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Urteil vom 16.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233914

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Aktenzeichen 1 Sa 12/22

1. Die Eingruppierung einer Altenpflegerin in der Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin als "sonstige Beschäftigte" im Sinne der Entgruppe S 8b Fallgruppe 1 erfordert, dass sie über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie eine staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin verfügen muss.

2. Der Erwerb von Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet des Aufgabenbereichs einer Heilerziehungspflegerin genügt für eine Eingruppierung als "sonstige Beschäftigte" nicht. Aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen der Ausbildungen und der Berufsbilder einer Altenpflegerin und Heilerziehungspflegerin sind jedoch Abstufungen bei der Darlegungs- und Beweislast vorzunehmen, wenn es um die streitige Frage der Verwendungsbreite einer Altenpflegerin in der Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin geht.


In der Rechtssache
- Klägerin/Berufungsklägerin -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer - durch den
Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, die ehrenamtliche Richterin Dankesreiter und die ehrenamtliche Richterin Heil auf die mündliche Verhandlung vom 16.01.2023
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 20.04.2022 - 5 Ca 312/21 - abgeändert:


Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2021 nach der Entgeltgruppe S 8b TVöD-B zu vergüten und die jeweiligen Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2021 bzw. dem Monatsersten der darauffolgenden Monate mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.


2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.



Die am ... geborene Klägerin ist seit 15. November 1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 30. Juli 1997 (Anlage K 1) zugrunde. Hiernach bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem damaligen Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT). Die Klägerin wurde als Altenpflegerin in der Vergütungsgruppe Kr IV beschäftigt.



Die Beklagte ist als Unternehmen des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg eine Trägerin der Behindertenhilfe. Sie betreibt vier Einrichtungen in M., R. R., E. und U., in der geistig oder körperlich behinderte, erwachsene Menschen betreut werden.



Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin in verschiedenen Wohngruppen als Pflegehelferin eingesetzt. Nach der Geburt zweier Kinder in den Jahren 1991 und 1992 und anschließendem Erziehungsurlaub absolvierte die Klägerin von August 1994 bis Juli 1997 eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Anschließend war sie Gruppenleiterin in einer Gruppe im Bereich SGB XI. Hierbei handelt es sich um einen Bereich, in dem schwerstbehinderte pflegebedürftige Menschen versorgt werden.



Im Jahr 2011 wechselte die Klägerin in den Bereich SGB IX. In diesem Bereich werden behinderte Menschen bis maximal zum Pflegegrad 3 betreut. In der Praxis unterscheiden sich die beiden Bereiche danach, dass im Bereich SGB XI eine ständige Nachtwache benötigt wird, während im Bereich SGB IX eine dezentrale Rufbereitschaft genügt. Am 2. März 2011 vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin die Funktion der Gruppenleiterin abgebe und künftig nach der Vergütungsgruppe Kr 7a Stufe 5 der Kr-Anwendungstabelle TVöD vergütet werde (Anlage K 2). Zum 1. Januar 2017 wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe P 7 Stufe 6 übergeleitet. In dieser Entgeltgruppe betrug das Tabellenentgelt im Juli 2021 3.410,08 €; hinzu kamen eine Besitzstandszulage und weitere Zulagen (vgl. Anlage K 3).



Seit dem Jahr 2011 ist die Klägerin in einer Wohngruppe im J.-K.-Weg tätig. In der Wohngruppe leben sieben Menschen mit Behinderung. Aktuell arbeiten vier Fachkräfte und ein Heilerziehungspflegeschüler in dieser Wohngruppe. Herr S. ist hierbei als Heilerziehungspfleger im Umfang von 60 % einer Vollzeitkraft eingesetzt, Herr D. mit 85 % ebenfalls als gelernter Heilerziehungspfleger sowie Herr H., der mit 35 % eines Vollzeitbeschäftigten tätig ist. Daneben ist die Klägerin als gelernte Altenpflegerin mit Zusatzqualifikation im Umfang von 95 % einer Vollzeitkraft eingesetzt.



Alle Pfleger arbeiten im Schichtdienst. Hierbei ist jeweils ein/e Pfleger/in allein in der Wohngruppe tätig. Den Pflegern/innen obliegt die Strukturierung und Planung des Wohn- und Lebensalltags einschließlich der Sorge um das körperliches Wohl, die Gesundheit und Hygiene, den Lebensentwurf und Selbstbild, die Kommunikation und Selbstbild, die Entwicklung von Zukunftsperspektiven und Umsetzung, die persönlichen Anliegen des Klienten, die individuelle Basisversorgung, die individuellen Hilfen zur Alltagsbewältigung und zur Gestaltung von Freizeit, die Aktivitäten zur Erlangung von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, die Hilfestellung bei der Gestaltung von Beziehungen und Kontakten und die Persönlichkeitsentwicklung. Wegen der Einzelheiten wird insbesondere auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21. Februar 2022 Seite 3 ff. verwiesen.



Seit dem Jahr 2011 nahm die Klägerin an zahlreichen Fortbildungskursen teil. Wegen des Inhalts der Fortbildungen wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 30. Juni 2022 und auf die Anlagen K 8 und 12 bis K 15b verwiesen. Zumindest überwiegend betrafen die Fortbildungen Themen, die sich mit dem Umgang mit behinderten Menschen befassten. Am 3. Dezember 2020 schloss die Klägerin zudem eine pädagogische Nachqualifizierung für Pflegekräfte ab. Diese Nachqualifizierung beruhte auf § 14 Abs. 2 LPersVO. Sie umfasste 200 Stunden inkl. Praxistransfer und Vertiefungsphase. Wegen der Einzelheiten wird auf die in der Berufungsverhandlung übergebene Anlage verwiesen.



Mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 (nicht vorgelegt) machte die Klägerin ihre Eingruppierung nach der Entgelttabelle für den Sozial- und Erziehungsdienst geltend. Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 (Anlage K 4) lehnte die Beklagte eine entsprechende Eingruppierung ab. Mit Schreiben vom 7. April 2021 (Anlage K 5) erläuterte die Beklagte ihre Rechtsauffassung. Mit Anwaltsschreiben vom 19. Oktober 2021 (Anlage K 6) machte die Klägerin erneut ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b Stufe 6 geltend. Mit Schreiben vom 2. November 2021 (Anlage K 7) bot die Beklagte der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8a an. Sie teilte hierin mit, dass die Klägerin nicht als "sonstige Beschäftigte" im Tarifsinn anzusehen sei. Im Hinblick auf die Vorbemerkungen zu Entgeltordnung TVöD/VKA sei die Klägerin aber eine Entgeltgruppe niedriger eingruppiert.



Mit ihrer am 16. November 2021 eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8b, hilfsweise S 8a, zu bezahlen. Sie trug vor, sie sei zwar keine ausgebildete Heilerziehungspflegerin; sie sei jedoch sonstige Beschäftigte im Sinne der Entgeltgruppe S 8b, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübe. Sie übernehme wie eine Heilerziehungspflegerin pflegerische Tätigkeiten. Daneben sei sie wie eine Heilerziehungspflegerin für administrative Tätigkeiten zuständig. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit seien nichtpflegerische Tätigkeiten. Insbesondere liege keine überwiegende Einbindung in die Grund- und Behandlungspflege vor. Insgesamt machten die heilerzieherischen Tätigkeiten 78,47 % aus. Richtigerweise sei sie daher nicht in die Entgeltgruppe P 7 eingruppiert, sondern nach den Tätigkeitsmerkmalen des Sozial- und Erziehungsdienst zu vergüten.



Durch die Nachqualifizierung habe sie die Qualifikation für Aufgaben der pädagogischen, sozialpädagogischen und psychosozialen Betreuung, der heilpädagogischen Förderung und der teilhabeorientierten Planung erworben. Das bedeute, dass sie gerade im heilpädagogischen Bereich eingesetzt werden könne und aufgrund der tatsächlich durchgeführten Tätigkeit in der Wohngruppe auch zur Abdeckung der Aufgaben der pädagogischen, sozialpädagogischen und psychosozialen Betreuung tätig werde. Diese Qualifizierung mache sie zur sonstigen Angestellten nach Entgeltgruppe S 8a und führe im Hinblick auf die Klientel nach der Protokollerklärung 6 zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b.



Sie gelte aufgrund der Nachqualifizierung als Fachkraft und unterscheide sich deswegen von den Heilerziehungspflegehelfern, die nicht als Fachkraft gölten und in Entgeltgruppe S4 eingruppiert seien. Das Gepräge der Tätigkeit ergebe sich durch die Aufgaben der pädagogischen, sozialpädagogischen und psychosozialen Betreuung, der heilpädagogischen Förderung, der teilhabeorientierten Planung und nicht durch pflegerische Aufgaben.



Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei sie eine "sonstige Beschäftigte" im Tarifsinn. Die Beklagte setze im gesamten Bereich SGB IX neben Heilerziehungspflegern auch Altenpfleger ein. Deswegen sei eine breite Verwendungsmöglichkeit gegeben. Bei der Beklagten gelte das sogenannte Bezugspersonensystem. Sie arbeite wie eine ausgebildete Heilerziehungspflegerin mit Hilfeplänen. Ihre Tätigkeit sei nicht diejenige einer Helferin. Sie sei ganzheitlich für alle Belange der behinderten Menschen zuständig. In ihrer Wohngruppe betreue sie behinderte Menschen mit einer Vielzahl von Behinderungen. Aufgrund ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen könne sie auch in anderen Bereichen der Beklagten eingesetzt werden.



Die Klägerin beantragte,

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2021 nach Anlage 1 Teil B XXIV TVöD in Entgeltgruppe S8b Stufe 6 zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2021 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.



Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2021 nach Anlage 1 Teil B XXIV TVöD in Entgeltgruppe S8a Stufe 6 zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2021 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.



Höchst hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2021 nach Anlage 1 Teil B XXIV TVöD in Entgeltgruppe S8b zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2021 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.



Höchsthöchst hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2021 nach Anlage 1 Teil B XXIV TVöD in Entgeltgruppe S8a zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2021 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.



Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte trug vor, die Klägerin sei nicht nach Tarifgruppe S 8a oder S 8b TVöD einzugruppieren, weil ihr "gleichwertige Fähigkeiten" im Sinne des Tarifvertrages fehlten. Die Eingruppierung in die Entgeltgruppen des Sozial- und Erziehungsdienstes scheitere insbesondere daran, dass die Klägerin keine gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen wie Heilerziehungspfleger/innen besitze. Der subjektive Teil der Anforderung "gleichwertigen Fähigkeiten" setze voraus, dass die sonstigen Beschäftigten über Fähigkeiten verfügten, die mit denen, die in der jeweiligen Ausbildung vermittelt würden, gleichwertig seien. Entscheidender Punkt der Ablehnung sei gewesen, dass die Klägerin nicht über die gleiche Verwendungsbreite wie ein entsprechend ausgebildeter Beschäftigter verfüge.



Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie das Wissensgebiet eines Beschäftigten mit der geforderten Vor- oder Ausbildung mit ähnlicher Gründlichkeit beherrsche. Die Klägerin weise insbesondere erhebliche Defizite im Modul 7 nach der Anlage 1 der APrOHeilErzPfl "Kreativität und Bewegung" (200 Stunden) sowie im Modul 1 "Beruf und Identität" (200 Stunden) auf. Die Klägerin habe daneben erhebliche Defizite im Modul 2 "Inklusion und Teilhabe" (300 Stunden) und im Modul 3 "Entwicklung und Bildung" (300 Stunden).



Die pädagogische Nachqualifizierung mit 80 Theoriestunden bzgl. Teilhabe, Bildung und Pflege könne schon rein mathematisch die entsprechenden Stundendefizite der Ausbildung der Klägerin nicht annährend ausgleichen. Dies bestätige auch die Schulleiterin des KVS Bildungszentrums, in dem die Klägerin ihre Nachqualifizierung durchgeführt habe (Anlage B 4). Fachkraft im Sinne von § 14 Abs. 2 LPersVO bedeute nicht, dass die objektive Anforderung "entsprechende Tätigkeit" nach der Entgeltgruppe S 8b TVöD" erfüllt sei. Pädagogisch nachqualifiziert heiße nicht, dass die Klägerin wie eine Heilerziehungspflegerin tätig sei. Auch werde bestritten, dass die Klägerin das Wissensgebiet eines Beschäftigten mit der geforderten Ausbildung mit ähnlicher Gründlichkeit beherrsche. Die Fähigkeiten und Erfahrungen der Klägerin müssten dem jeweiligen Berufsbild, hier dem einer Heilerziehungspflegerin, grundsätzlich in ihrer vollen Bandbreite entsprechen. Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem Teilgebiet seien nicht ausreichend. Die Klägerin könne das Qualifikationsdefizit nur durch eine schulfremde Prüfung nachholen, die in der Verordnung des Sozialministeriums über die Ausbildung und Prüfung an den Fachschulen für Sozialwesen der Fachrichtung Heilerziehungspflege (Heilerziehungspflegeverordnung - APrOHeilErzPfl) vom 9. Dezember 2019 geregelt sei.



Mit Urteil vom 20. April 2022 wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8b oder S 8a TVöD. Eine Eingruppierung in diese Entgeltgruppen setze voraus, dass die Klägerin als sonstige Beschäftigte anzusehen sei, also neben der entsprechenden Tätigkeit auch gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie eine Heilerziehungspflegerin habe. Es werde zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch eine Fachausbildung vermittelt werde, wohl aber ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet nicht ausreichend seien. Das Bundesarbeitsgericht habe anerkannt, dass solche gleichwertigen Fähigkeiten insbesondere durch Berufserfahrung erworben werden könnten. Es gebe jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass bei Ausübung einer "entsprechenden Tätigkeit" auch "gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen" vorlägen.



Nach diesen Grundsätzen genügten die Ausbildung der Klägerin als Altenpflegerin, ihre langjährige Tätigkeit sowie ihre Fortbildungen, insbesondere die pädagogische Nachqualifizierung, nur für den Erwerb gleichwertiger Kenntnisse und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet des Berufs einer Heilerziehungspflegerin. Auch aus den von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten könne nur auf Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet geschlossen werden. Eine Heilerziehungspflegerin sei für eine Vielzahl von Einrichtungen und Diensten ausgebildet. Gemessen daran belegten die Tätigkeiten der Klägerin in einer Wohngruppe mit behinderten Menschen nur Fähigkeiten und Erfahrungen in diesem Teilgebiet. Im Hinblick auf ihre Einsetzbarkeit in anderen Bereichen habe die Klägerin keinen ausreichenden Vortrag geleistet.



Gegen das ihr am 26. April 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Mai 2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 30. Juni 2022 begründet. Sie trägt vor, die von ihr ausgeübten Tätigkeiten seien solche einer Heilerziehungspflegerin. Sie werde nicht unterstützend, sondern eigenverantwortlich und eigenständig tätig, weil in den regionalen Wohnverbünden immer nur ein Mitarbeiter pro Schicht arbeite. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege im pädagogischen Konzept. Da der betreute Personenkreis sowohl geistig, körperlich als auch psychisch eingeschränkt sei, bedürfe es einer guten Fachlichkeit und Beratung, wie an verschiedenen Beispielen verdeutlicht werden könne.



Sämtliche von ihr absolvierten Fortbildungen stünden in einem Bezug zur Heilerziehungspflege. Sie habe damit ihr umfangreiches Wissen als Altenpflegefachkraft ergänzt und ausgebaut. Mit ihren Fähigkeiten und Erfahrungen erfülle sie die Anforderungen der Module der Heilerziehungspflegerin-Ausbildung. Auch ihre Tätigkeiten könnten den verschiedenen Ausbildungsmodulen zugeordnet werden.



Die Beklagte biete ausschließlich Hilfen für erwachsene Menschen mit Behinderungen, nicht aber für Kinder und Jugendliche an. Dies gelte für die Einrichtungen in M., in R. R., E. und U.. Sie habe mit Nachschulungen, jahrelanger Berufserfahrung und Fortbildungen Fähigkeiten in der Breite und Tiefe erworben, dass sie überall bei den Einrichtungen der Beklagten eingesetzt werden könne. In ihrer Ausbildung als Altenpflegerin sei eine ganzheitliche Pflege der Schwerpunkt. Die ganzheitliche Betrachtung von Menschen mit Behinderungen sei in allen heilerziehungspflegerischen Angeboten der Beklagten notwendig.



In rechtlicher Hinsicht sei auszuführen, dass das Arbeitsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast zu hoch angesetzt habe. Als Fachkraft iSd. Verordnung des Sozialministeriums vom 7. Dezember 2015 habe sie gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen. Sie sei in ihrer Wohngruppe nicht als Altenpflegerin eingesetzt. Der Verordnungsgeber habe die Gleichwertigkeit der Fähigkeiten und Erfahrungen anerkannt. Zum Hilfsantrag habe das Arbeitsgericht nichts ausgeführt.



Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichtes Reutlingen vom 20.04.2022, Az. 5 Ca 312/21, zugestellt am 26.04.2022, wird abgeändert.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2021 nach Anlage 1 Teil B XXIV TVöD in Entgeltgruppe S 8 b zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2021 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.



Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2021 nach Anlage 1 Teil B XXIV TVöD in Entgeltgruppe S 8 a zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 01.02.2021 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.



Sie trägt vor, das Arbeitsgericht habe keine Feststellungen zu den maßgeblichen Arbeitsvorgängen vorgenommen. Im Streitfall sei allerdings eine Feststellung hierzu verzichtbar. Sie merke allerdings an, dass kein einheitlicher Arbeitsvorgang in der Tätigkeit der Klägerin vorliege.



Jedenfalls verfüge die Klägerin nicht über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie eine Heilerziehungspflegerin. Die Klägerin nehme den berufskundlichen Ansatz des Bundesarbeitsgerichts nicht zur Kenntnis. Es gelinge ihr auch der Nachweis nicht, dass sie nicht nur auf einem begrenzten Teilgebiet über Fähigkeiten und Erfahrungen verfüge. Sie könne auch keine Berufserfahrung über ein begrenztes Teilgebiet hinaus darlegen. So verfüge sie nicht über Fähigkeiten und Erfahrungen bzgl. der Arbeit mit Menschen aller Altersstufen und in anderen Bereichen der Tätigkeit einer Heilerziehungspflegerin. Insoweit sei es unzutreffend, wenn die Klägerin nur auf die Angebote in den Einrichtungen ihrer Arbeitgeberin abstelle.



Die Klägerin übe auch keine entsprechende Tätigkeit im Tarifsinn aus. Überwiegend leiste die Klägerin die Arbeiten einer Heilerziehungspflegehelferin. Dies fehle an einer zeitlichen Gewichtung der verschiedenen Tätigkeiten. Die Klägerin nehme keinen Bezug zu den einschlägigen Ausbildungsinhalten einer Heilerziehungspflegerin vor. Ihre Arbeit beschränke sich auf die Tätigkeit mit bestimmten Klienten. Die Nachqualifizierung als Fachkraft habe keine tarifrechtliche Bedeutung. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8a nicht in Betracht komme.



Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die Inhalte der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.



Entscheidungsgründe



I.



Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.



II.



Die Berufung der Klägerin ist, soweit sie ihre Berufung nicht zurückgenommen hat, begründet. Die Klägerin ist als "sonstige Beschäftigte" in die Entgeltgruppe S 8b des Teils XXIV (Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst) der Entgeltordnung zum TVöD-VKA eingruppiert.



1. Die Klage ist zulässig.



a) Soweit die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 8b, hilfsweise in die Entgeltgruppe S 8a, begehrt, handelt es sich um eine im öffentlichen Dienst übliche und gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Eingruppierungsfeststellungsklage. Das Feststellungsinteresse für den begehrten Tabellenwechsel ist gegeben, weil die Klägerin als Altenpflegerin in der Entgeltgruppe P 7 Stufe 6 ab dem 1. April 2022 ein Tabellenentgelt von 3.654,17 Euro brutto, aufgrund der unterschiedlichen Tarifentwicklung als "sonstige Beschäftigte" in der Entgeltgruppe S 8b Stufe 6 hingegen ein Tabellenentgelt von 4.446,86 Euro brutto hätte. Die unterschiedliche Entwicklung der Tarife in beiden Bereichen führt zu Friktionen, weil die Träger der Behindertenhilfe aufgrund des Mangels an ausgebildeten Heilerziehungspflegern offenbar zunehmend auf Altenpfleger als Beschäftigte zurückgreifen. Das Feststellungsinteresse besteht auch für die geltend gemachten Zinsforderungen (st. Rspr., vgl. nur BAG 23. Februar 2022 - 4 AZR 354/21 - Rn. 10).



b) Mit ihrer Eingruppierungsfeststellungsklage hat die Klägerin ursprünglich auch die Feststellung der Stufe 6 der Entgeltgruppe S 8b bzw. S 8a begehrt. In der Berufungsverhandlung hat die Kammer die Frage aufgeworfen, dass im Streitfall die Fallgestaltung eines sogenannten Tabellenwechsels vorliegen dürfte, weil die Klägerin einen Wechsel von der sogenannten P-Tabelle in die sogenannte SuE-Tabelle anstrebt. Für den Fall des Tabellenwechsels hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10. Februar 2021 - 6 AZR 702/19 - entschieden, dass auf den Tabellenwechsel die Vorschrift über die Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen nach § 17 Abs. 4 TV-L (bzw. hier TVöD/VKA) nicht anzuwenden sei. Das Entgeltsystem des TV-L gehe davon aus, dass es keine entgeltgruppenübergreifende Berufserfahrung gebe. Dies habe zur Folge, dass der Beschäftigte im Zeitpunkt des Wechsels grundsätzlich der Stufe 1 zuzuordnen sei. Dies wird nur dann anders zu beurteilen sein, wenn der Beschäftigte bereits in der neuen Entgeltgruppe einschlägige Berufserfahrung gesammelt hat.



Die Tarifvertragsparteien haben zwar mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 20 vom 14. Juli 2022 vereinbart, dass bei der Eingruppierung in eine Entgeltgruppe, die einer anderen als der bisherigen Entgelttabelle zugeordnet ist (Tabellenwechsel), die Beschäftigten der gleichen Stufe zugeordnet werden, die sie in der bisherigen Entgeltgruppe erreicht haben (§ 1 Ziffer 3 d). Diese Regelung gilt jedoch erst ab dem 1. November 2022. Damit bleibt die Frage offen, welcher Stufe die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Oktober 2022 zuzuordnen ist.



c) Im Hinblick auf diesen Hinweis hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung ihre Berufung insoweit teilweise zurückgenommen, als sie nicht mehr die Feststellung der maßgebenden Stufe (6) in der Entgeltgruppe S 8b bzw. S 8a begehrt. Zwar ist regelmäßig ein Feststellungsinteresse nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit zwischen den Parteien insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss regelmäßig weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. September 2018 - 9 AZR 199/18 - Rn. 15; 27. August 2014 - 4 AZR 518/12 - Rn. 15).



Im Streitfall ist es jedoch prozessökonomisch, die Frage der Stufenzuordnung vorerst auszuklammern. Sollte die Entscheidung über die Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe S 8b rechtskräftig werden, so wird die Beklagte festzustellen haben, welcher Stufe die Klägerin in der Entgeltgruppe S 8b zuzuordnen ist. Geht man davon aus, dass die Klägerin ab dem Jahr 2011 den Tabellenwechsel vollzogen hat, dann wird sich die Frage der zutreffenden Stufenzuordnung im streitigen Zeitraum unschwer feststellen lassen. Die primär streitige Frage zwischen den Parteien ist, ob die Klägerin in die für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst vorgesehenen Entgeltgruppen eingruppiert ist. Die Beklagte hat nicht zu erkennen gegeben, dass sie die Stufenordnung der Klägerin streitig stellen wird.



2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin ab dem 1. Januar 2021 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8b zu gewähren.



a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand ursprünglich der BAT Anwendung. Unstreitig wurde das Arbeitsverhältnis zum 1. Oktober 2005 in den TVöD/VKA BT-B übergeleitet (vgl. Anlage K 3).



b) Es ist unerheblich, ob sich die Eingruppierung nach den §§ 12, 13 TVöD/VKA in Verbindung mit der Anlage 1 (Entgeltordnung VKA) oder noch nach den §§ 22, 23 BAT richtet.



aa) Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA gelten u.a. für die in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten ab dem 1. Januar 2017 für Eingruppierungen die §§ 12, 13 TVöD/VKA in Verbindung mit der Anlage 1 (Entgeltordnung VKA). Eine Überprüfung und Neufestsetzung der Eingruppierung fand gemäß § 29a Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA anlässlich der Überleitung nicht statt. Bei unveränderter Tätigkeit kommt eine Eingruppierung nach § 12 TVöD/VKA nur dann in Betracht, wenn sich nach der Entgeltordnung VKA eine höhere Entgeltgruppe als in der Anlage 1 oder 3 TVÜ-VKA vorgesehen ergibt und der Beschäftigte bis zum 31. Dezember 2017 eine dementsprechende Eingruppierung beantragt hat.



bb) Sind noch die §§ 22, 23 BAT sowie die Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst des Anhangs zu der Anlage C (VKA) zum TVöD in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung anwendbar, so ändert dies an der Rechtslage nichts. Denn die von der Klägerin in Anspruch genommenen Entgeltgruppen S 8b bzw. hilfsweise S 8a galten bereits aufgrund des früheren Tarifrechts. Die besonderen Entgeltgruppen für den Sozial- und Erziehungsdienst wurden durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 27. Juli 2009 zum TVöD eingefügt. Somit richtete sich die Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bereits ab dem 1.November 2009 nicht mehr nach der Vergütungsordnung des BAT, sondern vielmehr nach den neuen Tätigkeitsmerkmalen für den Sozial- und Erziehungsdienst (BAG 13. November 2019 - 4 AZR 490/18 - Rn 36; BAG 14. Oktober 2020 - 4 AZR 252/19 - Rn 11 ff.). Die heutigen Entgeltgruppen S 8b und S 8a wurden mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 9 vom 30. September 2015 geschaffen.



c) Sämtliche von der Klägerin in der Wohngruppe verrichteten Tätigkeiten stellen einen "großen" Arbeitsvorgang im Tarifsinn dar.



aa) Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber geschaffene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Einzeltätigkeiten können nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein organisatorisch getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind sogenannte Zusammenhangstätigkeiten. Dies sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Beschäftigten zur Vermeidung einer tarifwidrigen "Atomisierung" der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 23. Februar 2022 - 4 AZR 354/21 - Rn 20).



bb) Nach diesen Grundsätzen bildet die gesamte Tätigkeit der Klägerin einen "großen" Arbeitsvorgang. Eine Aufteilung ihrer Tätigkeiten in administrative Tätigkeiten, pflegerische Tätigkeiten, heilerzieherische Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten würde auf eine tarifwidrige "Atomisierung" ihrer Tätigkeit hinauslaufen. Unstreitig ist die Klägerin die einzige Beschäftigte, die während der jeweiligen Schicht für die Belange der behinderten Menschen Sorge trägt. Es gilt in der Wohngruppe das sogenannte Bezugspersonensystem. Dies bedeutet, dass die Klägerin für sämtliche Belange der behinderten Menschen während ihrer Schicht verantwortlich ist. Soweit die Beklagte von einem multidisziplinären Ansatz spricht, ist diese Bezeichnung missverständlich. Denn in keinem Fall arbeitet die Klägerin mit einem ausgebildeten Heilerziehungspfleger in der Weise zusammen, dass sie schwerpunktmäßig die pflegerischen Aufgaben und der Heilerziehungspfleger schwerpunktmäßig die pädagogischen Aufgaben übernimmt. Beide Aufgaben fließen ineinander.



Die Gesamttätigkeit der Klägerin darf daher nicht, wie von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 28. März 2022 Seite 3 ff. gehandhabt, in heilerzieherische und pflegerische Tätigkeiten sowie in administrative Tätigkeiten und Helfertätigkeiten aufgeteilt werden. Es mag hierbei zutreffen, dass nicht bei jedem einzelnen Arbeitsschritt der Klägerin pädagogische Aspekte eine Rolle spielen. Maßgebend ist insoweit die konkrete Situation, in der sich die Klägerin mit einem behinderten Menschen befasst. Die Klägerin könnte jedoch die ihr zugewiesene Aufgabe nicht sinnvoll verrichten, wenn sie hierbei pädagogische Aspekte außer Acht ließe. Als einzige Fachkraft der jeweiligen Schicht könnte sie die pädagogische Betreuung des behinderten Menschen nicht auf die nächste Schicht verschieben und sich auf die pflegerische Betreuung des behinderten Menschen beschränken. Die von der Beklagten vorgenommene Organisation ließe eine derartige Handhabung nicht zu.



Mit dieser rechtlichen Bewertung sieht sich die Kammer im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei der Betreuung von Gruppen durch Erzieher regelmäßig von einem Arbeitsvorgang auszugehen ist (BAG 14. Oktober 2020 - 4 AZR 252/19 - Rn 15; BAG 27. September 2017 - 4 AZR 666/14 - Rn 16; BAG 5. März 1997 - 4 AZR 482/95 - Rn. 24 f).



d) Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt die Tätigkeitsmerkmale der von ihr in Anspruch genommenen Entgeltgruppe S 8b TVöD/VKA.



aa) Die im Streitfall einschlägigen Tätigkeitsmerkmale lauten auszugsweise wie folgt:



Zum Tätigkeitsmerkmal "Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten" ist in der einschlägigen Protokollerklärung Nr. 6 unter dem Buchst. b Folgendes festgelegt:



bb) Die Klägerin erfüllt unstreitig nicht die in den Entgeltgruppen S 8b bzw. S 8a vorgegebenen Ausbildungsvoraussetzungen. Sie ist weder Erzieherin noch Heilerziehungspflegerin noch Heilerzieherin mit staatlicher Anerkennung. Die Klägerin hat vielmehr von 1994 bis 1997 eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert. Damit erfüllt sie die Ausbildungsvoraussetzung für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe P 7 Fallgruppe 1 des Teils B Abschnitt XI der Entgeltordnung.



cc) Die Klägerin ist jedoch eine "sonstige" Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübt.



(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt BAG 5. Mai 2021 - 4 AZR 666/19 - Rn 46 mit zahlreichen Nachweisen) erfordert die Eingruppierung der sonstigen Beschäftigten, dass sie über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie eine in der Entgeltgruppe S 8b genannte staatlich anerkannte Erzieherin oder Heilerziehungspflegerin verfügen muss. Hierbei wird nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die entsprechende Ausbildung vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei aber Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet nicht ausreichen. Solche gleichwertigen Fähigkeiten können insbesondere durch Berufserfahrung erworben werden. Hierbei können aus der auszuübenden Tätigkeit Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Erfahrungen der Beschäftigten gezogen werden, wenn diese eine "entsprechende Tätigkeit" ausüben. Sie werden aber nicht schon dadurch nachgewiesen, dass die "sonstige Beschäftigte" auf einem einzelnen Arbeitsgebiet einer ausgebildeten Erzieherin bzw. Heilerziehungspflegerin Leistungen erbringt, die auf diesem begrenzten Gebiet gleichwertig sind.



(2) Im Streitfall ergibt sich die Gleichwertigkeit der erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen daraus, dass die Ausbildungen zur Altenpflegerin und zur Heilerziehungspflegerin deutliche Überschneidungen aufweisen (dazu (a)), die Klägerin seit dem Jahr 2011 zahlreiche einschlägige Fortbildungen absolviert hat (dazu (b)), sie im Jahr 2021 die erforderliche Nachqualifizierung als Fachkraft erworben hat (dazu (c)) und sie rund zehn Jahre im Aufgabengebiet einer Heilerziehungspflegerin tätig ist (dazu (d)).



(a) Bei der Ausbildung zur Altenpflegerin handelt es sich um eine duale Ausbildung von dreijähriger Dauer (in Vollzeit). Die Ausbildung soll dazu befähigen, hilfsbedürftige ältere Menschen zu pflegen, zu betreuen und zu beraten (BERUFENET Steckbrief "Altenpfleger/in). Grundlage der Ausbildung ist die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1572). Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung umfasst die Ausbildung einen theoretischen und praktischen Unterricht im Umfang von 2.100 Stunden und eine praktische Ausbildung im Umfang von 2.500 Stunden. In der Anlage 4 zur Verordnung sind die Kompetenzen für die staatliche Prüfung zur Altenpflegerin beschrieben. Hieraus ergibt sich, dass die Ausbildung nicht nur die Altenpflege im hergebrachten Sinn, sondern darüberhinausgehend die Betreuung und Beratung alter Menschen in einem umfassenden, ganzheitlichen Sinn umfasst.



Die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin ist ebenfalls eine duale Ausbildung von drei Jahren Dauer (in Vollzeit). Heilerziehungspflegerinnen begleiten und unterstützen Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder seelischer Behinderung aller Altersstufen (BERUFENET Steckbrief "Heilerziehungspfleger/in). Grundlage der Ausbildung ist in Baden-Württemberg die Verordnung des Sozialministeriums über die Ausbildung und Prüfung an den Fachschulen für Sozialwesen der Fachrichtung Heilerziehungspflege vom 9. Dezember 2019 (GBl. 2019, 529). Die Ausbildung besteht aus mindestens 2.000 Stunden fachbezogenen und allgemeinbildenden Unterricht und 1.600 Stunden fachpraktischer Ausbildung in einem geeigneten Tätigkeitsbereich. Der Unterricht erstreckt sich auf sieben Module, die in § 7 Abs. 2 der Verordnung beschrieben sind. Die Ausbildung ist ebenfalls auf eine ganzheitliche Betreuung behinderter Menschen ausgerichtet.



Beide Ausbildungen weisen erhebliche Überschneidungen auf. Der aktuelle Pflegebegriff geht über die klassische Pflege, also die Pflege bei körperlichen Erkrankungen, hinaus. So umfasst die professionelle Pflege "die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung von Menschen in allen Lebenssituationen. Die Pflege besteht umfassend in der Förderung der Gesundheit, der Verhütung von Krankheiten und der Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen." (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 19. Februar 2022 S. 5). Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass die Pflege alter Menschen nicht nur in der Grundpflege, sondern in einer ganzheitlichen Begleitung, Unterstützung und Beratung alter Menschen besteht. Diese Erweiterung des klassischen Pflegebegriffs beruht ersichtlich darauf, dass alte Menschen in zunehmendem Maß körperliche und geistige Behinderungen aufweisen. Die Ausbildung soll die angehenden Altenpflegerinnen dazu befähigen, die Bedürfnisse alter Menschen umfassend zu erfüllen.



Die Ausbildung zur Altenpflegerin unterscheidet sich zwar von der Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin darin, dass nach wie vor die klassische Grundpflege einen erheblichen Teil der Ausbildung darstellt. Beide Ausbildungen weisen aber Gemeinsamkeiten insoweit auf, als die Beratung und Betreuung behinderter bzw. alter Menschen im ganzheitlichen Sinne Ziel der Ausbildung ist. Die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin legt hierbei den Schwerpunkt naturgemäß stärker auf die Gesichtspunkte des Berufs, der Inklusion und der Bildung. Was jedoch die Gesichtspunkte "Gesundheit, Kommunikation, Organisation, Kreativität und Bewegung" angeht, so haben Altenpflegerinnen und Heilerziehungspflegerinnen diesen Gesichtspunkten lediglich mit unterschiedlichen Zielgruppen Rechnung zu tragen. Unter diesen Umständen wäre es eine verkürzte Betrachtungsweise, wenn man annähme, dass die Altenpflege den Schwerpunkt auf die klassische Pflege setzt, während bei der Heilerziehungspflege der pädagogische und erzieherische Ansatz den Schwerpunkt bildet.



(b) Seit ihrem Wechsel in den SGB IX-Bereich hat die Klägerin ihre als Altenpflegerin erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen durch zahlreiche Fortbildungen mit pädagogischem Inhalt erweitert. Die in den Anlagen K 8 sowie 12 bis K 15 b beschriebenen, zahlreichen Fortbildungen befassen sich jedenfalls überwiegend nicht mit der klassischen Altenpflege, sondern haben pädagogische oder psychologische Inhalte. Die Fortbildungen decken die während der Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin vermittelten Kenntnisse sicherlich nur partiell ab. Sie dienten aber jedenfalls dazu, die pädagogischen Kenntnisse der Klägerin zu erweitern.



(c) Demselben Zweck diente auch die pädagogische Nachqualifizierung für Pflegekräfte, die die Klägerin am 3. Dezember 2020 erfolgreich abschloss. Die Nachqualifizierung beruhte auf § 14 LPersVO. Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:



Die Nachqualifizierung umfasste 200 Stunden inklusive Praxistransfer und Vertiefungsphase.



Die Nachqualifizierung hat keine primär tarifrechtliche Bedeutung, sondern soll die Besetzung der stationären Einrichtungen mit einschlägig ausgebildeten Personen gewährleisten. Gleichwohl erwarb die Klägerin im Wege der Nachqualifizierung Kenntnisse zu Themen, die nahezu durchweg den Umgang mit behinderten Menschen betrafen. Wenn die Beklagte darauf hinweist, die Nachqualifizierung könne mit einer dreijährigen Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin nicht verglichen werden (vgl. Anlage B 4), so trifft dies fraglos zu. Im vorliegenden Fall geht es aber "nur" darum, ob die Nachqualifizierung als ein "Baustein" angesehen werden kann, um der Klägerin über ihre bereits vorhandenen Kenntnisse hinaus die erforderlichen Zusatzkenntnisse zu verschaffen.



(d) Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen insbesondere durch Berufserfahrung gewonnen werden. Insoweit ist unstreitig, dass die Klägerin nie in der klassischen Pflege tätig war. Nach ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin war sie zunächst im SGB XI-Bereich eingesetzt. In diesem Bereich werden schwerstpflegebedürftige behinderte Menschen betreut. Der Schwerpunkt der Tätigkeit lag damit auf der Pflege. Dies änderte sich, als die Klägerin im Jahre 2011 in den SGB IX-Bereich wechselte. Seit diesem Zeitpunkt ist die Klägerin ausschließlich für die Betreuung von behinderten Menschen ab dem 18. Lebensjahr mit geringeren Pflegegraden betraut. Damit liegt der Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit im pädagogischen/erzieherischen Bereich.



(3) Die entscheidende und zwischen den Parteien streitige Frage ist, ob die Klägerin aufgrund ihrer Aus- und Fortbildungen sowie aufgrund ihrer praktischen Tätigkeit erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen lediglich auf einem eng begrenzten Teilgebiet der Ausbildungsinhalte des Berufs einer Heilerziehungspflegerin eingesetzt werden kann oder ob eine breite Verwendbarkeit - wie bei einer Heilerziehungspflegerin - gegeben ist.



(a) Zutreffend weist die Beklagte insoweit darauf hin, dass Heilerziehungspflegerinnen nicht nur in Tagesstätten, Wohn- und Pflegeeinrichtungen für behinderte Menschen, sondern auch in Werkstätten für behinderte Menschen und in Einrichtungen der Sozialpsychiatrie sowie in Kindertageseinrichtungen und an Schulen einsetzbar sind (BERUFENET, Steckbrief: Heilerziehungspfleger/in). Zutreffend hebt die Beklagte ebenfalls hervor, dass sich die Frage der Einsetzbarkeit nicht nur an den Einrichtungen der Beklagten zu orientieren hat, sondern wegen der umfassenden Geltung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale an allen in Betracht kommenden Einrichtungen.



Was die umfassende Einsetzbarkeit der Klägerin angeht, so sieht die Beklagte Defizite in verschiedenen Modulen der Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, während die Klägerin darauf verweist, auch eine ausgebildete Heilerziehungspflegerin sei nicht ohne eine gewisse Einarbeitungszeit in der Lage, Aufgaben in sämtlichen Tätigkeitsfeldern des Heilerziehungspflegers zu übernehmen, so z.B. in Werkstätten für Behinderte.



(b) Nach Auffassung der Kammer ist insoweit folgende Abstufung bei der Darlegungs- und Beweislast vorzunehmen:



Vielfach hatte sich die Rechtsprechung bei der Auslegung des Tätigkeitsmerkmals der "sonstigen Beschäftigten" mit den Fallgestaltungen zu befassen, dass entweder unterschiedliche Ausbildungsniveaus vorlagen (vgl. nur BAG 5. Mai 2021- 4 AZR 666/19 - Rn. 46 ff betr. eine Kinderkrankenschwester; 25. Januar 2017 - 4 AZR 379/15 - Rn. 27 betr. eine Fachkraft für Arbeitssicherheit; BAG 18. Dezember 1997 - 4 AZR 319/95 - Rn. 37 betr. einen Kraftfahrzeugmeister) oder niveaugleiche Ausbildungen inhaltliche Unterschiede aufwiesen (LAG Hamm 9. Februar 2022 - 3 Sa 1022/21 - Rn. 62 ff betr. eine Krankenpflegerin; Sächs. LAG 4. August 2015 - 5 Sa 534/14 - Rn. 48 ff betr. eine Erzieherin; BAG 8. Oktober 1997 - 4 AZR 151/96 - Rn. 57; 17. Januar 1996 - 4 AZR 602/94 - Rn. 33 betr. jeweils eine Kinderpflegerin). In diesem Fall ist an dem Grundsatz festzuhalten, dass den klagenden Beschäftigten die volle Darlegungslast für das in Anspruch genommene Tätigkeitsmerkmal des "sonstigen Beschäftigten" trifft (zur Darlegungslast zuletzt ausführlich BAG 14. Oktober 2020 - 4 AZR 252/19 - Rn. 30 ff.).



Handelt es sich hingegen um Ausbildungen, die verwandte Berufsbilder betreffen und deutliche inhaltliche Überschneidungen aufweisen (vgl. BAG 27. Januar 1999 - 4 AZR 88/98 - Rn. 67 betr. eine Horterzieherin), so sind dem klagenden Beschäftigten nach Auffassung der Kammer Erleichterungen bei der Darlegungslast zuzubilligen. Kann der Beschäftigte darlegen, dass er für die Betreuung von behinderten Menschen durch Fortbildungen und durch einen ständigen beruflichen Umgang mit behinderten Menschen hinreichende Fähigkeiten und Erfahrungen erworben hat, so ist davon auszugehen, dass er diese Kenntnisse grundsätzlich in allen Tätigkeitsfeldern einsetzen kann. Es gilt der Grundsatz: Je mehr Überschneidungen die in Frage stehenden Ausbildungen und Berufsbilder aufweisen, desto eher ist anzunehmen, dass eine vergleichbar breite Verwendbarkeit der Beschäftigten gegeben ist.



(c) Bei diesem rechtlichen Maßstab musste die Klägerin nicht im Einzelnen darlegen, dass sie ohne eine nennenswerte Einarbeitungszeit in sämtlichen Tätigkeitsfeldern einer Heilerziehungspflegerin einsetzbar ist, was ihr angesichts ihrer bisherigen Verwendung kaum konkret möglich wäre. Es reicht aus, wenn sie in einem ersten Schritt darlegt, dass sie in ihrem bisherigen Einsatzfeld ausreichende Fähigkeiten und Erfahrungen in der ganzheitlichen Betreuung von behinderten Menschen erworben hat und die erworbenen Kenntnisse nach einer gewissen Einarbeitungszeit auch in anderen Tätigkeitsfeldern gewinnbringend einsetzen könnte.



Dieses Vorbringen hat die Klägerin geleistet. Sie hat dargelegt, dass sie sich exemplarisch Fähigkeiten und Fertigkeiten angeeignet hat, um behinderte Menschen ganzheitlich zu betreuen. Dieses Wissen hat die Klägerin bereits im Rahmen ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin erworben und im Laufe ihrer Tätigkeit in der Wohngruppe zuerst mit schwerstbehinderten Menschen und seit dem Jahr 2011 mit leichter behinderten Menschen durch praktische Tätigkeiten und theoretische Fortbildungen vertieft. Auch eine staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin, die wie die Klägerin ausschließlich in einer Wohngruppe für behinderte Menschen tätig ist, könnte erst nach einer gewissen Einarbeitungszeit etwa in einer Werkstätte für behinderte Menschen oder in einer Kindertageseinrichtung erfolgreich tätig werden.



Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, dass eine ausgebildete Heilerziehungspflegerin, die bislang in einer Wohngruppe eingesetzt war, "aus dem Stand heraus" etwa die Tätigkeit einer Betreuerin in einer Werkstätte für Behinderte übernehmen könnte. Sie behauptet lediglich eine uneingeschränkte Verwendungsbreite der ausgebildeten Heilerziehungspfleger, ohne den Umstand zu berücksichtigen, dass auch diese Personen nach einer langjährigen Tätigkeit in einem bestimmten Aufgabengebiet ohne eine angemessene Einarbeitungszeit nicht auskommen werden (vgl. Schriftsatz vom 19. Januar 2022 S. 10). Daher genügt es nicht, die Verwendungsbreite der Klägerin mit dem Argument in Abrede zu stellen, diese habe nicht in allen Tätigkeitsfeldern eines Heilerziehungspflegern Erfahrungen erworben (Berufungsbegründung S. 13 ff). Entscheidend ist, ob sich die Klägerin exemplarisch Kenntnisse angeeignet hat, die sie dazu befähigen, nach einer angemessenen Einarbeitungszeit auch in anderen Tätigkeitsfeldern einer Heilerziehungspflegerin eingesetzt zu werden.



(4) Die Klägerin übt auch eine "entsprechende Tätigkeit" aus.



(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG 27. September 2017 - 4 AZR 666/14 - Rn 20) ist eine "entsprechende Tätigkeit" im Tarifsinn anzunehmen, wenn sich die auszuübende Tätigkeit auf die konkrete Fachrichtung der jeweils erforderlichen Ausbildung bezieht und sie die durch die Ausbildung erworbenen Fähigkeiten gerade erfordert. Nicht ausreichend ist es, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Beschäftigten für den übertragenen Aufgabenbereich lediglich nützlich oder erwünscht sind. Sie müssen vielmehr im tariflichen Sinn zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich, d.h. notwendig sein.



(b) Bei diesem rechtlichen Maßstab übt die Klägerin in der Wohngruppe für behinderte Menschen eine "entsprechende Tätigkeit" aus. Sie wird wie eine Heilerziehungspflegerin in der Wohngruppe eingesetzt. Dieser rechtlichen Bewertung steht nicht entgegen, dass sie im Rahmen des "großen" Arbeitsvorgangs nicht nur Arbeitsschritte mit pädagogischem Inhalt, sondern auch pflegerische und administrative Tätigkeiten verrichtet. Denn prägend für die Tätigkeit ist die pädagogische Betreuung der behinderten Menschen in der Wohngruppe (zum Begriff der Prägung BAG 13. November 2019 - 4 AZR 490/18 - Rn 48). Wollte man dies anders sehen, so müsste sich die Beklagte fragen lassen, weshalb sie überhaupt Heilerziehungspfleger in den SGB IX-Bereichen einsetzt. Selbst wenn man die - von der Kammer nicht geteilte - kleinteilige Betrachtung der Beklagten zugrunde legen würde, liegt jedenfalls der Schwerpunkt der Tätigkeiten der in den Wohngruppen eingesetzten Fachkräfte auf der pädagogischen Betreuung der behinderten Menschen.



dd) Die Klägerin ist auch mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten betraut. Welche Tätigkeiten hierzu zu zählen sind, ist in der Protokollerklärung Nr. 6 beispielhaft aufgeführt. Nach Buchst. b gehören Tätigkeiten in Gruppen von behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zu den besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten. Die der Klägerin in der Wohngruppe übertragenen Tätigkeiten erfüllen, nach der übereinstimmenden Rechtsauffassung der Parteien, die Voraussetzungen für eine besonders schwierige fachliche Tätigkeit im Sinne des Buchst. b.



e) Hat die Klage bereits mit dem Hauptantrag (Entgeltgruppe S 8b) Erfolg, so ist der Hilfsantrag (Vergütung nach der Entgeltgruppe S 8a) nicht mehr zur Entscheidung angefallen.



f) Die geltend gemachte Verzinsung ab dem 1. Januar 2021 ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 614 BGB. Die Klägerin hat die Ansprüche mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 geltend gemacht.



III.



Die Beklagte hat gemäß § 92 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kammer hat der Beklagten trotz der teilweisen Berufungsrücknahme durch die Klägerin die Kosten in vollem Umfang auferlegt, weil zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar ist, welche Auswirkungen die Stufenzuordnung auf das Entgelt der Klägerin haben wird.



Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hat die Kammer die Revision für die Beklagte zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob und ggf. unter welchen Umständen der klagenden Partei bei der Frage der Verwendungsbreite der "sonstigen Beschäftigten" Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast zuzubilligen sind, wenn die jeweils vorausgesetzten Ausbildungen niveaugleich sind und inhaltliche Überschneidungen aufweisen, grundsätzliche Bedeutung hat.

Dr. Natter
Dankesreiter
Heil

Verkündet am 16.01.2023

Vorschriften§ 14 Abs. 2 LPersVO, §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 313 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 256 Abs. 1 ZPO, § 17 Abs. 4 TV-L, §§ 12, 13 TVöD, §§ 22, 23 BAT, § 12 TVöD, § 14 LPersVO, § 2 SGB IX, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 614 BGB, § 92 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG