Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

Zurück

Urteil vom 04.11.2022 · IWW-Abrufnummer 234194

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 6 Sa 333/22

1. Zu den Bemessungsgrundlagen, bei denen gemäß § 2 Abs. 5 S. 1 u. 2 BetrAVG a.F. bzw. § 2a Abs. 1 BetrAVG n.F. Veränderungen nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers außer Betracht bleiben, gehört auch die gesetzliche Altersgrenze. Im Rahmen einer Gesamtversorgung gilt dies sowohl für das Regelalter zum Bezug der Betriebsrente als auch für die Berechnung der anzurechnenden Sozialversicherungsrente.

2. Hat ein Arbeitgeber eine in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelte Versorgungsordnung seit mehreren Jahrzehnten in der Weise angewandt, dass im Falle einer Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze selbst dann keine Kürzung vorgenommen worden ist, wenn die Arbeitnehmer vorzeitig ausgeschieden sind, so lässt diese Vollzugspraxis Rückschlüsse auf einen entsprechenden Regelungsinhalt zu.


Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2022 - AZ. 2 Ca 1927/21 - wird zurückgewiesen.


II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.


III. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersversorgung des Klägers.



Der am 18.03.1955 geborene Kläger war vom 01.01.1981 bis zum 31.12.1998 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich: Beklagte) beschäftigt. Ihm war eine Versorgungszusage gemäß den zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Beklagten vereinbarten "Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung der Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft, F." (im Folgenden: RL 02/89) erteilt worden. Diese lauteten auszugsweise wie folgt:

"Präambel Durch die Neuregelung der Ruhegeldrichtlinien für die Mitarbeiter, die vor dem 01.04.1986 schon im Unternehmen beschäftigt waren, sollen die wirtschaftliche Belastung des Unternehmens verringert und die künftige Belastung kalkulierbar gemacht werden. Dies soll insbesondere erreicht werden durch: - Abbau der Überversorgung, - Ausgleich der seit 1966 eingetretenen und nicht in den Risikobereich des Unternehmens fallenden Mehrbelastungen, - Begrenzung des Risikos des Unternehmens aus der Gesamtversorgung für den Fall, daß die Renten aus der Sozialversicherung sinken. [...] § 2 Voraussetzungen für die Ruhegeldgewährung (1)Voraussetzungen für die Gewährung von Ruhegeld sind: 1. das Bestehen eines mindestens zehnjährigen ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses mit dem Unternehmen und 2. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen a) der Vollendung des 65. Lebensjahres oder b) der Inanspruchnahme der vorgezogenen oder flexiblen Altersrente oder c) einer durch den Rentenversicherungsträger anerkannten Erwerbsunfähigkeit. [...] § 4 Höhe des Ruhegeldes (1) Das Ruhegeld beträgt nach zehnjähriger Dienstzeit 35 v. H. des letzten nach § 5 ruhegeldfähigen Diensteinkommens [...]. (2) Für jedes vollendete Jahr, das der Mitarbeiter mehr als zehn Jahre ununterbrochen im Dienst des Unternehmens gestanden hat, steigt das Ruhegeld bis zum vollendeten 25. Dienstjahr um 2 v. H. und von da ab um 1 v. H. des letzten nach § 5 ruhegeldfähigen Diensteinkommens. [...] (3) Der Höchstbetrag des Ruhegeldes darf 75 v. H. des letzten ruhegeldfähigen Diensteinkommens gemäß § 5 nicht übersteigen. (4) Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 vor, beträgt das Ruhegeld mindestens 35 v. H. des letzten nach § 5 ruhegeldfähigen Diensteinkommens. (5) Auf das Ruhegeld werden die Renten nach Maßgabe des § 6 angerechnet. [...] § 6 Anrechnung von Renten und Einkommen aus Tätigkeit [...] (2) Das Ruhegeld wird um die Hälfte derjenigen Beträge vermindert, die dem Mitarbeiter aufgrund jeweils bestehender Gesetze über Renten [...] zustehen; [...] (3) Bezieht ein in den Ruhestand versetzter Mitarbeiter vor Vollendung seines 65. Lebensjahres Einkommen aus einer selbständigen oder nichtselbständigen Tätigkeit, so dürfen diese Einkommen, zu dessen wahrheitsgemäßer Angabe der Mitarbeiter verpflichtet ist, und das Ruhegeld zusammen nicht höher sein als die Bezüge im Sinne des § 5 unter Berücksichtigung der Höchstgrenzen nach § 6 Abs. 5. [...] [...] § 7 Minderung der gesetzlichen Renten [...] (2) Eine Kürzung der Sozialversicherungsrente des Mitarbeiters um Abschläge, die aufgrund vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand wegen der längeren Bezugsdauer der gesetzlichen Rente erfolgen, wird durch das Unternehmen nicht ausgeglichen und geht daher voll zu Lasten des Mitarbeiters. [...]"



Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von der Beklagten überreichte Anlage B 6, Bl. 159 ff. d. A., Bezug genommen.



Mit Schreiben vom 15.03.1999 erhielt der Kläger gemäß § 2 Abs. 6 BetrAVG a. F. eine Auskunft, dass seine auf Vollendung des 65. Lebensjahres berechnete Versorgungsleistung monatlich 2.850,28 DM betrage, was umgerechnet 1.457,33 EUR entspricht.



Seit dem 01.04.2018 bezieht der Kläger eine Altersrente für langjährige Versicherte. Mit Schreiben vom 04.04.2018 wurde der Kläger informiert, dass seine monatliche Versorgungsleistung ab dem 01.04.2018 1.420,99 EUR brutto betrage. Dabei wurde seitens der Beklagten für das vorzeitige Ausscheiden ein UVA-Quotient in Höhe von 0,4499 zugrunde gelegt. Dieser ergibt sich, wenn man von einer erreichbaren Dienstzugehörigkeit bis zum Erreichen des seit dem 01.01.2008 gültigen Regelrentenalters ausgeht, welches beim Kläger 65 Jahre und neun Monate beträgt. Ein Abzug für die Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze wurde beim Kläger ebenso wenig wie bei sämtlichen anderen vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeitern vorgenommen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage K 2, Bl. 12 f. d. A. verwiesen.



Zum 01.07.2018 erfolgte eine Anpassung der Versorgungsleistung auf 1.442,16 EUR brutto, zum 01.07.2019 auf 1.465,67 EUR brutto, zum 01.07.2020 auf 1.478,13 EUR brutto und zum 01.07.2021 auf 1.512,87 EUR brutto.



Mit seiner Klage hat der Kläger eine höhere Betriebsrente für den Zeitraum von April 2018 bis September 2021 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund seines Ausscheidens zum 31.12.1998 die damals geltende Regelaltersgrenze von 65 Jahren berücksichtigt werden müsse und eine Anpassung der Regelaltersgrenze auf in seinem Fall 65 Jahren und 9 Monaten für die Berechnung der Betriebsrente auf Grund der Veränderungssperre des früheren § 2 Abs. 2 BetrAVG und heutigen § 2a Abs. 1 BetrAVG nicht erfolgen dürfe. Daher sei der Unverfallbarkeitsquotient von 0,4499 auf 0,4586 zu erhöhen und gleichzeitig die Hochrechnung der fiktiven gesetzlichen Rente um 34,18 EUR zu reduzieren. Der Kläger hat so eine Anfangsrente in Höhe von 1.464,14 EUR errechnet, die entsprechend den erfolgten jährlichen Anpassungen zu erhöhen sei. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Klägers wird auf die Anlage K 4, Bl. 27 d. A., Bezug genommen.



Der Kläger hat beantragt:

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.865,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils für einen monatlichen Teilbetrag in Höhe von 43,15 EUR beginnend mit dem 01.05.2018 bis zum 01.07.2018, einem monatlichen Teilbetrag in Höhe von 43,80 EUR beginnend mit dem 01.08.2018 bis zum 01.07.2019, einem monatlichen Teilbetrag in Höhe von 44,51 EUR beginnend mit dem 01.08.2019 bis zum 01.07.2020, einem monatlichen Teilbetrag in Höhe von 44,89 EUR beginnend mit dem 01.08.2020 bis zum 01.07.2021 und einem monatlichen Teilbetrag in Höhe von 45,94 EUR beginnend mit dem 01.08.2021 bis zum 01.10.2021 zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Für den Fall einer Stattgabe der Klage hat sie hilfsweise im Wege der Widerklage beantragt,

an sie 1.463,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils für einen monatlichen Teilbetrag in Höhe von 31,52 EUR beginnend mit dem 01.04.2018 bis zum 01.06.2018, einen monatlichen Teilbetrag in Höhe von 31,99 EUR beginnend mit dem 01.07.2018 bis zum 01.06.2019, einen monatlichen Teilbetrag in Höhe von 32,51 EUR beginnend mit dem 01.07.2019 bis zum 01.06.2020, einen monatlichen Teilbetrag in Höhe von 32,79 EUR beginnend mit dem 01.07.2020 bis zum 01.06.2021 und einen monatlichen Teilbetrag in Höhe von 33,56 EUR beginnend mit dem 01.07.2021 bis zum 01.12.2021 zu zahlen.



Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.



Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Betriebsrente des Klägers sei zutreffend berechnet worden. Die Veränderungssperre des § 2a BetrAVG stünde einer Berücksichtigung des erhöhten Renteneintrittsalters nicht entgegen. Denn die RL 02/89 sei bereits zum Zeitpunkt des Austritts des Klägers dahingehend auszulegen gewesen, dass das jeweilige Renteneintrittsalter für die Berechnung der Betriebsrente maßgeblich gewesen sei. Die Berücksichtigung des jeweiligen Renteneintrittsalters sei auch durch die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrAVG a.F. zwingend vorgegeben. Gerade bei Gesamtversorgungssystemen wie der RL 02/89 sei es zudem zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwingend notwendig, auf das jeweilige Renteneintrittsalter abzustellen.



Sollte die Rechtsauffassung des Klägers jedoch vom Gericht als zutreffend erachtet werden, müsse jedenfalls ein untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen werden, um den vorzeitigen Rentenbezug des Klägers auszugleichen. Ein solcher Abschlag sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig. Die Regelung des § 7 Abs. 2 RL 02/89 stünde dem Abschlag nicht entgegen, da sie im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung käme. Die Betriebsrente des Klägers sei dann auf monatlich 1.389,47 EUR brutto zu reduzieren und der Kläger zur Nachzahlung von 1.463,40 EUR verpflichtet. Bezüglich der Neuberechnung der Betriebsrente wird auf die Anlage B 5, Bl. 158 d. A., verwiesen. Die Rückzahlung der sich hieraus ergebenden Überzahlungen bis einschließlich Dezember 2021 würden mit der Hilfswiderklage geltend gemacht.



Der Kläger erwidert, die Hilfswiderklage sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Beklagte sei nicht berechtigt, einen untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag von der Betriebsrente aufgrund der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente vorzunehmen. In erster Linie wendet er ein, dass die RL 02/89 einen solchen Abschlag nicht vorsehe, sondern stattdessen die Berechnung nur auf Basis einer höheren gesetzlichen Rente ermögliche. Dies gehe aus § 7 Abs. 2 RL 02/89 hervor und sei von der Beklagten - insoweit unstreitig - bislang ausnahmslos so gehandhabt worden. Jedenfalls läge ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Zudem werde die Einrede der Verwirkung und der Verjährung erhoben. Schließlich trägt der Kläger vor, im Rahmen eines Scheidungsverfahrens im Jahr 2003 habe die Beklagte beim Amtsgericht Montabaur eine Auskunft über eine Anwartschaft in Höhe von 1.897,74 EUR gegeben und damit einen Wert genannt, der deutlich über dem liege, was die Beklagte nun zugestehe. Dieser höhere Wert sei zu seinen Lasten beim Versorgungsausgleich berücksichtigt worden.



Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 08.03.2022 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dieses Urteil, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 225 ff. d. A. Bezug genommen wird, ist der Beklagten am 05.04.2022 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 14.03.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.07.2022 - mit einem am 04.07.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet.



Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Veränderungssperre des § 2a Abs. 1 BetrAVG der Berücksichtigung des zutreffenden Regelrentenalters des Klägers von 65 Jahren und neun Monaten entgegenstehe. Es habe verkannt, dass die RL 02/89 seit jeher nicht lediglich auf das Rentenalter von 65 Jahren, sondern auf die jeweilige gesetzliche Altersgrenze abgestellt habe, dementsprechend schon beim Ausscheiden des Klägers angelegt gewesen sei, dass im Falle einer Veränderung der gesetzlichen Altersgrenze auch das Rentenalter für die Betriebsrente "mitwandere". Sie beruft sich insoweit auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.03.2015 - 3 AZR 56/14; den dortigen Entscheidungsgründen lasse sich entnehmen, dass der 3. Senat bei der Berechnung des Unverfallbarkeitsquotienten bei einem vor dem 01.01.2008 ausgeschiedenen Arbeitnehmer auf das aktuelle Regelrentenalter nach dem Rentenanpassungsgesetz abgestellt habe. Jedenfalls für Gesamtversorgungszusagen müsse dies gelten. Andernfalls würde die Veränderungssperre zu einer Verbesserung gegenüber Anwärtern führen, die betriebstreu blieben und für welche dann das spätere Rentenalter zum Tragen käme. Entsprechendes gelte für die zugrunde zu legende Sozialversicherungsrente. Ein Grund dafür, nicht zumindest im Rahmen der Berechnung der anzurechnenden gesetzlichen Rente gemäß § 2a Abs. 3 S.1 BetrAVG die höhere Regelaltersgrenze des § 235 Abs. 2 SGB VI zugrunde zu legen, sei nicht ersichtlich.



Sollte man jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass auf das frühere Rentenalter von 65 Jahren abzustellen sei, so sei die Vornahme eines untechnischen versicherungsmathematischer Abschlag zulässig und geboten. Nach ständiger Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts könne für den Fall der vorzeitigen Inanspruchnahme ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen werden, sofern ein solcher nach den maßgeblichen Regelungen nicht ausgeschlossen sei. Da die RL 02/89 für die vorzeitige Inanspruchnahme vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer keine Regelung getroffen habe, sei der Abschlag zulässig. § 7 Abs. 2 RL 02/89 beinhalte keine den Abschlag ausschließende Sonderregelung, da er nur bei Betriebsrentnern zur Anwendung komme, die bis zum Rentenbeginn betriebstreu geblieben seien. Dementsprechend sei der Kläger in der Vergangenheit überzahlt worden. Mit den sich hieraus ergebenden Gegenansprüchen werde hilfsweise die Aufrechnung erklärt. Jedenfalls aber wäre bei Zuerkennung der klägerischen Forderungen die Hilfswiderklage begründet.



Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2022, Az. 2 Ca 1927/21, abzuändern und die Klage abzuweisen;



hilfsweise,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2022, AZ. 2 Ca 1927/21, teilweise abzuändern und auf die Hilfswiderklage den Kläger zu verurteilen, an sie 1.463,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 31,52 EUR beginnend mit dem 01.04.2018 bis zum 01.06.2018, aus 31,99 EUR für den Zeitraum 01.07.2018 bis zum 01.06.2019, aus 32,51 EUR für den Zeitraum 01.07.2019 bis zum 01.06.2020, aus 32,79 EUR für den Zeitraum 01.07.2020 bis zum 01.06.2021 und aus 33,56 EUR für den Zeitraum 01.07.2021 bis zum 01.12.2021 zu zahlen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvorbringens. Er meint, selbst wenn die RL 02/89 eine dynamische Verweisung auf das jeweilige Rentenalter enthielten, greife im Hinblick auf die bei ihm zum Zeitpunkt seines Ausscheidens geltende Altersgrenze von 65 Jahren die Veränderungssperre des § 2a BetrAVG bzw. der damaligen gesetzlichen Regelung. Dies entspreche der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Veränderungssperre gelte nicht nur für die erreichbaren Dienstjahre bei der Berechnung des Unverfallbarkeitsquotienten, sondern auch bei der fiktiven Berechnung der anzurechnenden Sozialversicherungsrente auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Ausscheidens bekannten Daten. Im Übrigen sei es nicht zutreffend, dass die RL 02/89 einzig davon ausgingen, dass die Beschäftigten mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gingen, wie § 2 Abs. 2 lit. b) RL 02/89 zeige.



Bezüglich des von der Beklagten vorgenommenen untechnischen mathematischen Abschlags für die vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente führt der Kläger aus, die RL 02/89 hätten in § 7 Abs. 2 RL 02/89 abschließend geregelt, welche Kürzung bei einem vorzeitigen Bezug der Rente vorzunehmen sei. Der Einwand der Beklagten, dass § 7 Abs. 2 bei der Berechnung des Klägers nicht zur Anwendung komme, sei irrelevant, da insoweit eine abschließende Regelung vorliege.



Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A.



Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Beklagte gemäß dem Klageantrag verurteilt und die Hilfswiderklage abgewiesen.



I. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.



Die Berufung ist statthaft gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG und nach Maßgabe der §§ 66 Abs.1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.



II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.



1. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.



a) Dem Kläger stand zum 01.04.2018 eine Anfangsrente in Höhe von 1.464,14 EUR brutto zu.



aa) Ausgehend von dem unstreitigen ruhegeldfähigen Einkommen in Höhe von 11.800,- DM (= 6.033,24 EUR) errechnet sich ein erreichbares Ruhegeld in Höhe von 75 %, was einem Betrag von 4.524,93 EUR entspricht.



bb) Hierauf ist die Sozialversicherungsrente in Höhe von 1.742,05 EUR im Umfang von 50%, also einem Betrag von 871,03 EUR anzurechnen.



aaa) Da gemäß § 2 Abs. 5 S. 1 BetrAVG a. F. Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen für die Leistung der betrieblichen Altersversorgung außer Betracht bleiben, ist nicht auf die tatsächliche Altersrente des Klägers abzustellen, sondern zum Zeitpunkt des Ausscheidens anhand der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Parameter eine Berechnung der mutmaßlichen Sozialversicherungsrente vorzunehmen. Diese Hochrechnung hat anhand der durch den Rentenbescheid nachgewiesenen Entgeltpunkte zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens unter Hinzurechnung der für die Zeit bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze noch zu erreichenden Entgeltpunkte zu erfolgen (vgl. nur BAG v. 19.06.2012 - 3 AZR 289/10 - Rn. 30, juris). Diese Entgeltpunkte sind mit dem beim Ausscheiden gültigen Rentenwert zu multiplizieren (BAG v. 19.06.2012 aaO).



bbb) Bei der Hochrechnung der zu erreichenden Entgeltpunkte ist auf das 65. Lebensjahr als das im Jahr 1998 gültige Regelrentenalter, nicht auf das infolge des Rentenanpassungsgesetzes zum 01.01.2008 angehobene Rentenalter abzustellen.



Zu den Bemessungsgrundlagen, bei denen Veränderungen nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers außer Betracht bleiben, gehören gemäß § 2 Abs. 5 S.1 Halbs. 2 BetrAVG in der am 31.12.1998 gültigen Fassung auch die Bemessungsgrundlagen anderer Versorgungsbezüge, die bei der Berechnung der Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu berücksichtigen sind. Hierzu zählt - wie § 2 Abs. 5 S.2 BetrAVG a. F. zu entnehmen ist - insbesondere eine anzurechnende Rente der Sozialversicherung. Unter Bemessungsgrundlagen versteht man alle rechnerischen Größen des Leistungsumfangs (vgl. etwa Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 8. Auflage 2022, § 2a Rn. 26; ähnlich Schipp in Henssler/Willemsen/Kalb [HWK], Arbeitsrecht-Kommentar, 10. Auflage 2022, § 2a BetrAVG Rn. 4). Dies umfasst die für die Berechnung maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (vgl. BAG v. 19.03.2019 - 3 AZR 201/17 - Rn. 95, juris; BAG v. 20.02.2018 - 3 AZR 239/17 - Rn. 20, juris; BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 60, juris; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, § 2a Rn. 26). Hierzu gehört auch die gesetzliche Altersgrenze (BAG v. 19.03.2019, v. 20.02.2018 und v. 15.05.2012 aaO; HWK-Schipp, § 2a BetrAVG Rn. 3). Sinn und Zweck der Veränderungssperre ist nämlich, dass mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Klarheit über die Höhe der Anwartschaft besteht (BAG v. 20.02.2018 aaO; BAG v. 29.09.2010 - 3 AZR 564/09 - Rn. 15 mwN).



Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass durch die Festschreibung der früheren Altersgrenze die im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer schlechter gestellt würden, da für diese die höheren Altersgrenzen nach dem Rentenanpassungsgesetz gelten. Der Gesetzgeber hat es bewusst in Kauf genommen, dass sich die Versorgungsanwartschaft für ausscheidende Arbeitnehmer einerseits und im Betrieb verbleibende Arbeitnehmer andererseits unterschiedlich darstellt (BAG v. 29.09.2010 aaO; BAG v. 11.12.2007 - 3 AZR 127/07 - Rn. 20, juris). Ohnehin ist mit der Veränderungssperre keine grundsätzliche Besserstellung verbunden. Die Festschreibung kann sich je nach der späteren Entwicklung der Bemessungsgrundlagen im Einzelfall zugunsten oder zuungunsten des ausgeschiedenen Mitarbeiters auswirken.



ccc) Damit sind nicht - wie geschehen - 72,9159, sondern nur 71,5128 erreichbare Entgeltpunkte anzusetzen, die multipliziert mit dem unstreitig beim Ausscheiden des Klägers gültigen Rentenwert von DM 47,65 = EUR 24,36 die fiktive Sozialversicherungsrente von 1.742,05 EUR ergeben.



cc) Im nächsten Zwischenschritt ist die Hälfte der Sozialversicherungsrente von der Betriebsrente zu subtrahieren: 4.524,93 EUR - 871,03 EUR = 3.653,90 EUR.



dd) Anschließend ist eine Beschränkung des Gesamtruhestandseinkommens (Betriebsrente + Sozialversicherungsrente) auf einen bestimmten Prozentsatz des ruhegeldfähigen Einkommens vorzunehmen. Beide Parteien setzen insoweit übereinstimmend 75,5 % von 13/12 des ruhegeldfähigen Einkommens an, was einem Betrag von 4.934,69 EUR entspricht. Das Gesamtruhestandseinkommen des Klägers läge um 461,26 EUR über dieser Grenze, so dass in Höhe dieser Differenz ein Abzug von der errechneten Betriebsrente vorzunehmen ist (3.653,90 EUR - 461,26 EUR = 3.192,64 EUR).



ee) Die so ermittelte Vollrente ist zeitratierlich entsprechend den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 S.1 BetrAVG a. F. im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit zu kürzen (vgl. nur BAG v. 19.06.2012 - 3 AZR 289/10 - Rn. 26). Dabei ist wiederum auf die zum Zeitpunkt des Ausscheidens gültige Altersgrenze, nicht auf das nach dem Rentenanpassungsgesetz geltende Rentenalter abzustellen.



Es gelten insoweit dieselben Gründe wie bei der Berechnung der anrechenbaren Sozialversicherungsrente. Es war der in § 2 Abs. 1 BetrAVG a. F. zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers, dass aus Gründen der Rechtssicherheit mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers Klarheit über die Höhe der Anwartschaft bestehen sollte.



Unerheblich ist, ob die RL 02/89 so auszulegen ist, dass in § 2 Abs. 2 lit. a) nicht das 65. Lebensjahr als feste Altersgrenze festgeschrieben wird, sondern auf die jeweils gültige Regelaltersgrenze abzustellen ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Auslegung der Versorgungszusage in der Regel zu einem "Mitwandern" der Altersgrenze führt; die Benennung der Vollendung des 65. Lebensjahrs stellt typischerweise eine dynamische Verweisung auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung dar (grundlegend BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 46 ff., juris). Gerade bei Gesamtversorgungssystemen wird man im Wege der Auslegung regelmäßig nicht zu dem Ergebnis kommen, dass der Arbeitgeber die Betriebsrente bereits zu einem Zeitpunkt zahlen will, in dem eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht beansprucht und damit auch nicht angerechnet werden kann (BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 50, juris). Auch wenn hiernach bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers die Option bestanden haben sollte, dass dieser erst zu einem nach der Vollendung des 65. Lebensjahres liegenden Zeitpunkt das Rentenalter gemäß § 2 Abs. 2 lit. a. RL 02/89 erreichen würde, ändert dies nichts an der Geltung der Veränderungssperre. Für diese kommt es allein auf die zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers geltende Bemessungsgrundlage an. Eine Berücksichtigung zukünftiger Änderungen kommt nur dann in Betracht, wenn die künftige Entwicklung bestimmter Faktoren durch die bei Ausscheiden bereits vorhandenen Bemessungsgrundlagen feststeht (BAG v. 29.09.2010 - 3 AZR 564/09 - Rn. 15, juris). Dass die Altersgrenze für den Geburtsjahrgang des Klägers durch das erst später in Kraft getretene Rentenanpassungsgesetz vom 65. Lebensjahr auf 65 Jahre und neun Monate angehoben würde, stand zum 31.12.1998 nicht fest.



Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich aus dem von ihr zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.03.2015 - 3 AZR 56/14 - nichts Abweichendes herleiten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die in der vorgenannten Entscheidung vorgenommene Berechnung so zu verstehen ist, dass das Bundesarbeitsgericht den Festschreibeeffekt des § 2 Abs. 5 BetrAVG a. F. nicht auf die Altersgrenze erstreckt hat. Selbst wenn dies so sein sollte, so hat der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts hieran später nicht mehr festgehalten und anschließend in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es bei einem Ausscheiden vor dem 01.01.2008 für die Berechnung der Betriebsrente auf die spätere Anhebung der Altersgrenze durch das Rentenanpassungsgesetz nicht ankomme (so explizit BAG v. 19.03.2019 - 3 AZR 201/17 - Rn. 95 und BAG v. 20.02.2018 - 3 AZR 239/17 - Rn. 20, beide juris; ebenso, aber ohne Begründung: BAG v. 13.10.2016 - 3 AZR 438/15 - juris; vgl. zuvor bereits BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 60, juris).



Nichts Anderes ergibt sich schließlich daraus, dass es sich vorliegend - anders als in den Fällen, die den BAG-Entscheidungen v. 19.03.2019 und 20.02.2018 zugrunde lagen - um ein Gesamtversorgungssystem handelt. Die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 BetrAVG a. F. gilt selbstverständlich auch für Gesamtversorgungen, wie § 2 Abs. 5 S.1 HS. 2 und S.2 BetrAVG a. F. zu entnehmen ist. Ein Grund, die Altersgrenze von der Veränderungssperre bei Gesamtversorgungssystemen auszunehmen, ist nicht ersichtlich (vgl. auch BAG v. 13.10.2016 aaO).



ff) Damit ist neben den unstreitig vom Kläger abgeleisteten 216 Monaten Dienstzeit von einer erreichbaren Dienstzeit von 471 Monaten bis zum 65. Lebensjahr auszugehen. Der für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzusetzende Quotient beträgt: 216/471 = 0,4586.



Es errechnet sich hiernach folgende Rente: 3.192,64 EUR x 0,4586 = 1.464,14 EUR.



gg) Von diesem Betrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten kein weiterer Abzug aufgrund der vorzeitigen Inanspruchnahme der Betriebsrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres vorzunehmen.



aaa) Dieser Einwand ist bereits im Rahmen der Entstehung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs zu prüfen, obwohl die Beklagte ihn nicht explizit hierauf bezogen, sondern zum Gegenstand einer Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage gemacht hat. Sollte die Ansicht der Beklagten hinsichtlich der vorzunehmenden Kürzung zutreffen, so wäre unabhängig von etwaigen Gegenforderungen bereits die Klage unbegründet. Die Berücksichtigung insoweit verstößt nicht etwa gegen die Dispositionsmaxime. An welcher Stelle die von einer Partei erhobene Einwendung von Relevanz ist, obliegt als reine Rechtsfrage nicht der Disposition der Parteien.



bbb) Grundsätzlich ist bei Versorgungszusagen, die keinen versicherungsmathematischen Abschlag vorsehen, die Höhe der vorgezogenen Betriebsrente eines vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft Ausgeschiedenen durch eine doppelte zeitratierliche Kürzung zu ermitteln. Wenn und soweit dem Gesichtspunkt der vorzeitigen Inanspruchnahme in der Versorgungsordnung Rechnung getragen wird, z.B. indem ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgesehen ist, verbleibt es allerdings dabei. Enthält die Versorgungsordnung hingegen keine Wertung, hat der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts als Auffangregelung einen sog. untechnischen versicherungsmathematischen Abschlag entwickelt. Dieser erfolgt durch eine weitere zeitratierliche Kürzung, indem die nach § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG a. F. errechnete Betriebsrente im Verhältnis der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme und der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze gekürzt wird (vgl. etwa BAG v. 19.05.2016 - 3 AZR 131/15 - und BAG v. 10.12.2013 - 3 AZR 832/11 - Rn 29, beide juris). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Betriebsrentenbezug sich durch die vorzeitige Inanspruchnahme verlängert.



Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos. Vielmehr kann sich aus der Auslegung einer Versorgungsordnung ergeben, dass die Berechnung der (Regel-) Altersrente auch für den Fall der vorgezogenen Inanspruchnahme gelten soll und dementsprechend kein Abschlag vorzunehmen ist (vgl. etwa BAG v. 11.11.2014 - 3 AZR 191/12, juris; BAG v. 10.12.2013 - 3 AZR 726/11, juris).



ccc) Im Streitfall ergibt die Auslegung der RL 02/89, dass im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Betriebsrente kein untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag vorzunehmen ist.



(1) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihrer normativen Wirkung wie Tarifverträge und damit wie Gesetze auszulegen (vgl. nur BAG v. 25.09.2018 - 3 AZR 333/17 - Rn. 16). Auszugehen ist vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG v. 25.09.2018 - 3 AZR 333/17 - Rn.17, juris; BAG v. 08.12.2015 - 3 AZR 267/14 - Rn. 22, juris).



(2) Die Auslegung der RL 02/89 ergibt, dass keine Kürzung für die vorzeitige Inanspruchnahme vorgenommen werden soll.



(a) Allerdings ist der Wortlaut insoweit unergiebig. Eine explizite Regelung findet sich in den RL 02/89 weder für die bis zum Beendigungszeitpunkt betriebstreuen noch für die vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer (so auch BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 475/09 - Rn. 31, juris).



Der Systematik der Betriebsvereinbarung lässt sich aber entnehmen, dass kein Abschlag vorgenommen werden soll. So ist die vorgezogene Altersrente als gleichwertiger Fall einer Ruhegeldgewährung neben dem Erreichen des 65. Lebensjahres - bzw. des Regelrentenalters - und der Erwerbsunfähigkeit genannt. Anschließend wird in § 4 die Höhe des Ruhegeldes für alle in § 2 genannten Versorgungsfälle einheitlich geregelt. Hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeitsrente gibt es für den Fall, dass die Erwerbsunfähigkeit auf einen Arbeitsunfall oder eine Berufsunfähigkeit zurückzuführen ist, eine Sonderbestimmung (§ 4 Abs. 4 RL 02/89). Hingegen fehlt es für die vorgezogene - oder "flexible" - Altersrente an einer Sonderregelung, so dass es insoweit bei den allgemeinen Berechnungsregelungen bleiben soll.



Weiter spricht § 7 Abs. 2 RL 02/89 dafür, dass die Betriebsparteien keine Kürzung der Betriebsrente im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme vornehmen wollten. Danach wird sichergestellt, dass die Kürzung der Sozialversicherungsrente durch die vorzeitige Inanspruchnahme im Rahmen des Gesamtversorgungssystems nicht zu einer Erhöhung des von der Beklagten zu tragenden Betrages führt. Wäre eine Kürzung durch Vornahme eines untechnischen versicherungsmathematischen Abschlags gewollt, so hätte es der Regelung in § 7 Abs. 2 RL 02/89 nicht bedurft, weil in diesem Fall ohnehin eine Berechnung anhand der mit dem Regelalter erreichbaren Sozialversicherungsrente hätte erfolgen müssen.



Richtig ist zwar, dass § 7 Abs. 2 RL 02/89 nicht für die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer gilt. Daraus kann aber im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, für diese müsse dann ein versicherungsmathematischer Abschlag zur Anwendung kommen. Vielmehr bedurfte es für vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht der Festlegung, dass das Delta zwischen der im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme gekürzten Sozialversicherungsrente und der zugesagten Gesamtrente zu Lasten des Arbeitnehmers geht, da im Rahmen der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft ohnehin auf die Rente mit Erreichen der Regelaltersgrenze abgestellt wird. Dafür, dass die Betriebsparteien die vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer darüber hinaus durch Anwendung eines untechnischen versicherungsmathematischen Abschlags schlechter stellen wollten als die anderen Mitarbeiter, gibt es keinen Anhaltspunkt.



Gegen die Anwendung eines untechnischen versicherungsmathematischen Abschlags spricht zudem die Regelung in § 6 Abs. 3 RL 02/89. Nimmt ein Arbeitnehmer nach Beginn des vorzeitigen Rentenbezugs vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Erwerbstätigkeit auf, so findet eine Anrechnung statt, die je nach Verdiensthöhe auch dazu führen kann, dass die Rente für die Dauer der Erwerbstätigkeit auf null gekürzt wird. Würde man zuvor die Rente im Wege eines untechnischen versicherungsmathematischen Abschlags kürzen, so hätte dies zur Folge, dass dem Mitarbeiter dauerhaft - also auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze - eine entsprechend niedrigere Betriebsrente zustünde, ohne dass dem ein entsprechend längerer Rentenbezug gegenüberstünde. Es ist auszuschließen, dass die Betriebsparteien dies gewollt haben.



Gegen das Verständnis, dass kein Abzug für die vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente vorzunehmen ist, spricht auch nicht der in der Präambel zum Ausdruck gebrachte Wille zur Verringerung der wirtschaftlichen Belastung, denn die vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente betrifft keines der aufgezählten - wesentlichen - Ziele.



(b) Selbst wenn man aber zum Ergebnis käme, dass der Wille der Betriebsparteien in der RL 02/89 nur unzureichend zum Ausdruck gekommen ist, käme man hier aufgrund der Handhabung der Beklagten zum selben Ergebnis.



Die Vollzugspraxis eines Arbeitgebers lässt, wenn er selbst den Normenvertrag abschloss, Rückschlüsse auf den Regelungsinhalt zu (BAG v. 22.01.2002 - 3 AZR 554/00 - unter II.3. der Gründe, juris). Die objektive Auslegung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen dient vor allem dem Schutz des Normunterworfenen. Der an der Normsetzung beteiligte Arbeitgeber bedarf keines Schutzes vor seinem eigenen Regelungswillen. Dies spricht dafür, dass ein subjektiver Regelungswille des normsetzenden Arbeitgebers, der ihn belastet und die Arbeitnehmer begünstigt, auch dann zu berücksichtigen ist, wenn dieser Wille nur unzureichend zum Ausdruck gebracht wurde (BAG v. 22.01.2002 - 3 AZR 554/00 - unter II.3. der Gründe, juris).



Die Beklagte hat seit Geltung der RL 02/89 - mit Ausnahme der Anwendung der Sonderregelung des § 7 Abs. 2 RL 02/89 - keine Kürzung für die vorzeitige Inanspruchnahme der Betriebsrente vorgenommen. Insoweit hat sie nicht zwischen den bis zum Ruhestand betriebstreuen und den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern differenziert. Damit hat sie zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, wie sie die RL 02/89 versteht, nämlich dahingehend, dass es sich bei der vorgezogenen Betriebsrente um einen "normalen" Versorgungsfall im Sinne der Versorgungsordnung handelt, bei dem die Betriebsrente nach den allgemeinen Regeln der Richtlinie ohne zusätzliche Kürzung zu berechnen ist. Weiter hat sie die RL 02/89 erkennbar so verstanden, dass eine solche Kürzung auch für vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht gewollt ist. An diesen subjektiven - die Arbeitnehmer begünstigenden - Regelungswillen ist die Beklagte gebunden.



b) Unter Berücksichtigung der Rentenerhöhungen, die jeweils zum 01.07. eines Jahres durchgeführt wurden, errechnen sich für den streitgegenständlichen Zeitraum folgende Nachzahlungsansprüche



ZutreffendeGezahlte



RenteRenteDifferenz



c) Diese Ansprüche sind nicht ganz oder teilweise durch die hilfsweise Aufrechnung der Beklagten gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen.



Dabei legt die Kammer die Aufrechnungserklärung so aus, dass für den jeweiligen Monat, auf den sich die Klageforderung bezieht, jeweils in Höhe der behaupteten Zuvielforderungen eine Aufrechnung erfolgen soll. Mit diesem Verständnis ist die Aufrechnungserklärung hinreichend bestimmt.



Die Aufrechnung ist aber unbegründet, da der Beklagten die geltend gemachten Gegenforderungen nicht zustehen. Auf die obigen Ausführungen zur zutreffenden Berechnung der Betriebsrente wird Bezug genommen.



d) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S.1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Gemäß § 18 Abs. 1 RL 02/89 ist die Betriebsrente nachträglich am Ende eines Monats fällig, so dass Verzug jeweils am 01. des Folgemonats eingetreten ist.



2. Die Hilfswiderklage ist unbegründet.



a) Bedenken gegen deren Zulässigkeit bestehen nicht. Insbesondere ist sie zulässigerweise an eine innerprozessuale Bedingung - der Stattgabe der Klage - geknüpft worden. Zugleich war sie mit der weiteren Bedingung verknüpft, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommt, die Veränderungssperre beziehe sich auch auf die Altersgrenze. Auch eine solche zusätzliche, an eine bestimmte Rechtsauffassung geknüpfte innerprozessuale Bedingung ist zulässig (vgl. BAG v. 17.12.2015 - 2 AZR 304/15 - Rn. 15, NJW 2016, 2054, 2055).



b) Die Hilfswiderklage ist unbegründet, da der Beklagten kein Anspruch auf Zurückzahlung geleisteter Rentenzahlungen zusteht. Der Kläger ist nicht überzahlt worden. Auf die obige Begründung wird verwiesen.



B.



I. Die Beklagte hat gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten für die erfolglose Berufung zu tragen.



II. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

VorschriftenRL 02/89, § 2 Abs. 6 BetrAVG, § 2 Abs. 2 BetrAVG, § 2a Abs. 1 BetrAVG, § 2a BetrAVG, § 2 Abs. 1 BetrAVG, § 7 Abs. 2 RL 02/89, § 2a Abs. 3 S.1 BetrAVG, § 235 Abs. 2 SGB VI, § 2 Abs. 2 lit. b) RL 02/89, §§ 66 Abs.1, 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO, § 2 Abs. 5 S. 1 BetrAVG, § 2 Abs. 5 S.1 Halbs. 2 BetrAVG, § 2 Abs. 5 S.2 BetrAVG, § 2 Abs. 1 S.1 BetrAVG, § 2 Abs. 5 BetrAVG, § 2 Abs. 5 S.1 HS. 2 und S.2 BetrAVG, § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG, § 4 Abs. 4 RL 02/89, § 6 Abs. 3 RL 02/89, §§ 387, 389 BGB, §§ 286 Abs. 1 S.1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB, § 18 Abs. 1 RL 02/89, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG