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Beschluss vom 06.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233648

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 5 Ta 37/22

1. Die Pauschale nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch soll nicht die Gesamtkosten eines Pkw, der üblicherweise nicht nur beruflich angeschafft, sondern auch privat genutzt wird, in vollem Umfang abdecken. Vielmehr dient sie dazu, die reinen Betriebskosten eines angemessenen Fahrzeugs einschließlich der Steuern annähernd auszugleichen.

2. Darlehensschulden und Abzahlungsverpflichtungen, welche die Partei in Kenntnis bestehender oder bevorstehender Verfahrenskosten aufgenommen hat bzw. die sie in Ansehung des Prozesses oder nach dessen Aufnahme eingegangen ist, sind in der Regel nicht als besondere Belastungen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 06.09.2022 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 02.08.2022 - 4 Ca 391/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



I.



Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 11.05.2020 ratenfreie Prozesskostenhilfe. Der Rechtsstreit endete durch den in der Güteverhandlung vom 20.04.2020 geschlossenen Vergleich. Die von der Staatskasse an den beigeordneten Anwalt gezahlte Vergütung belief sich auf € 1.551,76. Die Differenz zu den Wahlanwaltsgebühren beträgt € 1.231,06.



Mit Schreiben vom 17.05.2022 forderte das Arbeitsgericht den Kläger anlässlich der Prozesskostenhilfenachprüfung zur Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf, die der Kläger mit Datum vom 06.06.2022 einreichte. Ausweislich dieser Erklärung steht der Kläger seit dem 01.06.2020 in einem neuen Beschäftigungsverhältnis. Im Mai 2022 belief sich das Bruttogehalt auf € 4.000,00, woraus sich ein Nettobetrag von € 2.540,75 ergab. Auf dem Girokonto befand sich ein Guthaben von € 17.702,26.



Mit Schreiben vom 09.06.2022 verwies das Arbeitsgericht auf die Pflicht der Partei, ihr Vermögen, soweit es den Schonbetrag übersteigt, für die Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen, und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger widersprach einer Anrechnung und berief sich darauf, einen Betrag von ca. € 15.000,00 für die Anschaffung eines Pkw als Ersatz für sein bereits 20 Jahre altes Fahrzeug angespart zu haben. Das Arbeitsgericht ordnete daraufhin nicht den Einsatz des Vermögens an, sondern mit Beschluss vom 02.08.2022 - nach nochmaliger Anhörung des Klägers - eine Ratenzahlung und setzte die Höhe der monatlichen Rate auf € 249,00 fest. Dem liegt die folgende Berechnung zugrunde:



Gegen diesen, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 08.08.2022 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2022 fristgerecht Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er auf die Notwendigkeit einer Pkw-Nutzung verwiesen sowie erstmals seine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 70 geltend gemacht. Unter dem 09.09.2022 hat das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Beschwerde weitere Angaben bzw. Unterlagen angefordert und dem Kläger hierfür eine Frist von drei Wochen gesetzt. Da eine Reaktion des Klägers ausblieb, hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese mit Beschluss vom 11.10.2022 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Auf die ausführliche Begründung zu diesem Beschluss wird verwiesen.



Im Beschwerdeverfahren führt der Kläger an, dass die Berechnung der Fahrtkosten mit dem Pauschalbetrag von € 5,20 je Entfernungskilometer nicht mehr zeitgemäß sei. Verfassungsrechtlich sei es geboten, die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen. Ein Elektroauto der unteren Mittelklasse koste nach Angaben des ADAC 61,4 Cent pro gefahrenen Kilometer, sodass sich bei dem Kläger schon arbeitstäglich ein Aufwand von etwa € 135,00 ergebe.



Des Weiteren hat der Kläger eine Rechnung der T. G. GmbH vom 18.08.2022 über € 65.920,00 für den Kauf eines Pkw am 16.08.2022 sowie einen Darlehensvertrag vom 29.07.2022 mit seinem Vater über ein zinsloses Darlehen von € 60.000,00 zur Finanzierung des Pkw zur Akte gereicht. Das Darlehen ist laut Vertrag ab dem 15.09.2022 mit monatlichen Raten von € 700,00 zu tilgen, wobei mit der ersten Rate eine Einmalzahlung von € 6.000,- fällig wird.



II.



Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 567 Abs. 2 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG zulässig, aber nicht begründet. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg, da das Arbeitsgericht den Beschluss zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu Recht geändert und eine Ratenzahlung in Höhe von € 249,00 angeordnet hat.



Nach § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Auf Verlangen des Gerichts muss sich die Partei jederzeit erklären, ob sich ihre persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben (§ 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO). Das Gericht kann verlangen, dass die Partei ihre Angaben glaubhaft macht. Insbesondere kann es die Vorlegung von Urkunden verlangen und Auskünfte einholen (§ 118 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZPO).



Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig € 100,00 übersteigt. Das gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen (§ 120a Abs. 2 Sätze 1 bis 3 ZPO; siehe auch Belehrung unter Buchstabe K des Prozesskostenhilfeformulars).



Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind (§ 120a Abs. 1 Satz 4 ZPO). Die Verauslagung der Prozesskosten durch die Staatskasse bewirkt lediglich deren Stundung, nicht aber eine endgültige Freistellung der Partei. Die Stundung endet, sobald die Partei zahlungsfähig geworden ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 18. März 2015 - 13 WF 199/15 - Rn. 11, juris = MDR 2015, 1204).



Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers haben sich wesentlich verbessert. Zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hatte der Kläger kein Einkommen, weshalb das Arbeitsgericht seinerzeit von der Anordnung einer Ratenzahlung abgesehen hatte. Der Kläger war seinerzeit auf die Unterstützung seiner Familie angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das hat sich bereits am 01.06.2020 mit der Aufnahme einer neuen Beschäftigung geändert.



Das Arbeitsgericht hat die Fahrtkosten des Klägers zutreffend mit € 572,00 in Ansatz gebracht. Abzusetzen sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) ZPO die in § 82 Abs. 2 SGB XII bezeichnenden Beträge. Dazu gehören die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII). Nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sofern öffentliche Verkehrsmittel nicht vorhanden sind oder deren Benutzung im Einzelfall nicht zumutbar ist, € 5,20 für jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt, abzusetzen. Nach Angabe des Klägers beträgt diese Entfernung 110 km, sodass insgesamt € 572,00 absetzbar sind.



Die Pauschale von € 5,20 je Kilometer entspricht bei etwa 20 Arbeitstagen je Monat (ohne Berücksichtigung von Urlaubstagen) einem Betrag von € 0,26 je Entfernungskilometer. Damit weicht dieser Betrag nur geringfügig von der Entfernungspauschale des Einkommensteuerrechts ab, nach der Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bei den ersten 20 km mit € 0,30 je Entfernungskilometer abgegolten sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG). Die Pauschale nach der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII soll nicht die Gesamtkosten eines Pkw, der üblicherweise nicht nur beruflich angeschafft, sondern auch privat genutzt wird, in vollem Umfang abdecken. Vielmehr dient sie dazu, die reinen Betriebskosten eines angemessenen Fahrzeugs einschließlich der Steuern annähernd auszugleichen (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. September 2009 - 4 Ta 7/09 - Rn. 22, juris). Neben der Pauschale können deshalb weitere Kfz-Kosten, wie z. B. Beiträge zu einer Haftpflichtversicherung, geltend gemacht werden. Dementsprechend hat das Arbeitsgericht die vom Kläger angegebene Kfz-Versicherung ebenfalls von den Einnahmen abgesetzt. Auf den vom Kläger berechneten Kilometersatz kommt es nicht an. Die Sozialhilfe nach dem SGB XII soll lediglich eine Mindestsicherung gewährleisten.



Soweit der Kläger auf den Darlehensvertrag vom 29.07.2022 monatliche Raten in Höhe von € 700,00 zahlt, sind diese nicht vom Einkommen abzusetzen.



Darlehensschulden und Abzahlungsverpflichtungen, welche die Partei in Kenntnis bestehender oder bevorstehender Verfahrenskosten aufgenommen hat bzw. die sie in Ansehung des Prozesses oder nach dessen Aufnahme eingegangen ist, sind in der Regel nicht als besondere Belastungen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO zu berücksichtigen. Die Partei hat sich in ihrer Lebensführung grundsätzlich darauf einzustellen, dass sie entstehende oder entstandene Prozesskosten zu tragen hat. Ausnahmsweise sind solche Verbindlichkeiten jedoch berücksichtigungsfähig bei sogenannten lebenswichtigen oder lebensnotwendigen Schulden, wozu auch Verbindlichkeiten zählen, die aufgrund einer sittlichen Verpflichtung oder zumindest auch aufgrund beruflicher Notwendigkeit entstanden sind (LAG Hamm, Beschluss vom 25. Juni 2018 - 5 Ta 263/18 - Rn. 10, juris; Zöller/Schulzky, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 115, Rn. 44).



Zugunsten des Klägers geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die Anschaffung eines anderen Pkw im August 2022 notwendig war. Nicht notwendig war jedoch zu diesem Zeitpunkt die kreditfinanzierte Anschaffung eines Pkw im Wert von etwa € 66.000,00. Der Kläger verfügte über ein Guthaben auf seinem Girokonto in Höhe von rund € 17.000,00, von dem er etwa € 15.000,00 für die Anschaffung eines Pkw vorgesehen hatte. Ein Betrag in dieser Größenordnung ermöglicht die Anschaffung eines gebrauchten Klein- oder Mittelklassewagens, weshalb das Arbeitsgericht dieses Guthaben nicht als nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzendes Vermögen berücksichtigt hat. In welcher Weise der Kläger dieses zweckgebunden angesparte Guthaben für die Finanzierung eines Pkw nutzt, ist nicht ausschlaggebend. In dem Zeitraum von vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens muss der Kläger sein Einkommen und Vermögen vorrangig zur Begleichung der Prozesskosten aufwenden.



III.



Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Vorschriften