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Urteil vom 06.07.2022 · IWW-Abrufnummer 233260

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Aktenzeichen 21 Sa 44/21

1. Auch ein Luftverkehrsbetrieb gilt nur dann als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes, wenn er über einen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Leitungsapparat verfügt. Werden hingegen die wesentlichen personellen, sozialen und organisatorischen Entscheidungen vom Ausland aus getroffen, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung.

2. Eine auf die Betriebsbelegenheit im Inland verzichtende Auslegung von § 23 und § 24 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten.

3. Das vorliegende Urteil der 21. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg weicht ab von dem Urteil der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 1. Juni 2022 (4 Sa 65/21 - Revision eingelegt, Az: des Bundesarbeitsgerichts: 2 AZR 233/22).


In der Rechtssache
- Kläger/Berufungskläger -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rieker, den ehrenamtlichen Richter Häußermann und den ehrenamtlichen Richter Koch auf die mündliche Verhandlung vom 06.07.2022
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.03.2021 - Az: 22 Ca 5213/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.


2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich über die Wirksamkeit zweier ordentlicher, betriebsbedingter Kündigungen, die die Beklagte mit Schreiben vom 14. Juli 2020 und vom 10. September 2020 dem Kläger gegenüber ausgesprochen hat und die das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Oktober 2020 bzw. zum 31. Dezember 2020 beenden sollen.



Hinsichtlich des erstinstanzlich unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien wird auf den nicht angegriffenen Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts vom 25. März 2021 einschließlich der dort enthaltenen Bezugnahme auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen (Seiten 2 bis 10 des arbeitsgerichtlichen Urteils, Bl. 280 bis 288 der Akten-ArbG) gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG Bezug genommen.



Das Arbeitsgericht hat den in der Berufung noch streitgegenständlichen Antrag des Klägers,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2020 nicht beendet werde, abgewiesen und ist insoweit dem Klagabweisungsantrag der Beklagten gefolgt.



Über den weiteren Antrag des Klägers,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die weitere Kündigung vom 10. September 2020 beendet worden sei, hat es im Hinblick auf die Klagabweisung betreffend die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2020 nicht entschieden.



Das Arbeitsgericht führt hierzu aus, das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliege deutschem Recht, nachdem die arbeitsvertraglich vereinbarte Rechtswahlklausel, in der die Parteien auf ihr Vertragsverhältnis ausschließlich die Anwendbarkeit österreichischen Rechts vereinbart hätten, intransparent und treuwidrig und damit unwirksam sei. Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes fänden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien hingegen keine Anwendung, nachdem die Beklagte keinen inländischen deutschen (Boden)Betrieb unterhalte, dem die Gesamtheit ihrer Luftfahrzeuge zugeordnet werden könnte. Die Vorschrift des § 24 Abs. 2 KSchG sei auf nationale Luftverkehrsbetriebe zugeschnitten, denen die im Ausland befindlichen Luftfahrzeuge ohne Rücksicht auf deren Standort und Flugroute zu einem eigenständigen fiktiven Betrieb zusammengefasst würden. Die Zuordnung der Belegschaften der Luftfahrzeuge erfolge deshalb über die Zugehörigkeit der Luftfahrzeuge zu einem inländischen Luftverkehrsbetrieb. Diese Vorschrift müsse hingegen verfassungskonform dahingehend verstanden werden, dass eine Kündigung für Mitarbeiter eines ausländischen Luftverkehrsbetriebes im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsausübungsfreiheit) geschützt werden müsse. Im Rahmen einer praktischen Konkordanz sei festzustellen, dass die dem deutschen Arbeitsrecht unterfallenden Arbeitnehmer bei einer Auslegung der §§ 23 Abs.1, 24 Abs. 2 KSchG, die den ausländischen Luftverkehrsbetrieben in der bisherigen Auslegung des Betriebsbegriffs der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jeglichen gesetzlichen Kündigungsschutz entziehe, nur durch die zivilrechtlichen Generalklauseln geschützt würden, was im Verhältnis zur Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der vorliegenden unternehmerischen und betrieblichen Größe nicht der grundrechtlichen Schutzpflicht entspräche. Unterhalte daher der ausländische, insbesondere der sich im europäischen Ausland befindliche und dem Unionsrecht unterfallende Luftverkehrsbetrieb im Inland (Bundesrepublik Deutschland) Standorte, die dem unionsrechtlichen Betriebsbegriff nach der RL98/59/EG genügten, sei auf diesen abzustellen. Dass der im Hinblick auf § 24 Abs. 2 KSchG insoweit veränderte Betriebsbegriff zu gegenüber inländischen Betriebsinhabern veränderten Anforderungen an die Betriebsbedingtheit und Sozialauswahl sowie Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führe, sei Folge der verfassungskonformen Auslegung und unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG unbedenklich. In Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts genügten daher für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in diesem Falle betriebliche Strukturen an einem oder mehreren Stationierungsorten einer Fluggesellschaft. Die Beklagte unterhalte derartige betriebliche Strukturen im Hinblick auf das Vorhandensein einer Home-Base in S.. Eine andere organisatorische Zusammenfassung im Inland sei nicht ersichtlich, insbesondere sei die Home-Base der Beklagten in D. und die in S. erkennbar nicht gemeinsam betrieblich organisiert. Die streitgegenständliche Kündigung vom 14. Juli 2020 sei unter Beachtung dieses Betriebsbegriffes hingegen sozial gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Die Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, den maßgeblichen kündigungsschutzrechtlichen Betrieb ihrer Home-Base in S. zu schließen. Ihre unternehmerische Entscheidung sei nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen und sie habe ihre Entscheidung auch in greifbaren Formen umgesetzt. Sie habe alle Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten ihrer Home-Base in S. gekündigt, die Betriebsmittel, nämlich die Flugzeuge in S. aufgegeben, und die in S. befindlichen Räumlichkeiten aufgelöst. Es sei nicht hervorgetreten, dass die Home-Base in S. nach dem 31. Oktober 2020 noch hätte betrieben werden sollen oder durch die Beklagte oder einem Betriebserwerber betrieben worden sei. Die klagende Partei habe die Schließung gerade der Home-Base S. samt Flügen und Slots sowie dem Crew-Raum nicht substanziiert bestritten. Ihr Bestreiten hätte im Wesentlichen einem Fortbestand der Home-Base D. über den 31. Oktober 2020 hinaus gegolten. Das Fortbestehen einer Home-Base D. sei aber vorliegend kündigungsschutzrechtlich nicht maßgeblich, weil es sich bei der Home-Base D. nicht um einen Teil des maßgeblichen kündigungsrechtlichen Betriebes ihrer Home-Base in S. handele. Eine Sozialauswahl zwischen den Mitarbeitern des maßgeblichen Betriebs Home-Base S. habe infolge der vollständigen Schließung dieser Home-Base nicht erfolgen müssen. Die Massenentlassungsanzeige sei in ordnungsgemäßer Weise durch die Beklagte für die Home-Base S. bei der zuständigen Agentur für Arbeit erstattet worden. Es sei auch nicht hervorgetreten, dass die Kündigung wegen eines Betriebs(teil)übergangs unwirksam wäre. Der Kläger habe hierfür unter Beachtung des entsprechenden Begriffs der wirtschaftlichen Einheit nicht dargelegt und nachgewiesen, dass ein Übergang auf die L. E. Ltd. erfolgt sei. Weder habe er dazu vorgetragen, dass es zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Absicht der Beklagten gewesen wäre, ihren Gesamtbetrieb auf die L. E. Ltd. zu übertragen, noch Betriebsteile auf diese überzuleiten. Nachdem das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2020 beendet worden sei, sei über die Wirksamkeit der weiteren Kündigung der Beklagten vom 10. September 2020 nicht mehr zu entscheiden gewesen; der vom Kläger geltend gemachte Weiterbeschäftigungsantrag sei als uneigentlicher Hilfsantrag im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2020 ebenfalls nicht zur Entscheidung angefallen.



Gegen diese, dem Kläger am 12. April 2021 zugestellte Entscheidung (vgl. eEB Bl. 310 der Akten-ArbG) richtet sich seine am 12. Mai 2021 mit Schriftsatz eines Rechtsanwalts auf elektronischem Weg beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingegangene Berufung (vgl. Bl. 1 der Akten in der Rubrik "Eigenschaften - Eingangsdatum") die er mit am 14. Juli 2021 auf elektronischem Weg beim Landesarbeitsgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz (vgl. Bl. 41 der Akten in der Rubrik "Eigenschaften - Eingangsdatum") begründet hat. Zuvor war ihm auf den beim Landesarbeitsgericht auf elektronischem Weg am 2. Juni 2021 eingegangenen Antrag seines Prozessbevollmächtigten (vgl. Bl. 38 der Akten in der Rubrik "Eigenschaften - Eingangsdatum") seine Berufungsbegründungsfrist mit gerichtlicher Verfügung vom 2. Juni 2021 bis einschließlich 14. Juli 2021 verlängert worden (vgl. Bl. 40 der Akten).



Der Kläger führt zweitinstanzlich aus,



er habe mit Nichtwissen bestritten, dass sich die Beklagte dazu entschlossen habe, ihren Standort in S. zum 31. Oktober 2020 zu schließen. Die Umsetzung von einzelnen Maßnahmen entbinde die Beklagte nicht von ihrer Verpflichtung, substanziierten Vortrag zur behaupteten unternehmerischen Entscheidung zu leisten. Richtig sei vielmehr, dass der Flugbetrieb mit den Mitarbeitern der Beklagten in Europa ab 1. November 2020 von der L. E. Ltd. hätte fortgeführt werden sollen. Ab dem 1. Juli 2020 sei die Beklagte nur noch im sogenannten WET-Lease für die R.-Gruppe geflogen. Zwar habe infolge der Corona-Pandemie in den Monaten April bis Ende Juni 2020 nur ein erheblich reduzierter Flugbetrieb bei der Beklagten stattgefunden. Für ihre Standorte in D. und S. habe sie gar Kurzarbeit "null" angemeldet. Ab dem 1. Juli 2020 habe die Beklagte dann nur noch Flüge im sogenannten WET-Lease für die R.-Gruppe durchgeführt. Mit Wiederaufnahme ihres Flugbetriebs im Juli 2020 habe sie keine eigenen Linienflüge mehr angeboten. Der ganz überwiegende Anteil der Flugslots der Beklagten am D. und S. Flughafen sei im Juli 2020 von der Beklagten auf "R. übergegangen, da die Beklagte seit dem 1. Juli 2020 nur noch im WET-Lease für die R.-Gruppe geflogen sei. Erst mit E-Mail vom 28. Juli 2020 seien die Mitarbeiter der Beklagten in D. darüber informiert worden, dass sie den Betrieb zum 31. Oktober 2020 einstellen wolle. Den in S. beschäftigten Mitarbeitern, die der dauerhaften Reduzierung ihrer Vergütung zugestimmt hätten, sei angeboten worden, sich auf offene Stellen bei der L. E. Ltd. für die Base in D. zu bewerben. Mit der Training Instruction 26/20 vom 26. August 2020 seien alle Piloten der Beklagten darüber informiert worden, dass die Transformation der Beklagten zur L. E. Ltd. bereits begonnen habe. Bereits am 17. August 2020 habe die Beklagte eine interne Stellenausschreibung für einen Line-Training-Captain veröffentlicht, ohne diese Stelle vor Ausspruch der Kündigung qualifizierten S. Piloten angeboten zu haben. Es seien auch weitere Stellenzusagen für Co-Piloten und Kabinen-Crew-Mitglieder nach Ausspruch der Kündigungen noch vor Ablauf der Kündigungsfrist von Seiten der Beklagten bzw. der L. E. Ltd. getätigt worden, so dass davon auszugehen sei, dass die Beklagte den auch bereits zum 14. Juli 2020 bestehenden Beschäftigungsbedarf an ausländischen Stationierungsorten durch Neuanstellungen gedeckt habe, statt den Kläger dort weiter zu beschäftigen. Nach seiner Kenntnis hätten die Arbeitsangebote der L. E. Ltd. insgesamt 92 % der Piloten und 67 % des Kabinenpersonal zugestimmt. Aus diesem Grunde seien die Mitarbeiter in W. mit Wirkung zum 15. September 2020 von der Beklagten zur L. E. Ltd. gewechselt. Es habe zwischen der Beklagten und einem zum R.-Konzern gehörenden Unternehmen namens C. ein Vertrag zur Überlassung von Piloten und Kabinenpersonal bestanden, den die L. E. Ltd. ebenso übernommen habe. Darüber hinaus habe die L. E. Ltd. die für einen Flugbetrieb maßgeblichen Funktionsträger von der Beklagten übernommen (es erfolgt namentliche Benennung von 10 Personen einschließlich deren Funktionsbezeichnung). Im Hinblick darauf liege ein Betriebsübergang des gesamten Flugbetriebs der Beklagten zur L. E. Ltd. vor, was auch zeige, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht ernsthaft zur Stilllegung ihres Betriebs entschlossen gewesen sei. Die Kündigung sei daher sozial nicht gerechtfertigt. Sie sei auch wegen eines Betriebsübergangs im Sinne des § 613 a Abs. 4 BGB ausgesprochen worden. Darüber hinaus seien beide Kündigungen unwirksam, weil für beide Kündigungen eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige durch die Beklagte nicht stattgefunden habe. In der von der Beklagten durchgeführten Massenentlassungsanzeige seien die gesetzlichen Sollangaben zwar nachgereicht worden, aber erst nach Zugang der streitgegenständlichen Kündigungen. Darüber hinaus sei für die Anzeige nicht die Agentur für Arbeit in L.-E. c/o Agentur für Arbeit G., sondern die Agentur für Arbeit S. zuständig für die Anzeige gewesen. Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 327 Abs. 4 SGB III sei die Anzeige an die Agentur zu richten, in deren Bezirk der Betrieb liege.



Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.03.2021, Az. 22 Ca 5213/20, teilweise abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die Kündigung vom 14. Juli 2020 noch durch die weitere Kündigung vom 10. September 2020 beendet worden sei.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. März 2021, Az: 22 Ca 5213/20, zurückzuweisen.



Die Beklagte führt zweitinstanzlich aus,



sie habe am 10. Juli 2020 die Entscheidung getroffen, zum Ende des Sommerflugplans am 31. Oktober 2020 ihre Basis am Flughafen S. dauerhaft stillzulegen und allen dort stationierten Mitarbeitern zu kündigen. Nachdem sie diesen Entschluss gefasst gehabt habe, habe sie am 13. Juli 2020 bei der zuständigen Agentur für Arbeit G. eine entsprechende Massenentlassungsanzeige erstattet. Die Massenentlassungsanzeigen seien formwahrend ordnungsgemäß erstattet worden. Überwiegend seien die ehemals für die Beklagte und die für die L. E. Ltd. bei der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde in Österreich bzw. in Malta registrierten und von dieser jeweils einem Überprüfungsprozess unterzogenen verantwortlichen Personen nicht identisch gewesen. Die L. E. Ltd. habe keine Organisationsstruktur der Beklagten übernommen. Die L. E. Ltd. habe im Jahre 2020 lediglich Basen an den Flughäfen W. und P. eröffnet; sie betreibe bis zum heutigen Tage keine Basis in Deutschland. Die beabsichtigte Einstellung von insgesamt 2.000 Piloten durch R. gem. FAZ-Artikel vom 12. Juli 2021 sei weder im Hinblick auf die Beklagte noch die L. E. Ltd. von Relevanz. Ein Betriebs- oder ein Betriebsteilübergang von ihr auf die L. E. Ltd. sei nicht erfolgt. Im Übrigen seien die streitgegenständlichen Kündigungen auf Grund ihres Stilllegungsbeschlusses und der erfolgten Stilllegung sozial gerechtfertigt, sollte man das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien, was allerdings nicht zutreffe, für anwendbar halten.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 525, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht verwiesen.



In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 6.Juli 2022, die gem. § 128a ZPO durchgeführt wurde, teilte die Beklagtenseite auf Frage des Gerichts mit, dass der Base S. vor Ausspruch der zeitlich ersten Kündigung ggü. dem Kläger etwa 76 Arbeitnehmer zugeordnet gewesen seien.



Entscheidungsgründe



Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.



A. Zulässigkeit der Berufung



1. Die Berufung des Klägers ist gem. den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft. Sie ist auch gem. den §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist durch einen Rechtsanwalt eingelegt und nach innerhalb der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist bei Gericht formgerecht eingegangenem Verlängerungsantrag eines Rechtsanwalts innerhalb der daraufhin mit gerichtlicher Verfügung verlängerten Frist mit Schriftsatz eines Rechtsanwalts begründet worden. Die Berufung des Klägers setzt sich insbesondere in hinreichendem Maße mit allen Argumenten auseinander, mit denen das Arbeitsgericht die streitgegenständliche Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen hat.



2. Anderweitige Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.



B. Begründetheit der Berufung



Die gegen die Kündigung der Beklagten vom 14. Juli 2020 gerichtete Feststellungsklage ist zulässig, aber nicht begründet. Im Hinblick darauf fiel auch dem Berufungsgericht die zur Entscheidung gestellte Feststellungsklage betreffend die (weitere) Kündigung der Beklagten vom 10. September 2020 nicht zur Entscheidung an. Die Berufung des Klägers ist infolge dessen unbegründet.



I. Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage



1. An der Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen keine Bedenken, nachdem der Streitgegenstand der geltend gemachten Feststellung i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist. Der Kläger greift mit seinem Feststellungsantrag eine konkrete Kündigungserklärung der Beklagten an und formuliert seinen Antrag wie gem. § 4 Satz 1 KSchG für eine Klage gegen eine ordentliche Kündigung vorgesehen.



2. Im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Zulässigkeit des Klagantrags und der Zulässigkeit der Klage im Übrigen.



II. Begründetheit der Kündigungsschutzklage



1. Der Kläger hat innerhalb der von ihm gem. § 4 Satz 1 KSchG zum Angriff gegen eine ordentliche Kündigung zu beachtende Frist von drei Wochen nach deren Zugang Klage gegen die streitgegenständliche Kündigung erhoben, nachdem er das Kündigungsschreiben der Beklagten (datiert) vom 14. Juli 2020 am 16. Juli 2020 erhalten hat, seine Klage gegen diese Kündigung beim Arbeitsgericht Stuttgart am 28. Juli 2020 per Telekopie und am 30. Juli 2020 im Original einging (vgl. gerichtliche Eingangsstempel Bl. 1 und 5 der Akten-ArbG) und diese Klage der Beklagten demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden konnte.



2. Grundsätze



Gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG findet § 1 KSchG u. a. für Betriebe des privaten Rechts vorbehaltlich des § 24 KSchG für Luftverkehrsbetriebe Anwendung. Gem. § 24 Abs. 2 KSchG gilt als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes jeweils die Gesamtheit der Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsbetriebes. Unter einem Betrieb im Sinne der §§ 1, 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern durch den Einsatz technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die über die Befriedigung von Eigenbedarf hinausgehen. Maßgeblich für das Bestehen eines Betriebs ist dabei das Vorliegen eines Leitungsapparates, der die wesentlichen Entscheidungen in personeller und sozialen Angelegenheiten selbst treffen muss (vgl. etwa BAG 2. März 2017 2 AZR 427/16 in NZA 2017, 859 Rn. 15 m.w.N.). Der räumliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (BAG 3. Juni 2006 2 AZR 386/03 in NZA 2004, 1380 Rn. 32 ff. m.w.N. und vom 8. Oktober 2009 2 AZR 654/08 in DB 2010,23 Rn. 12). Die geforderte Mindestanzahl i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der Regel Beschäftigte muss in einem Betrieb erreicht werden, der vom räumlichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes umfasst wird (BAG 29. August 2013 2 AZR 809/12 in NZA 2014,730 Rn. 34). Bestehen in der Bundesrepublik Deutschland keine betrieblichen Strukturendes Arbeitgebers des Arbeitsvertrages im Sinne des Betriebsbegriffs der §§ 1, 23 Abs. 1 KSchG, findet das Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich keine Anwendung (BAG 3. Juni 2006 a.a.O.; offen gelassen für den Fall, dass für 300 in der BRD beschäftigte Arbeitnehmer nur eine geringfügig ausgebildete Organisationsstruktur besteht hingegen: BAG 17. Januar 2008 2 AZR 902/06 in NZA 2008,872 Rn. 25 ff), da der Zuständigkeitsbereich des Bundestages der BRD als rechtssetzendes Organ auf den räumlichen Bereich der Bundesrepublik Deutschland begrenzt ist. Nichts anderes ergibt sich aus den Rechtsgrundsätzen der Europäischen Union (BAG 9. Oktober 1997 2 AZR 64/97 in NZA 1998,141 Rn. 17 und EuGH 30. November 1993 C-189/91 in DB 1994,50). Auch verfassungsrechtlich ist diese Voraussetzung nicht zu beanstanden (BVerfG 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 - juris). Unterhält ein ausländisches Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland eine Niederlassung, sind die im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer des Unternehmens beim Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht zu berücksichtigen (LAG Schleswig-Holstein 18. Februar 2004 - 3 Sa 483/03 - in NZA-RR 2004, 630 [LAG Schleswig-Holstein 18.02.2004 - 3 Sa 483/03]).



Nach § 613 a Abs. 4 BGB ist eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs unwirksam. Diese Bestimmung verbietet, dass ein Betriebsübergang zum Anlass einer Kündigung gemacht wird (BAG 27. Oktober 2005 8 AZR 568/04 in NZA 2006,668 Rn. 36). Eine derartige Kündigung ist nur dann unwirksam, wenn der Betriebsübergang der tragende Beweggrund für die Kündigung war (BAG 24. Mai 2005 8 AZR 333/04 in NZA 2006,31 Rn.20). Eine Kündigung erfolgt hingegen nicht wegen des Betriebsübergangs, wenn dieser nur der äußere Anlass für die Kündigung ist. Beurteilungszeitpunkt für § 613 Abs. 4 BGB sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Kündigung (BAG 24. Mai 2005 a.a.O.). Hängt die Unwirksamkeit der Kündigung nur davon ab, ob das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB eingreift, muss der Arbeitnehmer die Voraussetzungen dieser Vorschrift darlegen und beweisen (APS/Kiel 6. Aufl. 2021 zu § 1 KSchG Rn. 496 m.w.N.).



3. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich, dass die ordentliche Kündigung der Beklagte vom 14. Juli 2020 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Ablauf des 31. Oktober 2020 beendet hat. Mit dem Arbeitsgericht ist dabei davon auszugehen, dass zwar deutsches Recht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, hingegen nicht das Kündigungsschutzgesetz. Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht aus anderen als in § 1 Abs. 2 KSchG geregelten Gründen unwirksam.



a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet deutsches Recht Anwendung. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen in nur anderen Worten nimmt das Berufungsgericht gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 1. a) des mit der Berufung angegriffenen Urteils (Seiten 11 und 12, Bl. 289, 290 der Akten-ArbG) Bezug.



b) Nach Ansicht der erkennenden Kammer findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung (ebenso im Ergebnis: LAG Baden-Württemberg 17. September 2021 7 Sa 32/21; aA etwa LAG Baden-Württemberg 1.Juni 2022 4 Sa 65/21 und LAG Berlin-Brandenburg 26. März 2015 26 Sa 1513/14). Das Berufungsgericht schließt sich auch insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 1. b) aa) (3) und bb) der Entscheidungsgründe (Seiten 12 bis 17, Bl. 290 bis 295 der Akten-ArbG) an und nimmt gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG darauf ausdrücklich Bezug. Einer verfassungskonformen Auslegung des Betriebsbegriffs bedarf es hingegen aus Sicht des Berufungsgerichts nicht, wenn - wie vorliegend - das ausländische Unternehmen, das die Arbeitgeberstellung im Arbeitsverhältnis der Parteien bekleidet, keinen Betrieb auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland unterhält.



aa) Die Beklagte unterhält im territorialen Bereich der Bundesrepublik Deutschland keinen Betrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Weder der Standort S., noch der Standort D. bilden einen Betrieb im Sinne der §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 1, 24 Abs. 2 KSchG. Es fehlt dafür am erforderlichen einheitlichen Leitungsapparat, der sich außerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik Deutschland im österreichischen Sch. befindet. Es ist nach dem Tatsachenvortrag des Klägers und der Beklagten gerade nicht ersichtlich, dass von ihrer Base in S. aus, von der der Kläger regelmäßig seine Arbeit für die Beklagte angetreten hat, die wesentlichen personellen, sozialen und organisatorischen Entscheidungen getroffen werden. Auch waren weder in S. noch in irgendeinem Flughafen in Deutschland, insbesondere auch nicht in D., Personen beschäftigt, denen eine Entscheidungsgewalt in personellen oder sozialen Angelegenheiten des Flugpersonals zukam. Sämtliche Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten wurden in Österreich getroffen, wo im Übrigen auch ausnahmslos alle Flugzeuge der Beklagten registriert waren. Soweit an diesen "Standorten" ein von der Beklagten gestellter Crew Raum und Büroraum auf dem Flughafengelände für ihre Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden hat, in dem sich eine Crew auf ihren konkreten Flugeinsatz vorbereiten konnte (etwa Briefing) und die auch zur Klärung und Vorbereitung anderer Arbeitsaufgaben im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zur Verfügung standen ergibt sich nichts Anderes. Diese Umstände führen nicht dazu, dass davon auszugehen ist, dass dort auch die wesentlichen personellen, organisatorischen und die soziale Angelegenheiten betreffenden Entscheidungen von der Beklagten getroffen wurden. Daran ändert es auch nichts, wenn im Crew Raum Computer zur Benutzung durch die Arbeitnehmer vorhanden waren, auf die sich die Arbeitnehmer auch von zuhause aufschalten konnten und die Arbeitnehmer nach dem Vortrag des Klägers ihre Dienstpläne dort einsehen und abrufen haben können. Entscheidend ist insoweit nämlich nicht wo die Dienstpläne "ausgehängt" beziehungsweise abrufbar sind und wo die Arbeitsanweisungen übermittelt werden, sondern wer auf Seiten der Beklagten die Dienstpläne und die Arbeitsanweisungen von wo aus erstellt beziehungsweise aufstellt. Der Kläger selbst trägt insoweit gerade vor, dass der Base Captain als Sprachrohr der Beklagten in der Base S. agiert habe, also gerade nicht als Entscheider für die Beklagte gegenüber den Arbeitnehmern tätig war. Darüber hinaus trägt der Kläger selbst vor, dass die Dienstpläne (nur) bis Mitte 2019 in der Base in D. /Halle 8 erstellt worden seien ohne zu behaupten, dass dies danach originär in der Base S. erfolgt sei (vgl. hierzu Vortrag Kläger Schriftsatz vom 3. Februar 2021 auf Seite 3, Bl. 133 d. Akten-ArbG). Soweit er darüber hinaus vorträgt, dass im Herbst 2019 das System kurzfristig umgestellt worden sei und die Dienstpläne dadurch verschwunden seien und alles über das R.-System gelaufen sei, ergibt sich ebenfalls nicht, dass die Dienstplaneinteilung von der Base aus in S. verantwortlich für die Beklagte aufgestellt worden ist.



Einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 2 KSchG im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit des Arbeitnehmers und seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit) bedarf es nicht (aA: LAG Düsseldorf 15. Dezember 2021 12 Sa 349/21). Der hieraus herzuleitenden staatlichen Schutzpflicht genügt es, dass über die allgemeinen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB und besondere Kündigungsschutzklauseln (z. B. §§ 612 a BGB, 613 a Abs. 4 BGB, § 17 KSchG, § 9 MuSchG oder § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 134 BGB) Schutz vor unberechtigten Kündigungen des Arbeitgebers gewährt wird. Arbeitnehmer sind daher vor auf willkürlichen und auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen und für Kündigungen, die auf bestimmte Motive (jedenfalls überwiegende) gestützt werden, hinreichend geschützt. Auch bei Kündigungen, bei denen der Arbeitgeber eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zur Kündigung ausüben muss, ist durch § 242 BGB Rechnung zu tragen (vgl. etwa BAG 21. Februar 2001, 2 AZR 15/00 in NZA 2001,833 Rn. 29).



bb) Eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG scheidet schon aus, nachdem in den §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 2 KSchG die Frage was für Luftverkehrsbetriebe gilt, bereits abschließend geregelt ist. Auch ein Arbeitnehmer eines ausländischen Unternehmens, das keinen Luftverkehrsbetrieb und auch keine betriebliche Organisation im Inland unterhält, die einen Betrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG ausmacht, hat keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, wenn der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland für das ausländische Unternehmen tätig ist.



c) Eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung gem. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 242 BGB oder § 138 BGB ist vorliegend nicht zu erkennen. Soweit der Kläger damit argumentiert, dass die Beklagte ihren "Betrieb" auf ein anderes Unternehmen übertragen habe, unterliegt dies der Prüfung des Unwirksamkeitsgrundes gem. § 613 a Abs. 4 BGB. Im Übrigen ist zwischen den Parteien, soweit ersichtlich, unstreitig, dass die Beklagte nach dem 31. Oktober 2020 keine Flüge von S. aus mehr in eigener Regie durchgeführt hat, weshalb ein Verstoß gegen Treu und Glauben ebenso wenig ansatzweise ersichtlich ist, wie eine sittenwidrige Kündigung dadurch erkennbar wäre.



d) Die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten unter dem Datum 14. Juli 2020 ist nicht gem. § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam.



aa) Zunächst ist davon auszugehen, dass der Betriebsbegriff des § 613a Abs. 4 BGB nicht mit dem der §§ 23 Abs. 1, 24 Abs. 2 KSchG übereinstimmt (BAG 14. Mai 2020 6 AZR 235/19 in NZA 2020, 1771 Rn. 63). Ausgehend vom unionsrechtlich geprägten Betriebsbegriff des § 613a Abs. 4 BGB (vgl. dazu etwa BAG 14. Mai 2020 aaO. Rn. 58 bis 61) kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob, wie vom Kläger behauptet, ein Betriebsübergang des gesamten operativen Flugbetriebs der Beklagten auf die L. E. Ltd. durch die Durchführung eines Wet-Lease-Flugbetriebs für die R.-Gruppe zum 15. September 2020 beziehungsweise zum 1. November 2020 auf die L. E. Ltd. zum 1. November 2020 vorliegt. Tatsache ist nämlich, dass die Beklagte im Hinblick auf die aus ihrer Sicht gescheiterten Vertragsverhandlungen über die künftige Vergütung ihrer im Flugbetrieb Beschäftigten (Piloten, Co-Piloten und weiteres Bordpersonal) bereits Mitte Juli 2020 verlautbart hat, dass sie ihren Flugbetrieb ab S. zum 31. Oktober 2020 einstellen werde. Dies ergibt sich etwa aus der von der Beklagten bereits am 13. Juli 2020 gefertigten Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit G. , die in der Rubrik 32 (Gründe für den angegebenen Personalabbau) bereits ausdrücklich aufführt, dass sie sich entschlossen habe, den Flugbetrieb an ihrer Base in S. mit Wirkung zum 31. Oktober 2020 einzustellen und ab 1. November 2020 keine Base mehr in der BRD, also auch in S. , zu betreiben. Darüber hinaus hat die Beklagte in ihrer E-Mail vom 10. Juli 2020 an ihre von S. aus eingesetzten Crews (vgl. Anlage B7, Bl. 236 der Akten-ArbG) mitgeteilt, dass sie die Entscheidung getroffen habe, ihre Base in S. zum 30. Oktober 2020 zu schließen. Auch aus ihrer E-Mail vom 3. Juli 2020 an ihre Piloten ihrer Base S. (vgl. Anlage K2 zum Berufungsbegründungsschriftsatz des Klägers vom 14. Juli 2021, Bl. 88 d. Akten) ergibt sich insoweit nichts Widersprüchliches, da die Beklagte schon dort ausgeführt hat, dass sie von einer Standortschließung in S. zum 31. Oktober 2020 nur Abstand nehmen wolle, wenn die Vereinbarungen mit ver.di und der S. Crew auf Basis des angebotenen Eckpunktpapiers zu Stande kommt, was unstreitig bis zur von der Beklagten letztendlich zum 9. Juli 2020 gesetzten Endfrist nicht erreicht worden ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung die sie anschließend unter dem Datum 14. Juli 2020 gegenüber dem Kläger (und allen anderen Arbeitnehmern, die von der Base S. aus ihre Arbeit antraten) lediglich deshalb gekündigt hat, um einen Betriebsübergang zu ermöglichen oder jedenfalls zu erleichtern, sind weder offensichtlich, noch hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts solche vorgetragen. All die vom Kläger vorgetragenen Umstände, die indizielle Wirkung haben könnten (insbesondere Medienberichterstattung und Korrespondenz) stammen von Ende Juli und aus August 2020, also zu Zeiten, die nach der Äußerung der Beklagten gegenüber der Agentur für Arbeit und nach Zugang der streitgegenständlichen ersten Kündigung beim Kläger liegen. Diese vom Kläger vorgetragenen Anhaltspunkte genügen dem Gericht nicht dafür, der Beklagten eine sekundäre Behauptungslast dafür aufzuerlegen, dass ihr tragendes Motiv für die streitgegenständliche Kündigung nicht ein Betrieb- oder Betriebsteilübergang gewesen ist. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines Betriebsübergangs und das im wesentlichen Beruhen der Kündigung auf diesem Umstand bleibt danach der Kläger. Danach steht zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass tragendes/überwiegendes Motiv der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung beim Kläger am 16. Juli 2020 ein anschließend möglicherweise erfolgender Betriebs- oder Betriebsteilübergang von der Beklagten auf eine andere Person/Gesellschaft war.



bb) Aber selbst wenn man, ausgehend vom Tatsachenvortrags des Klägers, annehmen sollte, dass die L. E. Ltd. einen (reduzierten) internationalen Gesamtflugbetrieb der Beklagten übernommen hat, würde dies der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, den (unselbstständigen) deutschen Teil ihres Flugbetriebs zu schließen, nicht entgegenstehen. Denn die Beklagte hatte die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Base in S. und später die Base in D., also alle ihre deutschen Standorte, zu schließen. Hätte sie danach ihren internationalen Flugbetrieb, reduziert um diese Standorte, selbst weitergeführt, wären die durch den Beschäftigungsfortfall in D. und S. ausgesprochenen Kündigungen gerechtfertigt gewesen. Nur weil die Beklagte ihren (reduzierten) Restgesamtbetrieb anschließend - unterstellt - veräußert, oder deren wirtschaftliche Einheit überträgt, führt dies nicht dazu, dass Kündigungen im Zusammenhang mit der Schließung ihrer Bases in S. und D. von vornherein tragend durch einen Betriebsübergang bedingt gewesen sind.



e) Die streitgegenständlich zeitlich erste Kündigung der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.



aa) Die Kündigung ist nicht formunwirksam im Sinne der §§ 623, 126 Abs. 1, 125 Satz 1 BGB. Die Geschäftsführer der Beklagten als deren gesetzliche Vertreter haben das Kündigungsschreiben der Beklagten an den Kläger datiert vom 14. Juli 2020 (vgl. Kopie Bl. 29, 30 der Akten-ArbG) unterschrieben. Der Mitgeschäftsführer A. G. hat das Kündigungsschreiben ebenfalls unterschrieben und nicht nur paraphiert. Weder nach dem "A" (Vorname) ist ein Punkt gesetzt, noch nach dem "G", vielmehr ist beides flüssig ineinander geschrieben und vor allem verfügt das "G" nach rechts noch über einen Strich, was dafür spricht, dass nicht nur ein abgeschlossenes "G" geschrieben werden sollte. Im Hinblick darauf, dass sich mit der Zeit Unterschriften abschleifen können und an die Unterschrift ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (vgl. dazu etwa BAG 6. September 2012 2 AZR 858/11 in NZA 2013,524 Rn. 17) und darüber hinaus keine Unterlagen vom Kläger oder der Beklagten vorgelegt wurden, aus denen ersichtlich ist, dass Herr G. ansonsten deutlicher unterschreibt bzw. ersichtlich ist, dass es sich bei der streitgegenständlichen Ausführung um eine Abkürzung seiner ansonsten deutlicheren Unterschrift handelt, ist davon auszugehen, dass es sich bei der Zeichnung durch Herrn G. unter der streitgegenständlichen Kündigung um seine Namensunterschrift im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB handelt. Insbesondere ergibt sich dies aus der von Herrn G. beim Landesgericht K. eingereichte und beglaubigte Musterzeichnung vom 16. Februar 2018 (Anlage B19, Bl. 262, 263 der Akten-ArbG) und aus der von der Beklagten vorgelegten Korrespondenz Herrn G. mit seinen Arbeitnehmern (Anlagen B20 bis B24, Bl. 264 bis 268 der Akten-ArbG).



bb) Die Kündigungsfrist für die streitgegenständliche ordentliche Kündigung ist ebenfalls eingehalten. Nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 29. März 2019 gelten für das Arbeitsverhältnis der Parteien die kollektiven vertraglichen Kündigungsfristen und Termine. Dass diese nicht eingehalten worden sind wird weder vom Kläger behauptet, noch ist dies aus den dem Gericht zugänglichen Unterlagen in der Akte ersichtlich. Auch die Frist des § 622 Abs. 1 BGB ist im Übrigen eingehalten.



cc) Die im Rahmen der streitgegenständlichen Kündigung notwendige und erfolgte Massenentlassungsanzeige der Beklagten ist ebenfalls wirksam.



(1) Die Beklagte hat ihre Massenentlassungsanzeige vom 13. Juli 2020 bei der Agentur für Arbeit G. c/o Agentur für Arbeit L.-E. eingereicht. Die Agentur für Arbeit G. ist örtlich für die Landkreise G. und E. zuständig und unterhält Verwaltungsräume auch in L.-E. (St.str. X). Der Flughaften S. befindet sich auf der Gemarkung des Ortes L.-E. und dieser gehört dem Landkreis E. an. Danach war die Agentur für Arbeit G. für die streitgegenständliche Anzeige entgegen der Ansicht des Klägers örtlich zuständig.



(2) Die Massenentlassungsanzeige ist bei der Agentur am 13. Juli 2020 per Telefax eingegangen (Anlage B1, Bl. 100 bis 102 der Akten-ArbG). Ihr war ein Anschreiben der Beklagten an die Agentur ebenfalls mit Datum 13. Juli 2020 (Anlage B1, Bl. 97 bis 99 der Akten-ArbG) beigefügt. Danach ist die Massenentlassungsanzeige vor dem Datum der streitgegenständlichen Kündigung vom 14. Juli 2020 und vor allem vor deren Zugang beim Kläger am 16. Juli 2020 gestellt worden.



(3) Diese Massenentlassungsanzeige ist auch vollständig und richtig ausgefüllt. Nachdem für die Base in S. kein Betriebsrat gebildet ist und für die Zuständigkeit eines Betriebsrats ebenfalls das Territorialprinzip gilt, waren Angaben zur Stellungnahme des Betriebsrats in der Rubrik 35 des Formulars der Massenentlassungsanzeige nicht zu machen. Soweit die Beklagte in der Rubrik 34 (Angaben für die Arbeitsvermittlung) des Massenentlassungsanzeigeformulars angegeben hat, die Liste mit Angaben zu Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer/innen sowie weitere berufsbezogene Angaben) nachreichen zu wollen und dies jedenfalls vor Zugang der streitgegenständlichen Kündigung nicht erfolgt ist, macht dies die Massenentlassungsanzeige nicht unvollständig oder gar unwirksam. Bei diesen Angaben handelt es sich um Sollangaben gem. § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG. Das Fehlen dieser Sollangaben führt hingegen nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und im Hinblick darauf auch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung über § 134 BGB (BAG 19. Mai 2022 - 2 AZR 467/21 - juris). In ihrem Anschreiben vom 13. Juli 2020 hat die Beklagte darüber hinaus mitgeteilt, dass unter Ziffer 35 zwei Eigenkündigungen enthalten seien, die bei der Nennung der Zahl der zu entlassenden Mitarbeiter ein unterschiedliches Schicksal genommen haben und warum dies erfolgt ist. Anderweitige Fehlerhaftigkeiten der Massenentlassungsanzeige sind weder offensichtlich, noch vom Kläger behauptet.



4. Die von der Beklagten unter dem Datum 10. September 2020 gegenüber dem Kläger ausgesprochene weitere Kündigung fällt auch nicht zur Entscheidung des Berufungsgerichts an, da bereits die zeitlich frühere Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien vor dem 31. Dezember 20202 beendet hat und diese (weitere) Kündigung ausweislich des Inhalts des Kündigungsschreibens nur für den Fall von der Beklagten ausgesprochen wurde und wirken soll, dass nicht bereits die zeitlich vorangegangene Kündigung vom 14. Juli 2020 das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls zum 31. Dezember 2020 beendet hat. Der erstinstanzlich bedingt für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzklagen zur Entscheidung des Arbeitsgerichts gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist zweitinstanzlich vom Kläger nicht weiterverfolgt worden.



C. Nebenentscheidungen



1. Nachdem die Berufung des Klägers in vollem Umfang keinen Erfolg hat, hat er deren Kosten gem. § 97 Abs.1 ZPO zu tragen.



2. Im Hinblick auf die in den Entscheidungsgründen genannten Entscheidungen der 4. Kammer des Landes Baden-Württemberg, der 26. Kammer des Landes Berlin-Brandenburg und der 12. Kammer des LAG Düsseldorf war für den Kläger die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.

Rieker
Häußermann
Koch

Verkündet am 06.07.2022

Vorschriften§ 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG, § 24 Abs. 2 KSchG, Art. 12 Abs. 1 GG, §§ 23 Abs.1, 24 Abs. 2 KSchG, Art. 3 Abs. 1 GG, § 613 a Abs. 4 BGB, § 327 Abs. 4 SGB III, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 525, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 128a ZPO, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1, 2, 520 Abs. 1, 3 ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 4 Satz 1 KSchG, § 167 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 1 KSchG, § 24 KSchG, §§ 1, 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG, 23 Abs. 1 KSchG, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht zu berücksichtigen (LAG Schleswig-Holstein, § 613 Abs. 4 BGB, § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG, §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 1, §§ 23 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG, §§ 138, 242 BGB, §§ 612 a BGB, 613 a Abs. 4 BGB, § 17 KSchG, § 9 MuSchG, § 7 Abs. 1 AGG, § 134 BGB, § 242 BGB, § 138 BGB, § 613a Abs. 4 BGB, §§ 23 Abs. 1, § 286 ZPO, §§ 623, 126 Abs. 1, 125 Satz 1 BGB, § 126 Abs. 1 BGB, § 622 Abs. 1 BGB, § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG, § 97 Abs.1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG