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Beschluss vom 26.01.2023 · IWW-Abrufnummer 234570

Landesarbeitsgericht Nürnberg - Aktenzeichen 1 TaBV 22/22

1. Die Betriebsparteien haben bei Abschluss einer Betriebsvereinbarung nach § 3 Abs. 2 BetrVG zur Verbesserung der Repräsentation der Belegschaft zu prüfen, ob die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. Nr. 1a) BetrVG oder die Zusammenfassung von Einheiten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1b) BetrVG sachgerechter ist (bisher: Betriebsräte in über 200 der über 500 deutschlandweit verteilten Filialen). (Rn. 56)

2. Die Betriebsparteien sind bei einer Entscheidung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht befugt, die Zahl der Betriebsratsmitglieder nach § 9 BetrVG zu erhöhen. Halten sie eine Erhöhung zur Durchführung der Aufgaben für notwendig, spricht dies gegen die Sachgerechtigkeit der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. (Rn. 43)

3. Regeln die Betriebsparteien, dass der unternehmenseinheitliche Betriebsrat die einzelnen Vertriebsbezirke angemessen repräsentieren soll, und legen sie Regeln hierfür fest, spricht dies dafür, dass diese Vertriebsbezirke geeignetere Einheiten für Betriebsratsgremien darstellen. (Rn. 49)

4. Ändert der Arbeitgeber seine Kompetenzstruktur nach dem Wahlausschreiben und nimmt den Vertriebsleitern Kompetenzen weg, kann dies eine i. S. d. § 3 Abs. 2 BetrVG unwirksame Gesamtbetriebsvereinbarung, nach der die Wahl durchgeführt wird, nicht nachträglich heilen. Auch eine in diesem Zeitpunkt neu abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung ist für die Gültigkeit der laufenden Wahl nicht relevant. (Rn. 51)


Tenor:

I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 40.) und 41.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 05.05.2022, Az. 3 BV 4/22, werden zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.



Gründe



I.

1


Die Beteiligten streiten über die Anfechtung einer Betriebsratswahl.


2


Die Beteiligten zu 1.) bis 39.) waren im Zeitpunkt der Antragstellung Arbeitnehmer im von der Beteiligten zu 41.) geführten Unternehmen. Der Beteiligte zu 40.) ist der am 01.03.2022 gewählte unternehmenseinheitliche Betriebsrat. Im Zeitpunkt der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht wird das Verfahren noch von den Beteiligten zu 1.) bis 3.), 7.) bis 9.), 11.) bis 13.), 17.), 20.), 22.), 23.), 25.) bis 28.), 30.) bis 32.), 34.) und 36.) bis 39.) betrieben.


3


Die Beteiligte zu 41.) betreibt in mindestens 531 - laut Wahlausschreiben vom 07.01.2022 in etwa 550 - über ganz Deutschland verteilten Filialen Kfz-Werkstätten mit integrierten Autofahrer-Fachmärkten. Ihre Zentrale sitzt in W. Sie beschäftigt etwa 8.160 Mitarbeiter. Sie ist an keinen Tarifvertrag gebunden. In etwa 220 Filialen waren - soweit sie räumlich weit von der Zentrale in W. entfernt lagen - zuletzt eigene Betriebsräte gebildet, bestehend abgesehen von der Zentrale in W. überwiegend aus einer Person, in den 34 größeren Filialen aus drei Personen. Die Zahl der Filialen mit Betriebsräten ist seit einigen Jahren rückläufig.


4


Im Jahr 2019 kam es bei der Beteiligten zu 41.) zu einer organisatorischen Umstrukturierung. Die bisherige Filialorganisation mit fünf Vertriebsorganisationen, geleitet durch je einen Regionalleiter, der über Prokura verfügte, und 45 Vertriebsgebieten mit jeweils einem Gebietsleiter wurde ersetzt durch eine Struktur mit 20 Vertriebsbezirken mit je einem Vertriebsleiter, der keine Handlungsvollmacht oder Prokura besitzt und nicht zeichnungsberechtigt ist. Den Vertriebsleitern, die der Zentrale der Beteiligten zu 41.) in W. unterstellt sind, sind die jeweils in deren Bezirken gelegenen Filialen zugeordnet. Die Zahl der Filialen mit Betriebsrat in den jeweiligen Vertriebsbezirken ist unterschiedlich. So war etwa im Vertriebsbezirk 8 in nur einer von 27 Filialen ein Betriebsrat gewählt, im Vertriebsbezirk 6 in drei von 28 Filialen, im Vertriebsbezirk 4 in vier von 29 Filialen, im Vertriebsbezirk 1 in fünf von 27 Filialen und in den Vertriebsbezirken 5, 9 und 14 in sieben von 29, 27 bzw. 22 Filialen. Der Anteil der von Betriebsräten vertretenen Mitarbeitern betrug in den 20 Vertriebsbezirken demzufolge zwischen 4% und 80% (Anlage AS 4 zum Schriftsatz der Vertreter des Beteiligten zu 40.) vom 27.04.2022, Bl. 234 f. d.A.).


5


Am 25.01. bzw. 05.02.2021 schloss die Beteiligte zu 41.) mit dem damaligen Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Bildung eines Unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Diese hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:


Präambel ...


Die Filialorganisation in Deutschland stellte sich bis September 2019 wie folgt dar: Es bestanden fünf Vertriebsregionen mit jeweiligen Regionalleitern, die sich wiederum in insgesamt 45 Vertriebsgebiete mit jeweiligen Gebietsleitern untergliederten. Bei den einzelnen Filialen bestanden Filialleiter. Diese Regions- und Gebietsstruktur wurde in der Folgezeit aufgelöst.


Seit Oktober 2019 liegt die Führung und operative Steuerung des Filialgeschäfts vollständig innerhalb der A.-F. KG. Es existieren 20 Vertriebsleiter, die dem Geschäftsführer O. F. KG unterstellt sind und denen jeweils die in ihren Bezirk (im Folgenden auch "Vertriebsbezirk") fallenden Filialen zugeordnet werden; in den einzelnen Filialen existieren Filialleiter. Die Kernaufgaben sowie die Verantwortung der 20 Vertriebsleiter stellen sich wie folgt dar:


- Fachliche und disziplinarische Führung der Filialleiter


- Personalverantwortung für den Bezirk


- Entscheidung personeller Maßnahmen zusammen mit den Filialleitern


- Umsatz- & Ergebnisverantwortung für einen Bezirk mit durchschnittlich 30 Filialen


- Umsetzung von Maßnahmen im Bezirk innerhalb eines vorgegebenen Rahmens


- Zusammenarbeit und Koordination mit anderen Bezirken


- Coaching der Filialleiter sowie dessen Begleitung und Unterstützung bei der eigenverantwortlichen Führung der Filiale


Derzeit haben ca. 50%, mithin 235 Filialen einen örtlichen Betriebsrat. Hingegen besteht bei 295 Filialen derzeit kein Betriebsrat. Es existiert ein Gesamtbetriebsrat mit derzeit 51 Mitgliedern, von denen 21 Mitglieder zu 100% und 30 Mitglieder zu 50% freigestellt sind.


Aufgrund der dargestellten Situation dient die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a) BetrVG durch diese Betriebsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG der sachgerechten Wahrnehmung aller bei der F.-KG beschäftigten Arbeitnehmer. Unternehmensleitung der A.-F. KG und Betriebsrat sind sich darüber einig, dass allein ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat eine vollständige und sachgerechte Wahrnehmung der Interessen aller Beschäftigten der A.-F. KG gewährleistet.


...


§ 2 Betriebsrat


(1) Für die A.-F. KG wird ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gebildet. Im unternehmenseinheitlichen Betriebsrat sollen möglichst Mitglieder aus allen Bezirken vertreten sein. Er löst sowohl den bisherigen GBR als auch die örtlichen Betriebsräte der Betriebe der A.-F. KG ab.


(2) Auf den unternehmenseinheitlichen Betriebsrat, der von allen Beschäftigten der A.-F. KG nach den Vorschriften des BetrVG sowie der Wahlordnung gewählt wird, finden die Vorschriften über die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Betriebsrats sowie die Rechtsstellung ihrer Mitglieder Anwendung.


(3) Die Betriebsparteien stimmen darin überein, dass jeder Vertriebsbezirk gleich stark im unternehmenseinheitlichen Betriebsrat vertreten sein soll. Zu diesem Zweck wird die Anzahl der Mitglieder des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats auf 71 festgelegt.


Dem Betriebsrat werden dauerhaft bis zu maximal 10 sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen gem. § 80 Abs. 2 Satz 4 BetrVG zur Verfügung gestellt.


Diese Auskunftspersonen nach Abs. 2 genießen den Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG und dürfen in entsprechender Anwendung des § 78 BetrVG wegen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weder bevorteilt noch benachteiligt werden.


Alle regulären Betriebsratsmitglieder nach Abs. 1 sowie die Auskunftspersonen nach Abs. 2 dieser Vereinbarung werden für die Erledigung ihrer Aufgaben gemäß § 38 BetrVG voll freigestellt.


Der Betriebsrat hat das Recht, gem. § 33 BetrVG diese Auskunftspersonen namentlich zu bestellen und auch abzuberufen bzw. durch andere Personen zu ersetzen.


Die Auskunftspersonen sollen dem Betriebsrat u.a. dabei helfen, sich in den Vertriebsbezirken ortsnah der Belange der Beschäftigten anzunehmen. Die Auskunftspersonen behandeln personenbezogene Daten von Beschäftigten streng vertraulich und geben diese an den Betriebsrat nur mit Zustimmung der betroffenen Beschäftigten weiter. Die Auskunftspersonen dürfen als Gäste an den Sitzungen des Betriebsrats teilnehmen. Für sie gilt § 129 Abs. 1 BetrVG entsprechend. Bei einer Abstimmung im Gremium oder bei einem Wahlakt des Gremiums dürfen die Auskunftspersonen nicht persönlich im Raum oder virtuell anwesend sein.


(4) Die erstmalige Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats findet im Rahmen der turnusmäßigen Wahlen im Zeitraum April/Mai 2022 statt. Der Gesamtbetriebsrat wird zu diesem Zweck einen Wahlvorstand bestellen, der die Wahl dann 2022 unverzüglich durchführen wird. Die Amtszeit der bestehenden Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats endet mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neu gewählten unternehmenseinheitlichen Betriebsrats.


(5) Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat hat seinen Sitz in W.


§ 3 Bezirksvertreter


(1) Um die Zusammenarbeit zwischen dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat und den Beschäftigten zu erleichtern, soll über die Regelung in § 2 Abs. 3 dieser Betriebsvereinbarung hinaus sichergestellt werden, dass die Vertriebsbezirke Vertreter haben. Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat benennt im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts durch Beschlussfassung den jeweiligen Bezirksvertreter; hierbei soll die räumliche Nähe des Betriebsratsmitglieds zum Vertriebsbezirk beachtet werden.


(2) Die derzeitige Bezirksstruktur ist in der Anlage 2 ersichtlich. Sollte sich die Einteilung in Zukunft als nicht zweckmäßig erweisen, so kann zwischen dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat und der A.-F. KG durch Betriebsvereinbarung eine abweichende Zuordnung festgelegt werden. Sollte es eine Veränderung der Anzahl der vorbenannten Vertriebsbezirke z.B. aufgrund des Wegfalls von Vertriebsbezirken geben, wird der unternehmenseinheitliche Betriebsrat die Anzahl der Bezirksvertreter entsprechend anpassen. Die Anzahl der Betriebsratsmitglieder gemäß § 2 Abs. 3 dieser Vereinbarung wird hiervon nicht berührt.


§ 4 ...


6


Des vollständigen Textes der Gesamtbetriebsvereinbarung wegen wird auf die mit der Antragsschrift als Anlage AG 1 vorgelegte Ablichtung Bezug genommen (Bl. 134 ff. d.A.).


7


In einer Ergänzungsvereinbarung vom 05.01.2022 wurde § 2 Abs. 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung dergestalt neu gefasst, dass die erstmalige Wahl "im Zeitraum März 2022" stattfinden sollte (ebenda, Bl. 143 f. d.A.).


8


In dem von der Beteiligten zu 41.) erstellten Organigramm ist der Geschäftsführer Operations der F. KG als "Disziplinarischer Vorgesetzter" bezeichnet, die 20 Vertriebsleiter als "nachgeordnete Führungskraft", diese wiederum als Führungskräfte gegenüber den von Filialleitern geführten Filialen (ebenda, Bl. 150 und Bl. 151 d.A.).


9


Unter dem 23.02.2022 schlossen die Betriebspartner eine erneute Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Dort ist festgehalten, dass seit Oktober 2019 die Führung und operative Steuerung des Filialgeschäfts auf der Ebene der Unternehmensleitung in der Zentrale in W. erfolge und dass alle wesentlichen mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen in der Zentrale in W. getroffen würden. Anstelle der sachkundigen Arbeitnehmer nach § 80 Abs. 2 BetrVG werden nunmehr "sachkundige Arbeitnehmer als Kommunikationsbeauftragte nach § 40 Abs. 2 BetrVG" zur Verfügung gestellt. In § 3 Abs. 2 der ergänzenden GBV ist festgehalten, dass "die Vertriebsbezirke von einem oder mehreren Bezirksvertretern betreut werden" sollen, die die Vertriebsbezirke bereisen und insbesondere für die persönliche Kontaktaufnahme für die Beschäftigten zur Verfügung stehen sollen. Daneben ist die Ausstattung der Betriebsratsmitglieder geregelt, darüber hinaus die Mobilität, Schulungen der Betriebsratsmitglieder und anderes. In § 10 der GBV ist festgehalten, dass bei Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit einer der Bestimmungen die Wirksamkeit der GBV nicht berührt werde, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat vielmehr verpflichteten, die unwirksame Bestimmung durch eine wirksame und durchführbare zu ersetzen, die dem Sinn der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung möglichst nahekomme. Des genauen Wortlauts dieser Gesamtbetriebsvereinbarung wegen wird auf die als Anlage AG 9 zur Antragsschrift vorgelegte Ablichtung Bezug genommen (Bl. 177 ff. d.A.).


10


Mit am 31.08.2021 beim Arbeitsgericht Weiden eingegangenem Antrag leiteten mehrere Filialbetriebsräte ein Verfahren ein, das zuletzt noch vom Filialbetriebsrat der Filiale S. betrieben wurde. Darin beantragte dieser 1. die Feststellung, dass am Standort S. eine betriebsratsfähige Organisationseinheit bestehe, sowie 2. die Feststellung, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats unwirksam sei. Das Verfahren wurde beim Arbeitsgericht Weiden unter dem Aktenzeichen 3 BV 9/21 geführt. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag zu 1.) mit Beschluss vom 03.02.2022 statt, wies den Antrag zu 2.) dagegen ab. Die gegen die stattgebende Feststellung gerichteten, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 8 TaBV 15/22 geführten Beschwerden des Gesamtbetriebsrats sowie der Arbeitgeberin - im vorliegenden Verfahren Beteiligte zu 41.) - wurden durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 02.09.2022 zurückgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.


11


Der vom Gesamtbetriebsrat eingesetzte Wahlvorstand zur Durchführung der Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschloss am 07.01.2022 das Wahlausschreiben zur Wahl dieses Betriebsrats, welches am 11.01.2022 in den Filialen ausgehängt und im Intranet abrufbar zur Verfügung gestellt wurde. Des genauen Textes des Wahlausschreibens wegen wird auf die als Anlage zur Antragsschrift vorgelegte Ablichtung Bezug genommen (Bl. 48 ff. d.A.). Die Wahl wurde bis 01.03.2022, 13.00 Uhr durchgeführt. Das Wahlergebnis wurde mit Aushang vom 03.03.2022 bekanntgemacht (ebenda, Bl. 54 ff. d.A.).


12


Mit am 17.03.2022 beim Arbeitsgericht Weiden eingegangenen Antrag selben Datums haben 39 bei der Beteiligten zu 41.) beschäftigte Arbeitnehmer - die Beteiligten zu 1.) bis 39.) - die Nichtigkeit der Wahl geltend gemacht und hilfsweise die Erklärung der Unwirksamkeit durch das Gericht begehrt.


13


Die Beteiligten zu 1.) bis 39.) haben ihre Anträge damit begründet, die Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sei schon deswegen unwirksam, weil das Arbeitsgericht Weiden im Statusverfahren von der Unwirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarungen zur Begründung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats ausgegangen sei. Der Gesamtbetriebsrat sowie der von diesem eingesetzte Wahlvorstand hätten sich über diese arbeitsgerichtliche Feststellung hinweggesetzt. Dies sei bewusst geschehen - die Beteiligte zu 41.) habe den Filialbetriebsräten mit Schreiben vom 22.02.2022 mitgeteilt, dass eine Bindungswirkung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses nur bezüglich der Filiale S. bestehe. Die Ansicht über die fehlende Bindung sei aber rechtsfehlerhaft. Die Wahl sei schon aus diesem Grund offensichtlich unwirksam und daher nichtig. Entsprechend dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.2003 - Az. 7 ABR 25/03 - sei auch eine nicht rechtskräftige Entscheidung der Arbeitsgerichte in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs für eine Betriebsratswahl zu berücksichtigen. Eine solche zu ignorieren sei offensichtlich fehlerhaft und willkürlich. Unabhängig hiervon liege jedenfalls ein Anfechtungsgrund wegen der Verkennung des Betriebsbegriffs vor. Die Wahl habe nach den Vorgaben einer Betriebsvereinbarung nach § 3 Abs. 2 BetrVG stattgefunden, die - wie das Arbeitsgericht Weiden ausgeführt habe - unwirksam sei. Die Wahl habe daher nach den gesetzlichen Vorgaben innerhalb der einzelnen Filialen stattzufinden, soweit diese von der Zentrale räumlich weit entfernt seien.


14


Die Antragsteller - die Beteiligten zu 1.) bis 39.) - haben erstinstanzlich beantragt,


1. Es wird festgestellt, dass die Betriebsratswahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 01.03.2022 nichtig ist.


Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1):


2. Die Betriebsratswahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 01.03.2022 wird für unwirksam erklärt.


15


Die Beteiligten zu 40.) und zu 41.) haben dagegen beantragt,


die Anträge zurückzuweisen.


16


Die Beteiligte zu 41.) hat geltend gemacht, es liege schon deswegen keine Nichtigkeit vor, weil sich die der Entscheidung des Arbeitsgerichts Weiden zu § 18 Abs. 2 BetrVG zugrunde liegenden Umstände geändert hätten. Die Antragsteller kämen aus lediglich 19 der 531 Filialen. Die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sei nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a) BetrVG erfolgt, um eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen aller beschäftigten Arbeitnehmer zu bewirken. Zu diesem Zweck sei die Zahl der Betriebsratsmitglieder in der Gesamtbetriebsvereinbarung auf 71 festgelegt worden; darüber hinaus seien zehn Arbeitnehmer als Kommunikationsbeauftragte zur Verfügung gestellt worden. Alle Betriebsratsmitglieder seien voll freigestellt worden. Die Bestimmung der Betriebsvereinbarung, dass möglichst alle Bezirke vertreten sein sollten, sei naturgemäß nicht als Mussvorschrift ausgestaltet worden, weil die Arbeitnehmer in der Wahl der Betriebsratsmitglieder frei seien; die Absicht, eine umfassende Vertretung zu gewährleisten, sei hieraus jedoch erkennbar. Ebenso sei geregelt worden, dass der unternehmenseinheitliche Betriebsrat im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts Bezirksvertreter benennen solle. Die Betriebsräte sollten überwiegend die Filialen bereisen. Zudem werde ihnen eine umfangreiche IT-Ausstattung zur Verfügung gestellt. Sie weise darauf hin, dass die große Mehrheit der bisherigen Betriebsräte die Lösung über einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat mitgetragen habe. Die Zahl der Betriebsräte in den einzelnen Filialen sei seit etlichen Jahren rückläufig, mithin auch die Zahl der durch Betriebsräte vertretenen Beschäftigten (hinsichtlich der diesbezüglich vorgetragenen Einzelheiten wird auf die Darlegungen im Schriftsatz vom 27.04.2022 verwiesen (Bl. 97 ff. d.A.)). Damit sei in der bisherigen Struktur ein erhebliches Legitimationsdefizit für den Gesamtbetriebsrat entstanden. Seit Oktober 2019 liege Führung und operative Steuerung des Filialgeschäfts vollständig bei der Unternehmensebene in der Zentrale. Auch die Entscheidungskompetenz in beteiligungsfähigen Angelegenheiten sei zentral bei der Unternehmensebene angesiedelt. Es existierten jetzt 20 Bezirke mit je einem Vertriebsleiter zur Vertriebsunterstützung, dem jeweils die in seinem Bezirk liegenden Filialen zugeordnet seien. Die Vertriebsleiter seien dem Geschäftsführer Operations in der Zentrale unterstellt und berichteten direkt an diesen. Sie hätten keine Prokura oder Handlungsvollmacht und seien nicht zeichnungsberechtigt (Anlagen AG 4 zum Schriftsatz vom 27.04.2022, Bl. 147 ff. d.A.). Die Unternehmenszentrale entscheide über sämtliche Vergütungsfragen und über das Bonussystem für Filialmitarbeiter, über die Gewährung von Personalrabatt, über zusätzlichen Urlaub, Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall und Sozialleistungen, Restrukturierungsmaßnahmen, Arbeitszeitfragen, insbesondere die grundlegenden Arbeitszeitmodelle wie Schichtmodelle, Öffnungs- und damit Arbeitszeiten und Samstagsarbeit, sowie über Kurzarbeit. Neben den Mitbestimmungstatbeständen nach § 111 und § 87 BetrVG würden auch die Entscheidungen zu wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten in der Zentrale getroffen. So liefen sämtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 100 BetrVG bei Versetzungen oder Einstellungen und sämtliche Kündigungsschutzverfahren, auch die Anhörung nach § 102 BetrVG, über die Zentrale in W. Die Filialleiter hätten kaum Befugnisse, insbesondere seien sie - wie auch die Vertriebsleiter - nicht berechtigt, Betriebsvereinbarungen zu unterzeichnen. Etwaige vorhandene Betriebsvereinbarungen basierten überwiegend auf Vorlagen des Gesamtbetriebsrats und seien zumeist wieder gekündigt. Für 52 Betriebsratsfilialen existierten überhaupt keine Betriebsvereinbarungen, auch nicht über die Auftragszuständigkeit als Gesamtbetriebsvereinbarungen. Die Filialleiter bedürften bei der Frage, ob sie einstellen dürften, der Freigabe durch den jeweiligen Vertriebsleiter. Ausschreibungen und Recruiting erfolgten über die Zentrale in W. Einstellungsprozesse seien streng formalisiert und vorgegeben, die Vertriebsleiter könnten hierfür Formulare nutzen. Kündigungs- oder abmahnungsrelevante Sachverhalte würden über die Business-Partner an die Zentrale gemeldet, die entsprechende Entscheidungen treffe. Entscheidungen über Umstrukturierungen würden in der Zentrale getroffen, auch die zentrale Bildungseinrichtung in W. werde von der Zentrale gesteuert. Für die Schulung und Strategieumsetzung im Verkauf seien die von der Zentrale beauftragten Business Partner Commerce zuständig. In der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022 seien im Hinblick auf die Bedenken des Arbeitsgerichts Weiden weitere Festlegungen über die Mobilität und die Ausstattung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats getroffen worden. Danach seien die Grundsätze der Vor-Ort-Betreuung der Filialmitarbeiter festgelegt worden. Die Vertriebsbezirke sollten durch einen oder mehrere Bezirksvertreter betreut werden. Die Rechtsauffassung, dass sich der Wahlvorstand an einem nicht-rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts in einem Verfahren nach § 18 BetrVG orientieren müsse, gehe fehl. Die Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sei nicht zu beanstanden. Schon das Kriterium der Entscheidungsnähe führe dazu, dass dessen Bildung als sachdienlich anzusehen sei. Schließlich würden alle wesentlichen Entscheidungen in der Zentrale getroffen. Der Kontakt zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern werde nicht unangemessen erschwert. Die Mitarbeiter hätten - auch über dessen Ausstattung - einen effektiven Kommunikationskanal zum Betriebsrat. Die Vollfreistellung aller Betriebsratsmitglieder ermögliche zudem umfangreiche Reisetätigkeiten dieser Mitglieder. Weiße Flecken der Betriebsratslosigkeit würden vermieden. Zu beachten sei, dass den Betriebsparteien bei der Prüfung des Kriteriums der Sachgerechtigkeit der gebildeten Einheit ein Beurteilungsspielraum zustehe. Eine andere Lösung dränge sich nicht auf, bessere Lösungen könnten nicht "ohne weiteres" erreicht werden. Die Entscheidungskompetenzen lägen gerade nicht auf der Ebene der Vertriebsleiter, sondern in der Zentrale. Zudem wäre die Orientierung an Vertriebsbezirken unsicher, weil sich diese immer wieder ändern könnten. Es sei nicht Sache der Gerichte, die nach ihrer Ansicht bestmögliche Lösung zu finden. Als entscheidend seien die organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers zu beachten. Gerade im Hinblick auf die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022 sei gewährleistet, dass die einzelnen Mitarbeiter umfangreiche Ansprechpartner zur Verfügung hätten, so dass das Kriterium der Ortsnähe nicht mehr entscheidend sei. Diese neue Abmachung stelle zudem eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar, so dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Weiden im Statusverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG nicht mehr bindend sein könne. Unabhängig hiervon habe das Arbeitsgericht Weiden im dortigen Verfahren auch die Betriebsratsfähigkeit der einzelnen Filialen nicht abschließend geprüft, insbesondere auch diejenige der den Antrag einleitenden Filiale S. Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat sei an die Stelle des Betriebsrats auch der Filiale S. getreten. Unabhängig davon stellten die einzelnen Filialen auch unter dem Aspekt der Ausübung von Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten keine betriebsratsfähige Einheit dar.


17


Der Beteiligte zu 40.) hat eingewandt, aus der Geschäftsordnung vom 03.05.2022 (Anlage AS 1 zum Schriftsatz vom 27.04.2022, Bl. 214 ff. d.A.) wie aus den Gesamtbetriebsvereinbarungen werde das Ziel deutlich, die Beschäftigten in den einzelnen Filialen unter Wahrung größtmöglicher Ortsnähe und Erreichbarkeit von Betriebsratsmitgliedern umfassend zu betreuen. Hierzu sollten die zuständigen Betriebsratsmitglieder oder Kommunikationsbeauftragten mindestens alle drei Wochen mit entsprechender Vorankündigung in jeder Filiale vorstellig werden und direkt ansprechbar sein. Den einzelnen Mitarbeitern sei die Betreuungsperson bekannt, so dass sie unkompliziert ansprechbar sei. Ein in der Filiale stehender Rechner sei für die Beschäftigten zur Versendung von Mails an den Betriebsrat nutzbar, dasselbe gelte für die telefonische Verbindungsaufnahme. Mit einem privaten Endgerät könne sofort und unkompliziert eine Videoverbindung mit dem entsprechenden Betreuer hergestellt werden. Zu beachten sei, dass es trotz intensiver Bemühungen unter Einsetzung eines eigenen Teams hierfür nicht gelungen sei, die Zahl der Betriebsräte in den einzelnen Filialen, die seit einigen Jahren rückläufig sei, zu erhöhen. Soweit Betriebsräte in den Filialen existiert hätten, sei deren Aktivität gering gewesen. In 146 Filialen seien Vereinbarungen über die Lage der Arbeitszeit abgeschlossen gewesen; von diesen seien nur fünf in Bezug auf die Öffnungszeiten auf aktuellem Stand gewesen. Dazu seien von etwa 90% der Filialbetriebsräte die durch den Gesamtbetriebsrat ausgearbeiteten Musterbetriebsvereinbarungen übernommen worden. In den Filialen werde dagegen die sogenannte Gesamtbetriebsvereinbarung "Arbeitszeit II" gelebt. Auch die Urlaubsplanung sei in den Filialen nach der Gesamtbetriebsvereinbarung Urlaub durchgeführt worden. Dasselbe gelte für die Musterbetriebsvereinbarung "Corona-Kurzarbeit", für die Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, zur Beschäftigungssicherung, zur betrieblichen Weiterbildung, zum E-Learning, zum Gesundheitsschutz, zur Entgeltsystematik, zu Sozial- und Härtefonds, zum Arbeitszeiterfassungssystem und zu betrieblichen Grundsätzen der Betriebs- und Arbeitsordnung. Keiner der Filialbetriebsräte habe ein Bedürfnis nach eigenen Regelungen angemeldet. Auch Betriebsversammlungen seien allenfalls in 21% der Filialbetriebsräte durchgeführt worden. All dies zeige, dass sich die bisherige Struktur nicht bewährt habe. Die Einrichtung von Regionalbetriebsräten hätte sich ebenfalls als problematisch erwiesen, was schon daraus erkennbar sei, dass in einigen Bezirken bisher kaum Betriebsräte vorhanden gewesen seien. Der Gesamtbetriebsrat habe die Einschätzung getroffen, dass in diesen Bezirken nicht ausreichend Kandidaten für einen Regionalbetriebsrat zur Verfügung stehen würden. Die Überlegungen seien nachvollziehbar und zutreffend. Eine - wie im Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 24.04.2013, 7 ABR 71/11, verlangt - "ohne weiteres" die Interessen der Beschäftigten besser wahrende Lösung als die getroffene bestehe nicht, keinesfalls sei die gefundene Lösung "ersichtlich weniger sachgerecht" als etwa die Begründung von Regionalbetriebsräten. Das Arbeitsgericht Weiden habe zudem nicht ausreichend berücksichtigt, dass die in den Gesamtbetriebsvereinbarungen festgelegten Kompensationsregelungen zur Erleichterung der Verbindung zu den einzelnen Filialen für die Entscheidung hätten beachtet werden müssen. Eine ersichtlich erhebliche Erschwerung der Erreichbarkeit liege nicht vor.


18


Die Antragsteller haben demgegenüber vorgetragen, der Rückgang der Zahl der Filialbetriebsräte sei von 53% auf 44% weniger dramatisch als dargestellt. Es treffe nicht zu, dass weder Filialleiter noch Vertriebsleiter nicht zeichnungsberechtigt seien. Vorstellungsgespräche mit neuen Mitarbeitern würden vor Ort durchgeführt. Durch den unternehmenseinheitlichen Betriebsrat werde eine sachgerechte Vertretung der einzelnen Filialbelegschaften nicht gewährleistet. Die nunmehr vorgelegte Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022 könne ebenso wie die Geschäftsordnung für die Entscheidung nicht berücksichtigt werden, weil die Wahl nicht unter Beachtung dieser Dokumente ausgeschrieben und durchgeführt worden sei. Unabhängig hiervon werde die Bildung von Betriebsräten auch durch die neue Gesamtbetriebsvereinbarung nicht erleichtert. Ersichtlich sachgerechter sei eine weniger einschneidende Lösung. Immerhin sei in den jeweiligen Vertriebsbezirken keine Filiale mehr als 80 km von einer Betriebsratsfiliale entfernt. Bei der vorliegenden Konstellation sei eine Entfremdung der Betriebsratsmitglieder von der Belegschaft vor Ort zu befürchten.


19


Der Beteiligte zu 40.) hält dem entgegen, nach der Geschäftsordnung seien 50 Betriebsratsmitglieder und zwei Kommunikationsbeauftragte mit der systematischen Betreuung der Filialen beauftragt. Es sollten jeweils zwei Vertriebsbezirke mit etwa 25 bis 30 Filialen pro Bezirk durch ein Team mit vier bis fünf Betriebsratsmitgliedern betreut werden, wobei einem Betriebsratsmitglied bestimmte Filialen fest zugeordnet würden. Die weiteren Betriebsratsmitglieder würden Fachausschüsse besetzen. Die Sitzungen des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sollten im Vier-Wochen-Rhythmus stattfinden, wobei jeweils ein ganzer Tag dem Austausch der Filialbetreuer gewidmet sein solle. Regionalbetriebsräte seien keine ausreichende Alternative, weil auf Regionalebene keine wesentlichen Entscheidungen getroffen würden. Nach der Rechtsprechung - vgl. LAG Hessen 02.08.2021, 16 TaBV 7/21 - könne die räumliche Distanz zwischen Betriebsrat und Belegschaftsangehörigen durch die Verwendung technischer Kommunikationsmittel in den Hintergrund treten.


20


Das Arbeitsgericht Weiden hat mit Beschluss vom 05.05.2022 wie folgt entschieden:


1. Die Betriebsratswahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 01.03.2022 wird für unwirksam erklärt:


2. Der Antrag zu 1.) wird zurückgewiesen.


21


Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, Nichtigkeit der Betriebsratswahl liege nicht vor. Ein grober und offensichtlicher Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts sei nicht erkennbar. Die Verkennung des Betriebsbegriffs habe nur die Anfechtbarkeit zur Folge. Dies gelte, obwohl die Wahl entgegen einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts nach § 18 Abs. 2 BetrVG erfolgt sei. Vorliegend sei zumindest denkbar, dass sich die Verhältnisse aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022 geändert hätten. Jedenfalls sei eine offensichtliche Verkennung des Betriebsbegriffs nicht anzunehmen. Der Hilfsantrag auf Anfechtung der Wahl sei jedoch begründet. Die Anfechtung sei fristgerecht erfolgt. Sie werde von deutlich mehr als drei Wahlberechtigten getragen. Im Rahmen der Antragsschrift seien Fehler behauptet, die - lägen sie vor - die Unwirksamerklärung der Wahl rechtfertigten. Vorliegend sei die Wahl aufgrund einer unwirksamen Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats erfolgt. Im Verfahren 3 BV 9/21 habe die jetzige Beteiligte zu 41.) vorgetragen, dass die mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen hinsichtlich personeller Einzelmaßnahmen auf Ebene der Vertriebsleiter getroffen würden. Dies decke sich mit den Angaben in der Präambel der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 25.01./05.02.2021. Dies habe die Kammer in der Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG zugrunde gelegt. Hieran habe sich nichts Wesentliches geändert. Offenbar bleibe es hinsichtlich der Behandlung der "Normalfälle" bei dieser Zuständigkeit; erst wenn hieraus "Problemfälle" würden, sei die Zentrale zuständig. Die Filialorganisation der Beteiligten zu 41.) weise den Vertriebsleitern unter anderem die Personalverantwortung als Kernaufgabe zu. In der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022 sei dieser Passus gestrichen. Es sei aber nicht ersichtlich, dass sich inhaltlich etwas geändert hätte. Nach wie vor könne eine ausreichende Ortsnähe nicht erkannt werden. Der Gesichtspunkt möglichst arbeitnehmernaher Gestaltung der Mitbestimmungsordnung sei stets zu beachten. Dies könne weder durch den Einsatz von Kommunikationsmitteln noch durch die Erhöhung der Zahl der Betriebsratsmitglieder ausgeglichen werden. Auch sei der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 3 BetrVG zu entnehmen, dass in größeren Unternehmen mit bundesweitem Filialnetz Regionalbetriebsräte eingerichtet werden könnten.


22


Der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden ist den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 40.) und 41.) ausweislich deren Empfangsbekenntnissen jeweils am 07.06.2022 zugestellt worden.


23


Die anwaltlichen Vertreter des Beteiligten zu 40.) haben mit Schriftsatz vom 07.07.2022, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben die Beschwerde - nach Verlängerung der Begründungsfrist aufgrund am 07.07.2022 eingegangenen Antrags bis 08.09.2022 - mit am 08.09.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz selben Datums begründet.


24


Die anwaltlichen Vertreter der Beteiligten zu 41.) haben mit Schriftsatz vom 07.07.2022, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben die Beschwerde - nach Verlängerung der Begründungsfrist aufgrund am 12.07.2022 eingegangenen Antrags bis 08.09.2022 - mit am 08.09.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet. Die Beschwerdebegründung ist am 08.09.2022 per Telefax und am 09.09.2022 per besonderem elektronischen Anwaltspostfach beim Landesarbeitsgericht eingereicht worden. Die Vertreter der Beteiligten zu 41.) haben sich im Hinblick auf die Einreichung mit Telefax auf technische Probleme bei der beA-Übermittlung berufen.


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Der Beteiligte zu 40.) begründet seine Beschwerde damit, das Arbeitsgericht sei fälschlich von der Unwirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarungen ausgegangen. Hierbei habe es die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 14.04.2013 verkannt. Auch in dieser Entscheidung gehe das BAG davon aus, dass die Beseitigung von betriebsratslosen Bereichen ein legitimes Ziel darstelle. Dies sei voll überprüfbar. Von der Legitimität dieses Ziels gehe auch das Arbeitsgericht aus. Es habe jedoch verkannt, dass die Mittel zur Durchsetzung dieses Ziels nur dann zu beanstanden seien, wenn die gefundene Lösung "ohne weiteres" und "evident" weniger sachgerecht sei als eine andere. Letzteres sei aber vorliegend nicht der Fall, weil zu erwarten sei, dass "weiße Flecken" betriebsratsloser Belegschaften auf der Landkarte bestehen blieben. Zudem sei auch im Falle der Bildung von Regionalbetriebsräten keine wirklich ortsnahe Betreuung der Belegschaften möglich. Auch sei die Zahl der Mitglieder in den möglichen Regionalbetriebsräten relativ klein; dasselbe gelte für die Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder. Die Begründung des Gesetzes führe Beispiele auf, beschränke die Zulässigkeit der Bildung unternehmenseinheitlicher Betriebsräte aber nicht auf kleinere Unternehmen. Das intensiv gelebte Kompensationskonzept der fehlenden tatsächlichen Ortsnähe sei zu berücksichtigen. Die inhaltlichen Änderungen durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022 mit Einfügung der Worte "soweit erforderlich" - im Hinblick auf die Freistellungen - und der Ersetzung der Begriffe "Auskunftspersonen" durch "Kommunikationsbeauftragte" würden vom Arbeitsgericht in ihrer Bedeutung verkannt. Eine Schwächung der Stellung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sei damit nicht verbunden. Nur ein sehr kleiner Teil der unkritischen Fragen zur Einstellung, Versetzung und Eingruppierung unterliege nach Vorgaben der Zentrale den Filial- und Vertriebsleitungen. Regionalgremien könnten nicht sachnäher sein, wenn ihnen auf Unternehmensebene kein Ansprechpartner zur Verfügung stehe. Die Betreuungstätigkeit des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats werde gelebt und funktioniere.


26


Die Beteiligte zu 41.) hat zunächst geltend gemacht, eine rechtzeitige Einreichung der Beschwerdebegründung per besonderem elektronischen Anwaltspostfach sei wegen einer technischen Störung nicht möglich gewesen. Es habe zwischen 20.16 Uhr und 22.54 Uhr 17 Übersendungsversuche gegeben, zum Beleg werde der Screenshot der Störung vorgelegt (Schriftsatz vom 09.09.2022 nebst Anlagen, Bl. 570 ff. d.A.).


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Die Beteiligte zu 41.) hat ihre Beschwerde damit begründet, der Umstand, dass die Einrichtung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats weitestgehend akzeptiert worden sei, sei schon daraus erkennbar, dass die Anfechtenden lediglich aus 16 von 531 Filialen stammten. Hinsichtlich des Rückgangs der Filialbetriebsräte und der Zahl der vertretenen Belegschaftsmitglieder wegen wird auf die umfangreichen Darlegungen in der Begründungsschrift Bezug genommen (Bl. 581 ff. d.A.). Die Entscheidungen in Mitbestimmungsangelegenheiten würden sämtlich durch die Zentrale getroffen. Die Auswahl neu einzustellender Mitarbeiter träfen nicht die Filialleiter allein; sie seien auf die Formulare der Zentrale und die Freigabe durch den Vertriebsleiter angewiesen. In einem Teil der Filialen bewerte die Zentrale sogar die eingehenden Bewerbungen und treffe eine Vorauswahl. Selbst Dienstpläne müssten in einen Planprüfungsprozess eingegeben werden, in dem sich die Zentrale ein Vetorecht vorbehalte oder selbst einen Dienstplan vorgebe. Die nunmehr geltende Zeichnungsberechtigung ergebe sich aus dem jetzt geltenden Organigramm (Anlage BB9, P. 70 im Anlagenheft). Gründe für die Unwirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarungen zur Bildung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats sowie zu dessen Ausstattung seien nicht erkennbar. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Weiden zu § 18 Abs. 2 BetrVG könne schon deswegen nicht bindend sein, weil die vorliegenden Verfahrensbeteiligten und auch der Wahlvorstand nicht an diesem Verfahren beteiligt gewesen seien. Vorliegend führe schon das Kriterium der Entscheidungsnähe zum Vorliegen der Sachdienlichkeit der gefundenen Lösung. Hinsichtlich der Angaben zur Entscheidungsbefugnis wird auf die auf Seiten 29 f. der Beschwerdebegründung enthaltene Auflistung Bezug genommen (Bl. 607 f. d.A.). Zumindest sei ein entsprechender Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien nicht verletzt. Regionalbetriebsräte wären weit weniger sachgerecht.


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Der Beteiligte zu 40.) und Beschwerdeführer stellt im Beschwerdeverfahren folgenden Antrag:


Der Beschluss des Arbeitsgerichtes Weiden vom 05.05.2022 zum Aktenzeichen - 3 BV 4/22 - wird abgeändert und der Antrag zu Ziffer 2. (Erklärung der Unwirksamkeit der Wahl des Betriebsrats vom 01.03.2022) wird abgewiesen.


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Die Beteiligte zu 41.) und Beschwerdeführerin stellt im Beschwerdeverfahren folgende Anträge:


1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 05. Mai 2022 (Az. 3 BV 4/22) wird teilweise abgeändert.


2. Der Antrag zu 2) wird zurückgewiesen.


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Die Antragsteller und Beschwerdegegner haben dagegen beantragt:


Die Beschwerden der Beteiligten zu 40) und 41) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 05.05.2022 (Az.: 3 BV 4/22) werden zurückgewiesen.


31


Die Antragsteller schließen sich der Beurteilung durch das Arbeitsgericht an. Sie sind der Auffassung, die Wahl sei schon deswegen anfechtbar, weil abweichend von der Staffel des § 9 BetrVG ein zu großes Betriebsratsgremium gewählt worden sei. Zudem sei die Darstellung der Beteiligten zu 40.) und 41.) nicht zutreffend. Die wesentlichen Entscheidungen zu Fragen der Arbeitszeit, An- und Abwesenheitszeiten, Dienstplänen, Arbeitszeitkonten, Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall, Urlaub und Überstundenabbau würden nach wie vor in den Filialen getroffen. Das Ziel der Erleichterung der Bildung von Betriebsräten könne auch durch die Zusammenfassung von Filialen erreicht werden.


32


Die Beteiligte zu 41.) ist der Auffassung, selbst wenn man die Staffel der Zahl der Betriebsratsmitglieder des § 9 BetrVG für zwingend halte, führe dies allenfalls zur Teilunwirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarungen. Es treffe zu, dass zunächst eine andere Struktur angestrebt worden sei. Diese liege auch der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 25.01./05.02.2021 zugrunde. Sie werde aber nicht gelebt.


33


Die Antragsteller beziehen sich auf eine Vereinbarung zur Bestellung eines Kommunikationsbeauftragten (Anlage zum Schriftsatz vom 25.11.2022, Bl. 817 d.A.). Hieraus sei erkennbar, dass die Beteiligte zu 41.) diesem die Kosten seiner Anfechtung erstatte als Ausgleich dafür, dass er seinen Anfechtungsantrag zurücknehme. Darüber hinaus seien ihm "weitere Kompetenzen" eingeräumt. So heiße es:


34


Der Kommunikationsbeauftragte regelt in folgende Mitbestimmungsrechtliche Angelegenheiten im Rahmen der geltenden Betriebsvereinbarung.


- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage


- vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit in der Filiale 273


- Aufstellung des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird,


- Information bei Einstellungen, Versetzung oder Kündigung von Mitarbeitenden in der Filiale 273 B. Schon aus dieser Aufstellung werde ersichtlich, dass es ein Bedürfnis nach ortsnäherer Regelung der Mitbestimmungstatbestände gebe. Die Aufgaben der Kommunikationsbeauftragten gingen offenbar weit über die Unterstützung des Betriebsrats hinaus.


35


Die Beschwerdekammer hat in der Anhörung vom 29.11.2022 festgestellt, dass sich derzeit noch die Beteiligten zu 1.) bis 3.), 7.) bis 9.), 11.) bis 13.), 17.), 20.) 22.), 23.), 25.) bis 28.), 30.) bis 32.), 34.) und 36.) bis 39.) am vorliegenden Verfahren beteiligen. Die Beschwerdekammer hat des Weiteren festgestellt, dass es sich beim im Wahlausschreiben als "Logistikzentrum We." bezeichneten Einheit um eine kleine Abteilung mit weniger als 20 Arbeitnehmern handelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts in den Gründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, auf die Niederschrift über die Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht vom 29.11.2022 (Bl. 858 ff. d.A.) sowie auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.


36


Die Beschwerden der Beteiligten zu 40.) und 41.) sind zulässig. Sie sind insbesondere form- und fristgerecht innerhalb der Fristen der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG eingereicht und auch begründet worden. Dies gilt auch für die Beschwerde der Beteiligten zu 41.); diese hat die Beschwerdebegründung zwar nicht rechtzeitig in der nach § 130d ZPO erforderlichen Form über das elektronische Anwaltspostfach eingereicht. Sie hat jedoch durch Vorlage der Sendeprotokolle und des Screenshots zur Überzeugung der Beschwerdekammer und durch die fristgerechte Übersendung des vollständigen Schriftsatzes per Telefax zur Überzeugung der Beschwerdekammer glaubhaft gemacht, dass sie durch eine technische Störung an der rechtzeitigen formgerechten Einreichung gehindert war (§ 130d S. 2 und 3 ZPO).


37


Die Beschwerden sind aber in der Sache nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrates vom 01.03.2022 zutreffend und mit überzeugender Begründung für unwirksam erklärt. Die Beschwerdekammer folgt der sorgfältigen und ausführlichen Begründung des Arbeitsgerichts, der sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG entsprechend). Zu den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Argumenten ist hinzuzufügen:


38


1. Die formalen Voraussetzungen der Anfechtung der Betriebsratswahl vom 01.03.2022 sind erfüllt. Insbesondere sind nach wie vor mehr als drei wahlberechtigte Arbeitnehmer am Anfechtungsverfahren beteiligt und halten dies aufrecht. Die Anfechtung ist rechtzeitig und mit einer ausreichenden Begründung erfolgt.


39


2. Die Anfechtung ist nicht schon deswegen begründet, weil die Wahl im Wesentlichen im Wege der obligatorischen Briefwahl nach § 24 Abs. 3 WO durchgeführt worden ist. Zwar steht es nicht im Belieben des Wahlvorstands zu entscheiden, in welchen Fällen und für welche Betriebsteile er eine solche obligatorische schriftliche Stimmabgabe anordnet. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn er diese für weit entfernte Betriebsteile oder Kleinbetriebe für sachgerecht hält. Vorliegend hat auch die Beschwerdekammer keine Anhaltspunkte dafür, dass diejenigen Filialen, für die obligatorische Briefwahl angeordnet war, räumlich nicht so weit entfernt von der Zentrale in W. gelegen wären, dass es den Arbeitnehmern außerhalb des Hauptbetriebs in W. zumutbar gewesen wäre, ihre Stimme im Hauptbetrieb persönlich abzugeben (vgl. hierzu BAG v. 16.03.2022, 7 ABR 29/20, Rn. 33 ff., zitiert nach juris). Im Hinblick darauf, dass der Vertreter des Beteiligten zu 40.) in der Anhörung ohne Widerspruch der anderen Beteiligten angeführt hat, auch beim Logistikzentrum in We., für das ebenfalls Briefwahl angeordnet war, handele es sich ebenfalls nur um eine in der Größe den Filialen vergleichbare Einheit, ist auch die Einbeziehung dieser Einheit in die obligatorische Briefwahl nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, welche und wie viele Einheiten nicht in die obligatorische Briefwahl einbezogen waren, so dass Präsenzwahl in W. letztlich maßgeblich für die Stimmabgabe war. Auch bei einer nur geringen Zahl von Präsenzwählern wäre die Durchführung der obligatorischen Briefwahl für den größten Teil der Arbeitnehmer zulässig, wenn dies - insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen jeweils kleiner oder kleinster Einheiten - als sachgerecht erscheint (so ausdrücklich LAG Nürnberg v. 07.03.2022, 1 TaBV 23/21). Der Zweck des Vorrangs der Präsenzwahl, für eine möglichst sichere und das Wahlgeheimnis wahrende Stimmabgabe zu sorgen, wird nämlich gerade auch dann nicht erfüllt, wenn Wahlvorstände zu vielen kleinen Einheiten reisen und dort Urnen aufstellen müssen, die sie dann über längere Zeiträume hinweg transportieren müssen. Im Übrigen besteht für die Frage, ob die Aufstellung von Urnen oder die Durchführung obligatorischer Briefwahl für kleine Einheiten sachgerecht ist, ein Beurteilungsspielraum des Wahlvorstands (BAG v. 16.03.2022, a.a.O.). Dieser ist vorliegend nicht verletzt.


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3. Die Kammer kann einen Anfechtungsgrund auch nicht darin erkennen, dass der Wahlvorstand das Wahlausschreiben bereits am 07.01.2022 erlassen, dieses aber erst am 11.01.2022 zum Aushang gebracht hat. Entscheidender Gesichtspunkt etwa für die Berechnung der Zahl der Betriebsratssitze und die Festlegung des Minderheitengeschlechts ist zwar der Zeitpunkt des Aushangs. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich in den wenigen Tagen zwischen Beschluss und Aushang irgendwelche Änderungen ergeben hätten.


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4. Zwar hat der Wahlvorstand bei der Festlegung der Mindestsitze keine Streichung bei "Frauen/Männer" vorgenommen. Allein aus dem Satz "Auf das Geschlecht in der Minderheit der "Frauen/Männer" entfallen 7 Mindestsitze" lässt für sich genommen nicht erkennen, ob Männer oder Frauen das Minderheitengeschlecht sind. Allerdings lässt sich diese Information unschwer aus dem vorhergehenden Satz, in dem die Zahl der Frauen und diejenige der Männer aufgeführt ist, entnehmen. Es kann erwartet werden, dass dies auch die wahlberechtigten Arbeitnehmer erkennen.


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5. Die Anfechtung ist aber deswegen begründet, weil der Wahlvorstand bei der Wahl von einer zu großen Zahl von Betriebsratsmitgliedern ausgegangen ist. Bei einer Zahl von 8.306 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern - die Beschwerdekammer geht davon aus, dass diese Zahl zugrunde gelegt werden kann, obwohl es sich hierbei erkennbar um die am 11.01.2022 beschäftigten, nicht aber um die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer handelt - hat der Betriebsrat aus 35 Mitgliedern zu bestehen, nicht aber aus 71 Arbeitnehmern.


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a. Die Kammer folgt der 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg im Verfahren 8 TaBV 15/22 darin, dass eine Abweichung von der gesetzlich normierten Staffel nicht zulässig ist, auch nicht durch die Vergrößerung der Zahl der Betriebsratsmitglieder, und schließt sich der dortigen Begründung an. Schon der Wortlaut des § 9 BetrVG - "besteht ... aus ... Mitgliedern" - spricht für die Annahme einer zwingenden Wirkung dieser Vorschrift. Auch Sinn und Zweck der Bestimmung, eine effektive Vertretung der Belegschaft zu ermöglichen, rechtfertigen keine Abweichung hiervon. Zwar könnte eine Erhöhung der Zahl die Arbeitslast der einzelnen Betriebsratsmitglieder verringern und die Betriebsratsarbeit fördern (so GK-Jacobs, Gemeinschaftskommentar zum BetrVG, 12. Aufl. 2022, § 9 Rn. 30; Homburg in Däubler/Kittner/Wedde, BetrVG, 18. Aufl. 2022, § 9 Rn. 5 und Trümner, ebenda, § 3 Rn. 100 und Rn. 113 mit umfangreichen Nachweisen bei Fußnote 347). Andererseits wird das Gremium bei einer so hohen Zahl von Mitgliedern schwerfälliger, ist der Einfluss des einzelnen Betriebsratsmitglieds geringer, werden Tätigkeiten auf Ausschüsse verlagert. Eine Abweichung ist daher auch nicht nach oben möglich (BAG v. 07.05.2008, 7 ABR 17/07, zitiert nach juris; Thüsing in Richardi, BetrVG, 17. Aufl. 2022, § 9 Rn. 18; eher ablehnend auch Fitting, 31. Aufl. 2022, § 9 Rn. 49a mit weiteren Nachweisen). Zudem ist zu beachten: Anders als hinsichtlich der Freistellungsstaffel des § 38 BetrVG ist in § 9 BetrVG keine Möglichkeit zur abweichenden Regelung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung vorgesehen.


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b. Soweit auf die Regelungsmöglichkeit durch Tarifvertrag in § 3 BetrVG Bezug genommen und aus diesem Grund eine Erhöhung für zulässig gehalten wird, hilft dies vorliegend nicht weiter. Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung zutrifft. Sie kann sich nämlich lediglich auf § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG stützen - dort ist die Möglichkeit zur Vereinbarung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen vorgesehen. Auf diese Vorschrift nimmt § 3 Abs. 2 BetrVG, der eine Regelung abweichender Betriebsratsorganisation durch Betriebsvereinbarung vorsieht, aber ausdrücklich nicht Bezug. Hierauf kann sich eine Betriebsvereinbarung gerade nicht stützen. Mit den in § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 4 und 5 BetrVG normierten Sachverhalten hat eine in der Vergrößerung der Betriebsratszahl liegende Organisationsänderung aber nichts zu tun.


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c. Die Beschwerdekammer hält auch die Annahme, die Betriebsratsarbeit werde durch ein größeres Gremium erleichtert, für nicht in jedem Fall zutreffend. Bei größeren Gremien ist die Entscheidungsfindung schwerfälliger, müssen möglicherweise noch mehr Mitbestimmungsgegenstände in Ausschüsse verlagert werden. Die Stimme des einzelnen Mitglieds verliert an Gewicht. Die Problematik wird auch vorliegend deutlich: Ein Teil der Betriebsratsmitglieder soll "Reisebetriebsrat" sein, ein anderer in Fachausschüssen Entscheidungen fällen oder vorbereiten. Auch solche Trennungen sind im Gesetz nicht vorgesehen, auch dies spricht dafür, die Einhaltung der gesetzlichen Staffel der Zahl der Betriebsratsmitglieder als zwingend anzusehen.


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d. Nach alldem ist die Anfechtung schon aus diesem Umstand begründet. Die Auswirkung auf das Wahlergebnis liegt auf der Hand.


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e. Auf die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob die Abweichung von der Staffel des § 9 BetrVG die Gesamtbetriebsvereinbarungen über die Bildung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats unwirksam macht oder ob diese nur teilunwirksam und damit im Übrigen aufrechtzuerhalten sind, kommt es vorliegend nicht an. Selbst wenn die Gesamtbetriebsvereinbarungen wirksam blieben, wäre die Anfechtung vorliegend wegen des Verstoßes gegen § 9 BetrVG gerechtfertigt.


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6. Die Anfechtung ist aber auch deswegen begründet, weil der Wahlvorstand den Betriebsbegriff verkannt hat. Die Gesamtbetriebsvereinbarungen über die Bildung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats erweisen sich als unwirksam. Die Beschwerdekammer schließt sich auch insoweit den Ausführungen der 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts im Verfahren 8 TaBV 15/22 an.


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a. Die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1a) BetrVG erweist sich als weit weniger sachgerecht als etwa die Bildung von Regionalbetriebsräten in den Vertriebsbezirken. Das zeigt schon die von den Betriebspartnern gewählte Lösung selbst. Diese stellen in § 2 Abs. 3 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 25.01./05.02.2021 darauf ab, dass "jeder Vertriebsbezirk gleich stark" im unternehmenseinheitlichen Betriebsrat vertreten sein solle. Sie gehen damit selbst von einer notwendigen Differenzierung nach Vertriebsbezirken aus, legen diese selbst als beachtenswerte Einheiten zugrunde. Sie legen in § 3 dieser Vereinbarung fest, dass "die Vertriebsbezirke Vertreter haben" sollen. Diese müssen durch den unternehmenseinheitlichen Betriebsrat benannt werden; hierbei soll die räumliche Nähe zum Vertriebsbezirk beachtet werden. Auch dies zeigt, dass sowohl die Beteiligte zu 41.) als auch der Gesamtbetriebsrat von der Notwendigkeit einer besonderen Repräsentation in den Vertriebsbezirken ausgegangen sind.


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b. Mit Recht stellt das Arbeitsgericht zudem auf die Präambel dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ab, in der die Kernaufgaben der einzelnen Vertriebsleiter im Einzelnen aufgeführt sind. Die dortigen Ausführungen zeigen ein erhebliches Maß an Entscheidungsbefugnis bei den Vertriebsleitern.


51


c. Soweit die Beteiligten zu 40.) und 41.) geltend machen, diese Struktur sei letztlich nicht so durchgeführt worden, kann dies keine anderweitige rechtliche Betrachtung rechtfertigen. Dasselbe gilt für in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022 festgelegten Änderungen. Die Wahl, um deren Anfechtung es vorliegend geht, basiert auf der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 25.01./05.02.2021. Auf der Basis dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ist der Wahlvorstand schon im Herbst 2021 eingesetzt worden, auf dieser Basis hat er die Wahl eingeleitet und durchgeführt. Eine nachträgliche Änderung der Umstände kann eine auf den damaligen Grundlagen beruhende unzulässig durchgeführte Wahl nicht nachträglich rechtfertigen.


52


d. Unabhängig hiervon ist das Abstellen auf Vertriebsbezirke auch Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23.02.2022. Auch dort wird auf Vertriebsbezirke und Bezirksvertreter abgestellt. Im Gegenteil: Es werden - unabhängig davon, dass solche Vorgaben gegenüber dem später zu wählenden Betriebsrat im Hinblick auf dessen Selbstorganisationsrecht unzulässig sein dürften - noch weitere Vorgaben etwa hinsichtlich der Kontaktaufnahmen in den Vertriebsbezirken gemacht.


53


e. Auch die Beschwerdekammer geht davon aus, dass eine Änderung der bisherigen, auf die Vielzahl der einzelnen Filialen abstellenden Struktur durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. In der Tat erscheint eine Vertretung einer derart kleinen Filiale in vielen Mitbestimmungsfragen als schwierig, zeigt die geringer werdende Zahl der Filialbetriebsräte, die "weißen Flecken", dass dies offenbar auch von der Belegschaft so gesehen wird. Dies rechtfertigt aber nicht, ins Gegenteil von der kleinteiligsten zur größtmöglichen Organisation zu wechseln. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 40.) und 41.) wäre eine Einrichtung von Vertriebsbetriebsräten nicht nur möglich, sondern würde sich als evident sachnäher darstellen. Schließlich stellen die Betriebsparteien im Rahmen der Vereinbarung nach § 3 Abs. 2 BetrVG selbst auf die Notwendigkeit der Betreuung innerhalb der Vertriebsbezirke ab. Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat soll Gremien zur Betreuung in diesen Vertriebsbezirken bilden. Die Bezirksvertreter sollen nach räumlicher Nähe zu diesen Bezirken ausgewählt werden. Letzteres Kriterium zeigt im Übrigen, dass auf die Ortsnähe offenbar doch nicht vollständig verzichtet werden kann.


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f. Es kommt hinzu: Die Betriebsparteien haben mit der Verdoppelung der Zahl der Betriebsratsmitglieder gegenüber der gesetzlichen Staffel gezeigt, dass sie selbst weit mehr Betriebsratsmitglieder als gesetzlich vorgesehen als notwendig für eine effektive Betriebsratsarbeit in der gewählten Struktur ansehen. Erweist sich eine solche Verdoppelung als nicht zulässig, fällt das gewählte Konstrukt in sich zusammen. Dann ist offenbar auch nach Auffassung der Beteiligten zu 41.) und des Gesamtbetriebsrats die Lösung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats als in dieser Form nicht durchführbar. Dem folgt auch die Beschwerdekammer. Es erscheint darüber hinaus als bedenklich, dass der Arbeitgeber die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats dadurch fördern könnte, dass er für diesen Fall eine größere Zahl von Betriebsratsmitgliedern, von Freistellungen und von Hilfspersonen des Betriebsrats zur Verfügung stellt und damit versucht, dem Gesamtbetriebsrat eine solche einheitliche Lösung "schmackhaft" zu machen. Zumindest müssten diese Umstände bei der Prüfung der Sachgerechtigkeit außer Betracht bleiben.


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g. Die Kammer kann die Befürchtung, bei der Wahl von Betriebsräten in den Vertriebsbezirken bestehe die Gefahr, dass eine Errichtung nicht in allen 20 Bezirken gelinge, nicht nachvollziehen. Immerhin gab es bisher in jedem Vertriebsbezirk mindestens eine, meist mehrere Filialen mit Betriebsrat. Der Rückschluss, dass man für größere Einheiten zwischen 25 und 30 Filialen ebenfalls keine Kandidaten finden würde, erscheint der Kammer als unzulässig. Die Mitarbeit in einem größeren Gremium stellt andere Anforderungen als die Tätigkeit als einköpfiger Betriebsrat in direktem Kontakt zum Filialleiter oder gar der Zentrale in W.


56


h. Der Umstand, dass schon bisher und auch künftig eine Vielzahl der Mitbestimmungsangelegenheiten von der Zentrale in W. aus geregelt wird, steht der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung nicht entgegen. Das BetrVG geht in § 4 davon aus, dass Betriebsräte auch in Betriebsteilen zu wählen sind, wenn diese - wie vorliegend die meisten Filialen - räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind. Es ist Sache des Arbeitgebers, seine Vertretung gegenüber diesen weit entfernten Betriebsteilen zu organisieren, und zwar unabhängig davon, wer von welchem Ort aus die Entscheidungen in Mitbestimmungsfragen trifft. Wenn § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine abweichende Regelungsmöglichkeit zulässt, dann um die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern. Dieser Aspekt hat mit der Frage, wo die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden, nichts zu tun. Bei der Frage, welche Lösung sachgerecht, nicht sachgerecht oder ersichtlich nicht sachgerecht ist, müssen die Betriebspartner auch abwägen, ob sie die Lösung nach Nr. 1a) - Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats - oder diejenige nach Nr. 1b) - Zusammenfassung von Betrieben - wählen. Dabei haben sie auch die sachgerechte Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer in den Blick zu nehmen. Vorliegend ist den Interessen der Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar besser damit gedient, wenn sie von einem ortsnäheren Gremium vertreten werden. Es stellt einen gewaltigen Unterschied dar, ob das Betriebsratsgremium die Verhältnisse in 27 oder 30 Filialen im Blick haben muss oder in 530 Filialen. Dies gilt umso mehr, als den Filialleitern und den Vertriebsleitern offenkundig eine ganze Zahl von Entscheidungsbefugnissen in personeller und sozialer Hinsicht verbleiben. Diese führen unstreitig die Vorstellungsgespräche und entscheiden über die Person der neu Einzustellenden. Diese erstellen die Dienstpläne im Detail. Damit liegen eindeutige Anknüpfungspunkte für eindeutig sachgerechtere Strukturen vor, um die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG anerkannten Ziele erreichen zu können.


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i. Letztlich wird dies auch durch die Stellung der Kommunikationsbeauftragten deutlich. Diese sollen zumindest teilweise, wie sich aus Anlage AB 7 (a.a.O., Bl. 817 d.A.) ergibt, Aufgaben des Betriebsrats vor Ort wahrnehmen, also Kompetenzen ausüben, die dem Betriebsrat als Organ oder einem von diesem eingesetzten Ausschuss zustehen. Die Einräumung dieser Kompetenzen, die offenkundig als notwendig erachtet wird, um die Vertretung der Belegschaft vor Ort gewährleisten zu können, ist nach dem Betriebsverfassungsrecht nicht vorgesehen und unzulässig. Auch dies zeigt, dass die von den Betriebsparteien im Rahmen des § 3 Abs. 2 BetrVG gewählte Lösung offensichtlich nicht unter Einhaltung der gesetzlichen Regeln funktioniert.


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j. Hinsichtlich weiterer Argumente schließt sich die Beschwerdekammer der Begründung des Arbeitsgerichts im Beschluss vom 05.05.2022 und den Überlegungen der 8. Kammer im Verfahren 8 TaBV 15/22 an.


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k. Auf die Frage, ob die Wahl schon deswegen anfechtbar ist, weil im Zeitpunkt der Wahl im Verfahren 3 BV 9/21 eine Entscheidung des Arbeitsgerichts zu § 18 Abs. 2 BetrVG mit einem anderweitigen Betriebsbegriff vorlag, kommt es nach alldem nicht an. Die Beschwerdekammer hält aber eine Pflicht, sich an nicht rechtskräftigen Beschlüssen nach § 18 Abs. 2 BetrVG zu orientieren, jedenfalls nicht in jeder Konstellation für zwingend. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden im Verfahren 3 BV 9/21 stammt vom 03.02.2022. Zu diesem Zeitpunkt war das Wahlausschreiben längt erlassen und ausgehängt, die Wahl in der schließlich durchgeführten Form eingeleitet. Der Wahlvorstand hätte die Wahl ohne Vorliegen der Entscheidungsgründe abbrechen, der Gesamtbetriebsrat für die Bestellung von Wahlvorständen in über 500 Filialen sorgen müssen. Dies hätte in weiten Teilen zu einer betriebsratslosen Zeit geführt. Dem steht der Rechtsgedanke des § 19 BetrVG, der auch bei Fehlern der Wahl eine möglichst durchgehende Vertretung der Belegschaft gewährleisten soll, entgegen.


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7. Nach alldem ist die Anfechtung der Betriebsratswahl begründet; diese ist für unwirksam zu erklären. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.


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8. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Reichweite der Befugnisse der Betriebsparteien nach § 3 Abs. 2 BetrVG und die Abweichungsbefugnis von § 9 BetrVG.


Hinweise

Gegen die Entscheidung wurde Rechtsbeschwerde beim BAG am 26.01.2023 eingelegt - 7 ABR 2/23.

Vorschriften