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Urteil vom 05.05.2022 · IWW-Abrufnummer 234654

Landesarbeitsgericht Köln - Aktenzeichen 6 Sa 774/21

Die Vereinbarung eines Vorschusses unterscheidet sich von der Vereinbarung über die zukünftige Verrechnung eines Rückzahlungsanspruches aus Überzahlung dadurch, dass der Anspruch, auf den der Vorschuss gezahlt wird, erst in der Zukunft entsteht und fällig wird, während der Rückzahlungsanspruch bereits entstanden und fällig geworden ist.


Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.10.2021 - 11 Ca 25/21 - wird zurückgewiesen.


2. Die Beklage hat die Kosten der Berufung zu tragen.


3. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten um Entgeltansprüche für die Monate November und Dezember 2020 sowie um Urlaubsabgeltung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.



Die Klägerin war seit dem 16.04.2020 auf der Grundlage eines bis zum 31.12.2020 befristeten Arbeitsvertrages bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt war für die vereinbarte Teilzeittätigkeit (sechs Stunden arbeitstäglich) bei einem Stundenlohn in Höhe von 13,80 EUR ein regelmäßiges Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.656,00 EUR vereinbart. In der Arbeitsvertragsurkunde, auf deren Inhalt insgesamt Bezug genommen wird (Bl. 5 ff d.A.), hatten die Parteien grob zusammengefasst die folgenden Eckpunkte vereinbart: 30 Stunden pro Woche als Regelarbeitszeit; tägliche Arbeitszeit von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr bei mindestens einer halben Stunde Pause an Arbeitstagen mit mehr als sechs Arbeitsstunden; keine Bezahlung von Überstunden; wenn Überstunden geleistet werden müssen, dann sollen sie durch Freizeit ausgeglichen werden; an Überstunden sind nicht mehr als 25 % der monatlichen Arbeitsstunden zulässig; nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollen die Überstunden verfallen; Minusstunden sollen demgegenüber mit den Gehaltsansprüchen verrechnet werden; alle Ansprüche sollen nach Ablauf von 3 Monaten nach der Lohn-Abrechnung verfallen und bei "erforderlichenfalls" erhobener Klage drei weitere Monate später; doppelte Schriftformklausel.



Vor Beginn des besagten Arbeitsverhältnisses war die Klägerin bei der Beklagten im Rahmen einer Umschulungsausbildung zur Steuerfachangestellten bereits seit dem 04.03.2018 tätig.



Am 31.12.2020, also am Ende der zwischen den Parteien vereinbarten Befristung, bestand noch ein Urlaubsanspruch für 11 Tage. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die Monate November und Dezember keine Vergütung und auch keine Urlaubsabgeltung. Die Klägerin war an den Tagen 05.11.2020 und 06.11.2020 sowie ab dem 16.11.2020 bis zum 31.12.2020 arbeitsunfähig. Die letzte von der Klägerin vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht bis zum 04.01.2021. Im Übrigen hat die Klägerin bis zum 15.11.2020 gearbeitet



Mit der seit dem 04.01.2021 anhängigen Klage hat die Klägerin Vergütung für die Monate November und Dezember 2020 verlangt unter Abzug eines Betrages in Höhe von 1.300,00 EUR netto, den sie im Rahmen eines Eilverfahrens zur Gewährung von Lohnnotbedarf erstritten hatte und der ihr tatsächlich von der Beklagten ausgezahlt worden war (2 x 1.656,00 EUR - 1300,00 EUR = 2.012,00 EUR). Darüber hinaus fordert sie Urlaubsabgeltung (13,80 EUR x 6 h x 11 Tage = 910,80 EUR) und die Erteilung eines Zeugnisses. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, die von der Beklagten behaupteten Minusstunden seien unzutreffend. Die Verrechnungsklausel im Arbeitsvertrag stelle eine unangemessene Benachteiligung dar und sei daher unwirksam.



Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 2.012,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 356,00 EUR seit dem 02.12.2020 und aus 1.656,00 EUR seit dem 02.01.2021 zu zahlen;2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 910,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2021 zu zahlen;3. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, welches sich nach seinem Inhalt auf Führung und Leistung erstreckt;4. die Widerklage der Beklagten abzuweisen.



Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen;2. widerklagend die Klägerin zu verurteilen, an sie 349,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Zur Verteidigung gegen die Klage hat die Beklagte vorgetragen, Entgeltfortzahlungsansprüche könnten nur bis zum 27.12.2020 bestehen. An diesem Tag seien die gesetzlich vorgesehenen sechs Wochen an Entgeltfortzahlung abgelaufen. Die Klägerin habe in ihrem dem Arbeitsverhältnis vorgeschalteten Umschulungsverhältnis im Rahmen ihrer Prüfungsvorbereitung nicht gearbeitet. Dadurch seien 174 Fehlstunden entstanden. Damals habe man vereinbart, dass diese Fehlstunden nach der Prüfung abgearbeitet werden müssten. Nachdem dann die Klägerin die Prüfung nicht bestanden habe, habe man sich darauf geeinigt, dass die Klägerin im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses - das dann ja auch begründet worden sei - die Stunden abbauen müsse. Tatsächlich habe die Klägerin aber keine Stunden abgebaut, sondern vielmehr weiter zu wenig gearbeitet und damit Fehlstunden generiert. Insgesamt hätten sich so 216,17 Minusstunden errechnet. Diese 216,17 Stunden verrechne sie mit den noch offenen Urlaubstagen und den Entgeltansprüchen aus November und Dezember. Auf diese Weise verbleibe ein Entgeltanspruch der Klägerin gegen sie in Höhe von 950,14 EUR. Werde dieser Betrag mit dem Betrag verrechnet, den die Klägerin im Rahmen der einstweiligen Verfügung erhalten habe, sei als Ergebnis festzustellen, dass die Klägerin insgesamt einen Betrag in Höhe von 349,86 EUR zu viel erhalten habe. Dieser Betrag sei der Gegenstand der Widerklage.



Mit Urteil vom 25.10.2021 hat das Arbeitsgericht Köln der Klage weitgehend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung des Urteils hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe aus § 611 a Abs. 2 BGB und § 3 EFZG in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Zahlung des Entgelts für die Zeit bis zum 27.12.2020 abzüglich der bereits erhaltenen 1.300,00 EUR sowie einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von (3 Monate x 1.656,00 EUR : 65 Tage x 11 Tage =) 840,74 EUR. Abzuweisen sei die Klage nur mit Blick auf die geforderte Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 28.12.2020 bis zum 31.12.2020, weil die Anspruchsvoraussetzungen nach Ablauf von sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit am 27.12.2020 nicht mehr vorgelegen hätten und mit Blick auf die geforderte Urlaubsabgeltung, soweit sie den soeben errechneten Betrag übersteige. Eine Verrechnung von Minderstunden mit diesen Ansprüchen komme nicht in Frage. Die Verrechnung von Minusstunden aus dem vorangegangenen Vertragsverhältnis sei schon deshalb nicht möglich, weil die Parteien mit dem neuen Arbeitsvertrag das Rechtsverhältnis auf eine neue Grundlage gestellt und den Vertrag mit einer doppelten Schriftformklausel versehen hätten (6 AZR 430/15). Auch die Verrechnung mit Minusstunden aus dem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis komme nicht in Betracht. Eine solche Verrechnung verstoße nämlich gegen das Aufrechnungsverbot aus § 394 BGB. Die Regelung in § 394 BGB sei auch nicht aufgrund einer wirksamen Arbeitszeitkontovereinbarung ausgeschlossen. Vielmehr hätten die Parteien keine wirksame Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto getroffen. Die Verrechnungsregelung sei schon nach § 307 BGB mangels Transparenz unwirksam. Schon die vereinbarten festen Arbeitszeiten stünden einem Arbeitszeitkonto entgegen. Im Übrigen seien die einschlägigen Vorschriften im Arbeitsvertrag zum Verfall von Mehrarbeit und zur Aufrechnung von Minusstunden wegen der mit diesen Regelungen verbundenen unangemessenen Benachteiligung unwirksam. Der Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses ergebe sich aus § 109 GewO.



Gegen dieses ihr am 11.11.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 13.12.2020, Berufung eingelegt und sie hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.02.2022 am 10.02.2022 begründet.



Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte vorgetragen, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass doch die Minusstunden dadurch entstanden seien, dass die Klägerin zu bestimmten Zeiten nicht gearbeitet habe und daher schon kein Anspruch auf Arbeitslohn habe entstehen können. Soweit dennoch Entgelt gezahlt worden sei, sei dies als Vorschuss zu werten. Dieser habe dann ohne weiteres auf den verbleibenden Entgeltanspruch für die letzten zwei Monate angerechnet werden können. Das betreffe vor allem die Zeit des Umschulungsvertrages vom 21.01.2019 bis zum 31.03.2019. Des Weiteren - so die Prozessbevollmächtigte der Beklagten - lege die Beklagte auf Ausführungen wert, die in Anführungszeichen zu zitieren seien: Es sei ein Arbeitszeitkonto vereinbart worden. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur gegenteiligen Auffassung seien nicht überzeugend. Außerdem scheide ein Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit ab dem 15.11.2020 schon deshalb aus, weil nicht von einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausgegangen werden könne. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei durch die Tatsache erschüttert, dass die Arbeitsunfähigkeit passgenau bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses vorgehalten habe.



Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.10.2021 - 11 Ca 25/21 - abzuändern, die Klage abzuweisen und der Widerklage stattzugeben.



Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie gehe von der Unzulässigkeit der Berufung aus. Es reiche nicht, Erklärungen der Partei in Anführungszeichen zu setzen. Ein solches Verhalten sei vielmehr geeignet, die Distanzierung der Prozessbevollmächtigten von ihrer Partei zu betonen. Minusstunden seien nicht entstanden. Nach dem Wortlaut des Vertrages sei kein Arbeitszeitkonto vereinbart worden.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die weitgehend zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.



I. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Dabei kann zu Gunsten der Beklagten noch angenommen werden, dass die von einer Prozessbevollmächtigten in Anführungszeichen gesetzten Ausführungen der Prozesspartei Gegenstand der Berufungsbegründung werden können. Denn diese Ausführungen macht sich die Prozessbevollmächtigte mit dem ausdrücklichen Zitat zu Eigen.



Jedenfalls ist aber die Berufung unzulässig, soweit sie sich gegen den Tenor zu 3 des Urteils des Arbeitsgerichts wendet, denn zum dort titulierten Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Zeugnisses findet sich in der Berufungsbegründung kein Wort.



II. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung überwiegend stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe des mit der Berufung angegriffenen Urteils wird deshalb Bezug genommen. Weitere Ausführungen werden daher hier nur soweit gemacht, als sie von dem Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten veranlasst sind.



1. Wie vom Arbeitsgericht erkannt, hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung für die Zeit vom 01.11.2020 bis zum 27.12.2020 unter Abzug des bereits geleisteten Betrages in Höhe von 1.300,00 EUR. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 a Abs. 2 BGB und § 3 EFZG.



a. Dieser Anspruch ist nicht erfüllt durch Aufrechnung, durch Verrechnung aufgrund einer mündlichen Vereinbarung, er ist nicht aufgrund eines Arbeitszeitkontos oder aufgrund einer sonstigen arbeitsvertragliche Regelung ausgeschlossen. Zu diesen von der Beklagten schon in erster Instanz vorgetragenen Einwänden hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ausführlich Stellung genommen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Weil aber die Beklagte in der von ihrer Prozessbevollmächtigten in Anführungszeichen gesetzte Stellungnahme so arg beklagt, dass das Arbeitsgericht die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos nicht anerkannt habe, soll hier nur eine einzige vom Arbeitsgericht bereits erfolgte Erwägung hervorgehoben werden, die ganz alleine die Annahme eines Arbeitszeitkontos ausschließt: Wenn vereinbart wird, dass Minusstunden mit den Gehaltsansprüchen (also nicht mit dem Stundenkonto) verrechnet werden, dann kann nicht gleichzeitig ein Arbeitszeitkonto vereinbart worden sein. Denn das Arbeitszeitkonto zeichnet sich dadurch aus, dass ein regelmäßiges Bruttoentgelt ausgezahlt wird, während die Arbeitszeit "atmet", also mal mehr und mal weniger gearbeitet wird. Nach der hier von den Arbeitsvertragsparteien unterzeichneten Arbeitsvertragsurkunde "atmet" aber nichts, insbesondere nicht die Arbeitszeit, vielmehr soll einfach weniger gezahlt werden, wenn zuvor weniger als vereinbart gearbeitet worden war. Ausdrücklich heißt es in der Arbeitsvertragsurkunde unter § 3 h: "die Minderstunden werden mit den Gehaltsansprüchen verrechnet." Für die Überstunden gibt es eine gesonderte Regelung für das Ende des Arbeitsverhältnisses in § 3 b, für die Minderstunden nicht. Deshalb bezieht sich § 3 h des Arbeitsvertrages während des laufenden Arbeitsverhältnisses auf jeden einzelnen Monat und verdeutlicht damit, dass ein Arbeitszeitkonto nicht vereinbart worden ist. Die Beklagte scheint dem weit verbreiteten Irrtum erlegen zu sei, man könne schon dann von einem Arbeitszeitkonto sprechen wenn die Arbeitszeit elektronisch erfasst werde.



b. Auch die mit der Berufungsbegründung im Übrigen vorgetragenen weiteren Einwände der Beklagten bleiben ohne Erfolg. Weder hat die Beklagte Vorschüsse geleistet noch ist die Entgeltfortzahlung im Monat Dezember wegen der konkreten Dauer der Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen.



(1.) Die Beklagte hat keine Vorschüsse auf die hier streitigen Ansprüche der Klägerin geleistet. Eine Zahlung durch den Arbeitgeber ist dann ein Vorschuss, wenn sich beide Seiten bei der Auszahlung darüber einig sind, dass es sich um eine Vorwegleistung handelt, die bei Fälligkeit der Forderung verrechnet werde (BAG v. 12.12.2012 - 5 AZR 93/12 -). Die Vereinbarung eines Vorschusses unterscheidet sich von der Vereinbarung über die zukünftige Verrechnung eines Rückzahlungsanspruches aus Überzahlung dadurch, dass der Anspruch, auf den der Vorschuss gezahlt wird, erst in der Zukunft entsteht und fällig wird, während der Rückzahlungsanspruch im ersten Fall bereits entstanden und fällig geworden ist.



Aus den Darlegungen der Beklagten ergibt sich nicht, dass sich die Parteien auf die Zahlung eines Vorschusses verständigt hätten. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist vielmehr widersprüchlich und daher unbeachtlich:



Die Vereinbarung, eine im laufenden Monat nicht erbrachte Arbeitsleistung nachzuholen und die Vereinbarung eines Vorschusses auf den in der Zukunft entstehenden Entgeltanspruch schließen sich gegenseitig aus. Im ersten Fall vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass die Arbeitnehmerin in einem in der Zukunft liegenden Monat mehr Stunden arbeiten soll, als sie Stunde vergütet bekommt; im zweiten Fall vereinbaren die Parteien, dass die Arbeitnehmerin in einem in der Zukunft liegenden Monat für die vereinbarungsgemäß erbrachte regelmäßige Monats-Arbeitsleistung weniger - nämlich um den gezahlten Vorschuss weniger - an Entgelt erhalten soll, als ihr eigentlich für den Monat arbeitsvertraglich zusteht.



Abgesehen von der Tatsache, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, wer wann mit welchen Worten eine "Verrechnung" mit einem Rückzahlungsanspruch aus Überzahlung, ein "Nachholen" der Arbeitsleistung oder einen "Vorschuss" auf einen in der Zukunft entstehenden Entgeltanspruch vereinbart haben soll, und wie sich dies alles mit dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages verträgt, der zu diesem Punkt gerade keine Regelung vorsieht, ist ihr Vortrag (für eine Steuerberatungsgesellschaft erstaunlich) widersprüchlich und daher unbeachtlich. Die Beklagte hat diese Widersprüchlichkeit vertieft durch ihren weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 19.04.2022:



Für einen im prozessualen Sinne erheblichen Vortrag muss sich die Beklagte wie gezeigt entscheiden und sich festlegen, ob sie das eine oder das andere mit der Klägerin vereinbart haben will. Vor einer solchen Festlegung kommt eine Beweisaufnahme, deren Durchführung die Beklagte ausweislich der Berufungsbegründung vermisst, nicht in Frage.



(2.) Dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeit den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses betraf. Die Beklagte hat in den Ausführungen, die ihre Prozessbevollmächtigte in Anführungszeichen gesetzt hatte, sinngemäß gerügt, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei schon deshalb erschüttert, weil die Arbeitsunfähigkeit an dem Tag begonnen habe, an dem die Klägerin telefonisch auf die auszugleichenden Minusstunden hingewiesen worden sei, nämlich dem 18.11.2020. Erschüttert sei der Beweiswert auch deshalb, weil die Arbeitsunfähigkeit passgenau die verbleibende Zeit bis zum Ende der Befristung abdecke.



Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte hier auf die neuere Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. In seiner Entscheidung vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21 - hatte der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts angenommen, dass der Beweiswert der im dortigen Verfahren vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund der "zeitlichen Koinzidenz zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit sowie Beginn und Ende der Kündigungsfrist" erschüttert sei. Diese Koinzidenz begründe ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit. Eine solche Koinzidenz gibt es im vorliegenden Fall aber nicht. Es gibt keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung sondern es geht hier um das Ende eines befristeten Arbeitsverhältnisses; es gibt keine Arbeitsunfähigkeit, die passgenau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses reicht, vielmehr betrifft die vorliegend zuletzt relevante Arbeitsunfähigkeit einen Zeitraum, der das Ende des Arbeitsverhältnisses um vier Tage überschreitet; auch hat die Beklagte keinen Grund anzunehmen, ein Telefongespräch vom 18.11.2020 sei Anlass für die Arbeitsunfähigkeit gewesen, denn die Klägerin war bereits seit dem 16.11.2020 arbeitsunfähig. Letzteres ergibt sich aus der von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Folgebescheinigung vom 19.11.2020.



2. Auch den Urlaubsabgeltungsanspruch hat das Arbeitsgericht richtig berechnet. Dass der Anspruch dem Grunde nach besteht, ist zwischen den Parteien unstreitig. Zu den von der Beklagten geltend gemachten Einwendungen gilt das zu 1 Gesagte entsprechend.



3. Da die Berufung wie gezeigt teilweise unzulässig ist, soweit sie sich nämlich gegen die Verurteilung zur Erteilung eines Zeugnisses wendet, bleibt es auch diesbezüglich bei der richtigen Entscheidung des Arbeitsgerichts.



4. Aus den zu 1 genannten Gründen hat das Arbeitsgericht auch richtigerweise die Widerklage abgewiesen.



III. Nach allem bleibt es somit unverändert bei der erstinstanzlichen Entscheidung. Als unterliegende Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

Vorschriften§ 611 a Abs. 2 BGB, § 3 EFZG, § 394 BGB, § 307 BGB, § 109 GewO, § 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO