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Beschluss vom 01.09.2022 · IWW-Abrufnummer 233729

Landesarbeitsgericht Nürnberg - Aktenzeichen 1 TaBV 27/21

1. Bei der arbeitnehmerlosen SE muss auch dann kein besonderes Verhandlungsgremium eingesetzt werden, wenn diese die Aufgabe als Komplementär einer KG mit mehr als 2.000 Beschäftigten übernimmt.

2. Dies gilt auch dann, wenn die SE eine Verwaltungs-GmbH als Komplementärin abgelöst hat, in der kein Aufsichtsrat eingerichtet war. Der Gesetzgeber hat eine dem § 4 Abs. 1 MitbestG vergleichbare Vorschrift für die SE nicht geschaffen.


Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) und 3.) hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 12.08.2021, 1 BV 14/20, abgeändert.

II. Die Anträge werden abgewiesen.

III. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.



Gründe



Die Beteiligten streiten um die Durchführung eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nach dem SE-Beteiligungsgesetz (SEBG).



Antragsteller und Beteiligter zu 1.) ist der bei der Beteiligten zu 3.) gebildete Betriebsrat. Die Beteiligte zu 3.) - im Folgenden auch: "KG" - hat ihren Sitz in Ba... und betreibt in Ba... einen Betrieb der Automobilzulieferindustrie; sie beschäftigt dort mehr als 2.000 Arbeitnehmer. Als ihre persönlich haftende Gesellschafterin fungiert seit dem 01.01.2020 die Beteiligte zu 2.), im Folgenden auch "SE". Diese SE beschäftigt keine Arbeitnehmer. Bis 31.12.2019 war persönlich haftende Gesellschafterin der KG die Firma B... Verwaltungsgesellschaft mbH, Ba....



Die SE wurde am 11.04.2019 als Tochter-SE von der Bl...start Gründungs SE in M... gegründet und nach Satzungsänderung und Umfirmierung am 12.11.2019 als "Bl...xx-xxx SE" in das Handelsregister des Amtsgerichts Ba... eingetragen. Ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren fand bei dieser SE bislang nicht statt.



Vor der Übernahme der Komplementärstellung dieser SE bei der Beteiligten zu 3.), der KG in Ba..., beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 19.12.2019 beim Landgericht Nürnberg-Fürth die Feststellung, dass bei der damaligen Komplementärin der KG, der B... Verwaltungsgesellschaft mbH, Ba..., ein Aufsichtsrat zu bilden sei. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 19.11.2020 unter Hinweis auf das zwischenzeitliche Ausscheiden der B... Verwaltungsgesellschaft mbH aus ihrer Stellung als Komplementärin abgelehnt. Der genauen Einzelheiten der Begründung des Beschlusses des Landgerichts wegen wird auf die mit der Antragsschrift vorgelegte Ablichtung Bezug genommen (Anlage Ast 1, Bl. 13 ff. d.A.).



Mit Schreiben vom 04.06.2020 forderte der Antragsteller die Beteiligte zu 2.) auf, ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren nach dem SEBG einzuleiten. Dies wies die Beteiligte zu 2.) unter Hinweis auf ihre Arbeitnehmerlosigkeit mit Schreiben vom 22.06.2020 zurück (Anlagen Ast 3 und Ast 4 zur Antragsschrift, Bl. 20 f. bzw. 22 ff. d.A.). Am 26.11.2020 beschloss der Antragsteller die Einleitung des vorliegenden Verfahrens.



Der Antragsteller und Beteiligte zu 1.) hat die Auffassung vertreten, die SE sei zur Einleitung eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens verpflichtet. Nach § 4 Abs. 1 MitbestG seien auch Kommanditgesellschaften zur Bildung eines paritätischen Aufsichtsrates verpflichtet, wenn sie mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigten. Die Voraussetzung, dass die Mehrheit der Kommanditisten auch die Mehrheit an der Komplementärgesellschaft tragen müssten, sei bei der B... Verwaltungs GmbH gegeben gewesen. Die KG habe daher ihre gesetzlichen Verpflichtungen vor dem Wechsel der Komplementärgesellschaft nicht eingehalten. Die nunmehrige Komplementärgesellschaft, die SE, sei gegründet und eingetragen worden, ohne ein solches Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchgeführt zu haben. Damit sei die Voraussetzung für ihre Eintragung nicht gegeben gewesen, wie aus Art. 12 Abs. 2 SE-VO erkennbar sei. Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf sei dies bei arbeitnehmerlosen SE-Gesellschaften möglich. Dies widerspreche dem Gesetz und den europarechtlichen Vorgaben. Nunmehr sei die SE mit ihrem Einstieg als Komplementärgesellschaft in die KG allerdings aktiviert worden. Aus diesem Grund sei das Beteiligungsverfahren zumindest jetzt nachzuholen. Nach den gesetzlichen Vorgaben sei es missbräuchlich, wenn die Mitbestimmungspflicht durch die Einschaltung einer SE verhindert oder beseitigt werde, wenn Beteiligungsrechte durch die Einschaltung verlorengingen. Vorliegend sei die SE als herrschendes Unternehmen über die KG anzusehen. Dem Vorstand der SE oblägen Geschäftsführung und Vertretung der KG. Das Beteiligungsverfahren könne und müsse in diesem Fall mit den Arbeitnehmern der KG gebildet werden. Die SE habe nunmehr die Aufgabe, mit den Leitungen eine schriftliche Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE abzuschließen. Er, der Antragsteller, repräsentiere die Arbeitnehmer. Er stelle auch das Wahlgremium für die Bestellung der inländischen Vertreter dar.



Der Antragsteller und Beteiligte zu 1.) hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:



Der Beteiligten zu 2.) wird aufgegeben, den Antragsteller aufzufordern, Vertreter in das besondere Verhandlungsgremium nach dem SE-Beteiligungsgesetz zu wählen.



Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben beantragt:



Die Anträge werden zurückgewiesen.



Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben eingewandt, die Gründung der SE sei rechtmäßig erfolgt, weil die Gründungsgesellschaft mangels vorhandener Arbeitnehmer kein Beteiligungsverfahren vornehmen könne. Insoweit müsse Art. 12 SE-VO, der die Beschäftigung von Arbeitnehmern voraussetze, teleologisch reduziert werden. Die SE beschäftige nach wie vor keine Arbeitnehmer, so dass die Voraussetzungen der Bildung des Mitbestimmungsgremiums auch bisher nicht gegeben seien. "Strukturelle Änderungen der SE, die geeignet sind, Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern", wie die Vorschrift des § 18 Abs. 3 SEBG verlange, lägen in der Übernahme der Komplementärstellung nicht vor. Auch das OLG Düsseldorf habe in den Entscheidungsgründen das Vorhandensein von Arbeitnehmern bei dieser SE gefordert. Im Übrigen herrsche die SE nicht über die KG. Vielmehr sei die B... KG alleinige Aktionärin der KG; die Rechte aus den Aktien der SE würden damit allein durch die Kommanditisten wahrgenommen.



Der Antragsteller hat eingewandt, Kommanditisten der KG seien die B... Beteiligungs KG, die B... Beteiligungs KG II, Frau V... und S.... Letzterer sei auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der SE. Als solcher könne er die Geschäfte der KG steuern. SE und KG seien daher miteinander verzahnt, fungierten im Grunde wie ein einheitliches Unternehmen. Die KG sei als Tochtergesellschaft anzusehen. Auch die KG könne hier als herrschendes Unternehmen angesehen werden, da sie die Mehrheit des Kapitals der SE besitze. § 2 SEBG verweise auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie zur Gründung Europäischer Betriebsräte. Nach § 6 EBRG genüge im Gegensatz zum Aktienrecht jeglicher herrschende Einfluss auf das andere Unternehmen, ohne dass entsprechende gesellschaftsrechtliche Abhängigkeiten bestehen müssten. Würde man die von der SE vorgenommene Praxis zulassen, könnten durch die Gründung von Vorratsgesellschaften die Mitbestimmungsrechte dauerhaft ausgeschaltet werden. Durch die Aktivierung als Komplementärin der KG gingen die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer der KG nach § 4 MitbestR verloren. Auch § 35 SEBG rechtfertige die Zurechnung der bei der KG beschäftigten Arbeitnehmer.



Die Beteiligten zu 2.) und 3.) haben die Auffassung vertreten, eine Beherrschung liege nicht vor. Die Voraussetzungen, die die Richtlinie 2001/86/EG in Art. 2 c) aufstelle, lägen nicht vor. Die SE sei am Vermögen der KG nicht beteiligt. Die SE sei nicht befugt, Leitungsorgane zu besetzen; dies stehe vielmehr den Kommanditisten der KG zu. Wenn, dann müsse man von einer Beherrschung durch die KG ausgehen. Auch § 4 Abs. 1 MitbestG sei nicht anwendbar, da die Voraussetzungen, in denen Mitarbeiter der KG der GmbH zugerechnet würden, nicht gegeben seien. Im Übrigen fänden die Zurechnungsvorschriften des MitbestG auf nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften wie die SE keine Anwendung.



Das Arbeitsgericht Bamberg hat mit Beschluss vom 12.08.2021 wie folgt entschieden:



Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, den Antragsteller aufzufordern, Vertreter in das besondere Verhandlungsgremium nach dem SE-Beteiligungsgesetz zu wählen.



Das Arbeitsgericht Bamberg hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, mit der Ersetzung der GmbH als Komplementärin liege eine Aktivierung der SE vor. Dieser Vorgang sei als wirtschaftliche Neugründung anzusehen. Aus diesem Grund sei nunmehr das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren nachzuholen. Unabhängig hiervon läge in der Übernahme der Komplementärstellung auch eine strukturelle Aktivierung der SE im Sinne des § 18 Abs. 3 SEBG. Hierfür genügten rein wirtschaftliche Änderungen in der Betätigung der SE. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern" sei eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Dies könne nicht gelten, wenn bei der Gründung nur deswegen auf die Beteiligung verzichtet worden sei, weil die Gesellschaft nicht aktiviert gewesen sei. Der Umstand, dass die SE selbst keine Arbeitnehmer beschäftige, stehe der Durchführung des Beteiligungsverfahrens nicht entgegen. Die KG sei als beteiligte Gesellschaft anzusehen, deren Arbeitnehmer die Mitglieder des Verhandlungsgremiums bestimmen könnten. Die SE leite die KG unmittelbar selbst. Durch ihre Stellung als Kommanditistin der SE übe jedoch die KG einen gesellschaftsrechtlich vermittelten beherrschenden Einfluss auf die SE aus. Die Konstruktion sei gemäß § 43 SEBG als missbräuchlich anzusehen. Die Arbeitnehmer der KG hätten daher Anspruch auf Aufforderung zur Benennung der Vertreter in das besondere Verhandlungsgremium.



Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist den anwaltlichen Vertretern der Beteiligten zu 2.) und 3.) ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 13.09.2021 zugestellt worden. Diese haben mit am 23.09.2021 eingegangenem Schriftsatz selben Datums Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt und sie mit am 12.11.2021 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet.



Die Beschwerdeführer rügen, dass der Antrag unbestimmt sei. Der Tenor sage nichts darüber aus, bei welcher Gesellschaft das besondere Verhandlungsgremium verortet sein solle. Die Unbestimmtheit eines Tenors könne nicht dadurch geheilt werden, dass durch fingierte Willenserklärungen Fakten geschaffen würden. Die KG sei am Verfahren nicht zu beteiligen, sie sei nicht passivlegitimiert. Materiell-rechtlich sei die Entscheidung schon deswegen nicht zutreffend, weil eine Anspruchsnorm für die tenorierte Aufforderung fehle. § 4 Abs. 1 S. 1 SEBG sei eine Verfahrensvorschrift, keine materielle Anspruchsnorm. Unabhängig davon lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 SEBG nicht vor. Die Gründung der SE sei als arbeitnehmerlose Vorratsgesellschaft durch eine bestehende SE erfolgt. Sekundärgründungen blieben von vorneherein beteiligungsfrei, dies folge aus einer richtlinienkonformen Auslegung des SEBG. Das "Vorher-nachher Prinzip" sei gewahrt, da in der Muttergesellschaft keine Beteiligungsrechte bestanden hätten. Sowohl die SE als Gründerin, die Bl...start Gründungs SE, als auch die gegründete SE hätten keine Arbeitnehmer gehabt. Art. 2 Abs. 3 SE-VO verlange aber die Beschäftigung von mehr als 10 Arbeitnehmern. Entsprechend seien Gründung, Anmeldung der Umfirmierung, Sitzverlegung und Änderung des Unternehmensgegenstands der SE zutreffend im Handelsregister eingetragen worden. Dasselbe gelte für die Umfirmierung, Sitzverlegung und Änderung des Unternehmensgegenstandes.



Die Beteiligten meinen, weil § 4 SEBG keine Anspruchsnorm sei, könne auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift keinen Anspruch begründen. Eine "wirtschaftliche Neugründung" mit der Rechtsfolge, dass ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchzuführen sei, kenne das SEBG nicht. Eine "an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung" sei unzulässig und würde eine rechtswidrige Rechtsfortbildung bedeuten. Es liege keine planwidrige Unvollständigkeit der Gründungsvorgänge vor, diese seien im SEBG und der SE-VO abschließend geregelt. Die Veräußerung sei kein Vorgang, der Beteiligungsrechte auslöse, eine mitbestimmungsfreie SE sei als Komplementärin einer mitbestimmungsfreien Kommanditgesellschaft beigetreten. Die Übertragung von Geschäftsanteilen sei keine wirtschaftliche Aktivierung. Die KG habe nicht beteiligte Gesellschaft sein können, eine weitere Analogie nach § 4 SEBG sei nicht möglich. Die KG sei vom Numerus clausus der möglichen Gründungsformen nicht erfasst. Auch die Gründung der SE als sogenannte Tochter-SE sei nicht erfasst, es liege keine Gründung durch mindestens zwei Gesellschaften vor, die KG habe sämtliche Aktien allein übernommen. Die KG hätte die SE nach den abschließenden Regelungen der SE-VO nicht gründen können, ihr fehle die Gründungstauglichkeit. Es gebe keinen "gesetzgeberischen Plan", dass eine SE ausschließlich nach Durchführung des Verhandlungsverfahrens begründet werden könne. Es liege hier eine rein inländische Belegschaft vor, es gebe keinen länderübergreifenden Sachverhalt.



Auch nach § 18 Abs. 3 SEBG gebe es kein Beteiligungsverfahren, da die SE keine Arbeitnehmer beschäftige und ein Zurechnungstatbestand für Arbeitnehmer der KG nicht vorliege. Die KG sei keine taugliche Gründungsgesellschaft und bei der Gründung der SE nicht beteiligt gewesen. Die KG sei keine Tochtergesellschaft der SE, diese übe keinen beherrschenden Einfluss auf die KG entsprechend den Beherrschungskriterien der Richtlinie aus. Die Beherrschungstatbestände des § 2 Abs. 3 SEBG seien nach zutreffender Ansicht abschließend. Jedenfalls habe die SE keine gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussmöglichkeiten auf die KG, rein wirtschaftliche oder personelle Verflechtungen genügten nicht. Die Komplementärin habe keinen Einfluss auf die Gesellschaft, sie sei nur Vertretungsorgan der KG. Die bloße Komplementärstellung führe gerade nicht zu einer beherrschenden Stellung und deshalb nicht zu einer Zurechnung der Arbeitnehmer der KG zur SE. Das SEBG schließe ausdrücklich die Geltung deutschen Mitbestimmungsrechts aus, die Zurechnung von Arbeitnehmern über die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes komme daher nicht in Betracht.



Die Übernahme der Komplementärstellung durch die SE sei keine strukturelle Änderung der SE, es fehle auch an der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 18 Abs. 3 SEBG. § 18 Abs. 3 SEBG setze voraus, dass die SE eigene oder ihr zurechenbare Arbeitnehmer habe. Strukturelle Änderungen erfassten lediglich "kooperative Akte", also solche gesellschaftsrechtlichen Vorgänge, die Einfluss auf die gesellschaftsrechtliche Struktur der SE hätten. Auch das dritte Tatbestandsmerkmal des § 18 Abs. 3 SEBG sei nicht erfüllt. Die SE sei nicht mitbestimmt gewesen, Mitbestimmungsrechte, bezogen auf die SE, würden deshalb nicht gemindert. Beteiligungsrechte bei der KG würden nicht gemindert, da diese mitbestimmungsfrei sei. Die Folgen der §§ 4 ff. SEBG seien andere als die, die sich aus



§ 18 Abs. 3 SEBG ergäben.



Die Beteiligten zu 2.) und 3.) und Beschwerdeführerinnen stellen im Beschwerdeverfahren folgenden Antrag:



Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 12.08.2021, in dem Verfahren 1 BV 14/20, wird abgeändert. Der Antrag wird zurückgewiesen.



Der Beteiligte zu 1.) und Beschwerdegegner beantragt,



die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. zurückzuweisen,



sowie hilfsweise,



es wird festgestellt, dass bei der Beteiligten zu 2.) ein besonderes Verhandlungsgremium unter Einschluss der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3.) zu bilden ist.



Die Beteiligten zu 2.) und 3.) beantragen,



den Hilfsantrag abzuweisen.



Der Antragsteller verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts. Der Antrag sei eindeutig, jedenfalls nach Auslegung ergebe sich, dass das Antragsbegehren sich darauf richte, ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren bei der SE durchzuführen. Der Betriebsrat sei antragsbefugt, da er sich auf eigene Rechte berufe, deren Bestehen nicht von vorneherein ausgeschlossen werden könne. Die KG sei zu beteiligen, da sie von der begehrten Entscheidung unmittelbar betroffen sei.



§ 4 Abs. 1 SEBG sei keine reine Verfahrensvorschrift, enthalte klare Vorgaben an die Leitungen. Es liege eine materielle Verpflichtung der Leitungen vor, da sonst die Arbeitnehmervertretungen rechtlos gestellt würden. Der Gesetzgeber habe auf Fristen und Formvorschriften verzichtet, weil die Eintragung der SE nur nach ordnungsgemäßem Verhandlungsverfahren möglich sei. Die Durchführungspflicht des § 4 Abs. 1 SEBG erlösche nicht nach Eintragung einer Vorrats-SE, das Beteiligungsverfahren sei nachzuholen, sobald Arbeitnehmer vorhanden seien, mit denen es durchgeführt werden könne. Sekundärgründungen seien nicht beteiligungsfrei, Art. 12 Abs. 2 SE-VO gelte auch für Sekundärgründungen. Die Sekundärgründung nach Art. 3 Abs. 2 SE-VO sei von der Nachweispflicht des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nicht befreit. Die Primärgründung der Mutter-SE sei bereits ohne Beteiligungsverfahren erfolgt, damit würde sich die Beteiligungsfreiheit fortsetzen, wenn durch Sekundärgründungen entstandene SE unternehmerisch aktiv würden. Die Nichtanwendung von Art. 12 Abs. 2 SE-VO auf eine Sekundärgründung stünde im Widerspruch zu dem Missbrauchsverbot in Art. 11 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (SE-RL). Es verbiete sich, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer durch teleologische Reduktion von Art. 12 Abs. 2 SE-VO auszuschließen. Das Beteiligungsverfahren sei bei Aktivierung der SE nachzuholen. Der Gesetzgeber habe die Gründung einer Vorrats-SE nicht vorgesehen, eine dauerhaft angewandte teleologische Reduktion der Regelung über die Arbeitnehmerbeteiligung würde eine Gesetzesumgehung bedeuten. Die vorherige Komplementärgesellschaft der KG sei nach § 4 Abs. 1 MitbestG verpflichtet gewesen, einen Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu bilden. Dieser sei nicht gebildet worden. Es sei anzunehmen, dass mit dem Komplementärwechsel zur SE die Beteiligung der Arbeitnehmer dauerhaft vermieden werden solle. Der paritätische Aufsichtsrat hätte durch den Komplementärwechsel gerade nicht mehr gebildet werden können, die Rechte der Arbeitnehmer seien nicht unverändert geblieben, sondern damit verloren gegangen. Hier sei eine mitbestimmungspflichtige GmbH durch die mitbestimmungsfreie SE ausgetauscht worden. Auch § 21 Abs. 2 SEBG spreche für die Durchführung des SE-Beteiligungsverfahrens. Die KG sei beteiligte Gesellschaft, da sie unmittelbar an der Gründung der SE beteiligt gewesen sei. Es könne nicht auf die erstmalige Gründung der SE als Tochter-SE und Vorrats-SE abgestellt werden, da die SE bis zur ihrer Aktivierung den Charakter einer ruhenden Vorgesellschaft gehabt habe. Deshalb seien die Vorschriften der §§ 4 ff. SEBG erst bei Aktivierung der SE zum Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Neugründung als geschäftsführende Komplementärin der KG analog anzuwenden. Die KG sei an der wirtschaftlichen Neugründung der SE durch Änderung der Satzung und ihres Gesellschaftszwecks, der Sitzverlegung und der Einsetzung als Komplementärin unmittelbar beteiligt gewesen. Das zuvor ausgebliebene Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren sei nachzuholen, um eine Umgehung des SEBG zu vermeiden. Die KG als Erwerberin der SE sei so zu behandeln wie eine beteiligte Gesellschaft bei der Gründung. Auch bei einer rein inländischen Belegschaft ohne länderübergreifenden Sachverhalt könne ein besonderes Verhandlungsgremium gebildet werden.



Der Antragsteller führt aus, das Arbeitsgericht habe die Verpflichtung zur Nachholung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens auf die Vorschriften der §§ 4 ff. SEBG gestützt. Lediglich für den Fall, dass man davon ausgehe, dass bei späterer Aktivierung der VorratsSE wegen struktureller Änderung ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchzuführen sei, sei auf § 18 Abs. 3 SEBG zurückzugreifen. Die Aktivierung bestehe darin, dass die KG die Komplementärstellung übernommen habe. Das Arbeitsgericht habe bei Annahme einer Verhandlungspflicht nach § 18 Abs. 3 SEBG zutreffend erkannt, dass das Tatbestandsmerkmal der Minderung der Beteiligungsrechte teleologisch zu reduzieren sei. Denn wenn bei Gründung der SE Beteiligungsrechte aufgrund des erst später durchzuführenden Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nicht entstehen konnten, könne auch für Verhandlungen nicht vorausgesetzt werden, dass die Beteiligungsrechte später durch eine strukturelle Änderung gemindert sein müssten.



Wegen weiterer Einzelheiten zu Sachverhalt und rechtlicher Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss des Arbeitsgerichts, die Niederschrift über die Anhörung vom 01.09.2022 sowie auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



II.



1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und ordnungs- und fristgemäß eingelegt und auch begründet worden (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1 ArbGG).



2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Spätestens in der Beschwerde ist klargestellt worden, dass der Antragsteller die Durchführung eines Beteiligungsverfahrens durch die SE begehrt. Die SE ist aber nicht verpflichtet, den Antragsteller aufzufordern, Vertreter in das besondere Verhandlungsgremium nach dem SEBG zu wählen. Auch die hilfsweise begehrte Feststellung ist nicht auszusprechen, weil die Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums nicht veranlasst ist.



a. Die Ansprüche können nicht auf § 4 SEBG gestützt werden. Es kann offenbleiben, ob § 4 SEBG, wie der Beschwerdeführer meint, grundsätzlich lediglich Verfahrensvorschriften enthält. Jedenfalls im vorliegenden Fall können aus § 4 SEBG keine die SE treffenden Pflichten hergeleitet werden. Das SEBG regelt das Beteiligungsverfahren bei der Gründung einer Holding-SE, der Umwandlung einer AG in eine SE oder bei der Gründung einer SE nach Art. 2 Abs. 3 SE-VO ("Tochter-SE"). Voraussetzung hierfür ist, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 SEBG vorliegen. Die in § 5 Abs. 1 SEBG (Art. 3 Abs. 2 SE-RL) geregelten 10 %-Quoten implizieren, dass mindestens zehn Arbeitnehmer vorhanden sein müssen (MüKoAktG/Oechsler, 5. Aufl. 2021, SE-VO Art. 2 Rn. 53-55). Die SE muss also entweder selbst mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen oder gemeinsam mit den an ihrer Gründung "beteiligten Gesellschaften" einschließlich der betroffenen Tochtergesellschaften mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen. Wenn die SE nicht mindestens 10 Arbeitnehmer beschäftigt - gegebenenfalls gemeinsam mit den Tochtergesellschaften - ist die Gründung denknotwendigerweise mitbestimmungsfrei. Ohne Arbeitnehmer kann auch keine Arbeitnehmervertretung gebildet werden (Oechsler, a.a.O., Rn. 53). Aufgrund des Vorbringens der Beteiligten steht fest, dass weder die Gründerin der SE, die Bl...start Gründung SE, noch die SE Arbeitnehmer besaß und besitzt. Beteiligte Gesellschaften gem. § 2 Abs. 2 SEBG sind nur die Gesellschaften, die unmittelbar an der Gründung einer SE beteiligt sind. Die KG war an der Gründung der SE nicht beteiligt. Letztlich ergibt sich dies auch aus der Gesetzesbegründung, in der es heißt (BT-Drs. 15/3405, S. 41):



"Die Registereintragung einer SE in dem geplanten Sitzstaat kann erst nach einem ordnungsgemäßen Verfahren über die Ausgestaltung der Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE erfolgen." (Hervorhebung durch die Kammer)



Dem entspricht, dass nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 30. März 2009 - I-3 Wx 248/08 -, juris) in den Fällen der Gründung einer arbeitnehmerlosen Tochter-SE von der Durchführung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens vor der Eintragung abgesehen werden kann.



Die hier vorliegende Sekundärgründung bleibt von vorneherein beteiligungsfrei, da unter Beachtung des Vorher-Nachher-Prinzips erworbene Rechte der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt werden. Gesichert werden sollen durch die BeteiligungsRL und das SEBG der vorhandene Bestand an Beteiligungsrechten in den an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaften in der SE (MüKoAktG/Jacobs, 5. Auflage, 2021, vor § 1 SEBG, Rz. 13). Deshalb war bei der Gründung der SE kein Beteiligungsverfahren durchzuführen. Zudem gab es bei der Sekundärgründung keinen grenzüberschreitenden Vorgang, der Anhörungs- und Unterrichtungsrechte von Arbeitnehmern hätte gefährden können.



b. Auch bei der Eintragung, der Anmeldung, der Umfirmierung, der Sitzverlegung und der Änderung des Unternehmensgegenstands war eine Beteiligung der Arbeitnehmer ausgeschlossen und nicht erforderlich, da die SE unstreitig zu keinem dieser Zeitpunkte über Arbeitnehmer verfügt hat. Beteiligte Gesellschaften sind nur solche, die unmittelbar an der Gründung einer SE beteiligt sind. Bei der KG war dies nicht der Fall. Sie ist vor allem nicht Tochtergesellschaft der SE im Sinne von § 5 Abs. 1 SEBG i.V.m. § 2 SEBG. Vielmehr ist die SE umgekehrt Tochtergesellschaft der KG. Erwirbt die KG eine Vorrats-SE, ändert deren Satzung, bestellt neue Organe und meldet die wirtschaftliche Neugründung zum Handelsregister an, ist die Durchführung eines Beteiligungsverfahrens regelmäßig nicht erforderlich. Die Vorrats-SE hat keine Arbeitnehmer und auch keine Tochtergesellschaften, deren Arbeitnehmer zugerechnet werden können (Frese, BB 2018, 2612, 2615 f.). Damit war die Eintragung nach Art. 12 Abs. 2 SE-VO zunächst nicht veranlasst, lag ein Verstoß gegen Gesetze oder gar Missbrauch nicht vor.



c. Die Erforderlichkeit einer Beteiligung der Arbeitnehmer kann auch nicht aus einer analogen Anwendung der Vorschriften des SEBG für die "wirtschaftliche Neugründung", also die Umfirmierung, Sitzverlegung und die Änderung des Unternehmensgegenstandes, gefolgert werden. Ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren ist bei einer wirtschaftlichen Aktivierung allenfalls dann nachzuholen, wenn die SE selbst mit einem Unternehmen ausgestattet wird und die SE wenigstens 10 Arbeitnehmer beschäftigt (vgl. Frese, a.a.O.). Der bloße Beitritt der SE als Komplementärin zur KG ist für die Auslösung des Erfordernisses eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens nicht ausreichend. Eine erneute Gründung im Sinne des SEBG liegt nicht vor. Die SE hatte zum Zeitpunkt der "wirtschaftlichen Neugründung" nach wie vor weder Arbeitnehmer noch einen eigenen Geschäftsbetrieb, sodass Arbeitnehmerrechte nicht betroffen sein konnten. Grundlage der Beteiligungsrichtlinie 2001/86/EG ist die Beachtung des Vorher-Nachher-Prinzips und deshalb die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer. Die KG ist als Kommanditgesellschaft mitbestimmungsfrei nach § 1 MitbestG. Wenn in der Muttergesellschaft keine Beteiligungsrechte bestanden haben, kann es entsprechend auch in der Tochtergesellschaft keine Beteiligungsrechte geben. Hier ist eine mitbestimmungsfreie SE als Komplementärin einer mitbestimmungsfreien Kommanditgesellschaft beigetreten. Arbeitnehmerrechte sind nach dem Vorher-Nachher-Prinzip nicht beeinträchtigt.



d. Aus diesem Grund ist auch das in Art. 11 der Beteiligungsrichtlinie 2001/86/EG geregelte Missbrauchsverbot nicht betroffen. Denn ein Missbrauch ist an den Zielen der Beteiligungsrichtlinie 2001/86/EG zu messen. Bezugspunkt ist auch hier das Vorher-Nachher-Prinzip. Ein anhängiges Gerichtsverfahren bezogen auf die bisherige Komplementärin ändert hieran nichts.



e. Eine Zurechnung der Arbeitnehmer der KG zur SE mit der Folge, dass bei oder nach Übernahme der Komplementärsstellung oder der Mehrheit der Anteile ein Beteiligungsverfahren durchzuführen ist, kann nicht aus § 1 Abs. 3 SEBG und den Zielen der Richtlinie gefolgert werden. Hierbei handelt es sich um eine Auslegungsregel, die aber nicht dazu führt, dass auf gesetzliche Tatbestandsmerkmale verzichtet werden kann. Die KG ist gerade keine bei der Gründung beteiligte Gesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 SEBG. Die KG ist auch keine Tochtergesellschaft der SE. Vielmehr ist die SE Tochtergesellschaft der KG. Arbeitnehmer der KG sind bezogen auf die SE daher gemäß den Regelungen des SEBG nicht zu berücksichtigen. § 2 SEBG wird nicht durch § 1 Abs. 3 SEBG verdrängt und auch nicht in seinem Regelungskern verändert. Die möglichen Gründungsvorgänge sind im SEBG und der SE-VO abschließend geregelt, sodass die Regelungen der §§ 4 ff. SEBG i.V.m. § 2 SEBG nicht analogiefähig sind. Die §§ 4 ff. SEBG enthalten keine Regelung, mit der sich auf die Arbeitnehmer des Erwerbers abstellen ließe. So würde ein neuer Arbeitnehmerbeteiligungstatbestand postuliert, was die Grenzen der Rechtsfortbildung überschreitet (Forst, RdA 2010, 55, 58).



f. Durch die "wirtschaftliche Neugründung" sind auch keine grenzüberschreitenden Anhörungs- und Unterrichtungsrechte von Arbeitnehmern gefährdet. Sowohl die SE, als auch die KG haben ihren Sitz in Deutschland. Die SE hat keine Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer der KG sind in Deutschland tätig. Eine Schlechterstellung durch Eintritt in die Komplementärsstellung scheidet aus.



g. Ein Beteiligungsverfahren kommt auch nicht unter Berücksichtigung des § 18 Abs. 3 SEBG in Betracht. Die SE beschäftigt keine Arbeitnehmer. Ein Zurechnungstatbestand, wonach der SE Arbeitnehmer der KG zuzurechnen sein könnten, ist nicht erfüllt. Die Übernahme einer Komplementärsstellung ist keine strukturelle Änderung gem. § 18 Abs. 3 SEBG. Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer werden nicht gemindert. Auch dies würde zumindest voraussetzen, dass bei der SE 10 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigt wären, wie sich aus § 1 Abs. 1 SEBG ("Das Gesetz regelt die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer europäischen Gesellschaft (SE) ...") und aus § 18 Abs. 3 SEBG ("Verhandlungen über die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer der SE") unzweifelhaft ersehen lässt (einhellige Auffassung, vgl. nur Henssler, in: Habersack/Henssler, 4. Auflage 2018, § 18 SEBG, RZ 31: "Wenn nunmehr eine ausreichende Arbeitnehmerzahl erreicht wird"; Winter/Marx/De Decker, NZA 2016, 334, 337). Die SE beschäftigt keine Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer der KG sind der SE nicht zuzurechnen: Die KG ist keine taugliche Gründungsgesellschaft und war auch tatsächlich an der Gründung der SE nicht beteiligt. Sie ist nicht beteiligte Gesellschaft im Sinne des SEBG.



h. Nach den Regelungen des SEBG sind Arbeitnehmer betroffener Tochtergesellschaften zuzurechnen (§ 2 Abs. 3 SEBG). Die KG ist aber nicht Tochtergesellschaft der SE. Zum Begriff der Tochtergesellschaft verweist das SEBG auf die Beherrschungskriterien in Art. 3 Abs. 2 bis 7 der Richtlinie 94/45/EG zur Einsetzung eines europäischen Betriebsrats und deren Umsetzung in § 6 Abs. 2 bis Abs. 4 EBRG. Gemäß § 6 Abs. 2 EBRG wird ein beherrschender Einfluss vermutet, "wenn ein Unternehmen in Bezug auf ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar (1) mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des anderen Unternehmens bestellen kann oder (2) über die Mehrheit der mit den Anteilen an anderen Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder (3) die Mehrheit des gezeichneten Kapitals dieses Unternehmens besitzt". Diese drei Voraussetzungen liegen nicht vor. Es wird daher gemäß den Regelungen des SEBG auch nicht widerleglich vermutet, dass die KG eine Tochtergesellschaft der SE ist. Die KG ist gemäß den Kriterien, die das SEBG festlegt, keine Tochtergesellschaft der SE, weshalb die Arbeitnehmer der KG nicht der SE zuzurechnen sind. Dies entspricht der Gesetzeslage. Die Beherrschungstatbestände des § 2 Abs. 3 SEBG sind dabei abschließend.



Soweit vertreten wird, dass die genannten Beherrschungstatbestände nicht abschließend seien, führt auch dies nicht dazu, dass die Arbeitnehmer der KG der SE zuzurechnen wären. Auch insoweit besteht nämlich Einigkeit, dass eine auf andere Weise vermittelnde Einflussmöglichkeit gesellschaftsrechtlich vermittelt sein muss; rein wirtschaftliche oder personelle Verflechtungen genügen nicht (Jacobs, a.a.O., § 2 SEBG, Rz.12 am Ende). Die SE verfügt nicht über gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten auf die KG, die es nahelegen würden, dass die SE herrschendes Unternehmen und die KG abhängiges Unternehmen ist. Es ist vielmehr so, dass die KG sämtliche Aktien der SE hält. Die SE ist nicht gesellschaftsrechtlich berechtigt, Organe der KG zu bestellen. Die SE übt keine Stimmrechte hinsichtlich der KG aus. Die SE hat daher keine gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussmöglichkeiten auf die KG. Der Umstand, dass die SE Komplementärin der KG ist, reicht hierfür nicht aus. Die Komplementärin hat keinen Einfluss auf die grundlegenden Entscheidungen hinsichtlich derjenigen Gesellschaft, bei der sie Komplementärin ist. Sie ist vielmehr lediglich deren Vertretungsorgan. Dementsprechend führt, wie § 6 Abs. 2 bis 4 EBRG zeigt, die bloße Komplementärstellung gerade nicht zu einer beherrschenden Stellung und deshalb gerade nicht zu einer Zurechnung der Arbeitnehmer der KG zur SE. Die KG ist daher keine Tochtergesellschaft der SE, die Arbeitnehmer der KG werden unter der Geltung des SEBG der SE nicht zugerechnet. Eine doppelte Analogie mit dem Ergebnis der Zurechnung scheidet angesichts der bestehenden Regelungen aus; es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, entsprechende Lücken in der Mitbestimmung zu schließen, falls er solche erkennen würde.



i. Im Übrigen handelt es sich bei der Übernahme der Komplementärstellung durch die SE nicht um eine strukturelle Änderung der SE gemäß § 18 Abs. 3 SEBG. Ein Verzicht auf dieses Tatbestandsmerkmal ist nicht deshalb veranlasst, weil vor der Eintragung Art. 12 SE-VO teleologisch reduziert worden sei. Ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren war wie dargelegt gemäß Art. 4 ff. SEBG nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht erforderlich, da die SE keine eigenen, oder ihr zurechenbaren Arbeitnehmer hatte. Eine teleologische Reduktion dieser Vorschriften war nicht erforderlich. Es besteht schon aus diesem Grund keine Veranlassung und keine rechtliche Befugnis, § 18 Abs. 3 SEBG aus diesem Grund zu reduzieren.



Unabhängig hiervon liegt eine strukturelle Änderung nicht vor. Strukturelle Änderungen erfassen lediglich "kooperative Akte", also solche gesellschaftsrechtlichen Vorgänge, die Einfluss auf die gesellschaftsrechtliche Struktur der SE haben (Henssler, in: Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 4. Auflage 2018, § 18 SEBG, Rz. 9). Solche gesellschaftsrechtlichen Strukturveränderungen sind nicht gegeben. Auch ein Übergang einer wirtschaftlichen Einheit von der KG auf die SE ist nicht erfolgt. Auch weitere Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 3 SEBG, wonach die strukturellen Änderungen geeignet sein müssen, Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu vermindern, ist nicht erfüllt. Die SE war, bevor sie als Komplementärin der KG beigetreten ist, nicht mitbestimmt. Daher werden Mitbestimmungsrechte, bezogen auf die SE, nicht gemindert. Weil die KG als solche mitbestimmungsfrei ist, werden auch Beteiligungsrechte bei der KG nicht gemindert.



j. Die Beschwerdekammer hält auch eine Zurechnung von Arbeitnehmern der KG über Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes nicht für veranlasst. Die deutschen Mitbestimmungsgesetze sind entsprechend der Vorgabe in Art. 13 Abs. 2 der zugrundeliegenden Richtlinie 2001/86/EG nicht auf die SE anzuwenden. Das SEBG beruht auf der genannten europäischen Richtlinie und setzt diese um. § 4 Abs. 1 MitbestG normiert die Zurechnung "für die Anwendung dieses Gesetzes", nicht aber für andere gesetzlich vorgesehene Beteiligungsvorschriften. Der Gesetzgeber hat im SEBG auf die Einbeziehung dieser Vorschrift in die dortigen detaillierten Regelungen verzichtet.



k. Nach alldem hatte und hat die SE also keine Verpflichtung, den Antragsteller aufzufordern, Vertreter in das besondere Verhandlungsgremium nach dem SEBG zu wählen. Deshalb ist der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg abzuändern und der Antrag zurückzuweisen.



l. Für den gestellten Hilfsantrag - es kann dahinstehen, ob die vorliegende Reduzierung eine Antragsänderung darstellt, weil die Beteiligten zu 2.) und 3.) sich ausdrücklich mit der Befassung einverstanden erklärt haben - gilt dasselbe; auch er ist nicht begründet. Mangels Bestehens einer Arbeitnehmerbeteiligungspflicht ist die begehrte Feststellung nicht zu treffen.



III.



1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 2 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei.



2. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten, d.h. fallübergreifenden Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (BAG, Urteil vom 10. Juli 2014, 10 AZN 307/14, NZA 2014, 982). Dies gilt für die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsfragen aus dem SE-Recht zur Arbeitnehmerbeteiligung im Zusammenhang mit der Gründung einer arbeitnehmerlosen SE, die bislang nicht höchstrichterlich geklärt sind.

Vorschriften