Beschluss vom 17.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233929
Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 4 Sa 388/22
1. Die Berufung gegen ein 2. Versäumnisurteil ( § 514 Abs. 2 ZPO ) mit der Begründung, die Ladung zum Termin gemäß § 180 ZPO sei entgegen dem Inhalt der Zustellungsurkunde nicht zugegangen, bedarf zu ihrer Schlüssigkeit und damit zu ihrer Zulässigkeit der Darlegung eines Sachverhalts, der die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde gemäß §§ 182 , 418 ZPO vollständig entkräftet ( BGH 10.11.2005 - III ZR 104/05 , Rn 12). Es genügt nicht, den Zugang lediglich zu bestreiten.
2. Die Zustellungsurkunde beweist nicht, dass der Ladung der Hinweis auf die Folgen einer Säumnis gemäß § 215 ZPO beigefügt und die Ladung deshalb iSv. § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß gewesen ist.
3. Bestreitet der Berufungskläger mit Nichtwissen ( § 138 Abs. 4 ZPO ), dass der Ladung der Hinweis auf die Folgen einer Säumnis gemäß § 215 ZPO beigefügt war, muss er für eine schlüssige und damit zulässige Berufung gegen das 2. Versäumnisurteil in der Berufungsbegründung darlegen, warum er trotz des durch die Zustellungsurkunde bewiesenen Zugangs der Ladung und somit der Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme nicht in der Lage ist, den Inhalt der Ladung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert zu bestreiten. Unterlässt er dies, ist sein Bestreiten unerheblich ( § 138 Abs. 3 ZPO ) und seine Berufung unzulässig.
4. Der Vorsitzende unterliegt bereits mit Eingang eines Ablehnungsgesuchs und unabhängig von seiner persönlichen Kenntnis einem Handlungsverbot nach Maßgabe des § 47 ZPO (vgl. BGH 08.02.2001 - III ZR 45/00 ; OLG Frankfurt am Main 14.11.1997 - 3 WS 921/97 ). Seine entgegen diesem Verbot vorgenommenen (aufschiebbaren) Amtshandlungen - hier der Erlass eines Zweiten Versäumnisurteils - sind geheilt, sobald das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen wird ( BAG 28.12.1999 - 9 AZN 739/99 , Rn. 12).
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.04.2022 - 10 Ca 7472/20 - wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
Die Revisionsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von 50.058,00 € brutto zur Vergütung behaupteter Mehrarbeit aus dem Jahr 2016.
Nach Erlass eines Mahnbescheides vom 17.04.2020 (Bl. 48 GA), rechtzeitigem Widerspruch der Beklagten (Bl. 52 GA) und Abgabe ins streitige Verfahren hat das Arbeitsgericht im weiteren Verlauf im Kammertermin am 05.10.2021 ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen den nicht erschienenen Kläger erlassen (Bl. 154 GA). Gegen das am 15.10.2021 zugestellte (Bl. 161 GA) Versäumnisurteil hat der Kläger am 22.10.2021 Einspruch eingelegt und diesen - sowie seine Klageforderung insgesamt - nach mehrfacher Fristverlängerung am 19.11.2021 begründet (Bl. 183 - 310 GA).
Nach weiteren mehrfachen Terminverlegungen, zuletzt auf Antrag des Klägers für den Termin am 24.03.2022 nach Entziehung des Mandats für seinen Anwalt und eigener Verhinderung wegen eines anderweitigen Gerichtstermins, hat das Arbeitsgericht Termin zur Verhandlung über den Einspruch sowie die Hauptsache bestimmt auf den 28.04.2022. Auf den Verlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht diesen Termin mit Beschluss vom 31.03.2022 auf den 21.04.2022 vorverlegt (Bl. 507 GA). Ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 511 GA) ist dem Kläger diese Umladung am 04.04.2022 zugegangen. Der Ladungsvermerk (Bl. 508 GA) enthält den Hinweis "term506".
Am 14.04.2022 hat der Kläger wegen eines anderweitigen Gerichtstermins Verlegung des Termins vom 21.04.2022 beantragt (Bl. 512 GA). Mit Beschluss vom 19.04.2022 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen (Bl. 517 GA) und den Kläger erneut auf den 21.04.2022 umgeladen. Ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 521 GA) ist dem Kläger diese erneute Umladung am 20.04.2022 zugegangen. Der Ladungsvermerk (Bl. 519 GA) enthält den Hinweis "term514". Einen erneuten Verlegungsantrag des Klägers vom 20.04.2022 (Bl. 522 GA) hat das Arbeitsgericht mit dem weiteren Beschluss vom 21.04.2022 erneut zurückgewiesen.
Am 21.04.2022 ist beim Arbeitsgericht um 9.58 Uhr das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden der erkennenden Kammer des Arbeitsgerichts eingegangen (Bl. 532 GA). Um 11.00 Uhr hat der Vorsitzende nach nochmaligem Aufruf der Sache gegen den nicht erschienenen Kläger ein Zweites Versäumnisurteil erlassen, mit dem der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 05.10.2022 verworfen wurde (Bl. 543 ff. GA). Nach seiner dienstlichen Stellungnahme vom gleichen Tag hat er von dem Ablehnungsgesuch des Klägers erst um 11.15 Uhr nach Erlass des Zweiten Versäumnisurteils Kenntnis erlangt (Bl. 537 GA). Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist nachfolgend mit Beschluss des Arbeitsgerichts 19.05.2022 ohne Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden als unbegründet zurückgewiesen worden (Bl. 670 ff. GA).
Der Kläger hat gegen das am 28.04.2022 zugestellte Zweite Versäumnisurteil vom 21.04.2022, das fälschlich das Verkündungsdatum "25.04.2022" trägt, mit am 27.05.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 27.07.2022 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Der Kläger macht mit der Berufungsbegründung zum einen geltend, er sei zu dem Termin am 21.04.2022 nicht ordnungsgemäß geladen gewesen. Die Ladungsfrist sei nicht eingehalten und zudem der Hinweis nach § 215 Abs. 1 ZPO über die Folgen der Versäumung eines Termins nicht erfolgt. Zum anderen habe das Zweite Versäumnisurteil deshalb nicht ergehen dürfen, weil das Ablehnungsgesuch bereits etwa eine Stunde vor seinem Erlass beim Arbeitsgericht eingegangen sei.
Der Kläger beantragt,
hilfsweise beantragt der Kläger,
Die Beklagte beantragt,
Sie hält die Berufung des Klägers für unzulässig wie auch für unbegründet.
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung war gemäß §§ 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Vorsitzenden sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag als unzulässig zu verwerfen.
1. Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf das Berufungsgericht eine Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des angegriffenen Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs nach pflichtgemäßem Ermessen nur zurückverweisen, wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen ist, weil ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat und eine Partei die Zurückverweisung beantragt hat. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist dabei insgesamt, also auch unabhängig von einer Zurückverweisung, nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von der Schlüssigkeit der Darlegung hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen soll, ist vollständig und schlüssig innerhalb der Frist der Berufungsbegründung vorzutragen (BGH 23.06.2022 - VII ZB 58/21, Rn. 13 mwN).
Schlüssig ist der betreffende Vortrag, wenn die Tatsachen, die die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen sollen, innerhalb der Frist zur Berufungsbegründung so vollständig und frei von Widersprüchen vorgetragen werden, dass sie, ihre Richtigkeit unterstellt, den Schluss auf fehlendes Verschulden erlauben. Dabei dürfen die Gerichte die Anforderungen an den auf § 514 Abs. 2 ZPO gestützten Parteivortrag mit Blick auf den verfassungsrechtlichen garantierten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör nicht überspannen (BGH 23.06.2022 - VII ZB 58/21, Rn. 14 mwN).
2. Danach hat die Berufung des Klägers gegen das zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.04.2022 keinen Erfolg. Der Kläger hat mit der Berufungsbegründung keinen Sachverhalt behauptet, aus dem sich ergeben kann, dass ein Fall unverschuldeter Säumnis vorlag.
a. Das gilt zunächst, soweit der Kläger geltend macht, zum Termin am 21.04.2022 nicht ordnungsgemäß geladen gewesen zu sein. Selbst wenn das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung unterstellt wird, war er zu dem Termin am 21.04.2022 ordnungsgemäß geladen. Die Ladungsfrist war eingehalten und auch der Hinweis nach § 215 Abs. 1 ZPO gegeben worden.
aa. Die Umladung zum 21.04.2022 ist dem Kläger rechtzeitig zugestellt worden. Auf den Verlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht den zuvor auf den 28.04.2022 bestimmten Termin mit Beschluss vom 31.03.2022 auf den 21.04.2022 vorverlegt (Bl. 507 GA). Ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 511 GA) ist dem Kläger diese Umladung am 04.04.2022 und damit mehr als zwei Wochen vor dem Termin zugegangen. Die Ladungsfrist von drei Tagen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 217 ZPO ist somit eingehalten. Auf die mit der Ablehnung seines Verlegungsantrags vom 14.04.2022 verbundene erneute "Umladung" des Klägers auf denselben Termin, dem Kläger zugestellt am 20.04.2022, kommt es nicht mehr an.
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung bestreitet, die urkundlich belegte Zustellung am 04.04.2022 erhalten zu haben und hierfür seine Parteivernehmung anbietet, behauptet er keinen schlüssigen Sachverhalt, aus dem sich ergeben kann, dass ein Fall unverschuldeter Säumnis vorlag.
(1) Die unbestritten vorliegende Zustellungsurkunde mit ihrem unbestrittenen und ordnungsgemäß ausgefüllten Inhalt begründet vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen; der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 182, 180, 418 Abs. 1 und 2 ZPO). Für den Beweis der Unrichtigkeit genügt es nicht, wenn der Adressat der Zustellung schlicht bestreitet, das Schriftstück erhalten zu haben. Für den Gegenbeweis ist es vielmehr erforderlich, einen anderen als den beurkundeten Geschehensablauf zu beweisen und somit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine objektive Falschbeurkundung zu belegen. Notwendig ist der volle Beweis von Tatsachen, die die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräften und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausschließen (BGH 10.11.2005 - III ZR 104/05, Rn. 12; BFH 21.01.2015 - X R 16/12, Rn. 31).
(2) Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde dem Kläger die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 21.04.2022 am 04.04.2022 zugestellt, wobei der Zusteller den Kläger in seiner Wohnung nicht angetroffen, die Ladung jedoch gemäß § 176 Abs. 2 iVm. § 180 ZPO in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt hat. Ein für einen Gegenbeweis geeigneter Sachvortrag, demzufolge die Angaben in der Zustellungsurkunde nicht zutreffen können, ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers insgesamt nicht. Das gilt sowohl für die angebotene Parteivernehmung, wonach die Ladung entgegen der Beurkundung nicht zugegangen sei, als auch insbesondere für den Vortrag, dass die Zustellungsurkunde am Tage der Einsichtnahme des Klägers in die Verfahrensakte, dem 12.04.2022 (dieses Datum meint der Kläger auf S. 3 unten der Berufungsbegründung offensichtlich), in der Akte nicht vorhanden gewesen sei. Unstreitig existiert die Zustellungsurkunde mit dem mitgeteilten Inhalt im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Sie könnte ohne weiteres einige Tage nach der Einsichtnahme zur Akte genommen worden sein. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben in der Zustellungsurkunde nicht zutreffen können, ergeben sich daraus nicht.
Einer Entscheidung darüber, ob eine etwaig fehlerhafte Zustellung der Ladung gemäß §§ 189, 295 ZPO geheilt ist, da der Kläger den Verlegungsbeschluss unstreitig am 31.03.2022 per Fax erhalten und einen Verlegungsantrag gestellt hat, bedarf es danach nicht mehr.
bb. Die Ladung ist auch nicht wegen unterbliebenen Hinweises nach § 215 ZPO unwirksam. Auch hier kann dahinstehen, ob eine etwaig aus diesem Grund fehlerhafte Zustellung der Ladung gemäß §§ 189, 295 ZPO geheilt wäre. Denn der Kläger hat wiederum keinen schlüssigen Sachvortrag dafür geleistet, dass der Hinweis nach § 215 Abs. 1 ZPO unterblieben wäre. Sein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) genügt auch an dieser Stelle nicht.
(1) Gemäß § 215 Abs. 1 ZPO ist in der Ladung zur mündlichen Verhandlung u.a. über die Folgen einer Versäumung des Termins zu belehren (§§ 330 bis 331a ZPO). Die hier streitige Belehrung über die Folgen einer Versäumung des Termins (§§ 330 bis 331a ZPO) umfasst den Hinweis, dass gegen die nicht erschienene Partei ein sofort vollstreckbares Versäumnisurteil nebst Auferlegung der Kosten oder aber - nach Maßgabe des § 331a ZPO - ein Urteil nach Lage der Akten erlassen werden kann. Ohne diesen Hinweis ist die Ladung nicht ordnungsgemäß und wäre der Erlass eines Versäumnisurteils unzulässig (§ 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Ein Fall schuldhafter Versäumung (§ 514 Abs. 2 ZPO) hätte nicht vorgelegen.
(2) Der Sachvortrag des Klägers besagt indessen nicht schlüssig, dass der Hinweis nach § 215 Abs. 1 ZPO unterblieben wäre. Sein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) ist ohne nähere Darlegungen unzulässig. Die ordnungsgemäße Ladung nebst Belehrung nach § 215 ZPO ist aus diesem Grund als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO).
(a) Es steht zunächst, wie soeben dargelegt, aufgrund der Beweiswirkung der Zustellungsurkunde gemäß §§ 182, 418 ZPO fest, dass dem Kläger die Ladung zum 21.04.2022 zugegangen ist. Auf den Inhalt der zugestellten Ladung im Einzelnen, also hier die Beifügung der Belehrung nach § 215 ZPO, erstreckt sich die Beweiswirkung des § 418 ZPO allerdings nicht (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, § 182 Rn. 14 mwN).
(b) Gleichwohl genügt der Kläger seiner Darlegungslast nicht, wenn er lediglich mit Nichtwissen bestreitet, dass der Ladung, die er nicht erhalten habe, die Belehrung beigefügt gewesen ist. Denn mit dem bewiesenen Zugang der Ladung ist dem Rechtsstreit zugrunde zu legen, dass der Kläger zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Ladung und ihrem Inhalt erlangt hat. In diesem Fall hat der Kläger darzutun, warum er trotz dieser Möglichkeit keine Kenntnis vom Inhalt der Ladung hat und diese auch nicht erlangen kann. Erst wenn das Gericht seine dahingehenden Darlegungen für zumindest nach der Lebenserfahrung glaubhaft hält, hat es sein Bestreiten mit Nichtwissen zu beachten, anderenfalls ist das Bestreiten unbeachtlich und das Vorbringen der Gegenseite gilt als zugestanden. (vgl. BGH 10.10.1994 - II ZR 95/93, Rn. 20 mwN; BGH 19.04.2001 - I ZR 238/98, Rn. 30; BGH 05.11.2014 - III ZR 559/13, Rn 12 mwN; MüKo/Fritsche, ZPO 6. Aufl. 2020, § 138 Rn 32 f. mwN; ZöllerGreger, ZPO, § 18 Rn 14 mwN).
(c) Der Kläger hat in der Berufungsschrift mit keinem Wort dargelegt, warum er trotz der Möglichkeit zur Kenntnisnahme von der Ladung deren ordnungsgemäßen Inhalt mit Nichtwissen bestreitet. Es ist nicht ausgeführt, ob der Kläger allein lebt, die Sendung im Haus verloren gegangen ist oder aus sonstigen Gründen der Kläger im Rechtsstreit keine Kenntnis mehr von ihrem Inhalt hat. Ohne darauf gerichtete Ausführungen, deren Glaubhaftigkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung zu prüfen wäre, ist das Bestreiten des Klägers daher unzulässig und der Vortrag der Gegenseite als zugestanden anzusehen (§ 138 Abs. 3 ZPO).
(d) Das Bestreiten des Klägers ist noch aus einem weiteren Grund unbeachtlich. Aus dem Hinweis "term506" im Ladungsvermerk auf Bl. 508 GA, der von der Geschäftsstellenmitarbeiterin unterzeichnet ist, in Verbindung mit der Zustellungsurkunde Bl. 511 GA, die u.a. als zuzustellendes Dokument "L z. 21.04.2022, 10:45 Uhr", also die fragliche Ladung ("L") aufführt, folgt jedenfalls indiziell, dass die Zustellung auch inhaltlich ordnungsgemäß mit dem Hinweis nach § 215 ZPO versehen war. Bei der Ladung "term506" handelt es sich um die europarechtlich gebotene und seit vielen Jahren beim erkennenden Gericht standardisierte Ladung zum Kammertermin, mit der zwingend, d.h. automatisiert und nicht abwählbar, der sogenannte "Hinweis Kammertermin" verbunden ist. Dessen Inhalt entspricht der Vorschrift des § 215 Abs. 1 ZPO. Auf die den Parteien mit Beschluss der erkennenden Kammer vom 16.11.2022 zugeleiteten Anlagen, insbesondere die PC-Maske zur Erzeugung des Ladungsformulars (Bl. 799 GA) und eine - beispielhaft ausgewählte - Ladung mit "Hinweis Kammertermin" (Bl. 800 f. GA) wird verwiesen. Ladungen, die mit "term506" gekennzeichnet sind, enthalten somit stets automatisch den "Hinweis Kammertermin". Dieser lautet auszugsweise (vgl. Bl. 800 f. GA):
Dieser Hinweis genügt den Anforderungen des § 215 ZPO. Etwas anderes macht auch der Kläger nicht geltend.
Bei diesem Bild genügt das schlichte Bestreiten, dass die Belehrung nach § 215 ZPO mit der Ladung erfolgte, nicht. Vielmehr verbleibt es bei der aufgrund des unterzeichneten Ladungsvermerks "term5" indizierten ordnungsgemäßen Ladung mit der Belehrung nach § 215 ZPO auch im hier gegebenen Einzelfall. Substantielle Anhaltspunkte für Zweifel an der indizierten Tatsache hat der Kläger nicht vorgetragen. Insbesondere stehen seine Hinweise auf die Anlagen BB4 (Bl. 723 GA) und BB7 sowie ein Schreiben des Arbeitsgerichts vom 19.04.2022 dem nicht entgegen. Bei diesen Dokumenten handelt es sich gerade nicht um Ladungen. Ihr Inhalt besagt daher nichts über den hier allein fraglichen Inhalt der am 04.04.2022 zugestellten Ladung zum 21.04.2022. Für die Spekulation des Klägers, die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts könnte entgegen dem Ladungsvermerk "term506" (Bl. 508 GA) etwas anderes in den Postausgang gelegt haben, bedürfte es näherer Anhaltspunkte. Dafür spricht nichts. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist die Ladung zum 21.04.2022 dem Kläger unter seiner Anschrift zugestellt worden. Der Hinweis nach § 215 ZPO befindet sich auf der ersten und zweiten Seite der Ladung im Fließtext unterhalb der Adressanschrift. Auch der Umstand, dass Ladungsvermerke des Arbeitsgerichts bei anderweitigen Ladungen der Parteien gelegentlich mit "term514" gekennzeichnet sind und dann in den entsprechenden Ladungen lediglich darauf hingewiesen wird, dass "die Anordnungen und Hinweise der früheren Ladungen … auch für den neuen Termin" gelten, ändert daran nichts. Der Ladungsvermerk der hier fraglichen Ladung vom 31.03.2022 zum Termin am 21.04.2022 enthält gerade den Hinweis "term506", nicht aber den Hinweis "term514".
b. Der Kläger hat das Nichtvorliegen einer schuldhaften Versäumung (§ 514 Abs. 2 ZPO) auch nicht dadurch dargelegt, dass er - unstreitig - am 21.04.2022 um 09:58 Uhr und damit vor Erlass des Zweiten Versäumnisurteils ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der erkennenden Kammer des Arbeitsgerichts angebracht hat. Zwar unterliegt der Vorsitzende bereits mit Eingang des Ablehnungsgesuchs und unabhängig von seiner persönlichen Kenntnis einem Handlungsverbot nach Maßgabe des § 47 ZPO (vgl. BGH 08.02.2001 - III ZR 45/00; OLG Frankfurt am Main 14.11.1997 - 3 WS 921/97). Doch sind seine entgegen diesem Verbot vorgenommenen Handlungen - hier der Erlass eines Zweiten Versäumnisurteils um 11.00 Uhr - geheilt, sobald das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen wird (BAG 28.12.1999 - 9 AZN 739/99). Dies ist hier der Fall. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist mit Beschluss des Arbeitsgerichts 19.05.2022 ohne Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden als unbegründet zurückgewiesen worden (Bl. 670 ff. GA). Der Beschluss bedurfte zu seiner Wirksamkeit entgegen der Auffassung des Klägers gemäß § 329 Abs. 2 ZPO auch nicht der Zustellung, da er gemäß § 49 Abs. 3 ArbGG nicht rechtsmittelfähig ist.
Hierauf ist der Kläger mit Beschluss des Berufungsgerichts vom 16.11.2022 hingewiesen worden (Bl. 797 f. GA). Er ist dem nachfolgend nicht mehr entgegengetreten.
3. Sonstige Gründe dafür, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 Abs. 2 ZPO), hat der Kläger innerhalb der am 28.07.2022 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist (Bl. 699 GA) nicht vorgebracht. Soweit er mit Schriftsatz vom 19.12.2022 unter Ziffn. 3 und 4 geltend macht, dass das Arbeitsgericht seine Terminverlegungsanträge für den 21.04.2022 zu Unrecht zurückgewiesen hätte, handelt es sich um einen neuen, außerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgebrachten Grund dafür, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen soll, ist indessen vollständig und schlüssig innerhalb der Frist der Berufungsbegründung vorzutragen (BGH 23.06.2022 - VII ZB 58/21, Rn. 13 mwN). Ob das Arbeitsgericht die Terminverlegungsanträge - entgegen der im Beschluss zur Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf S. 6 f. geäußerten Auffassung (Bl. 676 GA) - zu Unrecht zurückgewiesen hat, war daher nicht zu entscheiden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Für die Zulassung der Revisionsbeschwerde gemäß §§ 77 Satz 1 und 2, 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine Veranlassung.