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Urteil vom 23.11.2022 · IWW-Abrufnummer 233847

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 12 Sa 492/22

1. Bestimmung des Anwendungsbereichs des Tarifvertrags über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie (ZVK-TV) für eine Vertriebsgesellschaft in Abgrenzung zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.06.2022 - 12 Sa 8/22 .

2. Zu dem Begriff der überwiegenden Übernahme des Vertriebs i.S.v. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV für einen Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie sowie zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in diesem Zusammenhang.


Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.05.2022 - 7 Ca 8410/20 - wird zurückgewiesen.


2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.


3. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Beiträge zur Zusatzversorgung für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie zu zahlen.



Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung des Verbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (im Folgenden: NGG) aufgrund des zwischen diesen Parteien abgeschlossenen Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie vom 20.02.1970 in der Fassung vom 28.05.2009 (im Folgenden: ZVK-TV). In dem ZVK-TV hieß es u.a.:

"§ 1 Geltungsbereich a) Räumlich: Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West im Geltungsbereich des Grundgesetzes vor dem 3. Oktober 1990. b) Fachlich: 1. Für Betriebe der Brot- und Backwarenindustrie sowie Betriebe, die Brot- und Backwaren vertreiben und verkaufen (Verkaufsstellen), insbesondere für Mitglieder der Industrie- und Handelskammern mit Ausnahme der dem Revisionsverband Deutscher Konsumgenossenschaften angeschlossenen Unternehmen mit Bäckereien. 2. Erfasst werden auch solche Betriebe, die im Rahmen eines mit den unter Nr. 1 erfassten Betrieben bestehenden Zusammenschlusses - unbeschadet der gewählten Rechtsform - ausschließlich oder überwiegend für die angeschlossenen Betriebe nach Nr. 1 die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen, soweit diese Betriebe nicht von einem speziellen Tarifvertrag erfasst werden. 3. Nicht erfasst werden Betriebe, die am 31.12.2002 Beiträge zur Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten des Deutschen Bäckerhandwerks VVaG abgeführt haben. Dies gilt nicht für Betriebe, die durch einen Strukturwandel ihrer Produktion nach diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen der Nr. 1 erfüllen. c) Persönlich: Für alle Arbeitnehmer der vom fachlichen Geltungsbereich erfassten Betriebe - ausgenommen sind Arbeitnehmer, die unterhalb der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 SGB IV) beschäftigt werden. ... § 3 Zweck der Zusatzversorgungskasse Zweck der "Zusatzversorgungskasse" ist es, aus den ihr gemäß § 4 zufließenden Mitteln Beihilfen zur vollen Erwerbsminderungsrente oder zur Altersrente im Sinne der sozialen Rentenversicherung zu zahlen.§ 4 Aufbringung der Mittel Der Arbeitgeber ist verpflichtet, in jedem Kalenderjahr 0,66 % der Entgeltsummen des Vorjahres, die von den dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften angeschlossenen Berufsgenossenschaften für die Berechnung des Beitrages zur gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde gelegt werden, an die "Zusatzversorgungskasse" zu zahlen. Schuldner ist der einzelne Arbeitgeber. Die "Zusatzversorgungskasse" erwirbt das Recht, diese Beiträge unmittelbar von dem einzelnen Arbeitgeber zu fordern. Der Anspruch der "Zusatzversorgungskasse" gegenüber dem einzelnen Arbeitgeber (Absatz 1) auf Zahlung der vollen Jahresbeiträge entsteht mit dem Inkrafttreten der Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages. Fälligkeitstermin für die Beitragszahlung ist spätestens jeweils der 30.06. eines Kalenderjahres. Der Einzug der Beiträge wird in einem besonderen Verfahrenstarifvertrag geregelt, der Bestandteil dieses Tarifvertrages ist. ..."



Der hinsichtlich des Geltungsbereichs gleichlautende Verfahrenstarifvertrag (im Folgenden ZVK-VTV) bestimmte in § 3 Nrn. 2 und 3 ZVK-VTV, dass für Beiträge, die nach dem 31.12. eines Geschäftsjahres bei der Zusatzversorgungskasse eingehen, Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe erhoben werden.



