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Urteil vom 13.09.2022 · IWW-Abrufnummer 234243

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 3 Sa 831/21

1. Macht ein (Tarif-)Sozialplan ein betriebsbedingtes Ausscheiden - hier aufgrund Betriebsstilllegung - zur Voraussetzung für Abfindungsleistungen, muss die Hauptursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der betrieblichen und darf nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzung zur Eröffnung des Geltungsbereichs liegt bei dem klagenden Arbeitnehmer.

2. Für die Eröffnung des Geltungsbereichs eines Sozialplans ist in der Regel der - im Zweifel durch Auslegung der Kündigungserklärung oder über Indizien zu bestimmende - entweder betriebs- oder verhaltens-/personenbedingte Kündigungswille des Arbeitgebers maßgebend. Ob betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe objektiv die Wirksamkeit einer Kündigung rechtfertigen könnten, ist für die Eröffnung des Geltungsbereichs des (Tarif)Sozialplans nicht entscheidend, es sei denn, die Kollektivvereinbarung stellte erkennbar entscheidend hierauf ab. Ansonsten gilt: Selbst die unberechtigt verhaltensbedingt ausgesprochene Kündigung wird dadurch, dass verhaltensbedingte Gründe nicht vorliegen, zu keiner betriebsbedingten Kündigung.

3. Erfolgt eine ordentliche Kündigung zwar ohne Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben, jedoch im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Anhörung der Arbeitnehmerin zu verhaltensbedingten Vorwürfen und nach Ankündigung, über das Anhörungsergebnis müsse nun die Geschäftsleitung entscheiden, spricht dies indiziell stark für eine verhaltensbedingte und nicht betriebsbedingte Kündigung. Das Indiz wird noch verstärkt, wenn die betriebsbedingten Kündigungen der übrigen Arbeitnehmer erst zwei Monate später erfolgen.

4. Wird dann Monate später, nachdem sich der Arbeitgeber zwischenzeitlich auch ausdrücklich auf verhaltensbedingte Kündigungsgründe berufen hat, dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis erteilt, in dem eine betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses bescheinigt wird, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung mehr. Mangels begründbaren berechtigten Vertrauens kann der Zeugnisinhalt dem Arbeitgeber in einem solchen Fall auch nicht mit der Begründung widersprüchlichen Verhaltens erfolgreich hinsichtlich der Streitfrage der Eröffnung des Geltungsbereichs des (Tarif)Sozialplans entgegengehalten werden.


Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 28.07.2021 - Az.: 6 Ca 419/21 - wird zurückgewiesen.


II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.


III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 124.410,06 € brutto.



Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH betrieb bis 30.06.2020 in F. das N.-Theater und W. haus D.. Die Klägerin, geboren am 16.05.1965 und verheiratet, war dort seit dem 01.08.2000 in einem Arbeitsverhältnis, zuletzt als Leiterin Event Ruhr beschäftigt. Seit dem 01.01.2020 ist sie Mitglied der Gewerkschaft ver.di.



Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH schloss am 27.09.2009 mit der Gewerkschaft ver.di einen "Manteltarifvertrag Alle" (im Folgenden: "MTV 2009"), wegen dessen Inhalts auf die Anlage K7 (Blatt 34 ff. der Akte) Bezug genommen wird und der Rahmenregelungen für den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen enthielt. Gemäß § 28 MTV 2009 erhielten Beschäftigte, die betriebsbedingt aus der Gesellschaft ausscheiden, eine Abfindung von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit sowie ab einem Alter von 35 Jahren einen weiteren Betrag von 1.000,00 € brutto für jedes weitere angefangene Lebensjahr und für jedes kindergeldberechtigte Kind einen Betrag von 1.535,00 € brutto. Am 03.05.2012 schloss die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH mit der Gewerkschaft ver.di einen neuen "Manteltarifvertrag Alle" ab (im Folgenden: "MTV 2012"), wegen dessen Inhalts auf die Anlage B2 (Blatt 143 ff. der Akte) Bezug genommen wird und in dem die Formulierung des § 28 im Wesentlichen und insbesondere zu der Anspruchsvoraussetzung des betriebsbedingten Ausscheidens aus der Gesellschaft unverändert geblieben ist. Darüber hinaus schlossen unter anderem die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH einerseits und die Gewerkschaft ver.di andererseits am 13.07.2018 eine "Tarifeinigung" ab, wegen deren Inhalts auf Blatt 70 ff. der Akte Bezug genommen wird und die - mit Ausnahme der Fälle zugrundeliegender Produktionswechsel - den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen im Zeitraum 01.07.2018 bis 30.06.2021 vorsah.



Die Muttergesellschaft der D. Theater Produktionsgesellschaft mbH veräußerte das Gebäude "D." mit Wirkung zum 01.07.2020. Bereits zuvor fanden seit längerer Zeit keine Veranstaltungen mehr statt. Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH beschäftigte zuletzt schon seit einiger Zeit und so auch insbesondere im Mai 2020 und danach nur noch so wenige Arbeitnehmer, dass der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht eröffnet war. Anlässlich der Betriebsschließung schloss sie mit der Gewerkschaft ver.di unter dem 29.07./05.08.2020 einen Tarifsozialplan ab, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K8 (Blatt 80 ff. der Akte) Bezug genommen wird und der auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"Präambel I. Die T. F. GmbH hat als alleinige Gesellschafterin des Unternehmens die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Eventbetrieb im D. Theater nicht über den 30. Juni 2020 hinaus fortzusetzen. Von der Einstellung des Eventbetriebs im D. Theater sind 4 Beschäftigte betroffen. [...] Das Grundstück mit dem Gebäude ist veräußert worden, die Übergabe des Gebäudes an die Erwerber ist am 01. Juli 2020 erfolgt. Der Betrieb des D. Theaters ist mit diesem Datum stillgelegt worden. Die Nichtfortführung des Eventbetriebes und damit die Betriebsstilllegung ist daher aus Sicht des Unternehmens und der T. F. GmbH ohne Alternative. Von den damit einhergehenden Personalmaßnahmen sind, da es sich um eine vollständige Betriebsstilllegung handelt, die Arbeitsplätze sämtlicher Mitarbeiter *innen des Unternehmens betroffen. Allen Mitarbeiter*innen wird, vorbehaltlich einer im Einzelfall erforderlichen Zustimmung einer zuständigen Stelle, im Juli 2020 betriebsbedingt gekündigt. Zur Linderung der durch den Arbeitsplatzverlust entstehenden wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Mitarbeiter*innen, einigen sich das Unternehmen und die ver.di auf den nachfolgenden Tarifsozialplan. [...] § 1 Geltungsbereich 1.Dieser Sozialplan [...] gilt für alle Mitarbeiter*innen des Unternehmens, die im Zeitpunkt der Verkündung der Schließung (29.10.2019) in einem Arbeitsverhältnis zum Unternehmen standen, die auf Grund der Schließung bzw. Betriebsstilllegung des Theaterbetriebes ihren Arbeitsplatz verlieren und deren Arbeitsverhältnisse bei dem Unternehmen aus diesem Grund enden und die Mitglied der ver.di sind, mit Ausnahme der -Leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG; -[...]; -[...]; -Mitarbeiter*innen, denen verhaltens- oder personenbedingt wirksam gekündigt wird; -[...]. 2.Die Parteien sind sich einig, dass die von der Maßnahme betroffenen Mitarbeiter in Anlage 1 [...] zu diesem Sozialplan aufgeführt sind; diese Liste ist deklaratorisch, nicht konstituierend. § 2 Leistungen 1.Abfindungen Zum Ausgleich des Verlustes des Arbeitsplatzes und des hiermit verbundenen sozialen Besitzstandes der Mitarbeiter*innen vereinbaren die Parteien das Folgende: a)Grundabfindung Jede(r) betroffene Mitarbeiter*in hat unabhängig von seiner/ihrer Tarifbindung einen Abfindungsanspruch gegenüber dem Unternehmen gemäß den Regelungen des § 28 Manteltarifvertrag. Alle vom 3. Mai 2012 (nachfolgend: "MTV Alle") in der Fassung der "Tarifeinigung [...] vom 15. April 2015 und 13. Juli 2018" (nachfolgend: "Tarifeinigung").b)Zusätzliche Abfindung Darüber hinaus erhält jede(r) betroffene Mitarbeiter*in eine zusätzliche Abfindung von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. [...] [...] § 4 Schlussbestimmungen [...] 2.Die in diesem Sozialplan enthaltenen Regelungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile sind abschließend. [...]"



Die Anlage 1 zum Tarifsozialplan (Blatt 93 der Akte) enthält die Namen der Mitarbeiter G., H., M. und L.; der Name der Klägerin ist nicht aufgeführt.



Am 30.04.2020 wurde der Klägerin der Entwurf eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungsberechnung über einen Betrag von 93.900,00 € brutto übermittelt. Eine Einigung hierzu ist allerdings nicht mehr zustande gekommen.



Am 05.05.2020 verluden die Klägerin und der Mitarbeiter H. in der Mittagszeit zwei Stühle aus dem Inventar der D. Theater Produktionsgesellschaft mbH in das Fahrzeug der Klägerin. Es handelte sich um Stühle des Herstellers Vitra, die zu einem Konferenztisch gehörten. Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH verfügte über insgesamt acht Stühle dieses Typs. Das Verladen der Stühle wurde durch zwei Sicherheitskameras aufgenommen, die von einem externen Sicherheitsmitarbeiter kontrolliert wurden. Im Wachbuch findet sich am 05.05.2020 folgende Notiz: "Q. H. und L. W. haben heute um 13:35 2 Hochwertige Designer Stühle mitgenommen. Die Stühle wurden in das Auto von Frau W. untergebracht!"



Noch am 05.05.2020 schickte die Klägerin ihrer Vorgesetzten Frau T. um 14:21 Uhr eine E-Mail, in der sie mitteilte, dass sie und Herr H. an dem Erwerb von je zwei Stühlen interessiert seien, die ungefähr den gleichen Wert haben sollten wie die "Konfistühle" aus dem Foyer (€ 10,00/Stück). Das Geld würden sie bei der Kollegin G. einzahlen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin Frau G. tatsächlich 20 € gegeben hat.



Frau T. teilte mit E-Mail vom gleichen Tag um 15:52 Uhr mit, dass die Stühle eventuell mit dem Konferenztisch komplett weggingen, so dass noch kein Einzelverkauf möglich sei. Die Klägerin reagierte per E-Mail von 15:56 Uhr unmittelbar hierauf mit dem Hinweis, es sei schade, dass sie die Preise vorher nicht gewusst hätten, dann hätten sie sehr viel selbst gekauft. Ob sie bzw. ihr Ehemann die Stühle dann zum Betrieb zurückgebracht hat, ist zwischen den Parteien streitig.



Am 27.05.2020 warf der Legal Counsel HR in einer gemeinsamen Skype-Konferenz mit Frau T. der Klägerin vor, zwei Stühle aus den Räumen mitgenommen zu haben. In dieser Konferenz spielte er der Klägerin eine Videosequenz von der Parkplatzschranke vor. Unstreitig erklärte die Klägerin in diesem Gespräch nicht, dass sich die Stühle wieder im Betrieb befänden. In diesem Gespräch, dessen Inhalt im Übrigen teilweise streitig ist, wurde der Klägerin eine verhaltensbedingte Kündigung in Aussicht gestellt (Seite 31 der Berufungsbegründung, Blatt 388 der Akte).



Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.05.2020 ordentlich zum 30.11.2020. Das Kündigungsschreiben, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K5 (Blatt 25 der Akte) Bezug genommen wird, enthielt keine Hinweise auf den Kündigungsgrund.



Die Klägerin erhob am 03.06.2020 gegen diese Kündigung im Verfahren 1 Ca 1358/20 vor dem Arbeitsgericht Essen Klage. Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH stützte ausweislich der dortigen Klageerwiderung vom 07.10.2020 und zuvor schon ihrer Einlassung im Gütetermin vom 25.08.2020 die Kündigung auf den Tatvorwurf bzw. den dringenden Verdacht, die Klägerin habe ein Eigentumsdelikt begangen. Mit rechtskräftigem Urteil vom 10.12.2020 hat das Arbeitsgericht Essen die Klage in dem Verfahren 1 Ca 1358/20 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nur der Verstoß gegen Generalklauseln zu prüfen sei. Diese führten nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Denn zum einen könne die Klägerin aufgrund der Betriebseinstellung nicht weiterbeschäftigt werden. Zum anderen habe zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zumindest der begründete Verdacht bestanden, dass die Klägerin sich die zwei im Eigentum der D. Theater Produktionsgesellschaft mbH stehenden Stühle unberechtigt angeeignet habe. Ob damit ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG gegeben sei, könne dahingestellt bleiben, denn jedenfalls liege damit keine willkürliche bzw. treuwidrige Kündigung vor.



Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH erstellte der Klägerin ein auf den 30.11.2020 datiertes Zeugnis (Blatt 105 f. der Akte), in dem als Beendigungsgrund betriebsbedingte Gründe angegeben sind.



Mit ihrer am 01.03.2021 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen und der D. Theater Produktionsgesellschaft mbH am 18.03.2021 zugestellten Klage des vorliegenden Verfahrens hat die Klägerin die Zahlung einer Sozialplanabfindung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der Schließung des Betriebs und nicht aufgrund einer verhaltensbedingten Kündigung beendet worden. Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH konstruiere lediglich einen Kündigungsgrund, um die Abfindung nicht zahlen zu müssen.



Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 128.403,67 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2021 zu zahlen.



Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat behauptet, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des dringenden Verdachts eines Vermögensdelikts gekündigt worden. Nach der Tarifeinigung vom 13.07.2018 sei ihr der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung ohnehin bis einschließlich 30.06.2021 untersagt gewesen. Tarifsozialplan ebenso wie MTV 2012, aber auch der nicht mehr anwendbare MTV 2009 setzten für einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung voraus, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen beendet worden sei. Diese Voraussetzung sei im Fall der Klägerin nicht gegeben. Das Arbeitszeugnis sei versehentlich so erstellt worden und belege keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund.



Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes zum erstinstanzlichen Vorbringen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG unter Bezugnahme des Tatbestandes des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom 28.07.2021, mit dem die Klage abgewiesen wurde, abgesehen.



Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten am 28.07.2021 zugestellt worden. Sie hat mit am 27.08.2021 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese mit am 25.09.2021 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet.



Mit Wirkung zum 20.12.2021 ist die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH auf die T. F. Produktionsgesellschaft mbH verschmolzen worden, die nach entsprechender Rubrumsberichtigung den Rechtsstreit im Berufungsverfahren als Rechtsnachfolgerin auf Beklagtenseite fortführt.



Die Klägerin verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihren Abfindungsanspruch in Höhe von nunmehr noch 124.410,06 € weiter. Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht zu dem Schluss gekommen, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei verhaltens- oder personenbedingt, jedenfalls aber nicht betriebsbedingt erfolgt. Es habe dabei nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Geltungsbereichs von Tarifsozialplan und MTV zur Begründung des Sozialplananspruchs erfülle. Ihr Arbeitsverhältnis sei wegen der zum 30.06.2020 vollzogenen Betriebsschließung gekündigt und beendet worden. Verhaltens- oder personenbedingte Gründe bestreitet sie weiterhin und behauptet, die Stühle, die sie nicht habe entwenden, sondern kaufen wollen, habe ihr Ehemann um den 13.05.2020 herum wieder in den Betrieb des D.-Theaters zurück gebracht, nachdem infolge der Email-Korrespondenz mit Frau T. klar gewesen sei, dass aus dem Kauf nichts werde und sie ihm dies mitgeteilt habe. Das Datum ergebe sich daraus, dass sie damals wegen Corona nur noch einmal in der Woche im Betrieb gewesen sei und ihm die Schranke geöffnet habe, als er die Stühle mit dem Wagen vorbeigebracht und ins Theater zurückgetragen habe. Sie habe in dem Gespräch vom 27.05.2020 eine Entwendung der Stühle auch nicht zugestanden, vielmehr sei über die Rückgabe der Stühle gar nicht mehr gesprochen worden, weil sie nach deren Verbleib von den Beklagtenvertretern gar nicht gefragt worden sei und dies dann ihrerseits auch nicht thematisiert habe. Eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung wäre mithin inhaltlich nicht begründet gewesen. Die Kündigung sei aber auch erkennbar nicht aus einem solchen Grunde ausgesprochen worden. Das ergebe sich daraus, dass das Kündigungsschreiben keinen Kündigungsgrund nenne, der Klägerin bei Ausspruch der Kündigung kein verhaltensbedingter Grund mündlich mitgeteilt worden sei, ein verhaltensbedingter Grund sich auch im Zusammenhang mit der Besprechung vom 27.05.2020 nicht ergebe, da sie in dem Gespräch ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass eine Einschätzung durch die Geschäftsführung noch erfolgen werde und ihr schließlich unter dem 30.11.2020 ein Zeugnis mit Angabe eines betriebsbedingten Beendigungsgrundes erteilt worden sei. An diese Angabe sei die Beklagte aufgrund des Grundsatzes der Zeugniswahrheit gebunden. Dass der Angabe ein Versehen zugrunde liege, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen. Sie verweist insbesondere darauf, dass das Zeugnis sogar von Frau T. und damit von einer in die Vorkommnisse im Mai 2020 involvierten Mitarbeiterin unterzeichnet worden sei. Die Beklagte bzw. die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH habe überhaupt nur fünf Zeugnisse ausstellen müssen und das Zeugnis vom 30.11.2020 sei spezifisch auf die Klägerin zugeschnitten formuliert, so dass ein Versehen auszuschließen sei. Dass die Beklagte tarifvertraglich bis 30.06.2021 gehindert gewesen sei, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen, spreche nicht gegen die Annahme, dass sie gleichwohl aus betriebsbedingten Gründen gekündigt habe. Es sei kein schlüssiger Einwand der Beklagten, etwas nicht getan zu haben, weil es nicht erlaubt gewesen sei. Selbst wenn man annehme, dass der Kündigung mehrere Kündigungsgründe zugrunde gelegen hätten, sei neben dem - nicht begründeten - verhaltens- oder personenbedingten auch ein betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben gewesen. Dass der Kündigung ausschließlich verhaltensbedingte Gründe zugrunde gelegen hätten, sei ihr weder unmittelbar noch in Verbindung mit den Begleitumständen zu entnehmen. Das rechtskräftige Urteil in dem Verfahren 1 Ca 1358/20 begründe kein Präjudiz zur Frage des Kündigungsgrundes, denn das Arbeitsgericht habe es dahinstehen lassen, ob ein verhaltensbedingter oder ein betriebsbedingter Kündigungsgrund bestanden habe.



Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 28.07.2021 - 6 Ca 419/21 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 124.410,06 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15.01.2021 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hält die Berufung bereits mangels hinreichender Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen für unzulässig. Jedenfalls sei das Rechtsmittel unbegründet, denn die Kündigung sei von vornherein ausschließlich und für die Klägerin aus den Begleitumständen auch hinreichend klar erkennbar aus verhaltens- bzw. personenbedingten Gründen erfolgt, nämlich wegen des Verdachts der Entwendung der beiden Stühle. Die Klägerin, so behauptet die Beklagte weiterhin, habe in dem Gespräch am 27.05.2020 eingeräumt, die Stühle mitgenommen zu haben und erklärt, dass sie sich dafür schäme. Dies habe sie nach ihrer Einlassung in dem Gespräch auch daran gehindert, die Stühle wieder zurück zu bringen. Ihre anderslautenden Behauptungen im vorliegenden Verfahren seien in sich widersprüchlich und zu bestreiten. Auch die erstmalige Konkretisierung einer Rückgabe der Stühle um den 13.05.2020 herum bestreitet die Beklagte und hält den Vortrag der Klägerin unverändert für nicht einlassungsfähig. Selbst wenn man mit dem Vorbringen der Klägerin annähme, der Kündigung hätten sowohl verhaltens- als auch betriebsbedingte Gründe zugrunde gelegen, begründe dies keinen Sozialplananspruch, denn Voraussetzung dafür sei, dass die betriebsbedingten Gründe die Hauptursache der Kündigung seien, was hier aber nicht der Fall sei. Dass im Kündigungsschreiben kein Kündigungsgrund genannt worden sei, sei rechtlich unerheblich. Die Begleitumstände der Kündigung vom 28.05.2020 und auch der Umstand, dass allen anderen, tatsächlich betriebsbedingt entlassenen Mitarbeitern wegen des tarifvertraglichen Kündigungsausschlusses, der erst im Juli 2020 durch Einigung mit der Gewerkschaft ver.di habe überwunden werden können, im Juli 2020 gekündigt worden sei, deuteten hinreichend deutlich darauf hin, dass im Falle der Klägerin keine betriebsbedingte Kündigung erfolgt sei. Damit sei der Geltungsbereich der Tarifvorschriften zur Abfindungszahlung nicht eröffnet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem unter dem 30.11.2020 erteilten Zeugnis. Der dortigen Angabe betriebsbedingter Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liege ein Versehen zugrunde. Die mithin nicht betriebsbedingt ausgesprochene Kündigung habe das Arbeitsverhältnis wirksam beendet. Die rechtskräftigen Feststellungen hierzu im Urteil des Arbeitsgerichts zu dem Aktenzeichen 1 Ca 1358/20 ließen eine neuerliche Prüfung der streitgegenständlichen Kündigung nicht zu.



Wegen des weiteren, umfangreichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.



Das Berufungsgericht hat die Gerichtsakte 1 Ca 1358/20 des Arbeitsgerichts Essen beigezogen und deren Inhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Gleichfalls hat das Berufungsgericht die Klägerin nach § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.09.2020 verwiesen.



Entscheidungsgründe



I.



Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt über 600,- €. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt eine sich hinreichend konkret mit den Urteilsgründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandersetzende Berufungsbegründung vor, so dass auch im Hinblick auf die Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO keine Bedenken an der Zulässigkeit des Rechtsmittels bestehen.



II.



Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht Essen die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht die geltend gemachte Abfindung nicht zu, denn sie erfüllt nicht alle Voraussetzungen des persönlichen Geltungsbereichs des Tarifsozialplans sowie des § 28 MTV 2012, die beide zur Begründung einer Abfindungsforderung ein Ausscheiden aufgrund betriebsbedingter Gründe, konkret aufgrund der Betriebsstilllegung des Theaterbetriebes voraussetzen.



Im Einzelnen:



1. Die Anspruchsgrundlage des § 2 Ziffer 1 des Tarifsozialplans vom 29.07./05.08.2020, die gemäß § 4 Ziffer 2 des Tarifsozialplans den Abfindungsanspruch im Zusammenhang mit der Theaterschließung abschließend regelt, vermag einen Anspruch der Klägerin im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 28.05.2020 zum 30.11.2020 nicht zu begründen. Denn Voraussetzung für die Anwendung der Regelung wäre, dass die Klägerin dem Geltungsbereich des Tarifsozialplans nach dessen § 1 unterfiele.



Die Klägerin erfüllt jedoch nicht alle Voraussetzungen des Geltungsbereichs nach § 1 Ziffer 1 des Tarifsozialplans. Zwar stand sie unstreitig zum Zeitpunkt der Verkündung der Schließung am 29.10.2019 in einem Arbeitsverhältnis zur D. Theater Produktionsgesellschaft mbH und unstreitig ist sie auch seit 01.01.2020 Mitglied der Gewerkschaft ver.di, was eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Tarifsozialplans ist.



Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist jedoch nicht "auf Grund der Schließung bzw. Betriebsstilllegung des Theaterbetriebes" beendet worden. Das setzte voraus, dass die Schließung des Theaterbetriebes der Hauptgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen wäre und diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben.



a. Dass der Tarifsozialplan die Betriebsbedingtheit auf Grund der Theaterschließung als Hauptgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnis zur Eröffnung des Geltungsbereichs fordert, ergibt die Auslegung der Regelung seines § 1 Ziffer 1.



Der Tarifsozialplan, abgeschlossen zwischen der D. Theater Produktionsgesellschaft mbH, vertreten durch ihre Geschäftsführung und die Gewerkschaft ver.di, ist ein sogenannter Firmentarifvertrag im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG, dessen Rechtsnormen zu Inhalt und Beendigung von Arbeitsverhältnissen unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen gelten, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG.



Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags sowie der zugehörigen Regelungen zum Geltungsbereich folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist stets abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und gesetzeskonformen Regelung führt (BAG vom 11.11.2020 - 4 AZR 210/20, juris, Rz. 20; BAG vom 12.12.2018 - 4 AZR 147/17, juris, Rz. 35; BAG vom 15.05.2012 - 7 AZR 785/10, juris, Rz. 21; BAG vom 15.02.2012 - 7 AZR 626/10, juris, Rz. 30; BAG vom 19.09.2007 - 4 AZR 670/06, juris, Rz. 30; BAG vom 30.05.2006 - 1 ABR 21/05, juris, Rz. 29 mwN.; ebenso BAG vom 15.05.2007 - 1 AZR 370/06, juris, Rz. 11 zu den identischen Auslegungsgrundsätzen bei Sozialplänen nach § 112 Abs. 1 Satz 2 und 3 BetrVG).



In Anwendung dieser Grundsätze folgt hier schon aus dem Wortlaut klar und deutlich, dass die Abfindungsregelungen des Tarifsozialplans allein für die Arbeitnehmer gelten sollen, deren Arbeitsverhältnis "auf Grund der Schließung bzw. Betriebsstilllegung des Theaterbetriebes" endet. Damit gemeint ist erkennbar die betriebsbedingte Beendigung aufgrund eines speziellen Grundes, nämlich hier der Betriebsstilllegung. Nennt ein Sozialplan betriebsbedingte Gründe als Voraussetzung im Geltungsbereich, wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die betrieblichen Gründe die Kündigung "bedingen" müssen. "Betriebsbedingt” ist die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dann, wenn ihre Hauptursache in der Sphäre des Betriebs und nicht in derjenigen des Arbeitnehmers liegt (BAG vom 15.05.2007 - 1 AZR 370/06, juris, Rz. 15).



Soweit der Tarifsozialplan hier unter § 1 Ziffer 1 davon spricht, dass das Arbeitsverhältnis "auf Grund" der Betriebsstilllegung enden muss und dies im selben Satz nochmals mit der Wendung "aus diesem Grund" verstärkt wird, wird gleichfalls zum Ausdruck gebracht, dass die Betriebsstilllegung der maßgebliche, also der Hauptgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein muss.



Dieses Verständnis entspricht Sinn und Zweck einer Sozialplanabfindung. Zweck eines Sozialplans ist es, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern. Dabei können die Tarifvertrags- ebenso wie die Betriebsparteien im Rahmen des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eine typisierende Beurteilung dahin vornehmen, dass z.B. Arbeitnehmern, die "vorzeitig”, also zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten, selbst kündigen, keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als den anderen Arbeitnehmern (vgl. BAG vom 15.05.2007 - 1 AZR 370/06, juris, Rz. 16 mwN).



Dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich im Sinne der Hauptursache durch die Betriebsstilllegung bedingt sein muss, folgt auch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung unter § 1 Ziffer 1 des Tarifsozialplans mit den nachfolgend aufgezählten Ausnahmetatbeständen, die verhaltens- oder personenbedingt wirksam gekündigte Arbeitnehmer ausdrücklich noch einmal aus dem Geltungsbereich ausschließen.



b. Entgegen der Ansicht der Klägerin wäre es somit ungeachtet des Umstandes, dass die Beklagte ohnehin behauptet, alleiniger Kündigungsgrund der Kündigung vom 28.05.2020 sei der dringende Verdacht eines Vermögensdelikts und mithin ein personenbedingter oder aber bei Tatnachweis ein verhaltensbedingter Grund gewesen, nicht einmal ausreichend zur Begründung des Geltungsbereichs des Tarifsozialplans, wenn die Kündigung "auch" anlässlich der Betriebsstilllegung erfolgt wäre, solange dies nicht die Hauptursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war.



Dass die Theaterschließung wiederum die Hauptursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin gewesen wäre, ist nicht feststellbar. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie unter den in § 1 des Tarifsozialplans festgelegten Geltungsbereich fällt und damit grundsätzlich hinsichtlich der tariflich geregelten Abfindungsansprüche anspruchsberechtigt ist, trägt die Klägerin. Denn nach den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts trägt die Darlegungs- und Beweislast diejenige Partei, die sich auf eine für sie günstige Rechtsfolge beruft. Bei Sozialplänen wie dem hier vorliegenden muss die Klägerin als Anspruchstellerin mithin darlegen und beweisen, dass der Geltungsbereich eröffnet und Hauptursache der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Stilllegung des Theaterbetriebes war (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast bei Sozialplanansprüchen und bei streitiger Eröffnung des Geltungsbereichs auch LAG Berlin-Brandenburg vom 09.06.2015 - 11 Sa 302/15, juris, Rz. 36 f.).



Zutreffend weist die Klägerin nun zwar darauf hin, dass das Kündigungsschreiben vom 28.05.2020 keine Kündigungsgründe enthält. Ferner weist sie darauf hin, dass ihr auch bei Übergabe des Kündigungsschreibens keine Kündigungsgründe mitgeteilt worden seien. Beides ist auch rechtlich für die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung - erst recht im kündigungsschutzrechtlichen Kleinbetrieb - nicht geboten. Gleichwohl musste der Klägerin der maßgebliche Kündigungsgrund ihres Arbeitgebers hier aber aus den Gesamtumständen klar sein. Denn wenn auch streitig ist, ob die Klägerin die beiden Stühle entwenden wollte und ihr mithin zu Recht ein entsprechendes Vermögensdelikt vorgeworfen werden kann, so war genau das doch Thema des Gesprächs am 27.05.2020 und mithin gerade einen Tag vor Ausspruch der Kündigung. Unstreitig wurde der Klägerin in diesem Gespräch das Video der Verladung der Stühle vorgespielt, bis sie die Vorführung abbrechen ließ, indem sie erklärte, dass die Verladung als solche nicht bestritten werde. Weiter unstreitig ist aufgrund der Einlassung der Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung am 13.09.2022, dass der Klägerin gegenüber seitens der Arbeitgebervertreter erklärt wurde, dass "wer sich so verhalte, sowieso keinen Anspruch habe". Diese Erklärung, so die Klägerin, sei erfolgt, nachdem man im Hinblick auf ihre Aussicht auf eine Anschlussbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber erklärt habe, man sehe vor diesem Hintergrund den Aufhebungsvertrag nicht mehr und nachdem sie dies ihrerseits dann in Frage gestellt habe. Damit ist erkennbar auch nach der klägerischen Einlassung jedenfalls letzten Endes mit den auf dem Video beruhenden Vorwürfen ein Aufhebungsvertrag und mithin eine Abfindung seitens der Arbeitgebervertreter abgelehnt worden ("...wer sich so verhalte, [habe] sowieso keinen Anspruch..."). Dass ihr in dem Gespräch am 27.05.2020 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt worden sei, hat die Klägerin in ihrer Parteianhörung gleichfalls bestätigt. Soweit sie sich eingelassen hat, ob ihr konkret eine verhaltensbedingte Kündigung in Aussicht gestellt worden sei, könne sie nicht mehr erinnern, ist dies unerheblich, da die Erinnerung jedenfalls im Rahmen der zeitlich deutlich früheren Berufungsbegründung noch vorhanden war. In der Berufungsbegründung vom 25.09.2021 auf Seite 31 stellt die Klägerin selbst unstreitig, dass ihr in dem Gespräch, das einen Tag vor Ausspruch der Kündigung stattgefunden hat, eine verhaltensbedingte Kündigung in Aussicht gestellt worden ist. Dass die Entscheidung hierüber dann noch von der Geschäftsführung abhängig gewesen sei, wie die Klägervertreterin in der mündlichen Berufungsverhandlung eingewandt hat, ist zutreffend. Wenn aber am Folgetag dieser Anhörung und vor diesem Hintergrund eines Gesprächs, in dem verhaltensbedingte Vorwürfe erörtert wurden und eine verhaltensbedingte - und nicht etwa eine betriebsbedingte - Kündigung in Aussicht gestellt wurde, dann durch den Arbeitgeber die Kündigung erfolgt, spricht dies erkennbar für die Annahme, dass die Kündigung auch entsprechend verhaltensbedingt erfolgt ist. Anderes war der Klägerin am 27.05.2020 nicht angekündigt worden. Sie trägt auch nicht vor, weitere Arbeitnehmer hätten wie sie Ende Mai die Kündigung erhalten, was dann wieder eher doch für eine betriebsbedingte Veranlassung hätte sprechen können.



Sicherlich ist der Klägerin beizupflichten, dass der Umstand, dass betriebsbedingte Kündigungen im Mai 2020 noch tariflich bis 30.06.2021 ausgeschlossen waren, für sich genommen nicht dagegen spricht, dass der Arbeitgeber sie gleichwohl ausspricht. Hielten sich alle immer an alle Normen, die für sie gelten, gäbe es kaum noch Streit in der Gesellschaft und Gerichte wären weitgehend überflüssig. So ist die Realität jedoch schon unabhängig davon nicht, dass in vielen Fällen auch trefflich darüber gestritten werden kann, was überhaupt der genaue Inhalt einer Normvorgabe ist. Wenn aber wie hier eine betriebsbedingte Kündigung schon nach dem Vortrag der Klägerin am 27.05.2020 gar nicht in Aussicht gestellt wird, sondern eine verhaltensbedingte, und wenn dann am Folgetrag der Ankündigung eine Kündigung erfolgt, spricht schon jenseits der Frage einer rechtlichen Zulässigkeit betriebsbedingter Kündigungen hier alles für eine verhaltensbedingte und eben nicht für eine betriebsbedingte Kündigung der Klägerin. Wenn dann weiter von der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin nicht einmal behauptet wird, dass weitere Mitarbeiter - es waren ja nur noch vier ! - zeitgleich oder jedenfalls zeitnah noch im Mai ebenfalls eine Kündigung erhalten haben, während die Beklagte behauptet, deren Kündigungen erst im Juli 2020 nach Betriebsschließung und im zeitlichen Kontext mit der Einigung mit ver.di ausgesprochen zu haben, vermag auch dies bei der Klägerin die Annahme einer betriebsbedingten Kündigung nicht zu stützen.



Dass das Arbeitsgericht Essen dann im Kündigungsschutzverfahren 1 Ca 1358/20 mit rechtskräftigem Urteil vom 10.12.2020 die Wirksamkeit der Kündigung damit begründet hat, neben einem begründeten Verdacht der Begehung eines Vermögensdelikts im Zusammenhang mit den beiden an sich genommenen Stühlen habe dem Arbeitgeber auch der Kündigungsgrund der Stilllegung zur Seite gestanden, macht aus der erkennbar verhaltensbedingt gewollten und ausgesprochenen Kündigung der Beklagten keine betriebsbedingte. Die Rechtskraftwirkung des Urteils umfasst ohnehin nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als solche. Da es sich um eine Kündigung im Kleinbetrieb handelte, musste das Arbeitsgericht nur eine etwaige Sitten- oder Treuwidrigkeit prüfen und hat auch nicht mehr als dies getan. Die Feststellung, die Kündigung sei betriebs- oder verhaltensbedingt (sozial) gerechtfertigt, lässt sich dem Urteil somit - zu Recht - nicht entnehmen, sondern nur, dass sie nicht treuwidrig sei, da ihr mehrere einleuchtende Gründe zugrunde gelegen hätten (I.2.b. der Entscheidungsgründe). Die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH wiederum hat sich in dem Verfahren 1 Ca 1358/20 ausweislich ihrer Erklärung zu Protokoll des Gütetermins vom 25.08.2020 und auch in ihrer Klageerwiderung vom 07.10.2020 ausdrücklich und allein auf verhaltensbedingte Kündigungsgründe berufen. In der Klageerwiderung hat sie lediglich unter dem Gliederungspunkt "1. Generalia" auf die Betriebsstilllegung hingewiesen, zum "2. Sachverhalt" dann aber über Seiten hinweg allein noch zu ihren auch im vorliegenden Verfahren wiederholten verhaltensbedingten Vorwürfen ausgeführt und in rechtlicher Hinsicht unter "II." eine allein verhaltens- bzw. bzgl. der Verdachtskündigung personenbedingte Begründung für die Kündigung abgegeben.



Mithin war die Kündigung vom 28.05.2020 nach den Gesamtumständen und auch für die Klägerin klar erkennbar verhaltens- bzw. personenbedingt, nicht jedoch betriebsbedingt erfolgt. Dass das Arbeitsgericht im Urteil vom 10.12.2020 dann parallel mit betrieblichen wie auch verhaltens-/personenbedingten Erwägungen die allein durch das Gericht zu prüfende Treuwidrigkeit der Kündigung ausschließt, ändert den durch die Gesamtumstände vor Ausspruch der Kündigung nach außen hervorgetretenen und damit auch für die Klägerin klar erkennbaren Kündigungswillen ihres Arbeitgebers zum Ausspruch keiner betriebs-, sondern einer verhaltens-/personenbedingten Kündigung nicht. Die Rechtskraftwirkung des Urteils umfasst nicht eine Feststellung bestimmter Kündigungsgründe.



Die Annahme betriebsbedingter Kündigungsgründe rechtfertigt sich auch nicht aus den entsprechenden Aussagen im Arbeitszeugnis der Klägerin, das ihr unter dem 30.11.2020 erteilt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt lagen ihr bereits die Erklärungen ihres Arbeitgebers im Kündigungsschutzverfahren vom 25.08.2020 und 07.10.2020 vor, aus denen klar hervorging, dass die Kündigung - wie ihr aus den Begleitumständen nach den vorstehenden Ausführungen ja ohnehin bereits klar sein musste - allein verhaltens-/personenbedingt und gerade nicht betriebsbedingt ausgesprochen und nunmehr begründet wurde. Die Bindungswirkung von Zeugnisaussagen des Arbeitgebers mag zwar dazu führen können, dass er nach vorbehaltloser Erteilung eines Zeugnisses, in dem einwandfreies Verhalten bestätigt und der Arbeitnehmer als ehrlich und gewissenhaft bezeichnet wird, wegen widersprüchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben (§ 242 BGB - venire contra factum proprium) gehindert ist, nachfolgend für denselben, im Zeugnis bescheinigten Zeitraum einen Haftungsanspruch gegen den Arbeitnehmer wegen Warenfehlbeständen geltend zu machen (so BAG vom 08.02.1972 - 1 AZR 189/71, juris, Rz. 18 f.; HWK/Gäntgen, 10. Auflage, § 109 GewO Rn. 39; a.A. Burmann, jurisPR-ArbR 38/2022, Anm. 4). Ebenso wird vertreten, dass eine der Zeugniserteilung und Attestierung "immer einwandfreien Verhaltens" am Folgetag nachfolgende außerordentliche Kündigung wegen eines angeblich am Vortrag vor Zeugniserstellung erfolgten groben Fehlverhaltens wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich und unwirksam sei (LAG Hamm vom 03.05.2022 - 14 Sa 1350/21, juris, Rz. 25 ff. mit ablehnender Anmerkung Burmann, jurisPR-ArbR 38/2022, Anm. 4). Die Berufungskammer lässt dahinstehen, ob dem in dieser Allgemeinheit zu folgen ist. Denn diese Fälle einer Bindungswirkung sind mit dem vorliegenden Fall ebenso wenig vergleichbar wie diejenigen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine Bindungswirkung früher erteilter Zeugnisse hinsichtlich des von ihnen umfassten Beurteilungszeitraums für spätere Zeugnisse oder Zeugniskorrekturen gilt (BAG vom 16.10.2007 - 9 AZR 248/07, juris, Rz. 23; BAG vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04, juris, Rz. 13).



Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung der Grundsätze von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung (BAG vom 26.04.2018 - 3 AZR 738/16, juris, Rz. 49; BAG vom 16.04.2013 - 9 AZR 731/11, juris, Rz. 32). Wer durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat, darf den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen (BAG vom 26.04.2018 - 3 AZR 738/16, juris, Rz. 49; vgl. auch BAG vom 14.02.2012 - 3 AZR 685/09, juris, Rz. 62; BAG vom 29.09.2010 - 3 AZR 546/08, juris, Rz. 21). Allerdings ist nicht jedes widersprüchliche Verhalten rechtsmissbräuchlich. Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn die andere Seite auf ein Verhalten vertrauen durfte und ihre Interessen vorrangig schutzwürdig erscheinen. Maßgeblich ist, ob für den anderen Teil ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BAG vom 26.04.2018 - 3 AZR 738/16, juris, Rz. 49; ebenso BGH vom 16.03.2017 - I ZR 39/15, juris, Rz. 96). In Anwendung dieser Grundsätze kann eine Bindungswirkung auf Beklagtenseite durch das unter dem 30.11.2020 erteilte Zeugnis nicht über § 242 BGB wegen eines treuwidrig widersprüchlichen Verhaltens dahingehend begründet werden, dass ihr ein Berufen auf verhaltens-/personenbedingte statt betriebsbedingter Gründe für die Kündigung vom 28.05.2020 versagt wäre. Denn nachdem wie zuvor festgestellt zum Zeitpunkt der Kündigung aus den Begleitumständen klar zu entnehmen war, dass die Klägerin wegen verhaltens-/personenbedingter Gründe (Tat- bzw. Verdachtsvorwurf eines Vermögensdelikts zu Lasten des Arbeitgebers) und nicht betriebsbedingt gekündigt worden war und die Kündigung dann am 25.08.2020 und am 07.10.2020 im Kündigungsschutzprozess auch entsprechend von der Arbeitgeberin der Klägerin begründet worden war, kann das zeitlich nachfolgende Zeugnis vom 30.11.2020 mit der Angabe betriebsbedingter Gründe und vorbildlichen Verhaltens keinen Vertrauenstatbestand mehr dahingehend geschaffen haben, die Klägerin sei betriebsbedingt entlassen worden. Anders als in den zur Bindungswirkung ergangenen, vorstehend zitierten Entscheidungen, folgt hier dem Zeugnis nicht ein Verhalten der Beklagten nach, welches durch das Zeugnis begründetes Vertrauen enttäuscht und damit als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sein könnte, sondern dem Zeugnis ging ein Verhalten des Arbeitgebers voraus, das bereits von vornherein kein berechtigtes Vertrauen auf betriebsbedingte Kündigungsgründe mehr entstehen lassen konnte und vor allem durch das Zeugnis nicht nachträglich treuwidrig werden kann. Es mag daher dahingestellt bleiben, ob die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH der Klägerin über die Zeugnisformulierung nur einfach keine "Steine" auf dem weiteren Berufsweg mehr in den Weg legen wollte und hierbei ihre zeugnisrechtliche Wahrheitspflicht bewusst verletzt hat oder ob die Formulierung im Zeugnis auf einem Versehen beruht. Sie lässt jedenfalls kein Vertrauen auf betriebsbedingte Beendigungsgründe entstehen, wo zuvor schon mehrfach allein verhaltens- bzw. personenbedingte erklärt worden sind.



Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen wäre im Übrigen, selbst wenn man dies anders sehen wollte, damit von der Klägerin noch immer nicht dargelegt und bewiesen worden, dass betriebsbedingte Gründe die Hauptursache für ihre Entlassung gewesen wären, was allein jedoch wie bereits aufgezeigt den Geltungsbereich des Tarifsozialplans eröffnete.



c. Wird das Arbeitsverhältnis wie hier durch den Arbeitgeber nach seinem erkennbaren, weil hinreichend deutlich nach außen hervorgetretenen Willen verhaltens-/personenbedingt, jedenfalls aber nicht betriebsbedingt gekündigt, ist der Geltungsbereich des Tarifsozialplans unabhängig davon nicht eröffnet, ob verhaltens- oder personenbedingte Kündigungsgründe die Kündigung objektiv hätten rechtfertigen können.



Denn wie bereits ausgeführt trägt die klagende Arbeitnehmerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihr Fall vom Geltungsbereich des Tarifsozialplans umfasst ist. Selbst objektiv nicht tragfähige verhaltens-/personenbedingte Kündigungsgründe machen aus einer Kündigung, die aus eben diesen Gründen ausgesprochen wird, keine betriebsbedingte Kündigung - hier "auf Grund der Schließung des Theaterbetriebes". Es ist der Arbeitgeber, der den maßgeblichen Kündigungsgrund nach seinem Willen festlegt (vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg vom 09.06.2015 - 11 Sa 302/15, juris, Rz. 37 f.). Ob die Kündigung dann objektiv den Wirksamkeitsanforderungen des Gesetzes standhält, kann auf entsprechende Klage hin von den Arbeitsgerichten geprüft und gerichtlich festgestellt werden. Die Feststellung nicht vorhandener verhaltensbedingter Kündigungsgründe macht aus der verhaltensbedingten jedoch keine betriebsbedingte Kündigung.



Hier kommt hinzu, dass die Kündigung der D. Theater Produktionsgesellschaft mbH durch das arbeitsgerichtliche Urteil vom 10.12.2020 im Verfahren 1 Ca 1358/20 des Arbeitsgerichts Essen für wirksam erklärt worden ist, indem die Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen worden ist. Wenngleich im Kleinbetrieb dabei nur eine eingeschränkte Prüfung nach Maßgabe der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 242, 138 BGB und keine Prüfung der sozialen Rechtfertigung stattfindet, ist damit die Rechtslage dieselbe wie bei einem Arbeitnehmer, der gar nicht gegen eine ausgesprochene Kündigung klagt. Klagt der gekündigte Arbeitnehmer nicht gegen eine verhaltens-/personenbedingte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses, gilt die Kündigung nach §§ 4, 7 KSchG nach Fristablauf kraft gesetzlicher Fiktion als wirksam. Es verbietet sich dann aber, nachträglich im Verfahren auf Zahlung einer Sozialplanabfindung inzident eine erneute Wirksamkeitsprüfung im Hinblick auf die geltend gemachten verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgründe vorzunehmen. Entscheidend ist, ob eine Kündigung verhaltens-/personenbedingt ausgesprochen werden sollte oder betriebsbedingt. Wird die Kündigung dann gerichtlich für wirksam erachtet oder kraft gesetzlicher Fiktion nach § 7 KSchG wirksam, wird sie als verhaltens-/personenbedingte Kündigung wirksam, nicht als betriebsbedingte, als die sie nie erklärt worden war. Damit läge im vorliegenden Fall sogar der zusätzliche Ausschlusstatbestand des § 1 Ziffer 1 Spiegelstrich 4 des Tarifsozialplans vor.



Unabhängig von dem Vorstehenden und die Entscheidung selbständig tragend ist zudem die Klägerin beweisfällig geblieben für ihre Behauptung einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wollte man zudem auf die objektive Rechtslage und nicht entscheidend auf den nach außen für den Arbeitnehmer erkennbaren Kündigungswillen des Arbeitgebers abstellen, ließe sich im vorliegenden Fall nicht feststellen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Kündigungsgründe erfolgt wäre. Denn die D. Theater Produktionsgesellschaft mbH war aufgrund der Tarifeinigung vom 13.07.2018 (dort Ziffer 3 a) bis 30.06.2021 rechtlich gehindert, betriebsbedingte Kündigungen jenseits des hier nicht einschlägigen Produktionswechsels auszusprechen. Wenn man nun aber entgegen der Rechtsansicht der Berufungskammer nicht auf den Kündigungswillen des Arbeitgebers und die rechtlich nicht mehr angreifbare Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die von ihm erklärte Kündigung entscheidend abstellen wollte, sondern auf die objektive Rechtslage, dann ist die tarifvertragliche Kündigungssperre insoweit von Bedeutung, als sie eine betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 28.05.2020 ausschließt. Das hindert wie schon aufgezeigt den Arbeitgeber zwar faktisch nicht am gleichwohl erfolgenden Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen, wohl aber rechtlich. Diese Tarifsperre ist erst im Juli 2020 weggefallen, spätestens durch den Tarifsozialplan vom 29.07./05.08.2020, der als nachfolgende Tarifregelung den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen unter I. im letzten Absatz ausdrücklich vorsieht und damit in Abänderung der Tarifeinigung vom 13.07.2018 erlaubt. Im Gegenzug dazu sind dann ja offensichtlich die Sozialplanregelungen unter §§ 1 ff erfolgt, die für einen Kleinbetrieb ansonsten eher außergewöhnlich wären, da dort - hätte es die tariflichen Beschränkungen nicht gegeben - rechtlich völlig unproblematisch betriebsbedingt hätte gekündigt werden können. Die tarifliche Öffnungsklausel für den Ausspruch von Kündigungen im Tarifsozialplan erfasst aber weder das Arbeitsverhältnis der Klägerin noch vor allem deren Kündigung vom 28.05.2020. Das ergibt sich aus dem Kontext der Tarifregelung, die unter I. im ersten Absatz von vier von der Betriebseinstellung betroffenen Beschäftigten spricht. Damit waren erkennbar die vier im Juli noch nicht gekündigten Arbeitnehmer gemeint, die auch in Anlage 1 des Tarifsozialplans genannt sind. Die Klägerin zählte hierzu nicht. Dass die Anlage 1 nach § 1 Ziffer 2 für den Geltungsbereich des Tarifsozialplans nur deklaratorische Bedeutung haben sollte, ändert an dem so feststellbaren Willen der Tarifvertragsparteien nichts. Diese hatten das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Regelung des Tarifsozialplans, da es bereits gekündigt war, nicht mehr als regelungsbedürftig im Blick. Unabhängig hiervon hätte ihre Öffnung der betriebsbedingten Kündigungsmöglichkeit unter I letzter Absatz des Tarifsozialplans aber auch nur eine Kündigung im Juli zugelassen und nicht rückwirkend eine solche im Mai rechtfertigen können. Nach objektiver Beurteilung - wenn man entgegen der Rechtsansicht der Berufungskammer auf diese abstellen wollte - wäre eine betriebsbedingte Kündigung vom 28.05.2020 somit allein schon wegen der Tarifeinigung vom 13.07.2018, die im tarifgebundenen Arbeitsverhältnis der Klägerin normativ Anwendung fand, rechtsunwirksam gewesen; dieses tarifvertragliche Kündigungsverbot wäre auch im Kleinbetrieb zu beachten gewesen.



2. Selbst wenn man den Tarifsozialplan nicht als abschließende Regelung ansähe, sondern mangels Erfüllung des dortigen tariflichen Geltungsbereichs die Regelung des § 28 MTV 2012 im Falle der Klägerin als nicht verdrängt ansähe, könnte die Klägerin auch aus § 28 MTV 2012 einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung - dann ohnehin nur mit einem entsprechend niedrigeren Betrag - nicht erfolgreich herleiten. Denn Anspruchsvoraussetzung für eine Abfindungszahlung nach § 28 MTV 2012 ist ausdrücklich das "betriebsbedingte" Ausscheiden aus der Gesellschaft. Damit gelten die gleichen rechtlichen Grundsätze wie bereits zuvor unter II. 1 zum Tarifsozialplan ausgeführt. Die Klägerin trägt auch hier die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der maßgeblichen Anspruchsvoraussetzung der Betriebsbedingtheit ihres Ausscheidens, was - erneut - voraussetzt, dass Hauptursache der Beendigung des Arbeitsverhältnisses betriebliche und eben nicht verhaltens- oder personenbedingte Gründe waren. Dies ist hier wie bereits ausgeführt nicht feststellbar.



III.



Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die mit ihrem Rechtsmittel erfolglos gebliebene Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.



IV.



Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine entscheidungserhebliche Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor. Es handelt sich vielmehr um die Entscheidung eines Einzelfalls mit erkennbarem Seltenheitswert (Tarifsozialplanregelung im kündigungsschutzrechtlichen Kleinbetrieb), die keine grundsätzlichen Rechtsfragen aufwirft. Zudem liegen keine eine Divergenzrevision begründenden Abweichungen von Entscheidungen im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor.

Vorschriften§ 28 MTV, § 23 Abs. 1 KSchG, § 1 Abs. 2 KSchG, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 141 ZPO, § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG, § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO, §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, § 133 BGB, § 112 Abs. 1 Satz 2 und 3 BetrVG, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, § 242 BGB, §§ 242, 138 BGB, §§ 4, 7 KSchG, § 7 KSchG, §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 1 ArbGG, § 72 Abs. 2 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG