Urteil vom 24.01.2023 · IWW-Abrufnummer 234234
Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 4 SaGa 16/22
Die Weigerung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, kann an sich geeignet sein, den Ausspruch einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen.
Tenor:
1) Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.10.2022 - 16 Ga 60/22 - wird zurückgewiesen.
2) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
3) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit für die Dauer der Kündigungsfrist und dabei insbesondere darüber, ob eine von der Verfügungsbeklagten erklärte fristlose Kündigung unwirksam ist.
Die Verfügungsklägerin produziert u.a. für verschiedene Fernsehsender Formate aus dem Bereich Factual Entertainment. Die Verfügungsbeklagte wurde bei der Verfügungsklägerin am 08.01.2007 als Creative Director eingestellt. In § 2 ihres Arbeitsvertrags vereinbarten die Parteien eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende und in § 5 ein Monatsgehalt von 7.500 € brutto, welches sich zuletzt auf 12.500 Euro brutto belief. Zuletzt war sie fachlich und disziplinarisch für 20 bis 30 Mitarbeiter verantwortlich.
§ 9 des Vertrags lautet:
Seit 01.03.2022 war die Verfügungsbeklagte stellvertretende Geschäftsführerin. Im Juli 2022 bestellte die Gesellschafterin der Verfügungsklägerin eine neue Geschäftsführerin, zwischen der und der ehemaligen Geschäftsführerin sowie der Verfügungsbeklagten es zu Konflikten über die inhaltliche Ausrichtung kam.
Am 11.08.2022 wurde die Verfügungsbeklagte darüber informiert, dass die Firmengründerin und ehemalige Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin abberufen und freigestellt worden sei und aus dem Unternehmen ausscheiden werde. Sie meldete sich sodann arbeitsunfähig krank.
In einer Dienstanweisung der neuen Geschäftsführerin vom 19.08.2022 an die Verfügungsbeklagte heißt es:
In einer E-Mail an den Geschäftsführer der alleinigen Gesellschafterin der Verfügungsklägerin beschwerte sich die Verfügungsbeklagte über die Behandlung durch die neue Geschäftsführerin S F u.a. mit den Worten:
Darauf antwortete die Verfügungsklägerin mit einer E-Mail vom 01.09.2022, in der es u.a. heißt:
Festhalten wollen wir allerdings, dass uns mitgeteilt wurde, dass Du gegenüber Verantwortlichen eines unserer Kunden gesagt hast, "...sollte S nicht weiter Geschäftsführerin der G T bleiben, mache ich krank". Genau diese Ankündigung hast Du dann in die Tat umgesetzt und warst zudem für notwendige Projektabsprachen für die Geschäftsführung der G T nicht mehr zu erreichen.
(...)
Aufgrund Deiner angekündigten Krankmeldung (wobei die rechtliche Bewertung dieses Vorgangs noch nicht abgeschlossen ist) und der Weigerung, mit der neuen Geschäftsführung zu kommunizieren, ist zwischenzeitlich (und hier möchte ich betonen, dass die neue Geschäftsführung bei Amtsantritt eigentlich sehr gerne mit Dir zusammen gearbeitet hätte) das Vertrauensverhältnis derart zerstört, dass auch aus der Sicht der neuen Geschäftsführung eine weitere Zusammenarbeit nicht denkbar erscheint. Bevor die Dinge hier vollständig aus dem Ruder laufen, sollten wir überlegen, wie eine Lösung gefunden werden kann.
Ab dem 01.09.2022 verhandelten die Parteien über die Konditionen für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Nach Ende der Arbeitsunfähigkeit der Verfügungsbeklagten am 06.09.2022 stellte die neue Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin sie widerruflich frei und erklärte: "somit solltest du ab jetzt nicht mehr ins Büro." Diese Freistellung wiederholte die Verfügungsklägerin in einer E-Mail vom gleichen Tage an den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten. Gleichzeitig teilte sie ihr Einverständnis mit einer Turboklausel im verhandelten Aufhebungsvertrag mit.
Am 12.09.2022 übersandte die Verfügungsklägerin den Entwurf eines Aufhebungsvertrags, der eine Beendigung zum 31.03.2023 und eine Freistellung der Verfügungsbeklagten bis dahin sowie folgende Turboklausel vorsah:
Noch am gleichen Tag teilte der Justitiar der Verfügungsklägerin dem Prozessbevollmächtigten mit, die Verfügungsklägerin halte an diesem Vertragsangebot nicht mehr fest, weil die neue Geschäftsführerin anlässlich eines Kündigungsgesprächs von einer ausscheidenden Mitarbeiterin erfahren habe, dass die Verfügungsbeklagte Mitarbeiter der Verfügungsklägerin zur F W GmbH abwerbe.
Mit E-Mail ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.09.2022 mahnte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin wie folgt ab:
Die Verfügungsklägerin bot der Verfügungsbeklagten daraufhin am 14.09.2022 einen Aufhebungsvertrag zum 31.03.2023 ohne Turboklausel an und erklärte:
In einer weiteren E-Mail der Verfügungsklägerin vom gleichen Tag heißt es:
Die Verfügungsbeklagte lehnte die Teilnahme an diesem Gespräch mit Mail ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.09.2022 ab, in der es heißt:
Die Verfügungsklägerin antwortete am gleichen Tag, dass der in den Räumlichkeiten einer anderen Firma angesetzte Gesprächstermin nicht der Konfrontation, sondern als vertrauensbildende Maßnahme dienen solle. Nachdem die Verfügungsbeklagte den Termin nicht wahrgenommen hatte, mahnte die Verfügungsklägerin sie mit Schreiben vom 26.09.2022 ab. Darin heißt es:
Die Verfügungsbeklagte erschien auch zu diesem weiteren Gesprächstermin nicht, meldete sich krank und kündigte das Arbeitsverhältnis selbst mit Schreiben vom 30.09.2022, welches der Verfügungsklägerin am 04.10.2022 zuging, fristlos.
Am 14.10.2022 meldete das Medienmagazin D , dass die Verfügungsbeklagte ab 01.11.2022 ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der F W P GmbH aufnehmen werde, deren Tätigkeitsschwerpunkt auf den Bereichen Factual Entertainment, Dokumentation und Infotainment liegt.
Am 27.10.2022 kündigte die Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut außerordentlich, nachdem die Verfügungsklägerin erstinstanzlich eine eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin vom 25.10.2022 mit unter anderem folgenden Inhalt vorgelegt hatte:
Die Verfügungsklägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Verfügungsbeklagte bis zum Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden sei. Die fristlose Kündigung sei offensichtlich unwirksam. Die Weisung vom 19.08.2022 sei erfolgt, weil die neue Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin zuvor erfahren habe, dass die Verfügungsbeklagte noch am 11.08.2022 telefonisch Kontakt zu Herrn G P , dem Leiter Digital Creative bei R , aufgenommen und diesen über das Ausscheiden der ehemaligen Geschäftsführerin in Kenntnis gesetzt und ihm mitgeteilt habe, dass sie an den bereits vereinbarten Terminen in der kommenden Woche nicht teilnehmen würde, weil sie mit der Entscheidung, sich von der früheren Geschäftsführerin zu trennen, nicht einverstanden sei, sich keine weitere Zusammenarbeit mit der neuen Geschäftsführerin vorstellen könne und sich daher krank melden werde. Die Verfügungsklägerin sei durchaus bereit gewesen, die Verfügungsbeklagte wieder vertragsgemäß zu beschäftigen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Verfügungsbeklagte ihren Teil dazu beitrage, insbesondere indem sie an Personalgesprächen teilnehme, in denen Arbeitsanweisungen erteilt und ihr Aufgabenbereich geklärt werden solle. Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass die Verfügungsbeklagte aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit über genaue Kenntnisse der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und insbesondere auch über Kenntnisse des "Developments", also der Entwicklung zukünftiger Sendungskonzepte, verfüge, weil sie sehr eng mit der Gründerin und ehemaligen Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin zusammengearbeitet habe. Mit einem Wechsel der Verfügungsbeklagten würde somit schützenswertes Knowhow aus der Umsetzung wichtiger Produktionen (dazu gehörten etwa die Formate "Mein L , Dein L ", "Y " sowie "A ") der Konkurrenz direkt zugänglich werden.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
Sie hat die Auffassung vertreten, ihre fristlose Kündigung sei berechtigt, weil die Verfügungsklägerin trotz Abmahnung weder die Freistellung aufgehoben noch die Weisung vom 19.08.2022 zurückgenommen und ihr eine vertragsgerechte Tätigkeit zugewiesen und zudem mehrfach die berufliche Reputation der Verfügungsbeklagten geschädigt habe.
Sie hat behauptet, die Nachricht von der Abberufung der früheren Geschäftsführerin und die von Herrn W ultimativ geforderte Entscheidung über eine weitere Zusammenarbeit unter der neuen Geschäftsführerin hätten bei ihr am 11.08.2022 zu einer akuten psychischen Krise und zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Der am 19.08.2022 erfolgte Entzug der Projektverantwortung sei ohne Rücksicht auf ihr berufliches Renommee intern und extern kommuniziert worden. Auch durch den mit dieser Weisung erteilten "Maulkorb" sei ihre berufliche Reputation erheblich beeinträchtigt worden. Am 01.09.2022 habe die neue Geschäftsführerin im Rahmen eines Townhall-Meetings (Betriebsversammlung) vor allen anwesenden Mitarbeitern erklärt, die Verfügungsbeklagte kehre nicht in das Unternehmen zurück, eine Zusammenarbeit mit ihr wäre nicht mehr möglich. Die Kommunikation laufe nur noch über Anwälte. Der Freistellung vom 06.09.2022 anlässlich ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz nach ihrer Genesung habe sie anfangs nur deshalb nicht widersprochen, weil sich die Parteien in erfolgversprechenden Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag befunden hätten. Sie habe keine Mitarbeiter der Verfügungsklägerin abgeworben. Ein erstes konkretes Vertragsangebot der F W GmbH habe sie erst am 26.09.2022 erhalten. Am 27.09.2022 habe die neue Geschäftsführerin in einer Betriebsversammlung zum Thema "Entlassungen" vor allen anwesenden Mitarbeitern erklärt, sie habe die schlechten Zahlen bei Übernahme der Geschäftsführung nicht gekannt, die Vorgänger hätten noch nicht verkaufte Formate zu positiv bewertet. Die Wortmeldung eines Senior Executive Producers "ja, Du hast die Firma ja nicht gegen die Wand gefahren, das waren die Vorgänger und Du löffelst die Suppe jetzt aus", habe sie nicht kommentiert und dadurch die berufliche Reputation der Verfügungsbeklagten erneut erheblich gefährdet, da sie dem Eindruck nicht entgegentreten sei, die Verfügungsbeklagte sei für die angeblich erforderlichen Entlassungen (mit-) verantwortlich. Am 30.09.2022 habe die Verfügungsbeklagte durch eine von Ihrem betrieblichen E-Mail Account weitergeleitete private E-Mail erfahren, dass ihr Titel in der automatischen E-Mail-Signatur von bislang "Deputy CEO" auf ihre frühere Bezeichnung "Creative Director" geändert worden sei. Gleichzeitig habe sie erfahren, dass sie auch von der Mitarbeiter-Site auf der Homepage der Verfügungsklägerin gelöscht worden sei. Dort seien ausnahmslos sämtliche Mitarbeiter, geordnet nach Vornamen als Portraits abgebildet. Eine Löschung erfolge regelmäßig erst mit dem Ausscheiden von Mitarbeitern. Sie meint, ihre Freistellung sei von der Verfügungsklägerin nicht ernsthaft widerrufen worden. Vielmehr habe diese eine tatsächliche Arbeitsaufnahme von der Durchführung eines Mitarbeitergesprächs im Vorfeld abhängig gemacht, das außerhalb der Geschäftsräume stattfinden sollte. Die Verfügungsbeklagte habe auch die Kündigungserklärungsfrist gewahrt, weil es sich bei der Verletzung ihres Beschäftigungsanspruchs um einen Dauertatbestand handele.
Die Verfügungsklägerin habe zudem auch keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Dadurch, dass die Verfügungsbeklagte über 2,5 Monaten von der operativen Kommunikation der Verfügungsklägerin ausgeschlossen worden sei und die neue Geschäftsführerin bis zum 11.08.2022 keine Aussagen zur Neuausrichtung der Antragstellerin getätigt habe, verfüge sie über keine Kenntnis zur aktuellen strategischen Ausrichtung des Unternehmens und der Entwicklung zukünftiger Sendungskonzepte. Schließlich sei die Verfügungsklägerin noch in ihrem Aufhebungsvertragsangebot vom 12.09.2022 bereit gewesen, der Verfügungsbeklagten die Möglichkeit zu einem vorzeitigen Ausscheiden mit zweiwöchiger Ankündigungsfrist einzuräumen.
Mit Urteil vom 25.10.2022 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Ein Verfügungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Prüfungsmaßstab sei, ob die außerordentliche Kündigung der Verfügungsbeklagten offensichtlich unwirksam sei. Dies sei nicht der Fall. Vielmehr liege ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB vor. Die Weigerung, einen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund zu bilden. Da die Verfügungsklägerin den vertragswidrigen Zustand bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung trotz Abmahnung nicht aufgehoben habe, sei der Ausspruch der Kündigung auch verhältnismäßig. Daran könne die Einladung zu einem Personalgespräch nichts ändern, da nicht konkret behauptet oder glaubhaft gemacht worden sei, dass in diesem Gespräch trotz der Konflikte die vertragsgerechte Tätigkeit zurückübertragen worden wäre. Eine einseitige Freistellung über einen derart langen Zeitraum scheide aus. Da es sich um einen Dauertatbestand handele, sei die Frist des § 626 Absatz 2 BGB gewahrt. Auch ein Verfügungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden, da nicht erkennbar sei, inwiefern der Verfügungsklägerin aus der Arbeitsleistung bei dem Konkurrenten erhebliche Nachteile entstanden seien.
Gegen das der Verfügungsklägerin am 05.12.2022 zugestellte Urteil richtet sich deren am 27.10.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist am 19.12.2022 unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
Entgegen der Rechtsansicht des Arbeitsgerichts sei Prüfungsmaßstab nicht allein, ob die streitgegenständliche Eigenkündigung der Verfügungsbeklagten nur offensichtlich unwirksam sei. Vielmehr müsse - nachdem der Rechtsstreit ausgeschrieben sei - die Kündigung ohne Einschränkung vollumfänglich auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Die Verfügungsklägerin habe anderes nie behauptet. Die Kündigung sei unwirksam. Die Dienstanweisung vom 19.08.2022 rechtfertige eine Kündigung nicht. Gleiches gelte für die Freistellung am 06.09.2022. Zum einen sei unberücksichtigt geblieben, dass die Dienstanweisung zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, an dem die arbeitsunfähig erkrankte Verfügungsbeklagte ohnehin nicht hätte arbeiten können. Zum anderen habe das Arbeitsgericht übersehen, dass die Verfügungsklägerin unmittelbar nach entsprechender Aufforderung zu einem Personalgespräch geladen habe, um die vertragsgerechte Beschäftigung zu gewährleisten. Weshalb dies nicht ernsthaft erfolgt sein könne, erschließe sich nicht. Die Verfügungsbeklagte wäre verpflichtet gewesen, an diesem Termin teilzunehmen. Der wahre Grund des Verhaltens der Verfügungsbeklagten liege darin begründet, dass sie beschlossen habe, nicht länger für die Verfügungsklägerin tätig sein zu wollen. Die Verfügungsklägerin habe nunmehr erfahren, dass die Verfügungsbeklagte, die ehemalige Geschäftsführerin und weitere ehemalige Beschäftigte kollusiv zusammengewirkt hätten, um der Verfügungsklägerin zu schaden. Man habe gemeinsam entschieden, Fragen, Bitten und Wünsche der neuen Geschäftsführerin zu ignorieren und sich sofort krank zu melden.
Hinsichtlich der Ereignisse am 27.09.2022 auf der Townhall sei zudem anzumerken, dass es gerade die neue Geschäftsführerin gewesen sei, die die negativen Äußerungen des Herrn B in Bezug auf die Person der Verfügungsbeklagten relativiert habe.
Auch die weitere Kündigung vom 27.10.2022 habe das Arbeitsverhältnis nicht außerordentlich beendet. Dies folge schon daraus, dass sowohl der Vortrag der Verfügungsklägerin als auch die Ausführungen der Geschäftsführerin im Rahmen ihrer erstinstanzlich abgegebenen eidesstattlichen Versicherung in tatsächlicher Hinsicht zutreffend seien. Wertende Äußerungen seien zudem durch das Grundgesetz geschützt.
Auch ein Verfügungsgrund liege vor. Nachdem die F W etliche Beschäftigte und mit der Verfügungsbeklagten auch einen maßgeblichen Kopf des Unternehmens abgeworben habe, gebe es aus Sicht des Kunden keinen Grund mehr, zukünftige Produktionen durch senderunabhängige Unternehmen durchführen zu lassen. Die Verfügungsklägerin geht zudem davon aus, dass die Verfügungsbeklagte am 06.09.2022 von ihrem Account aus wichtige Firmendaten in Form von Konzepten und Formaten heruntergeladen habe.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend aus:
Ihr sei es nicht zumutbar gewesen, sich ohne nähere Angaben für ein Gespräch am 19.09.2022 um 9 Uhr vor einem Büro- und Produktionskomplex einzufinden, an dem die Verfügungsklägerin keinen Sitz habe. Die ärztliche Empfehlung sei in diesem Zusammenhang dahingehend erfolgt, dieses Gespräch nicht wahrzunehmen. Sie habe durchaus signalisiert, gesprächsbereit zu sein. Der Rahmen hätte jedoch ein anderer sein müssen. Auf die entsprechende Mail ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.09.2022 verweise sie. Es verbleibe mithin dabei, dass die Verfügungsklägerin bis zum Zeitpunkt der Kündigung die Dienstanweisung vom 19.08.2022 trotz Aufforderung nicht zurückgenommen habe.
Die weitere Kündigung vom 27.10.2022 stützt die Verfügungsbeklagte auf die erstinstanzlich als Anlage 13 eingereichte eidesstattliche Versicherung der neuen Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin. Hier sei unrichtig vorgetragen worden. Die Verfügungsbeklagte habe nicht am 11.08.2022, sondern erst am 12.08.2022 telefonisch Kontakt mit Herrn P aufgenommen und daher auch nicht angekündigt, sich krank melden zu wollen. Zudem habe Frau E gegenüber der Geschäftsführerin nicht mit JA bestätigt, dass sie von "Frau T und/oder Frau L " abgeworben worden sei.
Es fehle unverändert auch am Verfügungsgrund. Noch im Sommer 2022 habe die F W GmbH die Verfügungsklägerin mit der Herstellung von 50 Folgen verschiedener Programme im Wert von ca. 1 Millionen Euro beauftragt, so dass die Behauptung abwegig sei, die F W GmbH sei einzig und allein zu dem Zweck gegründet worden, die Verfügungsklägerin überflüssig zu machen.
Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Verfügungsklägerin ist an sich statthaft (§ 64 Absatz 1, Absatz 2 lit. b) ArbGG) und nach den §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 519 ZPO am 27.10.2022 gegen das am 05.12.2022 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.
Die Berufung ist nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgewiesen, weil die außerordentliche Kündigung der Verfügungsbeklagten wirksam ist, das Arbeitsverhältnis mithin mit ihrem Zugang ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendete und die Parteien kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatten.
Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG vom 16.01.2013, 10 AZR 560/11). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert hierbei einen allgemeinen Rechtsgedanken, den die Parteien zudem durch die Regelung des § 9 des Arbeitsvertrages - deklaratorisch - ausdrücklich wiederholten. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG vom 28.01.2010, 2 AZR 1008/08; BAG vom 26.06.2008, 2 AZR 190/07).
Das aus § 60 HGB abzuleitende vertragsimmanente Wettbewerbsverbot ist allerdings nur solange gültig, wie das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht (BAG vom 30.05.1978 - 2 AZR 598/76 - AP Nr. 9 zu § 60 HGB). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist es dem Arbeitnehmer grundsätzlich erlaubt, zu seinem Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten (LAG Hamm vom 19.03.2001, 16 Sa 322/01).
Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand nicht mehr, so dass der Antrag mangels Verfügungsanspruch abzuweisen war. Ob darüber hinaus auch ein Verfügungsgrund fehlte, bedurfte mithin keiner abschließenden Bewertung.
Die Darlegungs- und Beweislast bzw. die Glaubhaftmachungslast hinsichtlich der für die Beurteilung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung maßgeblichen Tatsachen trägt derjenige, der aus der Wirksamkeit einer Kündigung für sich günstige Rechtsfolgen ableitet. Auch für den Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der fristlos gekündigt hat, auf Unterlassung von Wettbewerb in Anspruch nimmt, trägt der Arbeitnehmer deshalb die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung (LAG Hamm vom 04.09.2012, 14 SaGa 9/12). Soweit dies teilweise anders betrachtet wird (vgl. LAG Hamm vom 07.04.1983, 8 Ta 41/83), fehlt hierfür der zivilprozessuale Ansatz. Es ist kein Grund erkennbar, im Rahmen einer klassischen Kündigungsschutzklage dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der von ihm erklärten Kündigung aufzuerlegen, dies im Falle des Ausspruchs einer Eigenkündigung jedoch anders zu bewerten.
Ob hierbei jedoch im Rahmen einer einstweiligen Verfügung - wie vom Arbeitsgericht angenommen - nur eine eingeschränkte Prüfung dahingehend stattfindet, dass lediglich überprüft wird, ob die Kündigung offensichtlich unwirksam ist, erscheint fraglich. Das Arbeitsgericht zieht zwar durchaus nachvollziehbar eine Parallele zu der Konstellation des Ausspruchs einer Kündigung durch den Arbeitgeber und der anschließenden Geltendmachung eines Beschäftigungsanspruches im Wege der einstweiligen Verfügung. Hierbei ist grundsätzlich anerkannt, dass dieser nur erfolgreich sein kann, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Begründet wird dieser Ansatz damit, dass die Berechtigung besteht, grundsätzlich auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung vertrauen zu dürfen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2022, 23 SaGa 1521/21). Weshalb dies - wie oftmals entschieden, vgl. z.B. LAG Hamm vom 04.09.2012, 14 SaGa 9/12 - im Rahmen der vorliegenden Konstellation nicht der Fall sein soll, kann in der Tat hinterfragt werden.
Hierauf kam es streitentscheidend jedoch nicht an, weil die Kündigung der Verfügungsbeklagten im Ergebnis nach Abwägung aller Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles nach Ansicht der Kammer wirksam ist.
Die Verfügungsbeklagte hatte einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis rechtswirksam fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.
Diese Prüfung erfolgt regelmäßig in zwei Schritten: Im Rahmen eines ersten Schrittes ist zu überprüfen, ob das vorgeworfene Verhalten an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Im Falle der Bejahung erfolgt auf zweiter Prüfungsebene eine Interessenabwägung im Einzelfall (BAG vom 23.10.2014, 2 AZR 865/13).
Die Weigerung des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer zu bilden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.02.2016 2 Sa 338/15; ErfK/Niemann, 23. Aufl. 2023, BGB § 626 Rn. 163). Sie stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar (BAG NJW 1977, 215, 216 [BAG 19.08.1976 - 3 AZR 173/75]; LAG Hamm vom 04.09.2012, 14 SaGa 9/12). Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber bereit ist, das vereinbarte Gehalt weiterzuzahlen. Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung gemäß §§ 611a, 613 BGB iVm. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird. Der Arbeitnehmer soll - als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts - tatsächlich arbeiten können. Korrespondierend mit dem Beschäftigungsanspruch ist der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer diese verlangt (BAG vom 24.06.2015, 5 AZR 462/14).
Gegen diese Pflicht hat die Verfügungsklägerin verstoßen. Sie beschäftigte die Verfügungsbeklagte - letztlich unstreitig - zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Eigenkündigung vom 30.09.2022 nicht vertragsgerecht. Die Verfügungsbeklagte war zu diesem Zeitpunkt freigestellt. Zwar bestand ursprünglich ein Einverständnis mit dieser Maßnahme. Die Parteien befanden sich in Verhandlungen zur Aufhebung des Vertrages und der Beschäftigungsanspruch wurde zunächst nicht geltend gemacht. Spätestens jedoch nach sodann erfolgter Aufforderung der Verfügungsbeklagten, sie vertragsgerecht zu beschäftigen - verbunden mit einer Fristsetzung - hätte die Verfügungsklägerin die Freistellung jedoch aufheben müssen. Dies erfolgte bis zuletzt nicht; weder bis zum Ablauf der Frist noch bis zum Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung vom 30.09.2022.
Irrelevant war auch, dass die Verfügungsbeklagte zum Zeitpunkt des Entzuges sämtlicher Aufgaben arbeitsunfähig erkrankt war. Denn zum einen wäre dieser Einwand nur zu berücksichtigen, wenn die Verfügungsklägerin unmittelbar nach Genesung sämtliche Aufgaben wieder übertragen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil. Die Verfügungsbeklagte wurde unmittelbar der Räumlichkeiten verwiesen. Zum anderen übersah die Verfügungsklägerin hierbei, dass bereits durch die erfolgte Kommunikation der Freistellung und des Entzugs sämtlicher Aufgaben sowohl gegenüber der Belegschaft als auch gegenüber den Kunden die Gefahr des Reputationsschadens bereits entstanden war.
Das der Verfügungsklägerin vorgeworfene Verhalten war auch konkret geeignet, den Ausspruch der außerordentlichen Eigenkündigung zu rechtfertigen.
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in der Regel auch der Arbeitnehmer gehalten, vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung den pflichtwidrig handelnden Arbeitgeber abzumahnen (BAG vom 17. Januar 2002, 2 AZR 494/00; Staudinger/Temming (2022) BGB § 626, Rn. 245).
Die Verfügungsbeklagte erklärte durch ihren Prozessbevollmächtigten per Mail vom 13.09.2022 eine solche Abmahnung. Darin wurde ausdrücklich moniert, dass eine vertragsgerechte Beschäftigung derzeit nicht erfolgt. Es erfolgte eine Aufforderung, die Freistellung aufzuheben. Zudem wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine Abmahnung handelt.
Dabei übersah die Kammer nicht, dass die Verfügungsklägerin hierauf keineswegs untätig geblieben war. Im Gegenteil: Sie forderte die Verfügungsbeklagte auf, am 19.09.2022 um 9 Uhr in der Sch straße zu erscheinen, "um mit der Geschäftsführung der G T den zukünftigen Aufgabenbereich zu besprechen".
Grundsätzlich besteht - selbstredend - die Verpflichtung eines nicht mehr erkrankten Arbeitnehmers, an einem angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Die Verfügungsbeklagte war nicht erkrankt. Allein ein "ärztlicher Rat", dem Gespräch fern zu bleiben, kann hierbei nicht genügen, solange keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird.
Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Das Weisungsrecht betrifft danach zum einen die Konkretisierung der Hauptleistungspflicht. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzuweisen und den Ort und die Zeit ihrer Erledigung verbindlich festzulegen. Das beinhaltet die Berechtigung, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an Gesprächen zu verpflichten, in denen der Arbeitgeber Weisungen in einem der oben genannten Bereiche vorbereiten, erteilen oder ihre Nichterfüllung beanstanden will (BAG vom 02.11.2016, 10 AZR 596/15; BAG vom 23.06.2009, 2 AZR 606/08).
Hierbei obliegt es grundsätzlich allein dem Arbeitgeber, welche Personen auf Arbeitgeberseite teilnehmen sollen.
Dennoch ging die Kammer von folgenden Besonderheiten des Falles aus:
Entsprechend der Ausführungen des Arbeitsgerichts war in der Tat festzustellen, dass die Verfügungsklägerin zu keinem Zeitpunkt konkret behauptete oder glaubhaft machte, welche Pläne zur vertragsgerechten Beschäftigung bestanden. Auch hier gilt zwar selbstverständlich der Grundsatz, dass ein Arbeitgeber vor einem solchen Termin auch nicht zwingend verpflichtet sein kann, dies - quasi vorab - zu offenbaren. Die vorliegende Konstellation wies jedoch folgende, näher zu beschreibende Besonderheiten auf:
Die Verfügungsbeklagte war seit fast 16 Jahren bei der Verfügungsklägerin beschäftigt. Sie befand sich bei ihr unstreitig in gehobener Position und erzielte hierbei zuletzt ein Bruttomonatseinkommen von 12.000 Euro. Sie hatte Handlungsvollmacht nach § 54 HGB, war unterschriftsberechtigt, stellvertretende Geschäftsführerin und fachlich sowie disziplinarisch für 20 bis 30 Mitarbeiter verantwortlich. Mit der damaligen Geschäftsführerin bestand offenbar eine gut funktionierende Vertrauensbasis. Die Verfügungsklägerin bezeichnet die Verfügungsbeklagte selber als "einen maßgeblichen Kopf".
Per Mail vom 19.08.2022 - erst wenige Wochen nach dem Wechsel in der Geschäftsführung - wurden der Verfügungsbeklagten sodann unvermittelt und ausnahmslos sämtliche Zuständigkeiten für alle laufenden Projekte entzogen. Es wurde ausdrücklich erklärt, dass diese Maßnahme gegenüber allen betroffenen Kunden kommuniziert wird und, dass sie ab sofort nicht mehr berechtigt sei, mit Kunden, Dienstleistern sowie freien und festen Mitarbeitern der Verfügungsklägerin zu kommunizieren. Sie wurde komplett isoliert.
Eine solche Maßnahme lässt sich auch nicht erklären mit einem Gespräch vom 11.08.2022 oder 12.08.2022, welches die Verfügungsbeklagte mit Herrn P , dem Leiter Digital Creative des Kunden R geführt hat. Es sind Inhalt und Zeitpunkt des Gespräches zwischen den Parteien im Streit. Es hätte nahegelegen, zunächst nachzufragen, ob die Verfügungsbeklagte eine Erkrankung tatsächlich angekündigt hatte. Das Telefongespräch wäre zum einen vollkommen unproblematisch gewesen, wenn die Verfügungsbeklagte allein über eine bestehende Erkrankung und über einen Wechsel der Zuständigkeiten berichtet hätte. Zum anderen wäre es ebenso denkbar, dass die Verfügungsbeklagte tatsächlich schon arbeitsunfähig erkrankt war, dies gegenüber ihrer Arbeitgeberin aber möglicherweise noch nicht kommuniziert hat. Sollte der Anruf also tatsächlich vor der offiziellen Krankmeldung gegenüber der Verfügungsklägerin erfolgt sein, läge darin nicht ohne Weiteres eine Pflichtverletzung. Den von der Verfügungsklägerin offenbar angedachten Fall der angekündigten Erkrankung würde eine solche Konstellation jedenfalls allein deswegen nicht darstellen, weil die Ankündigung weder gegenüber dem Arbeitgeber erfolgte noch mit einer Forderung verbunden war. Ohne nähere Aufklärung war die Verfügungsklägerin zu der oben beschriebenen Maßnahme nach alldem jedenfalls nicht berechtigt. Erst recht erschloss sich nicht, weshalb die Maßnahme gänzlich nach außen kommuniziert werden musste.
Diese Weisung hat bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung nachhaltige Wirkung entfaltet. Die gesamte Belegschaft wurde über die Degradierung informiert. Doch nicht nur das: Auch sämtliche Kunden erhielten hierüber eine Information. Die Maßnahme wird also nicht nur zu Irritationen und Rückfragen innerhalb der eigenen Belegschaft geführt haben, sondern hatte insbesondere auch eine nicht zu unterschätzende Außenwirkung. Zu Recht befürchtete die Verfügungsbeklagte einen nachhaltigen Schaden ihrer Reputation.
Die Verfügungsklägerin übersieht bei ihrer Argumentation, dass es sich hierbei vermeintlich nur um eine kurzfristige Maßnahme handelte, folgendes:
Zum einen dürfte das beschädigte Ansehen nachhaltig sein. Selbst für den Fall, dass die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten in absehbarer Zeit tatsächlich exakt die Aufgaben und die Position zurückgegeben hätte, die sie vorher innehatte, wären sicherlich Irritationen bei den Mitarbeitern und Kunden verblieben.
Die Verfügungsklägerin bot auch keineswegs an, alle Maßnahmen nach Genesung rückgängig machen zu wollen. Im Gegenteil: Im Rahmen der Mail vom 19.08.2022 wurde abschließend allein angeboten, die Rolle der Verfügungsbeklagten in der Zukunft zu besprechen. Diese Formulierung offenbart vielmehr, dass gerade nicht beabsichtigt war, der Verfügungsbeklagten exakt dieselben Aufgaben zurückzugeben. Denn in diesem Falle hätte nichts besprochen werden müssen.
Hätte die Verfügungsklägerin stattdessen tatsächlich bereits konkrete Ideen entwickelt, wie die Verfügungsbeklagte künftig vertragsgemäß in der Sch straße eingesetzt werden könnte, wäre es naheliegend, diese Ideen spätestens im Prozess zu offenbaren, um zu verdeutlichen, dass die Verfügungsklägerin tatsächlich beabsichtigte, den Beschäftigungsanspruch nachhaltig zu erfüllen. Dass ein derartiger Sachvortrag bis zuletzt unterblieb, verdeutlicht, dass diese Pläne wohl nicht besonders ausgereift waren.
Die weiteren Verhaltensweisen der Verfügungsklägerin, mit der unumstößliche Tatsachen geschaffen wurden, verstärken dieses Bild:
Die Verfügungsbeklagte wurde von der Homepage entfernt, ihre Signatur unter den Mails wurde nachteilig verändert und es gab unstreitig negative Äußerungen im Rahmen einer Betriebsversammlung am 01.09.2022. Ob diese nun durch die Geschäftsführerin erfolgten oder durch eine andere Person, ist hierbei nicht relevant. Auffällig ist jedenfalls, dass die Verfügungsklägerin erstmals im Rahmen der Berufungsinstanz behauptet hatte, dass es die Geschäftsführerin war, die sich angeblich schützend vor die Verfügungsbeklagte gestellt hatte. Erstinstanzlich wurde der Vortrag der Verfügungsbeklagten diesbezüglich nicht näher bestritten. Hierauf kam es jedoch streitentscheidend nicht an, weil die Verfügungsklägerin alles daransetzte, die Position der Verfügungsbeklagten sowohl gegenüber der eigenen Belegschaft als auch gegenüber den Kunden nachhaltig - wenn nicht gar unumstößlich - zu schwächen. Nicht umsonst erklärte der Justiziar der Verfügungsklägerin per Mail am 01.09.2022, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht denkbar sei. Mit weiterer Mail des Justiziars vom 19.09.2022 wurde der Arbeitsort "ab sofort und bis auf Weiteres" in die
Sch straße verlegt, ohne auch nur ansatzweise darzulegen, welche Tätigkeiten dort - an einem Ort, an dem sich keine Niederlassung der Verfügungsklägerin befindet - auf eine Mitarbeiterin zukommen könnten, die in hoher Position bei der Verfügungsklägerin angestellt ist.
Das aus den Vertragsverletzungen der Verfügungsklägerin resultierende Interesse der Verfügungsbeklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses überwog auch das Interesse der Verfügungsklägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Bei dieser Prüfung sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung sowie der Grad des Verschuldens des Vertragspartners zu berücksichtigen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemesseneren Weg gibt, auf die Pflichtverletzung zu reagieren (vgl. BAG vom 20.11.2014, 2 AZR 651/13; BAG vom 23.10.2014, 2 AZR 865/13).
Die Kammer hält - wie dargelegt - die Pflichtverletzungen der Verfügungsklägerin in der Gesamtbetrachtung für erheblich. Sie könnten so erheblich sein, dass die Möglichkeit der Rückkehr auf die ursprüngliche Position und die Wiederherstellung des damit verbundenen Ansehens nahezu ausscheidet. Das Interesse der Verfügungsklägerin erschöpft sich zudem allein in der Verhinderung der frühzeitigen Abwanderung der Verfügungsbeklagten zur Konkurrenz. Damit ging es zum Zeitpunkt der Entscheidung nur noch um etwa 3 Monate, die die Verfügungsbeklagte zudem auch schon fast bei der Konkurrenz verbracht hatte. Die Verfügungsklägerin selber deklarierte in einer beeindruckenden Eindeutigkeit, dass sie kein Interesse an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hatte. Richtig ist zwar, dass sie formal zu einem Personalgespräch eingeladen und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hatte, dass sie gewillt sei, eine weitere Beschäftigung zu ermöglichen. Ihre oben näher beschriebenen Handlungen standen jedoch hierzu eindeutig im Widerspruch. Ein nachhaltiges Interesse an einer vertragsgerechten Beschäftigung der Verfügungsbeklagten bestand nicht, zumal ja offenbar zuvor Bereitschaft bestand, einen Aufhebungsvertrag mit Turboklausel abzuschließen. Insofern befürchtete die Verfügungsbeklagte nach Auffassung der Kammer durchaus zu Recht, dass ihr nach der Versetzung keine adäquate Tätigkeit zugewiesen werden wird.
Bei dieser Abwägung war es nach Auffassung der Kammer irrelevant, ob die Verfügungsbeklagte tatsächlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt beabsichtigte, den Arbeitgeber zu wechseln und ob sie - zusammen mit der früheren Geschäftsführerin - "Pläne" gegen die Verfügungsklägerin entwickelte. Dies würde an den dargestellten Pflichtverletzungen nichts ändern.
Die Verfügungsbeklagte hat auch die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, denn die Verfügungsklägerin hat ihr bis zum Zugang der Kündigung keine vertragsgerechte Tätigkeit zugewiesen. Bei dieser Verletzung der Beschäftigungspflicht handelt es sich um einen Dauertatbestand, der bis zum Zugang der Kündigung anhielt.
Da bereits die erste außerordentliche Kündigung wirksam war, kam es streitentscheidend auf die 2. Kündigung nicht mehr an.
Nach alldem war die Berufung unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 97 Absatz 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Absatz 2 ArbGG waren nicht gegeben, da es sich letztlich nur um eine Interessenabwägung im Einzelfall handelte.