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Beschluss vom 13.02.2023 · IWW-Abrufnummer 234245

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 4 Ta 30/23

1. Widerklagend erhobene Auskunftsansprüche, die allein der Abwehr der Klageansprüche dienen (hier: Verzugslohnforderungen), verfolgen kein von der Klageforderung unabhängiges, eigenständiges Vermögensinteresse. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht der Wert von Klage und Widerklage daher stets dem Wert der Klage.

2. Zu einer Streitwertbeschwerde gemäß § 68 Abs. 1 GKG gegen die Wertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Urteil.

3. Zur Beschwer gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG des sich selbst vertretenden Rechtsanwalts im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz.


Tenor:

Die Beschwerde des klagenden Rechtsanwalts gegen die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts im Urteil vom 03.11.2022 - 10 Ca 2629/22 - in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 21.04.2023 wird zurückgewiesen.

Der Teilabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 21.04.2023 wird von Amts wegen abgeändert und der Streitwert für das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren auf 20.703,00 Euro festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.



Gründe



I.



Streitig ist die Wertfestsetzung für das arbeitsgerichtliche Verfahren.



Mit der Klage hat der Kläger, ein selbstständiger Rechtsanwalt, von der Beklagten, bei der er als Arbeitnehmer und Syndikusanwalt beschäftigt ist und von der er die unwiderrufliche Einwilligung in eine selbstständige nebenberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt ohne zeitliche Einschränkungen erhalten hat, Verzugslohn aus dem Arbeitsverhältnis für die Monate April bis Juni 2022 in Höhe von 3 x 6.901,00 Euro verlangt. Die Beklagte hat gegenüber der Verzugslohnklage ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt und widerklagend Auskunftsansprüche erhoben über die vom Kläger während des Verzugszeitraums angenommenen oder ihm angetragenen Mandate, deren jeweiliges Stadium sowie die Höhe der erzielten bzw. zu erwartenden oder erzielbaren Vergütung. Die Widerklage diente der Abwehr von Verzugslohnansprüchen wegen anderweitig erzielten bzw. böswillig unterlassen Erwerbs.



Das Arbeitsgericht hat im Urteil vom 03.11.2022 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Den Streitwert hat es im Urteil auf den Betrag der Klage (20.703,00 Euro) festgesetzt und darauf hingewiesen, dass die Widerklage wegen wirtschaftlicher Identität mit der Klage keinen eigenen Wert habe und die Streitwertfestsetzung im Urteil zugleich die Festsetzung des Gerichtsgebührenwerts iSv. § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG darstelle.



Die am 26.12.2022 eingegangenen Beschwerde des Klägers, der sich im Rechtsstreit als Rechtsanwalt selbst vertreten hat, wendet sich gegen die Wertfestsetzung im Urteil. Sie macht geltend, dass die Widerklage auf Erteilung der Auskünfte zusätzlich zu der Klage zu berücksichtigen sei. Da die widerklageweise begehrten Auskünfte auf die Abwehr der Klageforderung gezielt hätten, sei für sie ein Wert in gleicher Höhe wie für die Klageanträge anzusetzen, mithin insgesamt für das Verfahren ein Streitwert von 41.406,00 Euro, hilfsweise jedoch unter Rückgriff auf den Auffangwert von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für jeden der vier Widerklage-Auskunftsansprüche (4 x 5.000,00 Euro) ein Wert von 40.730,00 Euro.



Das Arbeitsgericht hat mit dem Beschluss vom 24.01.2023 der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Streitwert auf 24.843,60 Euro festgesetzt. Dabei hat es abweichend von seiner Ausgangsentscheidung die Widerklage gesondert bewertet, da ein Additionsverbot iSv. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG wegen wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage nicht eingreife. Bei Stattgabe des Auskunftsanspruchs und dem Ergebnis, dass der Kläger keinerlei Zwischenverdienst erzielt oder böswillig zu erzielen unterlassen habe, wäre nämlich sowohl der Auskunftswiderklage als auch der Verzugslohnklage stattgegeben worden. Es liege daher nicht so, dass das Gericht gemäß der Formel der Rechtsprechung nicht gleichzeitig Klage und Widerklage stattgeben könne. Den Wert der Widerklageanträge auf Auskunft hat es mit 20 % des Werts der Klageanträge bemessen, deren Abwehr die Auskunft diente.



Die weitergehende Beschwerde hat es zurückgewiesen und der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt.



II.



Die Beschwerde dürfte unzulässig sein, jedenfalls ist sie unbegründet. Zugleich war von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG der vom Arbeitsgericht im Teilabhilfebeschluss vom 24.01.2023 auf 24.843,60 Euro für das Verfahren festgesetzte Wert abzuändern und der Gerichtsgebührenwert - wie im Urteil des Arbeitsgerichts - auf 20.703,00 Euro festzusetzen.



1.Die Beschwerde ist nach derzeitigem Stand unzulässig.



a. Allerdings ist die Beschwerdefrist des § 68 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingehalten. Auch ist die Beschwerde grundsätzlich statthaft. Das Arbeitsgericht hat zwar die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren entgegen § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht durch Beschluss, sondern im Urteil vorgenommen und gleichzeitig entgegen § 5b GKG dieser Entscheidung eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht hinzugefügt. Nachdem das Arbeitsgericht aber auf die Beschwerde des Klägers mit dem Teilabhilfebeschluss vom 24.01.2023 den Gebührenstreitwert gesondert festgesetzt hat, liegt eine beschwerdefähige Wertfestsetzung iSv. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG vor. Von einer Rückgabe der Sache an das Beschwerdegericht zur Entscheidung über eine Abhilfe gemäß § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO war abzusehen, nachdem das Arbeitsgericht sich in dem genannten Beschluss bereits mit den Beschwerdegründen auseinandergesetzt hat.



b. Doch fehlt es an der gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderlichen Beschwer von mehr als 200,00 Euro. Der in der Hauptsache obsiegende Kläger ist zwar als selbstständiger Rechtsanwalt grundsätzlich in eigener Sache liquidationsberechtigt. Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz besteht aber gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. Der beschwerdeführende Kläger kann daher durch eine ggfs. zu niedrige Wertfestsetzung nicht beschwert sein. Ob dies anders ist, weil er rechtsschutzversichert ist und so seine Honoraransprüche liquidieren könnte, hat er nicht dargelegt. Eine weitere Aufklärung insoweit war aus den nachfolgenden Gründen entbehrlich.



2. Denn die Beschwerde ist auch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Urteil zutreffend den Wert mit 20.703,00 Euro festgesetzt. Eine höhere Wertfestsetzung scheidet aus. Klage und Widerklage betreffen denselben Gegenstand iSv. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, so dass eine Addition der Werte ausscheidet. Somit war die Beschwerde zurückzuweisen und zugleich der Teilabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 21.04.2023 gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen abzuändern.



a. Die Widerklage auf Erteilung von vier unterschiedlichen Auskünften zielt insgesamt allein darauf, die Klageforderung zu Fall zu bringen. Das hinter den Auskunftsansprüchen stehende Leistungsinteresse ist daher mit dem Abwehrinteresse der Beklagten gegen den Zahlungsanspruch des Klägers identisch (vgl. BGH 16.12.2015 - XII ZB 405/15, Rn. 16). Eine isolierte Auskunftsklage wäre mit einem zwischen 10% und 50 % liegenden Bruchteil des vollen Abwehrinteresses zu bewerten, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Geht es aber wie hier um widerklageweise erhobene Auskunftsansprüche, verfolgen diese ein von der Klageforderung unabhängiges, eigenständiges Vermögensinteresse nicht. In dem Maße, in dem die erteilte Auskunft - als Hilfsanspruch zur Erhebung des Einwandes aus § 615 Satz 2 BGB - zur Feststellung eines anrechnungsfähig erzielten oder böswillig unterlassenen Erwerbs führt, in dem Maße vermindert sich der Erfolg der Klage. Der gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG erforderliche Ausschluss des gleichzeitigen Erfolgs von Klage und Widerklage ist damit grundsätzlich gegeben. Klage- und Widerklageanträge betreffen einen wirtschaftlich identischen Gegenstand, weil die Verurteilung nach dem einen Antrag in aller Regel notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge ("Identitätsformel", vgl. etwa BGH 08.08.2017 - X ZR 101/16, Rn. 9; 06.10.2004 - IV ZR 287/03, jeweils mwN).



b. Das vom Arbeitsgericht gebildete Beispiel einer Stattgabe von Klage und Auskunftswiderklage, wenn nämlich die Auskunft zu dem Ergebnis "null" führen würde, rechtfertigt keine andere Sicht. In diesem Fall wäre zwar formal beiden Anträgen stattgegeben worden. Das mit der Auskunftswiderklage verfolgte Interesse erschöpft sich aber gleichwohl in der Abwehr der Klageansprüche und stellt kein davon unabhängiges oder darüber hinausgehendes Interesse dar. Die Formel des Bundesgerichtshofs (aaO), wonach wirtschaftliche Identität vorliegt, wenn die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen nach sich zöge, stellt lediglich eine in nahezu allen Fällen zutreffende und griffige Hilfsüberlegung dar, bildet aber die Fälle wirtschaftlicher Identität nicht vollständig ab.



III.



Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gemäß § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.



Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Vorschriften§ 63 Abs. 2 Satz 2 GKG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 5b GKG, § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 615 Satz 2 BGB, § 68 Abs. 3 GKG, § 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG