Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

Zurück

Beschluss vom 05.12.2022 · IWW-Abrufnummer 234511

Hessisches Landesarbeitsgericht - Aktenzeichen 16 TaBV 71/22

Rechtsdurchsetzungskosten sind im Beschlussverfahren nur erstattungsfähig, soweit hierfür eine betriebsverfassungsrechtliche oder personalvertretungsrechtliche Rechtsgrundlage (z.B. aus § 40 Absatz 1 BetrVG ) besteht.


Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2022 ‒ 14 BV 414/21 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch über die Erstattung vorgerichtlicher Mahnkosten.



Antragsteller ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen. Die Beteiligte zu 2 wurde von dem bei der Antragstellerin gebildeten Betriebsrat gemäß § 111 BetrVG als Sachverständige beauftragt.



Mit Beschluss vom 13. Mai 2019 entschied das Hessische Landesarbeitsgericht, dass die Antragstellerin an die Beteiligte zu 2 ein Honorar i.H.v. 83.752,20 € zu zahlen hat. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung leistete die Antragstellerin an den Beteiligten zu 2 einen Betrag i.H.v. 143.034,99 €. Nachdem die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 18. November 2020 (7 ABR 37/19) aufgehoben wurde, soweit es die Antragstellerin (dieses Verfahrens) verurteilt hat, an die Beteiligte zu 2 (dieses Verfahrens) 83.752,20 € nebst Zinsen zu zahlen, forderte die Antragstellerin die Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 zur Rückzahlung des geleisteten Betrags von 143.034,99 € nebst Zinsen (insgesamt 150.914,61 €) unter Fristsetzung bis 23. Dezember 2020 auf (Bl. 46, 47 der Akte). Eine Zahlung erfolgte nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 5. März 2021 (Bl. 91, 92 der Akte) mahnte die Antragstellerin den Betrag erneut an. Eine letzte vorgerichtliche Mahnung erfolgte unter dem 6. April 2021 (Bl. 93, 94 der Akte). Mit Kostenrechnung vom selben Tag stellte die Rechtsanwaltskanzlei der Antragstellerin der Beteiligten zu 2 als Verzugsschaden Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 3161,83 € in Rechnung (Bl. 48 der Akte). Auch insoweit erfolgte kein Zahlungseingang.



Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 64, 65 der Akte) Bezug genommen.



Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Rückzahlung der geleisteten 143.034,99 € nebst Zinsen stattgegeben und den Antrag hinsichtlich der vorgerichtlichen Mahnkosten abgewiesen.



Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 13. April 2022 zugestellt, der dagegen am 13. Mai 2022 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 13. Juli 2022 am 13. Juli 2022 begründet hat.



Die Antragstellerin rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Anwaltskosten als Verzugsschaden von der Beteiligten zu 2 zu tragen seien.



Die Antragstellerin beantragt,



Die Beteiligte zu 2 ist dem Vorbringen der Antragstellerin nicht entgegengetreten und hat keinen Antrag gestellt.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.



II.



1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.



2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zu Recht teilweise abgewiesen.



Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Beteiligter eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens die Erstattung seiner Rechtsdurchsetzungskosten grundsätzlich nur verlangen, wenn dies in den einschlägigen betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgesehen ist. Das folgt aus dem Gesamtzusammenhang und dem Fehlen prozessualer Vorschriften über die Kostentragung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Eine § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG entsprechende Vorschrift, nach der die obsiegende Partei im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs keinen Anspruch auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis oder auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes hat, ist zwar für das Beschlussverfahren nicht vorgesehen. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber gehe im Beschlussverfahren von einer entsprechenden Kostenerstattungspflicht aus. Vielmehr ist das Fehlen einer § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG entsprechenden Vorschrift Ausdruck des Umstands, dass in dieser Verfahrensart grundsätzlich eine Kostenerstattung überhaupt nicht vorgesehen ist (Bundesarbeitsgericht 1. August 2018 -7 ABR 41/17- Rn. 9 ff.; 2. Oktober 2007 -1 ABR 59/06- Rn. 17).



Rechtsdurchsetzungskosten sind im Beschlussverfahren nur erstattungsfähig, soweit hierfür eine betriebsverfassungsrechtliche oder personalvertretungsrechtliche Rechtsgrundlage besteht (z.B. aus § 40 Abs. 1 BetrVG). Es würde einen Wertungswiderspruch zu der materiell-rechtlichen Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG darstellen, wenn vorgerichtliche Mahnkosten als Verzugsschaden gemäß § 286 BGB geltend gemacht werden können, da die Kostentragungspflicht des § 40 Abs. 1 BetrVG -anders als § 286 BGB- nicht an ein Verschulden, sondern an die Erforderlichkeit der Kosten anknüpft (vergleiche BAG 1. August 2018 -7 ABR 41/17- Rn. 12).



Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 27. Juli 1994 -7 ABR 10/93- Honorardurchsetzungskosten eines unternehmensfremden Einigungsstellenbeisitzers als im Beschlussverfahren erstattungsfähig angesehen hat. Dort bestand zwischen den Beteiligten ein gesetzliches Schuldverhältnis aus § 76a BetrVG. Daran fehlt es vorliegend. Auf eine betriebsverfassungsrechtliche Norm zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten kann sich der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten zu 2 nicht berufen.



Soweit sich die Antragstellerin im Anhörungstermin darauf berufen hat, hier müsse deshalb etwas anderes gelten, weil die Beteiligte zu 2 in dem vorangegangenen Verfahren rechtsmissbräuchlich den Honoraranspruch gegenüber dem Betriebsrat in der ordentlichen Gerichtsbarkeit verfolgt habe, trifft auch dies nicht zu. Dies wäre dann gegeben, wenn gerade der teilweise Ausschluss der Kostenerstattung der Verbilligung des Arbeitsrechtsstreits entgegenwirkte, etwa wenn die Regelung des § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG bewusst missbraucht würde, um dem Gegner konkreten Schaden zuzufügen (zu einer teleologischen Reduktion von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG: Bundesarbeitsgericht 30. April 1992 -8 AZR 288/91-Rn. 25). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Wenn die Beteiligte zu 2 in dem vorangegangenen Verfahren in der ordentlichen Gerichtsbarkeit den Honoraranspruch zunächst gegenüber dem Betriebsrat geltend machte, diente dies nicht einem Missbrauch des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, sondern -im Gegenteil- dazu, einen Kostenerstattungsanspruch im Falle des Obsiegens hinsichtlich der eigenen Rechtsverfolgungskosten zu haben.



III.



Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Vorschriften§ 111 BetrVG, § 87 Abs. 1 ArbGG, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1, 2 ArbGG, § 594 ZPO, § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 40 Abs. 1 BetrVG, § 286 BGB, § 76a BetrVG, § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG