeitnehmers G bestehe die Gefahr, dass bereits beschäftigte Mitarbeiter Mehrarbeit oder zusätzliche Überstunden leisten müssten ist zum einen nicht nachvollziehbar und erscheint unlogisch (Mehrarbeit durch eine zusätzliche Arbeitskraft?). Zum anderen hat der Betriebsrat diese Behauptung nicht durch konkreten Tatsachenvortrag untersetzt. Soweit er sich darauf beruft, durch Unterbesetzung in anderen Bereichen bestehe ein erhöhter Arbeitskräftebedarf, mag dies zutreffen, ist jedoch ganz offensichtlich nicht der Einstellung des Arbeitnehmers G geschuldet.



Auf den Punkt gebracht ist der Betriebsrat der Auffassung, die Arbeitgeberin möge, soweit die Mittel zur Verfügung stehen, lieber Arbeitnehmer in einem anderen Bereich bzw. einer anderen Abteilung einstellen, da dort ein größerer Beschäftigungsbedarf bestehe. Einstellungen von Arbeitnehmern obliegen jedoch grundsätzlich der (unternehmerischen) Entscheidung des Arbeitgebers. Der Betriebsrat kann Einstellungen auf bestimmten Arbeitsplätzen letztlich nicht erzwingen, insbesondere nicht über eine Verweigerung der Zustimmung zu einer Einstellung auf einem anderen Arbeitsplatz.



Es ist offensichtlich, dass dies die Hauptmotivation des Betriebsrats für seine verweigerte Zustimmung ist. Er will die Arbeitgeberin zu Einstellungen von Mitarbeitern im Bereich Elektrik der Abteilung Technik bewegen. Ein Zustimmungsverweigerungsrecht ergibt sich hieraus jedoch nicht.



Soweit der Betriebsrat schließlich (erstmalig im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht) konkret behauptet hat, im Falle einer Einstellung von Herrn G bestehe die Gefahr, dass dem Projektingenieur M R Aufgaben entzogen würden, ist diese Vermutung offensichtlich nicht begründet, da die Beteiligten auf Nachfrage des Gerichts übereinstimmend erklärt haben, dass Herr R gar nicht mehr in der Abteilung Technik beschäftigt ist, also der Abteilung, in der Herr G beschäftigt werden soll.



bb. Auf weitere Zustimmungsverweigerungsgründe kann sich der Betriebsrat nicht erfolgreich berufen, insbesondere auch nicht auf die erstmals im laufenden Beschlussverfahren vorgetragenen Gründe nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 BetrVG.



Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Betriebsrat mit Zustimmungsverweigerungsgründen ausgeschlossen, die er dem Arbeitgeber nicht innerhalb der Wochenfrist nach seiner Unterrichtung mitgeteilt hat. Er legt mit der schriftlichen Begründung seiner innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG erklärten Zustimmungsverweigerung zu der beabsichtigten personellen Maßnahme den Gegenstand des vom Arbeitgeber einzuleitenden Zustimmungsersetzungsverfahrens fest und konkretisiert ihn. Er kann dann im Laufe des Zustimmungsersetzungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht keine weiteren als die im Zusammenhang mit seiner Zustimmungsverweigerung genannten Gründe nachschieben (BAG, Beschluss vom 17.11.2010 - 7 ABR 120/09



- Rz. 34; BAG, Beschluss vom 23.01.2019 - 4 ABR 56/17 - Rz. 17; BAG, Beschluss vom 13.08.2019 - 1 ABR 10/18 - juris, Rz. 40; Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 99 Rz. 277 d).



Demnach hatte die Kammer im vorliegenden Verfahren ausschließlich zu prüfen, ob ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG vorgelegen hat. Die umfangreichen Ausführungen des Betriebsrats zu vermeintlich weiteren Gründen für die verweigerte Zustimmung waren für die Entscheidung folglich nicht relevant und nicht zu überprüfen.



Der Betriebsrat hat sich im Rahmen seiner verweigerten Zustimmung, sowohl im Schreiben vom 24.06.2021 als auch im Schreiben vom 12.07.2021 ausschließlich auf den Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG berufen. Es wurde weder erklärt noch ist es auch nur ansatzweise ersichtlich, dass er auch andere Zustimmungsverweigerungsgründe vorbringen wollte. Damit hat der Betriebsrat die gerichtliche Überprüfung selbst eingegrenzt.



Nach alledem war die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle, durch welchen die Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers G ersetzt wurde, als unbegründet zurückzuweisen.



2.



Auf den Antrag der Arbeitgeberin nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG war festzustellen, dass die vorläufige Einstellung des Arbeitnehmers T G als Prozess- und Projektspezialist im Bereich Instandhaltung zum 01.12.2021 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.



a. Gemäß § 100 Abs. 1 BetrVG kann der Arbeitgeber, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, eine personelle Maßnahme i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG vorläufig durchführen, auch wenn der Betriebsrat seine Zustimmung noch nicht erteilt oder aber die Zustimmung verweigert hat.



Gemäß § 100 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat in diesem Fall unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten. Bestreitet der Betriebsrat, dass die personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, so hat er dies dem Arbeitgeber ebenfalls unverzüglich mitzuteilen. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die vorläufige personelle Maßnahme nur dann aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei (Kalender-)Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.



b. Diese genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.



aa. Der ist Antrag zulässig. Er ist form- und fristgerecht gestellt worden.



Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 15.11.2021 über die geplante vorläufige personelle Maßnahme (Einstellung des Arbeitnehmers G zum 01.12.2021) unterrichtet. Nach Auffassung der Kammer wurden in dem mehrseitigen Schreiben die Gründe hierfür ausreichend dargelegt.



Der Betriebsrat hat am 22.11.2021 erklärt, dass er die vorläufige Einstellung "ablehne". Diese Erklärung ist wohl dahingehend auszulegen, dass der Betriebsrat bestreitet, dass die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Bereits am folgenden Tag hat der Arbeitgeberin den Feststellungsantrag beim Arbeitsgericht gestellt.



Das erforderliche Feststellungsinteresse ist zweifelsfrei gegeben, da die Arbeitgeberin die vorläufige Maßnahme nach Bestreiten der Dringlichkeit durch den Betriebsrat nur im Falle der Anrufung des Arbeitsgerichts vorläufig durchführen bzw. aufrechterhalten kann.



Die Frage, ob die Arbeitgeberin den Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG gleichzeitig mit dem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG im Rahmen eines einheitlichen Beschlussverfahrens hätte stellen müssen, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags.



bb. Der Antrag ist auch begründet.



aaa. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats liegt kein Verstoß gegen das Gebot der doppelten Antragstellung vor.



Das Gebot der doppelten Antragstellung soll verhindern, dass der Arbeitgeber den Streit auf die Wirksamkeit der vorläufigen Maßnahme beschränkt und die Frage, ob der Betriebsrat einen Zustimmungsverweigerungsgrund hat, in der Schwebe lässt (BAG, Beschluss vom 15.09.1987 - 1 ABR 44/86 - juris, Rz. 34; BAG, Beschluss vom 18.10.1988 - 1 ABR 36/87 - juris, Rz. 34). Er könnte, indem er den Zustimmungsersetzungsantrag erst verspätet stellt, einen vorläufigen Zustand einseitig über einen längeren Zeitraum hinziehen.



Der Arbeitgeber soll sich nicht darauf beschränken können, vollendete Tatsachen dadurch zu schaffen, dass er den Streit nur auf die Vorläufigkeit der Maßnahme begrenzt und die Frage, ob der Betriebsrat einen Zustimmungsverweigerungsgrund hat, in der Schwebe lässt. Deshalb ist in dem Beschlussverfahren über die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme auch das Zustimmungsersetzungsbegehren geltend zu machen.



Das Gesetz geht für den Regelfall davon aus, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur vorgesehenen personellen Maßnahme bereits nach § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG verweigert, der Arbeitgeber aber noch nicht nach § 99 Abs. 4 BetrVG das Zustimmungsersetzungsverfahren durchgeführt hat.



Will hingegen der Arbeitgeber die vorläufige Maßnahme erst durchführen, nachdem er bereits nach § 99 Abs. 4 BetrVG das Arbeitsgericht angerufen hatte oder gar schon eine erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung vorliegt, ist nach Sinn und Zweck des Gebots der doppelten Antragstellung ausnahmsweise auch ein (nachträglicher) isolierter Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahme zulässig (Richardi-Thüsing, BetrVG, 17. Aufl., § 100, Rz. 27; HWGNRH / Huke, BetrVG, 10. Aufl., § 100, Rz. 33).



So liegt der Fall hier.



Die Einstellung des Arbeitnehmers G war ursprünglich zum 01.11.2021 vorgesehen. Im Zeitpunkt der Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens Anfang Juli 2021 ging die Arbeitgeberin davon aus, noch vor diesem Termin eine gerichtliche Entscheidung erreichen zu können. Seinerzeit war die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme möglicherweise auch noch nicht dringlich. Erst nach der dem Antrag stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle vom 10.11.2021 hat sich die Arbeitgeberin entschlossen, die Einstellung vorläufig, nunmehr zum 01.12.2021, vorzunehmen, wohl auch, weil abzusehen war, dass der Betriebsrat Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen würde und der Zeitpunkt des Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung nicht absehbar war.



In dieser Situation ist der Arbeitgeberin grundsätzlich zuzugestehen, noch vor rechtskräftigem Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens die personelle Maßnahme vorläufig durchzuführen, wofür jedoch ein entsprechender Feststellungsantrag beim Arbeitsgericht Voraussetzung war. Die Unbegründetheit des Antrags kann vorliegend nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Arbeitgeberin bereits bei Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens einen doppelten Antrag hätte stellen müssen. Eine Verzögerung der Erledigung des Verfahrens ist durch den isolierten Feststellungsantrag schon deshalb nicht eingetreten, weil das Gericht beide Beschlussverfahren verbunden hat. Zudem lag im Zeitpunkt des Antrags nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG bereits eine erstinstanzliche - stattgebende - Entscheidung über den Zustimmungsersetzungsantrag vor.



bbb. Nach den Feststellungen der Kammer war die vorläufige Einstellung des Arbeitnehmers T G als Prozess- und Projektspezialist zum 01.12.2021 i.S.v. § 100 Abs. 1 BetrVG aus sachlichen Gründen dringend erforderlich.



(1) Ob sachliche Gründe i.S.d. § 100 Abs. 1 BetrVG vorliegen, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden, also aus der Sicht eines objektiven Betrachters unter Würdigung der Belange des Betriebes. Es ist zu prüfen, ob ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber im Interesse des Betriebes alsbald handeln muss, die geplante Maßnahme also letztlich keinen Aufschub verträgt. Die Maßnahme muss notwendig sein und kein zumutbarer anderer Weg darf zur Verfügung stehen. Zu berücksichtigen ist unter Umständen auch, ob die Dringlichkeit auf nicht rechtzeitig voraussehbaren Umständen beruht oder ob der Arbeitgeber sich selbst bewusst in Zugzwang gesetzt hat, um dann gegebenenfalls nach § 100 BetrVG handeln zu können. Unter sachlichen Gründen sind nur betriebliche Gründe, insbesondere solche des geregelten Arbeitsablaufs zu verstehen und nicht persönliche Gründe oder sozialpolitische Überlegungen. Es kommt grundsätzlich allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme an (vgl. insges. Fitting, BetrVG, 30. Auflage, § 100 Rz. 4/4a m.w.N.).



(2) Unabhängig davon, ob die Kammer allein nach diesen Maßgaben und dem Vorbringen der Arbeitgeberin für aus sachlichen Gründen dringend erforderlich angesehen hätte, war dem Feststellungsantrag jedenfalls unter den gegebenen Umständen und Voraussetzungen stattzugeben.



Wenn das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren die fehlende Zustimmung des Betriebsrats (wie vorliegend) ersetzt hat, kann der Feststellungsantrag des Arbeitgebers nur dann abgewiesen werden, wenn die Maßnahme offensichtlich nicht dringend war.



Das Merkmal der Offensichtlichkeit erfordert eine grobe, ohne weiteres ersichtliche Verkennung der sachlich-betrieblichen Notwendigkeiten für eine alsbaldige Durchführung der Maßnahme, wobei vom Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers und nicht von einer nachträglichen Beurteilung der Situation auszugehen ist. Nur wenn dem Arbeitgeber insoweit ein grober Vorwurf zu machen ist, muss der Feststellungsantrag wegen offensichtlicher Verkennung der Dringlichkeit abgewiesen werden mit der Folge, dass die vorläufige personelle Maßnahme keinen Bestand hat (Fitting, BetrVG, 30. Aufl., Auflage, § 100 Rz. 14 m.w.N.; LAG Hamm, Beschluss vom 12.08.2014 - 7 TaBV 29/14 - juris, Rz. 90).



Eine solche grobe, ohne weiteres ersichtliche Verkennung der sachlich-betrieblichen Notwendigkeiten für den vorläufigen Einsatz des Arbeitnehmers G ist erkennbar nicht gegeben. Diesbezüglich schließt sich die Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Insbesondere hat auch der Betriebsrat die auftretenden technischen Schwierigkeiten nicht bestritten, die der Arbeitnehmer G u.a. beseitigen soll, wodurch letztlich auch eine Entlastung anderer Arbeitnehmer herbeigeführt wird.



Im Ergebnis war dem Antrag der Arbeitgeberin nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG daher ebenfalls stattzugeben.



Die Beschwerde des Betriebsrats war auch insoweit als unbegründet zurückzuweisen.



III.



Die Entscheidung erging gerichtsgebührenfrei.



IV.



Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zugelassen, weil sie der Frage, ob die Vorlage der erforderlichen Bewerbungsunterlagen i.S.v. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG auch in der Weise erfolgen kann, dass die Betriebsräte umfassende Einsichtsmöglichkeit in ein Bewerbermanagement-Tool erhalten, grundsätzliche Bedeutung beimisst (§§ 92 Abs. 1 S. 1, 72 Abs. 2 S. 1 ArbGG).

Hinweise

Rechtsbeschwerde wurde eingelegt - Az. beim BAG: 1 ABR 28/22

Vorschriften