Die Beklagte war eine Vertriebsgesellschaft der C.-Unternehmensgruppe. Ihr Geschäftszweck war der Handel mit Brot- und Backwaren aller Art. Sie vertrieb aus dem Betrieb in E. diverse Produkte aus dem Bereich der Brot- und Backwaren. Muttergesellschaft der Beklagten war die C. GmbH & Co. KG Großbäckerei. Im einheitlichen Internetauftritt der C.-Gruppe wurde die Beklagte als die "Vertriebsgesellschaft für den Frischebereich" bezeichnet. Die Muttergesellschaft der C.-Gruppe, die C. GmbH & Co. KG Großbäckerei, unterhielt Produktionsbetriebe an den Standorten I., H. und C.. Es handelte sich sämtlich um Produktionsbetriebe der Backwarenindustrie. Für die Betriebe an den Standorten I. und H. wurden deshalb letztlich Beiträge auf der Grundlage des ZVK-TV an die hiesige Klägerin abgeführt. Dies galt nicht für den Betrieb in C., weil dieser am 31.12.2002 Beiträge zur Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten des Deutschen Bäckerhandwerks VVaG (im Folgenden: ZVK Bäckerhandwerk) abgeführt hatte und für diesen die tatsächlichen Voraussetzungen eines Strukturwandels i.S.v. § 1 b Nr. 3 ZVK-TV nicht festgestellt werden konnten. Diese Tatsachenlage entspricht dem Vergleich vom 25.07.2022 der Muttergesellschaft mit der Klägerin im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Az. 6 Sa 807/20.



Die Beklagte meldete für das Jahr 2016 der Berufsgenossenschaft eine Entgeltsumme in Höhe von 1.255.300,00 Euro. Die sich aus der entsprechenden Berechnung nach dem ZVK-TV ergebende Beitragssumme für das Jahr 2017 in Höhe von 8.284,98 Euro stellte die Klägerin der Beklagten mit Beitragsanforderung vom 09.06.2017 in Rechnung. Eine Zahlung hierauf erfolgte nicht. Die Beklagte meldete für das Jahr 2017 der Berufsgenossenschaft eine Entgeltsumme in Höhe von 1.432.400,00 Euro. Die sich aus der entsprechenden Berechnung nach dem ZVK-TV ergebende Beitragssumme für das Jahr 2018 in Höhe von 9.453,84 Euro stellte die Klägerin der Beklagten mit Beitragsanforderung vom 13.06.2018 in Rechnung. Eine Zahlung hierauf erfolgte ebenfalls nicht. Für das Jahr 2018 meldete die Beklagte der Berufsgenossenschaft eine Entgeltsumme in Höhe von 1.656.900,00 Euro. Die sich aus der entsprechenden Berechnung nach dem ZVK-TV ergebende Beitragssumme für das Jahr 2019 in Höhe von 10.935,54 Euro stellte die Klägerin der Beklagten mit Beitragsanforderung vom 21.06.2019 in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte auch hierauf nicht.



Mit der am 30.12.2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten am 11.01.2021 zugestellten Klageschrift macht die Klägerin den Beitrag für das Jahr 2017 geltend. Mit der am 28.12.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29.12.2019 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin die Beiträge für die Jahre 2018 und 2019 geltend gemacht.



Die Klägerin hat gemeint, der fachliche Geltungsbereich des ZVK-TV sei eröffnet. Die Beklagte unterfalle bereits deshalb dem fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV, weil sie ein Betrieb sei, der Brot- und Backwaren vertreibe und verkaufe (§ 1 b Nr. 1 ZVK-TV). Bereits der alleinige Gesellschaftszweck der Beklagten, Brot- und Backwaren zu handeln und zu verkaufen, genüge. Damit unterfalle sie dem ZVK-TV, der zum erklärten Ziel habe, sämtliche Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie, seien sie Produktions- oder Verkaufsbetriebe, zu erfassen. In der Industrie sei es im Übrigen nicht unüblich, dass Produktion und Vertrieb nicht "in einer Hand" lägen. Da sich die Industrieproduktion gerade durch große Produktionsvolumina auszeichne, die Produkte zum Lagern geeignet bzw. bestimmt seien und deren Vertrieb überregional bis international ausgerichtet sei, sei es aus tarifvertraglicher Sicht notwendig, neben den Produktionsbetrieben auch "Betriebe, die Brot- und Backwaren vertreiben und verkaufen" zu erfassen, wie in § 1 b Nr. 1 ZVK-TV geschehen.



Durch diese nicht unübliche Aufspaltung der Geschäftsbereiche unterschieden sich Industriebetriebe im Übrigen von Betrieben des (Bäcker-)Handwerks, die typischerweise Waren zum lokalen Eigenvertrieb an Endkunden herstellten. In Abgrenzung zu klassischen Brot- und Backwarenvertriebsgesellschaften, wie die Beklagte eine sei, erfasse § 1 b Nr. 2 ZVK-TV dagegen solche Betriebe, die eigentlich branchenfremd seien, aber für Betriebe nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV den Vertrieb mit übernähmen. Sinn und Zweck dieser nur vermeintlichen Doppelung sei es, beispielsweise in Mischkonzernen eine "Tarifflucht" durch rechtsgestalterische Auslagerung des Vertriebsbereichs auf z.B. konzernverbundene Logistikunternehmen zu vermeiden. Betriebe, deren einziger Zweck es sei, Brot- und Backwaren zu vertreiben, unterfielen unabhängig davon, ob sie diese Waren selbst produzierten oder von wem sie sie zukauften, dem fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV.



Auch wenn es aufgrund der vorstehenden Ausführungen nicht hierauf ankomme, unterfalle die Beklagte daneben auch dem fachlichen Geltungsbereich gemäß § 1 b Nr. 2 ZVK-TV, weil sie für einen Betrieb nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV, nämlich die reinen Herstellungsbetriebe der Firma C. GmbH & Co. KG Großbäckerei in C., H. und I., ausschließlich oder jedenfalls überwiegend den Vertrieb übernehme. Die Rückausnahme des § 1 b Nr. 3 ZVK-TV gelte nicht für die Beklagte dieses Verfahrens. Die Vorschrift erfasse nach dem eindeutigen Wortlaut nur den Betrieb selbst, für den am Stichtag Beiträge an die ZVK Bäckerhandwerk abgeführt wurden, erstrecke sich aber nicht auf angeschlossene Betriebe nach § 1 b Nr. 2 ZVK-TV, sofern für diese nicht auch Beiträge an die ZVK Bäckerhandwerk gezahlt worden seien.



Die Beklagte übernehme den Vertrieb ausschließlich oder jedenfalls überwiegend für Betriebe nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV. Aus dem Sachvortrag der Beklagten ergebe sich nicht, dass sie von der Beitragspflicht gemäß § 1 b Nr. 2 ZVK-TV befreit sei, weil sie nicht "überwiegend" im Sinne dieser Vorschrift den Vertrieb übernähme. Dazu genüge ihr Sachvortrag nicht. Allein ein Überwiegen des Umsatzes im Handel mit Produkten anderer Unternehmen sei bereits nicht ausreichend, um die Beklagte von einer Beitragspflicht nach § 1 b Nr. 2 ZVK-TV zu befreien. Das Merkmal des "Überwiegens" könne nicht allein in Abhängigkeit des erzielten Umsatzes oder anderer betriebswirtschaftlicher Kennzahlen bestimmt werden. Da der ZVK-TV nicht auf betriebswirtschaftliche, sondern auf personalwirtschaftliche Größen abstelle, wäre eine Betrachtung des Umfangs des Arbeits- und Personaleinsatzes notwendig, um festzustellen, ob sich die zu versichernden Mitarbeiter tatsächlich dauerhaft nicht überwiegend mit dem Vertrieb für Betriebe nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV beschäftigen. Nur dann wäre es sachgerecht, sie im Gegensatz zu Mitarbeitern, die sich unmittelbar in einem Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie um den Vertrieb der Waren kümmerten, aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten auszunehmen.



Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 8.284,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu zahlen;2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 9.453,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2018 als Beitrag für das Jahr 2018 zu zahlen;3. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 10.935,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2019 als Beitrag für das Jahr 2019 zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat gemeint, der fachliche Geltungsbereich des ZVK-TV sei nicht eröffnet. Der geltend gemachte Beitragsanspruch setze voraus, dass es sich bei ihr um eine Vertriebsgesellschaft eines Unternehmens nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV handele. Darüber hinaus setze § 1 b Nr. 2 ZVK-TV voraus, dass nur solche Gesellschaften erfasst würden, die überwiegend für ein Unternehmen tätig würden, dass nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV unter dessen Anwendungsbereich fiele. Ihr Schwerpunkt liege bei anderen Unternehmen als der Muttergesellschaft, d.h. Produkten nicht der C. GmbH & Co. KG, die insgesamt mehr als 50% des Umsatzes ausmachten. Die Beklagte hat behauptet, bei den Produkten, die von Fremdfirmen eingekauft und weitervertrieben worden seien, handele es sich ausschließlich um handwerkliche Produkte, da es sich um Nischenwaren handele, welche auf dem deutschen Markt keine Absatzzahlen erzielten. Es sei deshalb weder die Entwicklung noch Produktion von Maschinen zur Unterstützung erforderlich noch der Ankauf solcher Maschinen auf dem deutschen Markt. In 2017 hätte der mengenmäßige Anteil des Vertriebs für Fremdfirmen 50,33 % ausgemacht, derjenige für die Muttergesellschaft 49,67 %. In 2017 hätte der Umsatzanteil des Vertriebs für Fremdfirmen 46,85 % ausgemacht, derjenige für die Muttergesellschaft 53,15 %. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Tabelle in dem Schriftsatz der Beklagten vom 28.09.2021 Bezug genommen.



Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.05.2022 stattgegeben. Gegen das ihr am 13.05.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.07.2022 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.



Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass bei dessen Interpretation des ZVK-TV das Ergebnis sein könne, dass eine Vertriebsgesellschaft dem Geltungsbereich unterfalle, obwohl das Unternehmen, für welches es den Vertrieb betreibe, aufgrund des Ausnahmetatbestands in § 1 b Nr. 3 ZVK-TV nicht vom ZVK-TV erfasst sei. Es entspreche nicht der Zielsetzung des ZVK-TV, dass dieser nur für den Vertriebsbereich der ZVK-TV gelte, nicht aber für den Produktionsbereich. Soweit das Arbeitsgericht darauf abstelle, dass eine Tarifflucht verhindert werden solle, würde dies hier bedeuten, dass die Verhinderung der Tarifflucht erst die Tarifbindung und dies dann alleine für den Vertrieb herbeiführe. Es seien hier die Grundsätze der ergänzenden Tarifauslegung heranzuziehen. Zwar spreche der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien für die produzierenden Betriebe eine Stichtagsregelung gefunden hätten, gegen eine bewusste Regelungslücke, weil die Thematik den Tarifvertragsparteien als regelungsbedürftig erschienen sei. Der tarifliche Wille, dass Produktionsbetriebe, welche der ZVK Bäckerhandwerk unterfielen, nicht in industrielle Versorgungskassen "herübergezwungen" werden sollten, sei aber klar erkennbar. Die Lücke bestehe darin, dass die Annexgültigkeit des ZVK-TV für Vertriebsgesellschaften nicht ebenfalls der Stichtagsregelung unterworfen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die bewusste tarifliche Entscheidung getroffen worden sei, Unternehmen, die ausschließlich den Vertrieb für ein anderes Unternehmen erbringen, dem ZVK-TV zu unterwerfen, wenn für das Unternehmen, für den sie den Vertrieb ausführen, keine Tarifbindung an den ZVK-TV bestehe.



Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.05.2022 abzuändern und die Klage abzuweisen.



Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie ist der Ansicht, dass die Berufung mangels ausreichender Begründung bereits unzulässig sei. Die Beklagte setzte sich nur mit § 1 b Nr. 2 ZVK-TV auseinander, nicht aber mit § 1 b Nr. 1 ZVK-TV, auf den das Arbeitsgericht seine der Klage stattgebende Entscheidung eigenständig gestützt habe. Von zwei tragenden Begründungen des Arbeitsgerichts bringe die Berufungsbegründung nur eine zu Fall.



Unabhängig davon treffe die Argumentation der Beklagten zu § 1 b Nr. 2 ZVK-TV nicht zu. Der Ausnahmetatbestand des § 1 b Nr. 3 ZVK-TV spiele für die Beklagte dieses Verfahrens keine Rolle. Er komme schon gar nicht für die ganze C. GmbH & Co. KG zur Anwendung, sondern nur für den Betrieb in C.. Bereits aus diesem Grund könne die Beklagte dieses Verfahrens nicht von § 1 b Nr. 3 ZVK-TV "profitieren". Unabhängig davon habe der Umstand, ob ein "Hauptbetrieb" tatsächlich Beiträge zahle oder nicht, keine Bedeutung für die individuell zu prüfende Geltung des ZVK-TV für einen anderen Betrieb. Es genügt, dass der Hauptbetrieb "an sich" der Beitragspflicht gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV unterfalle. Ohnehin müsse die Beitragspflicht für jeden Betrieb gesondert geprüft werden. Eine auszufüllende tarifliche Regelungslücke bestehe nicht. Es habe mit § 1 b Nr. 3 ZVK-TV nur verhindert werden sollen, dass bestehende Zuordnungen zur ZVK Bäckerhandwerk unterlaufen werden. Für die Beklagte gelte das nicht. Zu berücksichtigen sei weiter der tarifliche Wille, den Geltungsbereich des ZVK-TV möglichst weit zu fassen.



Es bleibe außerdem dabei, dass die Beklagte gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV dem Geltungsbereich des ZVK-TV unterfalle. Daran änderten die fehlenden stationären Verkaufslokale nichts. Die anderweitige Ansicht der 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Verfahren zum Az. 12 Sa 8/22 überzeuge nicht, was die Klägerin im Einzelnen ausführt.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.



I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist entgegen der Ansicht der Klägerin ausreichend begründet.



1. Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder es zu wiederholen (BAG 27.01.2021 - 10 AZR 512/18, juris Rn. 15). Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung hinsichtlich eines Streitgegenstands auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Es ist deshalb für jede der rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen darzulegen, warum sie nach Auffassung des Berufungsführers die Entscheidung nicht rechtfertigt. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig, da der Angriff gegen eine der Begründungen nicht ausreicht, um die Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen (BAG 26.04.2017 - 10 AZR 275/16, juris Rn. 14).



2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung noch gerecht. Richtig ist, dass das Arbeitsgericht die Beitragspflicht der Beklagten aus zwei eigenständig tragenden Gesichtspunkten bejaht hat. Es ist zum einen davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich des ZVK-TV gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV eröffnet sei (zu A.I.1.a. der Entscheidungsgründe). Das Arbeitsgericht hat im Einzelnen begründet, warum es von einer eigenständigen Beitragspflicht der Beklagten auf der Grundlage dieser Tarifbestimmung als Vertriebsgesellschaft ausgeht. Es hat daneben zu A.I.1.b. der Entscheidungsgründe begründet, warum jedenfalls eine abgeleitete Beitragspflicht gemäß § 1 b Nr. 2 ZVK-TV aufgrund der überwiegenden Übernahme des Vertriebs für die Muttergesellschaft, die C. GmbH & Co. KG, besteht. Die Beklagte hat sich mit beiden Begründungen des Arbeitsgerichts in der erforderlichen Weise auseinandergesetzt. Es trifft zwar zu, dass die Auseinandersetzung primär auf die Begründung des Arbeitsgerichts zu § 1 b Nr. 2 ZVK-TV zielt. Diese Argumentation des Arbeitsgerichts wird zu Fall gebracht, weil im Einzelnen aufgezeigt wird, warum eine Tariflücke bestehe, welche durch ergänzende Auslegung zu schließen sei, damit die Beklagte als Vertriebsgesellschaft nicht über den Zusammenschluss mit der Muttergesellschaft, für welche die Ausnahmebestimmung des § 1 b Nr. 3 ZVK-TV gelte, in den Geltungsbereich des ZVK-TV gezogen werde, ohne dass dies für die Produktion gelte. Dies genügt als Auseinandersetzung zu § 1 b Nr. 2 ZVK-ZV. Darauf, ob diese Argumentation der Beklagten zutreffend ist, kommt es nicht an. Dies ist eine Frage der Begründetheit. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sich die Beklagte auch noch ausreichend mit der Begründung des Arbeitsgerichts zu § 1 b Nr. 1 ZVK-TV auseinandergesetzt. So greift die Berufungsbegründung auf Seite 3 zu C. im vorletzten Absatz die Begründung des Arbeitsgerichts zu § 1 b Nr. 1 ZVK-TV auf, wonach auch diese Tarifbestimmung dem Ziel dienen solle, eine Tarifflucht für den Vertriebsbereich zu unterbinden. Es trifft auch zu, dass das Arbeitsgericht zu A.I.1.a.bb.(2) der Entscheidungsgründe den weiten Anwendungsbereich von § 1 b Nr. 1 ZVK auch für reine Vertriebsgesellschaften damit begründet hat, dass insoweit eine Tarifflucht unterbunden werden solle. Genau dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer Argumentation, nämlich, dass sie aufgrund der angeblich fehlenden Tarifbindung der Muttergesellschaft - und sei es aufgrund von § 1 b Nr. 3 ZVK-TV - in den Geltungsbereich des ZVK-TV gezogen werde. Auch insoweit greift das Argument der Beklagten, dass angeblich erst die Verhinderung der Tarifflucht die Tarifbindung bewirke. Damit bringt die Beklagte einen der Argumentationsbausteine des Arbeitsgerichts zu § 1 b Nr. 1 ZVK-TV zu Fall. Dies genügt, weil damit die Argumentation des Arbeitsgerichts zu § 1 b Nr. 1 ZVK-TV insgesamt zu Fall gebracht wird. Das Arbeitsgericht hat in seiner Argumentation zu § 1 b Nr. 1 ZVK-TV nicht einzelne Argumente alleine ausreichen lassen, sondern sämtliche Argumente in ihrer Gesamtheit führen nach Ansicht des Arbeitsgerichts zur Anwendbarkeit von § 1b Nr. 1 ZVK-TV. Die Berufungsbegründung genügt noch, um die Argumentation des Arbeitsgerichts zu § 1 b Nr. 1 ZVK-TV zu Fall zu bringen. Ob sie zutrifft, spielt - wie ausgeführt - an dieser Stelle keine Rolle.



II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den zulässigen Klageanträgen zu Recht entsprochen, weil diese begründet sind. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 4 Absätze 1 und 2 ZVK-TV i.V.m. § 31 Abs. 1 SoKaSiG2 die Zahlung der eingeklagten Beiträge für die Jahre 2017, 2018 und 2019 verlangen, weil die Beklagte gemäß § 1 b Nr. 2 ZVK-TV in den fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV fällt. Der räumliche Geltungsbereich des § 1 a ZVK-TV ist eröffnet. Darüber besteht kein Streit.



1. Die Beklagte fällt in den Anwendungsbereich des ZVK-TV, weil mit ihrem Betrieb in E. die Voraussetzungen des § 1 b Nr. 2 ZVK-TV gegeben sind. Es handelt sich bei dem Betrieb der Beklagten um einen solchen, der im Rahmen eines Zusammenschlusses mit einem von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfassten Betrieb überwiegend den Vertrieb für die angeschlossenen Betriebe übernimmt. Dies ergeben die Auslegung und Anwendung der tariflichen Bestimmungen des ZVK-TV.



a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 11.11.2020 - 4 AZR 210/20, juris Rn. 20; BAG 30.03.2022 - 10 AZR 194/20, juris Rn. 30). Diese Grundsätze gelten auch für die Bestimmung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags (BAG 14.11.2001 - 10 AZR 76/01, juris Rn. 14 für den Geltungsbereich des hier maßgeblichen ZVK-TV in Angrenzung zum Konditorenhandwerk).



b) Die Beklagte übernimmt für die Muttergesellschaft, die C. GmbH & Co. KG, den Vertrieb. Es handelt sich dabei um eine Gesellschaft mit drei Produktionsstandorten der Backwarenindustrie in I., H. und C.. Mit diesen Produktionsbetrieben, die vom Anwendungsbereich der Vorschrift des § 1 b Nr. 1 ZVK-TV erfasst sind, bildet die Beklagte den geforderten Zusammenschluss. Dies gilt für die Betriebe in I. und H. ohne weiteres. Für den Betrieb in C. gilt dies lediglich im Ergebnis nicht, weil die Ausnahme des § 1 b Nr. 3 ZVK-TV zur Anwendung kommt. Dies ändert aber nichts daran, dass für die Beklagte weiterhin von einem Zusammenschluss mit nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV "angeschlossenen" Betrieben auszugehen ist.



aa) Zunächst findet, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, § 1 b Nr. 3 ZVK-TV auf die Beklagte keine Anwendung. Der Ausnahmetatbestand i.S. einer Bestandsschutzklausel für Betriebe, die am 31.12.2002 Beiträge an die ZVK Bäckerhandwerk abführen, findet nach dem eindeutigen Wortlaut nur für diejenigen Betriebe Anwendung, bei denen dies der Fall ist. Die Beklagte führte mit ihrem Betrieb am 31.12.2002 keine Beiträge an die ZVK Bäckerhandwerk ab.



bb) Der Umstand, dass der Betrieb der Muttergesellschaft in C. aufgrund des Ausnahmetatbestands in § 1 b Nr. 3 ZVK-TV nicht von dem fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV erfasst ist, ändert nichts.



(1) Es trifft allerdings zu, dass die Argumentation der Beklagten dazu, dass § 1 b Nr. 2 ZVK-TV im Grundsatz davon abhängt, dass der Produktionsbetrieb selbst dem fachlichen Geltungsbereich unterfällt, richtig ist. Hierzu hat die erkennende Kammer in ihrem Urteil vom 08.06.2022 (12 Sa 8/22, juris Rn. 77) u.a. Folgendes ausgeführt:



(2) Daran hält die erkennende Kammer fest. Dies ändert an dem Ergebnis für diesen Fall nichts. Zunächst geht es hier nicht darum, dass die Betriebe der Muttergesellschaft in I., H. und C. außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des ZVK-TV liegen. Das Gegenteil ist der Fall. Hinzu kommt, dass eine am Normzweck ausgerichtete Auslegung von § 1 b Nr. 2 ZVK-TV hier zu keiner Einschränkung führt. Zum einen fallen zwei von drei Betrieben der Muttergesellschaft auch im Ergebnis unter § 1 b Nr. 1 ZVK-TV. Insoweit ergibt sich überhaupt kein Wertungswiderspruch. Die beiden Produktionsbetriebe in I. und H. sind solche, für welche der ZVK-TV gilt, mithin der Vertrieb durch die Beklagte gerade für "ZVK-Betriebe" erfolgt. Der Umstand, dass der Betrieb in C. aufgrund des Ausnahmetatbestands des § 1 b Nr. 3 ZVK-TV nicht der Beitragspflicht zur Klägerin unterliegt, ändert nichts. Auch hier entsteht kein Wertungswiderspruch. Grund für die Ausnahme ist die am 31.12.2002 bestehende Beitragspflicht bei der ZVK Bäckerhandwerk. Diese wird i.S. eines Bestandsschutzes aufrechterhalten und für die Absicherung der dort Beschäftigten für eine Zusatzversorgung für ausreichend erachtet. Es handelt sich mithin bei dem Betrieb in C. um keinen, in dem überhaupt keine Zusatzversorgung für die Beschäftigten besteht. Es besteht nur eine solche über die ZVK Bäckerhandwerk, welche die tarifliche Bestimmung des § 1 b Nr. 3 ZVK-TV genügen lässt, um eine Ausnahme von einer eigentlich gegebenen Beitragspflicht gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV zu statuieren. Daraus lässt sich ableiten, dass die Tarifvertragsparteien beide Zusatzversorgungssysteme (ZVK Bäckerhandwerk und ZVK-TV) als gleichwertig erachten. Damit wird hier keine Vertriebsgesellschaft nach dem ZVK-TV beitragspflichtig, obwohl dies für den Produktionsbetrieb nicht der Fall ist. Die Zusatzversorgungspflicht für die drei Betriebe der Muttergesellschaft besteht; sei es originär oder als gleichwertige Versorgungsform über die ZVK Bäckerhandwerk.



c) Die Beklagte vertreibt auch überwiegend industrielle Produkte ihrer Muttergesellschaft. Davon ist auf der Grundlage des Sach- und Streitstands in diesem Verfahren auszugehen.



aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendbarkeit des ZVK-TV trägt die Klägerin (vgl. BAG 24.09.2003 - 10 AZR 14/03, juris Rn. 30). Nach allgemeinen Grundsätzen - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes - dürfen allerdings einer Partei, welche die Darlegungslast trägt, keine Anforderungen auferlegt werden, die sie nicht erfüllen kann. Dies gilt insbesondere, soweit es der Gegenseite aufgrund eigener Sachnähe ohne weiteres möglich ist, näher vorzutragen. Es gilt daher eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (vgl. zu § 23 KSchG BAG 23.10.2008 - 2 AZR 131/07, juris Rn. 30). Die klagende Partei genügt ihrer Darlegungslast in einem ersten Schritt, wenn sie äußere Umstände aufzeigt, die für die Annahme sprechen, dass die Beklagte den Vertrieb überwiegend für ihre Muttergesellschaft erbracht hat (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Vorliegens eines sog. Gemeinschaftsbetriebs BAG 24.05.2012 - 2 AZR 62/11, juris Rn. 21). Anschließend muss die Beklagte substantiiert erwidern und im Einzelnen unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Kriterien dazu vortragen, warum ein solches "Überwiegen" trotz vorliegender Indizien nicht gegeben ist. Erfolgt keine substantiierte Erwiderung, gilt der Sachvortrag der Klägerin als zugestanden.



bb) So liegt es hier. Die Klägerin hat zunächst die Behauptung aufgestellt, dass die Beklagte ihren Vertrieb überwiegend für die Backwaren der Produktionsbetriebe der Muttergesellschaft erbringt. Sie hat auch Indizien aufgezeigt, die dafür sprechen. So wird die Beklagte im einheitlichen Internetauftritt der C.-Gruppe als die "Vertriebsgesellschaft für den Frischebereich" bezeichnet. Dies hat zutreffend die Beklagte zu entsprechendem Sachvortrag veranlasst, der indes unerheblich ist. Zunächst erfolgt eine Einlassung in konkreter Weise mit dem Schriftsatz vom 28.09.2021 für das Jahr 2017. Für die Jahre 2018 und 2019 fehlt jede Einlassung, so dass der Sachvortrag der Klägerin für diese Jahre alleine aus diesem Grund als zugestanden gilt. Für das Jahr 2017 gilt im Ergebnis nichts anderes. Es kommt nicht auf die Umsatzanteile oder Mengenanteile der Waren an, welche die Beklagte für das Jahr 2017 bezogen auf die Muttergesellschaft und Fremdfirmen vorgetragen hat. Darauf hat bereits die Klägerin in erster Instanz hingewiesen. Das Merkmal des "Überwiegens" kann nicht allein in Abhängigkeit des erzielten Umsatzes oder anderer betriebswirtschaftlicher Kennzahlen bestimmt werden. Da der ZVK-TV nicht auf betriebswirtschaftliche, sondern auf personalwirtschaftliche Größen abstellt, ist eine arbeitszeitliche Betrachtung des Umfangs des Arbeits- und Personaleinsatzes notwendig (vgl. zu einer arbeitszeitlichen Betrachtung auch BAG, 24.09.2003 - 10 AZR 14/03, juris Rn. 26), um festzustellen, dass sich die zu versichernden Beschäftigten tatsächlich dauerhaft im Beitragsjahr nicht überwiegend mit dem Vertrieb für Betriebe nach § 1 b Nr. 1 ZVK-TV beschäftigen. Hierzu fehlt es an Sachvortrag der Beklagten. Darauf hat bereits das Arbeitsgericht in seinem Urteil zu A.I.1.b.bb der Entscheidungsgründe hingewiesen. Weiterer Sachvortrag ist nachfolgend nicht erfolgt. Damit ist der Sachvortrag der Klägerin für das Jahr 2017 im Hinblick auf das für § 1b Nr. 2 ZVK-TV erforderliche "Überwiegen" zugestanden.



d) Ein spezieller Tarifvertrag i.S.v. § 1 b Nr. 2 ZVK-TV ist nicht gegeben.



2. Über die Höhe der Beitragsforderungen der Klägerin für Jahre 2017, 2018 und 2019 besteht kein Streit. Die Klägerin hat diese zutreffend mit 0,66 % der Entgeltsummen des Vorjahres, die von den dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften angeschlossenen Berufsgenossenschaften für die Berechnung des Beitrages zur gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde gelegt werden, berechnet.



3. Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. 3 Nr. 3 ZVK-VTV i.V.m. § 32 Abs. 1 SokaSiG2. Richtig ist allerdings, dass § 3 Nr. 2 ZVK-VTV und § 4 Abs. 3 ZVK-TV widersprüchlich erscheinen. Einerseits sollen die Beiträge bis zum 31.12. eines Geschäftsjahres abzuführen sein. Anderseits ist Fälligkeitstermin spätestens der 30.06. eines Kalenderjahres. Letzteres benennt damit den spätesten und kalendermäßig bestimmten Fälligkeitstermin. Vorher kann kein Verzug eintreten. Mit dem 31.12. in § 3 Nr. 2 VTV kann dann nur das vorherige Geschäftsjahr gemeint sein, d.h. z.B. der 31.12.2016 für das Beitragsjahr 2017. Angeknüpft wird an die Entgeltsummen des Vorjahres, so dass die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, dass diese bereits im Vorjahr, auch für die Beitragserhebung der Berufsgenossenschaft (vgl. § 3 Nr. 1 ZVK-VTV), gegeben sind. Die Kammer weist darauf hin, dass sie übersehen hat, dass es sich bei dem 01.07.2017 und bei dem 30.06.2018 jeweils um einen Samstag handelt, so dass sich die Fälligkeit bzw. der Verzugsbeginn verschieben.



B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



C. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zur Entscheidung der Kammer vom 08.06.2022 (12 Sa 8/22, juris, anhängig BAG - 10 AZR 270/22) zugelassen.

Dr. Gotthardt
Flötges
Hirr

Vorschriften§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 23 KSchG, § 288 Abs. 1 BGB, § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 32 Abs. 1 SokaSiG2, § 3 Nr. 2 VTV, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG