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Beschluss vom 20.12.2022 · IWW-Abrufnummer 234742

Landesarbeitsgericht Düsseldorf - Aktenzeichen 3 TaBV 31/22

1. Ein Tarifvertrag über andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG wirkt im Fall der Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht nach. Tarifnormen nach § 3 Abs. 1 BetrVG verdrängen nur für die Zeit ihrer normativen Geltung das betriebsverfassungsrechtliche, gesetzliche Organisationsrecht. Mit der Beendigung der normativen Geltung des Tarifvertrages tritt unmittelbar wieder das gesetzliche Organisationsrecht als höherrangiges Recht an seine Stelle. Ein über die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG zu überbrückender, regelungsloser Zustand tritt nicht ein.

2. Erfolgt die Kündigung eines Struktur-Tarifvertrages gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG fristgerecht zum 31.05.2022 - dem Ende des regulären Betriebsratswahlzeitraums nach § 13 Absatz 1 Satz 1 BetrVG - endet somit das reguläre Mandat auch eines kurz zuvor neu, aber auf der Grundlage der tariflichen, vom Gesetz abweichenden Arbeitnehmervertretungsstruktur gewählten Betriebsrats zum 31.05.2022. Der Betriebsrat bleibt nicht bis zum Ende der Amtsperiode, für die er gewählt worden ist, im Amt, denn die Grundlage für seine Bildung und Existenz ist ab 01.06.2022 nicht mehr vorhanden. Eine umgekehrt analoge Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG kommt nicht in Betracht. Auch eine Amtszeitverlängerung analog § 19 BetrVG scheidet aus.

3. Fällt die tarifliche Arbeitnehmervertretungsstruktur weg, kommt dem noch auf dieser Grundlage gewählten Betriebsrat analog § 21a BetrVG ein Übergangsmandat zu. Damit kann der Übergang vom tariflichen zum gesetzlichen Organisationsrecht ohne das Entstehen von Schutzlücken durch betriebsratslose Zeiten hinreichend gewährleistet werden.


Tenor:
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 08.06.2022 - Az.: 4 BV 5/22 - abgeändert und der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.


II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten über die rechtliche Existenz des Antragstellers und Beteiligten zu 1 nach Kündigung des Strukturtarifvertrages vom 13.08.2018, auf dessen Grundlage der Antragsteller gebildet worden ist, zum 31.05.2022.



Die Beteiligte zu 2, die im Lebensmittel-Einzelhandel tätig ist, unterhält zumindest fünf Betriebsstätten/Filialen, und zwar in E.-C., E.-O., L., M. und X.; ob zum 01.06.2022 eine weitere Betriebsstätte hinzugekommen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. In den genannten fünf Betriebsstätten werden mehr als 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Zudem gelangen bei der Beteiligten zu 2 die Tarifverträge für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen zur Anwendung.



Der Antragsteller ist der aus 11 Mitgliedern bestehende Betriebsrat der - bis zu 100 km räumlich voneinander entfernt liegenden - Betriebsstätten E.-C., E.-O., L., M. und X.. Er wurde gewählt auf der Grundlage des Tarifvertrages "nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz", den die Beteiligte zu 2 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unter dem 13.08.2018 abgeschlossen hat, dessen Wortlaut im Einzelnen sich aus der Anlage BB1 (Blatt 209 f. der Akte) ergibt und der auszugsweise wie folgt wiedergegeben wird:



Mit Schreiben vom 22.11.2021 kündigte die Beteiligte zu 2 gegenüber der Gewerkschaft ver.di den Tarifvertrag vom 13.08.2018 fristgerecht zum 31.05.2022 (Anlage GK2, Blatt 9 der Akte); das Schreiben ist der Gewerkschaft am 29.11.2021 zugegangen.



Im Zeitraum vom 10. bis 12.05.2022 erfolgte im Rahmen der regelmäßigen Betriebsratswahlen die Wahl des Antragstellers auf der Grundlage des gekündigten Tarifvertrages. Der Betriebsrat konstituierte sich am 18.05.2022. Die Beteiligte zu 2 leitete am 27.05.2022 ein Wahlanfechtungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Wesel zu dem Aktenzeichen 4 BV 13/22 ein, welches derzeit noch nicht abgeschlossen ist.



Da bereits zuvor im Rahmen der Einleitung der Betriebsratswahlen Streit der Beteiligten darüber aufgekommen war, ob ein im Mai 2022 auf der Grundlage des gekündigten Tarifvertrages vom 13.08.2018 neu gewählter Betriebsrat über den 31.05.2022 hinaus noch fortbesteht, ob dann (allenfalls noch) ein Übergangsmandat besteht oder aber der Betriebsrat noch bis zum Ablauf der neuen, vierjährigen Wahlperiode im Amt bleibt, hat der Betriebsrat bereits mit am 01.04.2022 bei dem Arbeitsgericht Wesel eingegangener und der Beteiligten zu 2 am 12.04.2022 zugestellter Antragschrift das vorliegende Beschlussverfahren auf Feststellung seines Fortbestands über den 31.05.2022 hinaus eingeleitet. Er hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Vollmandat bis zur nächsten turnusmäßigen Betriebsratswahl zu. Zwar unterliege ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG nicht der Nachwirkung, dies bedeute jedoch nicht, dass mit der Beendigung des Tarifvertrages zugleich sein Amt ende. Dies ergebe sich auch aus der Regelung in § 6 des Tarifvertrages. Hätten die Tarifvertragsparteien etwas anderes gewollt, hätten sie für die erstmalige Kündigungsmöglichkeit einen Termin vor der Durchführung von Betriebsratswahlen im Jahr 2022 gewählt.



Der Antragsteller hat beantragt,



Die Beteiligte zu 2 hat beantragt,



Sie hat die Ansicht vertreten, dass nach Ablauf eines Tarifvertrags nach § 3 BetrVG keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Zuordnung mehr bestehen könne. Die gewillkürte Struktur sei ab dem 01.06.2022 nicht mehr existent. Darüber hinaus stehe der begehrten Feststellung das von ihr eingeleitete Wahlanfechtungsverfahren entgegen, mit welchem sie das Ziel verfolge, die Wahl des Antragstellers für unwirksam erklären zu lassen.



Das Arbeitsgericht Wesel hat dem Antrag mit Beschluss vom 08.06.2022 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der Antrag sowohl zulässig als auch begründet sei. Der Antragsteller habe ein besonderes Feststellungsinteresse an der Feststellung, dass er fortbestehe. Das Wahlanfechtungsverfahren stehe der Zulässigkeit des Antrags im vorliegenden Verfahren nicht entgegen, da der Antragsteller bei erfolgreicher Wahlanfechtung sein Amt erst mit Rechtskraft der Entscheidung verliere. Der Antrag des vorliegenden Verfahrens sei zudem begründet. Das Amt des Antragstellers bleibe durch das Ende des Strukturtarifvertrages unberührt. Ihm stehe ein Vollmandat bis zur nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl zu. Zu der Frage, auf welche Weise die Rückkehr zur gesetzlichen Struktur zu erfolgen habe, nachdem ein Strukturtarifvertrag nach § 3 BetrVG durch Kündigung beendet worden sei, verhalte sich das Gesetz nicht. In der arbeitsrechtlichen Literatur würden hierzu unterschiedliche Lösungsansätze vertreten. Teilweise werde angenommen, dass das betriebsverfassungsrechtliche Organisationsrecht durch den Tarifvertrag nur für die Zeit seiner normativen Wirkung verdrängt werde. Ende der Tarifvertrag, ohne dass gleichzeitig ein neuer Tarifvertrag in Kraft trete, so entfalle damit die Rechtsgrundlage für die tarifliche Betriebsratsstruktur. In dieser Situation finde § 21a BetrVG entsprechende Anwendung. Die tarifvertraglich gebildete Arbeitnehmervertretung habe ein Übergangsmandat, bis ein neuer Betriebsrat auf der Grundlage des Gesetzes gewählt worden sei. Die Gegenauffassung lehne eine entsprechende Anwendung der Regelung zum Übergangsmandat ab. Ein zeitlich begrenztes Übergangs- oder Restmandat entstehe nur in den gesetzlich geregelten Fällen, in denen ein Betrieb gespalten werde oder untergehe. Für den Fall des Ablaufs eines Strukturtarifvertrags sei dies nicht zwingend. Vielmehr stehe in einem solchen Fall dem Fortbestand des bisherigen Betriebsrats bis zum Ende der regelmäßigen Amtszeit grundsätzlich nichts im Wege. Für diese, zuletzt genannte Ansicht spreche der Grundsatz der Kontinuität der Betriebsratsarbeit. Der Antragsteller sei auf der Grundlage eines Strukturtarifvertrages gewählt worden, der zum maßgeblichen Zeitpunkt zwar gekündigt, aber noch in Kraft gewesen sei. Dementsprechend bestehe auch die Ersetzungsfunktion des Tarifvertrages fort. Die Regelungen zum Übergangsmandat seien nicht entsprechend anzuwenden. Sinn und Zweck des Übergangsmandats sei es, die Arbeitnehmer in der für sie besonders kritischen Phase im Anschluss an eine betriebliche Umstrukturierung vor dem Verlust der Beteiligungsrechte zu schützen. Das Übergangsmandat stelle sicher, dass bei betrieblichen Organisationsänderungen in der Übergangsphase keine betriebsratslosen Zeiten entstünden. Das schlichte Ende einer gewillkürten Struktur führe zu keiner vergleichbaren Gefährdungslage. Insoweit bedürfe es auch keines Übergangsmandates. Es erscheine vielmehr sach- und interessengerecht, auch im Hinblick auf die Rückkehr zur gesetzlichen Struktur die Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG entsprechend heranzuziehen. Der Gesetzgeber sei - vorbehaltlich einer entsprechenden tariflichen Regelung - davon ausgegangen, dass ein Tarifvertrag, der vom Betriebsverfassungsgesetz abweichende Strukturen enthalte, diese neuen Strukturen nicht während der laufenden Amtszeit, sondern nur mit einer beginnenden neuen Wahlperiode und Amtszeit, jedenfalls mit einer Neuwahl durchsetzen könne. Diese Erwägungen würden in gleicher Weise auch für die Rückkehr zur gesetzlichen Struktur gelten. Effizienz und Kontinuität der Betriebsratsarbeit sprächen dagegen, die laufende Amtszeit eines gerade erst gewählten Betriebsrats gegen dessen Willen zu beenden. Dieses Ergebnis finde zudem im Wortlaut der tariflichen Regelung seine Stütze. Es stehe den Tarifvertragsparteien frei, die Laufzeit eines Strukturtarifvertrags an den regulären Amtszeiten zu orientieren oder auch eine ausdrückliche Nachwirkung bis zu deren Ablauf zu normieren. Das sei hier durch die Anknüpfung an den 31.05.2022 erfolgt. Gemäß § 6 des Tarifvertrags könne dieser mit einer Frist von sechs Monaten zum Monatsende, erstmals zum Ablauf des regelmäßigen Zeitraumes für die Durchführung von Betriebsratswahlen im Jahr 2022, also zum 31.05.2022, gekündigt werden. Die Regelung knüpfe damit - jedenfalls hinsichtlich der ersten Kündigungsmöglichkeit - an einen Zeitpunkt nach Durchführung der turnusmäßigen Betriebsratswahl an. Im Hinblick auf die Kosten und den organisatorischen Aufwand einer Betriebsratswahl könne nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien mit der vorstehenden Regelung bezweckt hätten, dass die Betriebsratswahl im Jahr 2022 zunächst auf der Grundlage der gewillkürten Struktur erfolgen solle, um dann im unmittelbaren Anschluss nochmals auf der Grundlage des Gesetzes zu wählen. Sinn und Zweck der Anknüpfung an das Ende des Wahlzeitraumes sprächen daher für die Absicht der Tarifvertragsparteien, das Amt der frisch gewählten Vertretung bis zum regulären Ende ihrer Amtszeit festzuschreiben.



Der Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel ist der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 am 04.07.2022 zugestellt worden. Mit am 02.08.2022 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz hat sie Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 04.10.2022 - am 04.10.2022 begründet.



Die Beteiligte zu 2 rügt Rechtsanwendungsfehler der erstinstanzlichen Entscheidung. Sie ist zunächst der Ansicht, dass der Tarifvertrag vom 13.08.2018 entgegen seines Wortlauts - dem insoweit eine unbeachtliche Fehleinschätzung und -bezeichnung zugrundeliege - Betriebsstrukturen nicht auf der rechtlichen Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, sondern auf der des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG regele. Sodann führt sie weiter zu den Gründen, die sie zur Kündigung des Tarifvertrages bewogen hätten, aus; insoweit wird auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung (dort Seite 3 ff.) Bezug genommen. Sie ist der Ansicht, dass das Amt des Betriebsrats aufgrund der ordentlichen Kündigung des Strukturtarifvertrages mit dessen Beendigung zum 31.05.2022 gleichfalls geendet habe bzw. allenfalls noch im Wege eines Übergangsmandats analog § 21a BetrVG für sechs Monate, mithin bis 30.11.2022 fortbestanden habe. Hierauf habe sie - dies unstreitig - den Betriebsrat schon frühzeitig hingewiesen, der jedoch die Einleitung von Wahlen in den fünf ab 01.06.2022 jeweils betriebsratsfähigen Betriebsstätten unterlassen habe. Die Betriebsratswahl im Mai 2022, die sie vorsorglich angefochten habe, ändere an der Beendigung der durch Tarifvertrag geschaffenen Betriebsstrukturen nichts, die wiederum aber zum regulären Mandatsende zum 31.05.2022 geführt habe. Spätestens mit Ablauf des 30.11.2022 und damit des Zeitraums eines möglichen Übergangsmandats habe der Antragsteller aufgehört, zu existieren. Ein Tarifvertrag über Betriebsstrukturen nach § 3 Abs. 1 BetrVG entfalte keine Nachwirkung. Ein bis 31.05.2022 noch neu gewähltes Betriebsratsgremium könne entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht bis zum Ablauf der Wahlperiode im Amt bleiben, wenn der Betrieb, der auf der Grundlage des Strukturtarifvertrages nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG gesetzlich fingiert worden sei, mit Ablauf des 31.05.2022 wegfalle. Ab 01.06.2022 würden vielmehr die Betriebsstätten der Beteiligten zu 2 wieder als selbständige Betriebe im Sinne von § 4 BetrVG gelten und seien somit jeweils eigenständige betriebsratsfähige Einheiten. Einen Betriebsrat wie den Antragsteller ohne zugrundeliegenden Betrieb könne es hingegen nicht geben. Die von dem Arbeitsgericht vertretene entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG komme nicht in Betracht, da sie sich zu dem vorgenannten Grundsatz in Widerspruch setze. Es sei zudem nicht nachzuvollziehen, weshalb bei Auflösung des nach § 3 BetrVG gewählten Betriebsrats etwas anderes gelten solle als in sonstigen Konstellationen, in denen der Betriebsrat mit Auflösung des Betriebes auch sein ursprüngliches Mandat verliere. Mithin komme lediglich eine analoge Anwendung des § 21a BetrVG in Betracht, wobei auch ein Übergangsmandat jedenfalls zum 30.11.2022 beendet worden sei. Schließlich lasse sich auch der Regelung unter § 6 des Strukturtarifvertrages im Wege der Auslegung weder eine Nachwirkung noch ein gemeinsames Verständnis der Tarifvertragsparteien dahingehend entnehmen, dass trotz Kündigung zum 31.05.2022 ein zuvor noch gewählter Betriebsrat weitere vier Jahre im Amt bleiben solle. Das wäre einer Mindestbindung für nicht eine, sondern zwei Wahlperioden gleichgekommen, die jedenfalls die Beteiligte zu 2 als Tarifvertragspartei keinesfalls gewollt habe und die sich der Tarifregelung eben auch nicht entnehmen lasse.



Die Beteiligte zu 2 beantragt,



Der Antragsteller beantragt,



Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und tritt der Ansicht der Beteiligten zu 2 entgegen, dass abweichend vom Wortlaut ein Tarifvertrag nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 3, sondern Nr. 1 BetrVG vorliege. Darüber hinaus verweist er darauf, dass der Tarifvertrag vom 13.08.2018 zum Zeitpunkt der Einleitung der Betriebsratswahlen, ihrer Durchführung und auch noch zum Zeitpunkt seiner Konstituierung im Mai 2022 in Kraft gewesen sei. Zwar habe die Beteiligte zu 2 die Betriebsratswahl angefochten, die Anfechtung werde jedoch - dies unstreitig - nicht auf Nichtigkeitsgründe gestützt. Der Antragsteller bestehe daher aktuell weiter fort. Sein Amt sei nicht zum 31.05.2022 beendet oder in ein Übergangsmandat bis 30.11.2022 überführt worden. Mit überzeugenden Argumenten, denen sich der Antragsteller anschließe, werde vertreten, dass Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG entfalteten. Schon der Wortlaut der §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 5 TVG spreche für die Nachwirkung auch betriebsverfassungsrechtlicher Normen. Wollten die Tarifvertragsparteien eine solche Nachwirkung begrenzen oder ausschließen, könnten sie dies regeln. Das sei im Tarifvertrag vom 13.08.2018 jedoch nicht geschehen. Schon aufgrund der Nachwirkung des Tarifvertrages bestehe mithin der Antragsteller weiter fort. Wollte man demgegenüber zumindest eine zeitlich unbegrenzte Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen verhindern, sei der Überbrückungszeitraum jedenfalls auf die Amtsperiode des Betriebsrats zu erstrecken, der zum Zeitpunkt des Beginns der Nachwirkung amtiere. Auch dann befinde sich der Antragsteller noch im Amt. Selbst wenn man sich entgegen dieser rechtlichen Annahmen gegen eine Nachwirkung entscheide, sei gleichwohl der Grundsatz der Kontinuität der Betriebsratsarbeit zu beachten. Dieser werde jedoch missachtet, wenn der regulär noch bis 31.05.2022 gewählte und konstituierte Betriebsrat mit Ablauf des 31.05.2022 gleich wieder sein Amt verliere. Da die Beendigung des Tarifvertrages - unstreitig - nicht mit einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse einhergegangen sei, sei auch kein Raum für eine analoge Anwendung des § 21a BetrVG. Vielmehr treffe die Ansicht des Arbeitsgerichts zu, dass ein Umkehrschluss aus § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gerechtfertigt sei dahingehend, dass bei Beendigung eines Strukturtarifvertrages im Verlauf der Amtszeit eines Betriebsrats der Wegfall des Tarifvertrages erst bei der nächsten regulären Betriebsratswahl greife. Das habe auch dem durch § 6 des Tarifvertrages vom 13.08.2018 zum Ausdruck gebrachten Willen der Tarifvertragsparteien entsprochen. Mit dieser Regelung hätten die Tarifvertragsparteien bestimmt, dass die vom Gesetz abweichende Arbeitnehmervertretung auf jeden Fall die regelmäßige vierjährige Amtszeit aus den regulären Betriebsratswahlen im Jahr 2022 haben solle - losgelöst vom Thema Nachwirkung. Anderenfalls hätten die Tarifvertragsparteien für die erstmalige Kündigungsmöglichkeit einen Termin gewählt, der vor dem regelmäßigen Wahlzeitraum in 2022 liegt, also spätestens den 28.02.2022. Durch die in § 6 des Tarifvertrages vom 13.08.2018 gewählte Regelung werde deutlich, dass die Tarifvertragsparteien im regelmäßigen Wahlzeitraum 2022 einen Betriebsrat auf Basis des Tarifvertrages vom 13.08.2018 hätten installieren wollen, der in jedem Fall mithin noch für die Dauer einer regulären Amtszeit bis 2026 und unabhängig von der Frage einer Nachwirkung hätte im Amt bleiben sollen. Zu beachten sei hierbei auch, dass der Tarifvertrag vom 13.08.2018 während der Amtszeit des Betriebsrats abgeschlossen worden sei. Würde die Amtszeit des Betriebsrats mit dem 31.05.2022 enden, wäre die Umsetzung bzw. Realisierung des Tarifvertrages zeitgleich mit seiner Unterzeichnung bereits ausgeschlossen worden. Diesbezüglich und dazu, dass seine Rechtsansicht dem Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entsprochen habe, verweist der Antragsteller schließlich auf eine Stellungnahme der Gewerkschaft ver.di vom 01.04.2022 als tarifvertragschließende Partei, wegen deren Inhalts auf die Anlage GK6 (Blatt 24 f. der Akte) Bezug genommen wird.



Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften in beiden Instanzen Bezug genommen.



Die Beschwerdekammer hat die Gerichtsakte des Wahlanfechtungsverfahrens 4 BV 13/22 des Arbeitsgerichts Wesel beigezogen. Diese war Gegenstand der mündlichen Anhörung.



II.



Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig und begründet. Jedenfalls mit Ablauf des 30.11.2022, dem Ende eines analog § 21a BetrVG noch bestandenen Übergangsmandates, hat der Antragsteller zu existieren aufgehört, so dass sein Feststellungsantrag keinen Erfolg (mehr) haben kann. Denn der Antragsteller ist der Betriebsrat einer durch Tarifvertrag vom 13.08.2018 geschaffenen Arbeitnehmervertretungsstruktur, die nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG während der Laufzeit dieses Tarifvertrages als Betrieb galt. Mit Beendigung des Tarifvertrages durch Ablauf der Kündigungsfrist ist diese Struktur und damit die Grundlage für die Betriebsfiktion weggefallen. Eine Nachwirkung kommt nicht in Betracht. Den Betrieb, für den der Antragsteller gewählt worden ist, gibt es somit seit dem 01.06.2022 nicht mehr. Denn unstreitig war er nicht identisch mit den sich nach dem Betriebsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 BetrVG ergebenden Arbeitnehmervertretungsstrukturen bzgl. der fünf teilweise räumlich sehr weit entfernt liegenden Betriebsstätten - sonst hätte es des Tarifvertrages ja auch nicht bedurft. Selbst der Antragsteller behauptet nicht, die Betriebsstrukturen in Anwendung der gesetzlichen Regelungen der §§ 1, 4 BetrVG seien identisch mit der durch den Tarifvertrag vom 13.08.2018 geschaffenen Arbeitnehmervertretungsstruktur. Auf Seite 5 der Antragsschrift vertritt er vielmehr explizit den entgegengesetzten Standpunkt ("...vom Gesetz abweichende Arbeitnehmervertretung...") und für eine hiervon abweichende Beurteilung sind auch im Übrigen keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ändert sich aber die bisherige Betriebsidentität, auf deren Grundlage ein Betriebsrat gewählt worden ist, endet dessen originäres Amt (vgl. BAG vom 01.06.2022 - 7 ABR 41/20, juris, Rz. 25 f.; BAG vom 31.05.2000 - 7 ABR 78/98, juris, Rz. 34).



Im Einzelnen:



1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG und auch form- und fristgerecht im Sinne der §§ 89 Abs. 2, 87 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG bei dem Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet worden.



2. Die Beschwerde ist darüber hinaus begründet. Der Antragsteller ist ungeachtet des Streits über seine rechtliche Existenz und der hierzu durch die Beschwerdekammer vorgenommenen rechtlichen Würdigung im vorliegenden Beschlussverfahren beteiligtenfähig. Sein Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist der Antrag jedoch nicht begründet. Der Antragsteller ist spätestens seit 01.12.2022 rechtlich nicht mehr existent.



a. Der Antrag auf Feststellung des Fortbestands des Antragstellers über den 31.05.2022 hinaus ist zulässig. Insbesondere ist die Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers im laufenden Verfahren zu unterstellen und der Feststellungsantrag genügt auch den Anforderungen der §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 256 Abs. 1 ZPO.



(1) Der Antragsteller ist im vorliegenden Verfahren beteiligtenfähig im Sinne von § 10 Satz 1 Halbsatz 2 ArbGG.



Die Beteiligtenfähigkeit ist vom Gericht in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Fehlt sie dem Antragsteller, ist sein Antrag als unzulässig zurückzuweisen (vgl. BAG vom 01.06.2022 - 7 ABR 41/20, juris, Rz. 12 f.). Zwar kommen einem nicht mehr existenten Betriebsrat keine betriebsverfassungsrechtlichen Rechtpositionen mehr zu. Ist das Amt des an einem Beschlussverfahren beteiligten Betriebsrats erloschen, ohne dass ein neuer Betriebsrat als Funktionsnachfolger gewählt wurde, endet damit seine Beteiligtenfähigkeit (BAG vom 01.06.2022 - 7 ABR 41/20, juris, Rz. 13). Ist allerdings - wie hier - die Beteiligtenfähigkeit des Betriebsrats streitig und Gegenstand des Verfahrens gerade sein rechtlicher Fortbestand, ist die fortbestehende Existenz des Antragstellers doppelrelevant sowohl für die Frage der Zulässigkeit seines Antrages als auch für dessen Begründetheit. In Fällen solcher Doppelrelevanz ist die Beteiligtenfähigkeit zu unterstellen, damit es dem Antragsteller, aber auch der beteiligten Arbeitgeberin ermöglicht wird, hierüber eine der Rechtskraft fähige Sachentscheidung zu erlangen (vgl. BAG vom 15.05.2019 - 7 ABR 35/17, juris, Rz. 23; BAG vom 19.09.2006 - 1 ABR 53/05, juris, Rz. 19; GK-ArbGG/Schleusener, EL 130, Stand: Januar 2022, § 10 Rn. 50).



(2) Der Antrag, festzustellen, dass der Antragsteller über den 31.05.2022 hinaus fortbesteht, ist auch im Hinblick auf die Anforderungen der §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 256 Abs. 1 ZPO zulässig.



An der hinreichenden Bestimmtheit des Antrages bestehen keine Zweifel. Der Antragsteller will damit seine zwischen den Beteiligten umstrittene rechtliche Existenz gerichtlich geklärt wissen.



Der Antrag auf Feststellung des Fortbestands und damit also der Existenz des Antragstellers betrifft das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis der Beteiligten zu 1 und 2 und ist einer gerichtlichen Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO zugänglich (vgl. auch BAG vom 01.06.2022 - 7 ABR 41/20, juris, Rz. 19). Das besondere Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Existenz des Antragstellers von der Beteiligten zu 2 für die Zeit jedenfalls ab 01.12.2022 bestritten wird. Sie geht vom Ende seines originären Mandats bereits ab 01.06.2022 und vom Ende jedenfalls eines Übergangsmandats und damit seiner rechtlichen Existenz in Gänze ab 01.12.2022 aus, während der Antragsteller den Fortbestand seines originären Mandats für die Gesamtlaufzeit der Wahlperiode bis 2026 geltend macht. Damit hat der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung seiner Fortexistenz. Die Beschwerdekammer legt seinen Antrag bei verständiger Würdigung seines Rechtsschutzziels dabei so aus, dass es dem Antragsteller um die gegenwarts- und keine vergangenheitsbezogene Feststellung seines Fortbestands geht. Anderenfalls wäre der Antrag mangels vorgetragenen oder ersichtlichen besonderen Feststellungsinteresses teilweise unzulässig. Der Passus "über den 31.05.2022 hinaus" im Antrag nimmt erkennbar Bezug auf den Anlass des Streits der Beteiligten über die Existenz des Antragstellers (Ende der normativen Wirkung des Tarifvertrages vom 13.08.2018). Dass bereits für die Vergangenheit bis zum Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer und der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerderechtszug konkrete, ein besonderes Feststellungsinteresse begründende Beeinträchtigungen des Antragstellers bestanden hätten, die ein entsprechendes, vergangenheitsbezogenes Feststellungsinteresse begründeten, trägt er nicht vor. Es ist auch nicht ersichtlich. Die Beteiligte zu 2 hat ein Übergangsmandat, welches zwar nicht mehr das originäre, aber gleichwohl ein Vollmandat auf Zeit ist (Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 21a Rn. 20 m.w.N.), nie in Abrede gestellt, wie sich unschwer der außergerichtlichen Kommunikation vom 18.03.2022 (Anlage GK 4, Blatt 13 der Akte) sowie dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 30.05.2022 (dort Seite 13) entnehmen lässt. Der Fortbestand des Antragstellers stand also für die Zeit bis 30.11.2022 außer Streit. Ab 01.12.2022 stand sie zwar im Streit, konkrete, ein besonderes Feststellungsinteresse für diesen zurückliegenden Zeitraum begründende Umstände sind auch diesbezüglich aber weder vorgetragen noch ersichtlich. Er würde durch eine aktuelle Feststellung des Fortbestands des Antragstellers ohnehin zwangsläufig mit geklärt sein. Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers zielt mithin bei verständiger Auslegung auf die einzig zulässige gegenwartsbezogene Feststellung seiner Existenz.



Das besondere Feststellungsinteresse ist nicht weggefallen durch das Wahlanfechtungsverfahren 4 BV 13/22 des Arbeitsgerichts Wesel, welches die Beteiligte zu 2 hinsichtlich der Betriebsratswahl vom Mai 2022 eingeleitet hat. Denn dort werden keine Nichtigkeitsgründe im Hinblick auf die Betriebsratswahl vorgebracht. Solche sind zudem aus dem Vorbringen sowohl im hiesigen als auch im - durch die Beschwerdekammer beigezogenen - Wahlanfechtungsverfahren nicht ersichtlich. Sie wären - gäbe es entsprechende Anhaltspunkte - im vorliegenden Verfahren ebenso zu beachten, denn wäre die Betriebsratswahl nicht nur anfechtbar, sondern nichtig, führte dies zur Unbegründetheit auch des im vorliegenden Verfahren gestellten Antrages. Ein nichtig gewählter Betriebsrat kann über den 31.05.2022 hinaus nicht fortbestanden haben und die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl kann zu jeder Zeit von jedermann in jedem insoweit relevant betroffenen Verfahren geltend gemacht werden (Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 19 Rn. 6 ff. m.w.N.). Die bloße Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl wiederum beseitigt das besondere Feststellungsinteresse im vorliegenden Verfahren nicht, denn sie würde erst mit Rechtskraft eines stattgebenden Beschlusses - ex nunc - zur Mandatsbeendigung führen (BAG vom 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, juris, Rz. 34). Die Frage, ob der Antragsteller schon heute nicht mehr besteht, weil sein originäres Mandat bereits zum 31.05.2022 und ein etwaiges Übergangsmandat jedenfalls zum 30.11.2022 endete, kann durch das Wahlanfechtungsverfahren nicht beantwortet werden - gleichgültig wie es entschieden wird.



b. Der Antrag ist nicht begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts wie auch des Antragstellers ist dieser jedenfalls seit dem 01.12.2022 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr existent. Denn er ist auf der Grundlage der mit Tarifvertrag vom 13.08.2018 geschaffenen Arbeitnehmervertretungsstrukturen gewählt worden. Diese jedoch sind infolge ordentlicher, fristgerechter Kündigung des Tarifvertrages durch die Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 22.11.2021, zugegangen bei der Gewerkschaft ver.di am 29.11.2021, unter Einhaltung der Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende, mit Ablauf des 31.05.2022 weggefallen. Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG wirken nicht nach, vielmehr gelten mit ihrer Beendigung wieder die allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Regeln zum Betriebsbegriff. Etwaige Schutzlücken sind aus Sicht der Beschwerdekammer zur Vermeidung betriebsratsloser Zeiten durch analoge Anwendung des § 21a BetrVG zu schließen. Das entsprechende Übergangsmandat endete am 30.11.2022. Seit 01.12.2022 existiert der antragstellende Betriebsrat nicht mehr. Entgegen seiner und der Ansicht des Arbeitsgerichts kommt ein Fortbestand für eine volle Wahlperiode weder im Wege der Auslegung von § 6 des Tarifvertrages noch im Umkehrschluss auf § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG in Betracht.



(1) Für den Fall einer tariflichen Regelung nach § 3 Abs. 1 BetrVG ist allgemein anerkannt, dass das gesetzliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationsrecht für die Zeit der normativen Wirkung des Tarifvertrages von diesem verdrängt wird (BAG vom 24.03.2021 - 7 ABR 16/20, juris, Rz. 42; LAG München vom 29.06.2011 - 11 TaBV 4/11, juris, Rz. 50; Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 3 Rn. 84; Richardi/Maschmann in: Richardi, BetrVG, 17. Auflage, § 3 Rn. 70; GK-BetrVG/Franzen, 12. Auflage, § 3 Rn. 37; Preis in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Auflage, § 3 Rn. 7; Löwisch in: Löwisch/Kaiser/Klumpp, BetrVG, 8. Auflage, § 3 Rn. 66; Düwell/Kloppenburg, BetrVG, 6. Auflage, § 3 Rn. 92; DKW/Trümmer, BetrVG, 18. Auflage, § 3 Rn. 233; ErfK/Koch, 23. Auflage, § 3 BetrVG Rn. 2; HWK/Gaul, 10. Auflage, § 3 BetrVG Rn. 26; Hohenstatt/Sittard in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Auflage, D 201; Thüsing, Zum Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 3 BetrVG, ZIP 2003, 693, 704). Die Rechtsgrundlage für die tariflich geregelte Betriebsstruktur entfällt, wenn der Tarifvertrag endet, ohne dass gleichzeitig ein neuer Tarifvertrag in Kraft tritt (so BAG vom 24.03.2021 - 7 ABR 16/20, juris, Rz. 42). Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Passage seiner Entscheidung vom 24.03.2021 nicht dezidiert zu der Frage der Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen im Sinne von § 3 Abs. 1 BetrVG Stellung bezogen hat - und dies in jener Entscheidung auch nicht musste -, ist damit aus Sicht der Beschwerdekammer eine Nachwirkung jedenfalls inzident abgelehnt worden. Denn würde das Bundesarbeitsgericht davon ausgehen, dass Tarifnormen nach § 3 Abs. 1 BetrVG nachwirken, wäre die Rechtsgrundlage für die tariflich geregelte Betriebsstruktur eben noch nicht entfallen, sondern wirkte fort. Auch die durch das Gericht zitierten Nachweise im Schrifttum lehnen allesamt eine Nachwirkung ab. Sie ist auch zur Überzeugung der Beschwerdekammer im Falle der Beendigung der normativen Wirkung eines Strukturtarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG abzulehnen.



Dabei ist dem Antragsteller allerdings durchaus zuzugeben, dass § 4 Abs. 5 TVG für alle Tarifnormen - soweit nichts Abweichendes im Tarifvertrag selbst geregelt wird - die Nachwirkung anordnet, mithin grundsätzlich auch für betriebsverfassungsrechtliche Normen (siehe auch Löwisch/Rieble, TVG, 4. Auflage, § 4 Rn. 754, 853), und um solche handelt es sich bei Tarifregelungen zu Arbeitnehmervertretungsstrukturen im Sinne von § 3 Abs. 1 BetrVG. Die Besonderheit hier liegt aber darin begründet, dass betriebsverfassungsrechtliche, nachwirkende Normen nie durch individualvertragliche Regelung abbedungen werden können, wie dies bei Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen der Fall ist. Selbst die Ablösung durch Betriebsvereinbarung ist im Bereich des § 3 BetrVG nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 BetrVG nur sehr eingeschränkt und in dem hier einschlägigen Bereich eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG überhaupt nicht möglich (Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 3 Rn. 67).



Soweit im tarifvertragsrechtlichen Schrifttum einer damit bei nachwirkenden betriebsverfassungsrechtlichen Normen ggfs. drohenden "Ewigkeitsbindung" mit dem Lösungsansatz einer zeitlichen Befristung der Nachwirkung zu begegnen versucht wird (dazu Löwisch/Rieble, TVG, 4. Auflage, § 4 Rn. 763 m.w.N.), kann dahingestellt bleiben, ob dem zu folgen wäre. Denn die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG kommt bei betriebsverfassungsrechtlichen Normen nach § 3 Abs. 1 BetrVG von vornherein nicht in Betracht (a.A. Löwisch/Rieble, TVG, 4. Auflage, § 4 Rn. 853). Sie hat lediglich eine Überbrückungsfunktion (BAG vom 27.09.2001 - 2 AZR 236/00, juris, Rz. 52; HWK/Henssler, 10. Auflage, § 4 TVG Rn. 5). Da aber bei Tarifnormen nach § 3 Abs. 1 BetrVG das gesetzliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationsrecht nur für die Zeit der normativen Wirkung des Tarifvertrages von diesem verdrängt wird (BAG vom 24.03.2021 - 7 ABR 16/20, juris, Rz. 42), gelangt es mit Beendigung der normativen Wirkung des Tarifvertrages unmittelbar als höherrangiges Recht wieder zur Geltung (Richardi/Maschmann in: Richardi, BetrVG, 17. Auflage, § 3 Rn. 70; GK-BetrVG/Franzen, 12. Auflage, § 3 Rn. 37; Preis in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Auflage, § 3 Rn. 7; DKW/Trümmer, BetrVG, 18. Auflage, § 3 Rn. 233; ErfK/Koch, 23. Auflage, § 3 BetrVG Rn. 2; Hohenstatt/Sittard in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Auflage, D 201; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704). Es gibt hier also keinen ansonsten regelungslosen Zustand zu überbrücken, denn im BetrVG besteht ein geschlossenes betriebsverfassungsrechtliches Organisationsrecht, welches grundsätzlich immer anzuwenden ist und eben nur ausnahmsweise verdrängt wird, soweit normativ wirkende Tarifregelungen nach Maßgabe und in den Grenzen des § 3 Abs. 1 BetrVG dies vorsehen (GK-BetrVG/Franzen, 12. Auflage, § 3 Rn. 37; Preis in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Auflage, § 3 Rn. 7; DKW/Trümmer, BetrVG, 18. Auflage, § 3 Rn. 233; Hohenstatt/Sittard in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Auflage, D 201; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704).



(2) Eine Nachwirkung ist auch nicht etwa im Tarifvertrag vom 13.08.2018 geregelt worden. Insbesondere enthält § 6 des Tarifvertrages keine solche Regelung. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr allein die Kündigung und die anzuwendende Kündigungsfrist geregelt und zudem bestimmt, dass eine Kündigung erstmals zum Ablauf des regelmäßigen Zeitraums für die Durchführung von Betriebsratswahlen im Jahr 2022, also zum 31.05.2022 möglich ist. Zur Nachwirkung verhält sich der Tarifvertrag in keiner Weise. Damit verbleibt es bei der allgemeinen Rechtslage.



(3) Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass mit Wirkung ab 01.06.2022 die tarifvertraglich normativ geregelte, vom BetrVG abweichende Arbeitnehmervertretungsstruktur und mit ihr die Betriebsfiktion gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG weggefallen ist. Die tarifvertraglich gebildete Organisationseinheit galt seitdem nicht mehr als Betrieb im Sinne des BetrVG (argumentum e contrario aus § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG; so zutreffend schon LAG München vom 29.06.2011 - 11 TaBV 4/11, juris, Rz. 50). Vielmehr fand wieder das gesetzliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationsrecht der §§ 1, 4 BetrVG uneingeschränkt Anwendung.



Das schließt es entgegen der in Teilen des Schrifttums vertretenen Ansicht (Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 3 Rn. 84; Löwisch in: Löwisch/Kaiser/Klumpp, BetrVG, 8. Auflage, § 3 Rn. 66; DKW/Trümmer, BetrVG, 18. Auflage, § 3 Rn. 234; ErfK/Koch, 23. Auflage, § 3 BetrVG Rn. 2; unklar HWK/Gaul, 10. Auflage, § 3 BetrVG Rn. 26) bereits aus, anzunehmen, der noch im Geltungszeitraum des Strukturtarifvertrages gewählte Betriebsrat bleibe bis zum Ende der regulären Wahlperiode im Amt. Wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt, bedeutete dies, dass bei Beendigung der normativen Wirkung des Tarifvertrages zum 31.05.2022 der Antragsteller noch volle vier Jahre, also bis Mai 2026 im Amt bliebe. Nach teilweise vertretener Ansicht würde sich (erst) dann sogar noch ein Übergangsmandat analog § 21a BetrVG anschließen können (DKW/Trümmer, BetrVG, 18. Auflage, § 3 Rn. 234). Warum aber bei rechtmäßiger, wirksamer Kündigung eines Strukturtarifvertrages zum 31.05.2022 und damit bei ab 01.06.2022 beendeter tariflicher Organisationsstruktur und Rückkehr zum gesetzlichen Organisationsrecht und Betriebsbegriff ein noch kurz zuvor - und in Kenntnis der Kündigung des Tarifvertrages - gewählter Betriebsrat eines ab 01.06.2022 nicht mehr existenten Betriebs noch volle vier Jahre (oder sogar 4 1/2 Jahre) im Amt bleiben soll, erschließt sich nicht. Die von dem Antragsteller wie auch vom Arbeitsgericht befürwortete umgekehrt analoge Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG überzeugt hier nicht. Es besteht schon keine vergleichbare Interessenlage als Voraussetzung einer analogen Anwendung der Norm. Denn während § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG das Regelungsziel zugrunde liegt, im Zweifel die Kontinuität des auf gesetzlicher Grundlage des betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsrechts gewählten Gremiums zu bewahren, ist im umgekehrten Fall des auf tariflicher Grundlage gebildeten Gremiums keine Notwendigkeit gegeben, dessen Amtszeit über den Zeitraum hinaus zu sichern, den der Tarifvertrag selbst vorgibt. Während hinsichtlich des auf gesetzlicher Organisationsgrundlage gewählten Betriebsrats durchaus gewichtige Bedenken geäußert werden, ob dessen Amtszeit durch Tarifregelung überhaupt abgekürzt werden kann (vgl. Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 3 Rn. 75 m.w.N.), bestehen gleichartige Bedenken beim auf tariflicher Organisationsgrundlage gewählten Gremium nicht. Denn seine Existenz wird allein aus der tariflich geschaffenen Arbeitnehmervertretungsstruktur abgeleitet und ist somit von vornherein an die Geltungsdauer der damit einhergehenden Betriebsfiktion (§ 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG) gebunden.



Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien in § 6 des Tarifvertrages vom 13.08.2018 zudem für die erstmalige Kündigungsmöglichkeit sogar ausdrücklich das Ende der Wahlperiode zum 31.05.2022 gewählt. Sie haben damit dem Gedanken der Kontinuität des bestehenden Gremiums Rechnung getragen. Ob mit Inkrafttreten des Tarifvertrages vom 13.08.2018 seinerzeit ein Betriebsrat hätte neu gewählt werden müssen oder ob der - wohl ebenfalls schon auf tarifvertraglicher Grundlage einer Vorgängerregelung gewählte - bestehende Betriebsrat, dem der Antragsteller mit seiner Wahl im Mai 2022 in der Funktion nachfolgte, sein Amt unverändert fortführen konnte, bedarf hier keiner Entscheidung mehr. Die Tarifvertragsparteien haben jedenfalls mit § 6 des Tarifvertrages vom 13.08.2018 klar zum Ausdruck gebracht, dass der Betriebsrat selbst bei bereits zum erstmalig zulässigen Zeitpunkt erfolgender Kündigung bis zum Ablauf seiner regulären Amtszeit bestehen bleibt. Nicht geregelt haben sie allerdings, dass ein bis 31.05.2022 noch neu gewählter Betriebsrat, der Antragsteller, trotz zu diesem Datum erfolgter Kündigung bis maximal 31.05.2026 im Amt bleiben kann. Soweit der Antragsteller die Ansicht vertritt, es sei widersinnig, ein Gremium bis 31.05.2022 noch neu wählen zu lassen, dessen Amtszeit dann im Falle einer wie hier ausgesprochenen Kündigung am 01.06.2022 direkt wieder beendet sei, verkennt er aus Sicht der Beschwerdekammer, dass sein Amt eben nicht am 01.06.2022 endete, sondern analog § 21a BetrVG als Übergangsmandat für sechs Monate bis zum 30.11.2022 fortbestanden hat.



Es sprechen die überzeugenderen Argumente für das Schließen entstehender Schutzlücken zur Vermeidung betriebsratsloser Zustände nach Beendigung eines Strukturtarifvertrages durch analoge Anwendung des § 21a BetrVG (so auch Richardi/Maschmann in: Richardi, BetrVG, 17. Auflage, § 3 Rn. 70; Preis in: Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Auflage, § 3 Rn. 7; Düwell/Kloppenburg, BetrVG, 6. Auflage, § 3 Rn. 92; Hohenstatt/Sittard in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Auflage, D 201; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; unklar HWK/Gaul, 10. Auflage, § 3 BetrVG Rn. 26). Zwar geht mit dem Ende tariflicher Organisationsstrukturen und der Rückkehr zur gesetzlichen Ausgangslage nicht unbedingt eine Betriebsspaltung oder Zusammenlegung von Betrieben einher, so dass der gesetzliche Regelungsbereich des Übergangsmandats nach § 21a BetrVG nicht per se unmittelbar eröffnet ist. Das gilt insbesondere, wenn wie hier mit dem Auslaufen des Tarifvertrages keine organisatorischen Änderungsmaßnahmen des Unternehmens einhergehen. Allerdings verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung des Übergangsmandats nach § 21a BetrVG für bestimmte Konstellationen betrieblicher Umstrukturierungen, die zu einer Änderung der Betriebsidentität führen, das Ziel der Vermeidung betriebsratsloser Zeiten (vgl. Fitting, BetrVG, 31. Auflage, § 21a Rn. 6 f. m.w.N.). Dass zur Vermeidung betriebsratsloser Zeiten bei Umstrukturierungen eine gesetzliche Regelung zugunsten eines Übergangsmandats erfolgt ist, für den Fall der Beendigung (tariflich) vereinbarter betrieblicher Organisationsstrukturen hingegen nicht, dürfte auf eine dem Gesetzgeber nicht bewusste Regelungslücke zurückzuführen sein. Denn das Ziel des Gesetzgebers, betriebsratslose Zeiten im Zusammenhang mit Änderungen, die Auswirkungen auf Betriebsstrukturen haben, zu vermeiden, ist im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 21a BetrVG deutlich zum Ausdruck gebracht worden (BT-Drs. 14/5741, Seite 25 f., 39). Übersehen wurde dabei jedoch, dass vergleichbare Schutzlücken beim Übergang von einer tariflichen Organisationsstruktur nach § 3 Abs. 1 BetrVG zur gesetzlichen entstehen können. Denn auch hier ändert sich - wie bereits dargelegt - die bisherige Betriebsidentität, auf deren Grundlage ein Betriebsrat gewählt worden ist, so dass sein originäres Amt endet. Die Fälle sind denen der Beendigung des Betriebsratsamtes bei Betriebsspaltung oder -zusammenlegung vergleichbar und auch hier können Schutzlücken entstehen, wenn - wie regelmäßig - mit dem Auslaufen des Tarifvertrages und damit dem Ende der tariflichen Organisationsstruktur - des nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG fingierten Betriebes - wieder die gesetzlichen Strukturen gelten.



Der vorliegende Fall zeigt dies anschaulich. Der Antragsteller wurde auf der Grundlage des bis 31.05.2022 noch geltenden Tarifvertrages vom 13.08.2018 im Mai 2022 gewählt. Seine Amtszeit begann mit Konstituierung am 18.05.2022, sie endete mit dem Ablauf der Kündigungsfrist des Tarifvertrages und damit dem Ende des seiner Bildung zugrundeliegenden (gesetzlich fingierten) Betriebes eigentlich zum 31.05.2022. Bis dahin konnten noch keine neuen Gremien in den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG betriebsratsfähigen Betriebsstätten gewählt werden, da die gesetzlichen Strukturen erst mit dem Ende der normativen und sie verdrängenden Tarifregelung wieder auflebten. Gerade für solche Konstellationen ist das Übergangsmandat nach § 21a BetrVG von sechs Monaten Dauer die vom Gesetzgeber angedachte Lösung zur Vermeidung betriebsratsloser Zeiten. Die Interessenlage der unmittelbar von der Regelung erfassten Fälle und des Falles der Rückkehr von der tariflichen zur gesetzlichen Organisationsstruktur ist vergleichbar.



Durch das Übergangsmandat kann der Übergang von der gewillkürten zur gesetzlichen Organisationsstruktur und damit vom Antragsteller zu den neu zu wählenden Betriebsratsgremien sichergestellt werden. Für solche Fälle ist ein Übergangszeitraum von sechs Monaten nach der gesetzgeberischen, in § 21a BetrVG zum Ausdruck kommenden Entscheidung in der Regel ausreichend. Warum im Fall des § 3 BetrVG abweichend hiervon in einem Fall wie dem vorliegenden ein Zeitraum von vier oder sogar viereinhalb Jahren angezeigt sein sollte, erschließt sich nicht und würde im Gegenteil zu erheblichen rechtlichen Wertungswidersprüchen führen.



Soweit schließlich noch teilweise vertreten wird, der Betriebsrat bleibe - da auch die Verkennung des Betriebsbegriffs bei Betriebsratswahlen in der Regel nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit der Wahl führe - jedenfalls im Amt, bis sein Amtszeitende in einem analog § 19 BetrVG einzuleitenden Beschlussverfahren festgestellt sei (so GK-BetrVG/Franzen, 12. Auflage, § 3 Rn. 38), überzeugt dies gleichfalls nicht. Die Betriebsratswahlanfechtung einerseits und die Beendigung tarifvertraglicher Organisationsstrukturen andererseits betreffen völlig unterschiedliche Rechtsbereiche. Wird wie im vorliegenden Fall ein Betriebsrat noch auf der Grundlage eines normativ in Kraft befindlichen Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG gewählt, mag die Wahl gleichwohl anfechtbar sein, sicherlich aber nicht wegen Verkennung des Betriebsbegriffs im Zusammenhang mit dem erst nachfolgend eintretenden Wegfall der tariflichen Organisationsstruktur. Warum dann gleichwohl Wahlanfechtungsvorschriften analog angewendet werden sollen, erschließt sich nicht. Auch andere Fälle der Beendigung der Amtszeit eines Betriebsrats wegen Verlusts der Betriebsidentität werden nicht auf diesem Wege einer Lösung zugeführt. Der Lösungsweg ist auch nicht zielführend. Zielführend ist allein eine Lösung, die den Übergang zur Neuwahl von Betriebsräten auf der Grundlage der nunmehr geltenden betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung ermöglicht. Dafür hat der Gesetzgeber das Übergangsmandat vorgesehen. Für anderweitige Rechtsfortbildungen besteht vor diesem Hintergrund keine Notwendigkeit mehr (Hohenstatt/Sittard in: Willemsen/Hohenstatt/ Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 6. Auflage, D 201).



(4) Die Auslegung des Tarifvertrages vom 13.08.2018, speziell der Regelung des § 6 führt abschließend zu keinem abweichenden Ergebnis.



Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Beschwerdekammer folgt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG vom 16.11.2022 - 10 AZR 210/19, juris, Rz. 13; BAG vom 20.07.2022 - 7 AZR 247/21, juris, Rz. 20; BAG vom 13.10.2021 - 4 AZR 365/20, juris, Rz. 21 m.w.N.). Außerdem sind Tarifnormen, soweit sie dies zulassen, grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen und damit Bestand haben (Gebot der gesetzeskonformen Auslegung; vgl. BAG vom 16.11.2022 - 10 AZR 210/19, juris, Rz. 13; BAG vom 01.12.2020 - 9 AZR 104/20, juris, Rz. 29 m.w.N.).



Danach gibt der Tarifwortlaut speziell des § 6 des Tarifvertrages zunächst wie schon aufgezeigt nichts für die Regelungsabsicht einer Nachwirkung her. Aus ihm ergibt sich darüber hinaus kein Regelungswille der Tarifvertragsparteien dahingehend, dass ein noch bis 31.05.2022, dem Ende des regelmäßigen Zeitraumes für die Durchführung von Betriebsratswahlen im Jahr 2022, neu gewählter Betriebsrat auch bei zum 31.05.2022 erfolgter ordentlicher Kündigung des Tarifvertrages bis zum Ablauf der regulären Amtszeit und mithin bis spätestens 31.05.2026 im Amt bleiben sollte. Das wäre gleichbedeutend mit der Regelung einer Fortgeltung des Tarifvertrages bis zum Ende nicht des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages laufenden, sondern des nachfolgenden Betriebsratswahlzeitraumes oder anders gesprochen: Damit würde die Mindestlaufzeit des Tarifvertrages nicht auf etwas weniger als vier Jahre festgelegt, sondern auf etwas weniger als acht Jahre verdoppelt. Der Wortlaut gibt das nicht her. Danach endet vielmehr der Tarifvertrag bei erstmöglicher Kündigung zum 31.05.2022. Dass der nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG fingierte Betrieb damit ab 01.06.2022 nicht mehr besteht, ergibt sich aus dem Gesetz, die weiteren Rechtsfolgen ebenso. Ein hiervon abweichender tariflicher Regelungswille, so er denn ohnehin überhaupt mit dem Gesetz vereinbar wäre, hätte jedenfalls deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Das ist nicht geschehen. Deshalb ist dem Beweisangebot des Antragstellers zu dem angeblichen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien auch nicht nachzugehen. Denn er hat keinen Niederschlag in den Tarifnormen gefunden. Dass ein Fortbestand des Antragstellers bis 2026 trotz nicht mehr vorhandenen, fingierten Betriebes und trotz nicht fortbestehender Betriebsidentität nicht gesetzeskonform wäre, wurde bereits ausgeführt. Dies kann damit kein zulässiges Auslegungsergebnis sein und es liegt nach dem Tarifwortlaut auch noch nicht einmal nahe.



Das Argument des Antragstellers, das für die erstmalige Kündigung vorgegebene Datum 31.05.2022 lege nahe, dass damit noch die Wahl des Betriebsrats auf bisheriger Organisationsgrundlage und damit seine volle Amtszeit habe gesichert werden sollen, überzeugt nicht. Richtig ist, dass mit dieser Kündigungsvorgabe die volle Amtszeit des bisherigen Betriebsrats gesichert werden sollte. Ermöglicht wurde damit auch noch die Neuwahl eines Gremiums auf bisheriger Organisationsgrundlage. Damit wurde die Grundlage für die Wahrnehmung eines Übergangsmandats durch diesen Betriebsrat, den Antragsteller ab 01.06.2022 geschaffen, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Für mehr hätte es hinreichend klarer Regelungen oder wenigstens Hinweise auf einen entsprechenden gemeinsamen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien bedurft, die aber fehlen. Mit diesem Auslegungsergebnis wiederum wird die Kontinuität des ursprünglichen Gremiums bis zum regulären Amtszeitende und die Möglichkeit der Wahl des das Übergangsmandat wahrnehmenden Gremiums gewährleistet.



Bestätigt wird das Auslegungsergebnis zudem durch die Anwendung auf den Fall einer nicht zum erstmaligen Kündigungstermin erfolgenden Kündigung. Denn diese wäre nach § 6 des Tarifvertrages jederzeit mit sechs Monaten zum Monatsende eines auf den 31.05.2022 nachfolgenden Monats möglich gewesen. Die Rechtsfolge wäre dann aber dieselbe wie im hier zu entscheidenden Fall. Das im Mai 2022 neu gewählte Betriebsratsgremium verlöre mit der Beendigung der normativen Wirkung des Tarifvertrages, beispielsweise bei einer zum 31.12.2022 erfolgten ordentlichen Kündigung ab 01.01.2023 sein ursprüngliches Amt, weil ab diesem Zeitpunkt der Betrieb, für den das Gremium gewählt worden ist, nicht mehr existent wäre und mit der gesetzlichen Struktur keine Identität bestünde. Er würde ab 01.01.2023 für sechs Monate ein Übergangsmandat analog § 21a BetrVG zur Einleitung der Betriebsratswahlen in den nunmehr bestehenden betriebsratsfähigen Organisationseinheiten des früheren einheitlichen Betriebes wahrnehmen und spätestens mit Ablauf des 30.06.2023 zu existieren aufhören. Auch in diesem Fall ergäbe sich weder aus dem Gesetz noch aus dem Tarifvertrag, dass das Gremium im Vollmandat noch bis maximal 31.05.2026 fortbestünde. Das käme einer Verlängerung der Kündigungsfrist bzw. der Bestimmung eines durchgehend auf das Ende der regulären Wahlperiode gerichteten Kündigungstermins gleich, die tariflich eben nicht geregelt sind und für die eine entsprechende Regelungsabsicht der Tarifvertragsparteien nicht ersichtlich ist.



III.



Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen, ob ein Tarifvertrag über Arbeitnehmervertretungsstrukturen nach § 3 Abs. 1 BetrVG nach Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist nachwirkt bzw. welche Rechtsfolge nach seinem Laufzeitende eintritt.

Klein
Werner
Foitlinski

Vorschriften§ 3 Abs. 1 Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz, § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG, § 3 Abs. 1 BetrVG, § 3 BetrVG, § 21a BetrVG, § 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG, § 4 BetrVG, § 4 Abs. 5 TVG, §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 5 TVG, §§ 1, 4 BetrVG, § 87 Abs. 1 ArbGG, §§ 89 Abs. 2, 87 Abs. 2, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 256 Abs. 1 ZPO, § 10 Satz 1 Halbsatz 2 ArbGG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 3 Abs. 2 BetrVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, § 19 BetrVG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG