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Urteil vom 15.12.2022 · IWW-Abrufnummer 234789

Landesarbeitsgericht Hamm - Aktenzeichen 18 SaGa 16/22

1. Dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses einem anderen Unternehmen zur Verfügung stellt, reicht für einen Verstoß gegen § 60 Abs. 1 HGB nicht aus. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers kommt es darauf an, ob seine Tätigkeit außerhalt des Arbeitsverhältnisses den Interessen seines Arbeitgebers aus Gründen des Wettbewerbs zuwiderläuft.

2. Zwischen dem Arbeitgeber und dem anderen Unternehmen, für das der Arbeitnehmer tätig wird, besteht das nach § 60 Abs. 1 HGB erforderliche Wettbewerbsverhältnis, wenn sich beide als Anbieter an einen im wesentlichen gleichen Abnehmerkreis im selben Marktbereich wenden. Hinsichtlich des Marktbereichs sind auch örtliche Aspekte zu berücksichtigen.

3. Ein Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 60 HGB lässt sich nicht aus dem örtlich entgrenzten Gesichtspunkt eines Nachfragewettbewerbs bezüglich hochqualifizierter Arbeitnehmer herleiten.

4. Bei der der Pflicht des Arbeitnehmers, gemäß § 241 Abs. 2 BGB anderweitige Erwerbstätigkeit zu unterlassen, die die geschuldete Arbeitsleistung vereiteln oder gefährden kann, handelt es sich um keine selbständig einklagbare Pflicht.


Tenor:

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 07.11.2022 - 2 Ga 7/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.



Tatbestand



Die Verfügungsklägerin verlangt vom Verfügungsbeklagten, es bis zum 31.12.2022 zu unterlassen, bei einem anderen Arbeitgeber tätig zu werden.



Der Verfügungsbeklagte war seit Januar 2016 in dem Krankenhaus, das die Verfügungsklägerin in B führt, als Chefarzt der eigenständigen Abteilung Pädiatrie innerhalb des Zentrums für Geburtshilfe und Pädiatrie tätig. Die Parteien schlossen unter dem 24.09.2015 einen Chefarzt-Dienstvertrag, in dem auszugsweise Folgendes geregelt ist:



§ 8 "Verschwiegenheitspflicht, Wettbewerbsverbot

"(2) Dem Arzt ist es untersagt, während der Dauer dieses Vertrages in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Klinikum in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. In gleicher Weise ist es dem Arzt untersagt, während der Dauer dieses Vertrages ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Recht zur Ausübung genehmigter Nebentätigkeiten bleibt unberührt. (...)



§ 22 Vertragsdauer, Kündigung

"(3) Nach Ablauf der Probezeit kann der Vertrag von beiden Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderhalbjahres- oder -jahres gekündigt werden. Außerhalb der Probezeit ist eine ordentliche Kündigung seitens des Klinikums nur entsprechend den Regelungen des Kündigungsschutzgesetztes möglich."



Der Verfügungsbeklagte erklärte mit Schreiben vom 12.05.2022 gegenüber der Verfügungsklägerin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2022. Nachdem die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 09.09.2022 daran erinnert hatte, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien bis zum 31.12.2022 bestehe, kündigte der Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.09.2022 "zum heutigen Tag" und teilte mit, ab dem 01.10.2022 einer "neuen Arbeitsbeschäftigung" nachzugehen.



Seit dem 04.10.2022 ist der Verfügungsbeklagte nicht mehr für die Verfügungsklägerin tätig, sondern als Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin in einem Krankenhaus in A, das von der Allgemeines Krankenhaus A GmbH betrieben wird. Er wird dort insbesondere im Perinatalzentrum Level 2 verantwortlich eingesetzt. Ein solches Zentrum, in welchem "Frühchen" versorgt werden, existiert bei der Verfügungsklägerin nicht. Das A Krankenhaus ist 142 Kilometer von dem Krankenhaus der Verfügungsklägerin in B entfernt. Bei freier Strecke beträgt die schnellste Autobahnverbindung zwischen den Kliniken über zwei Stunden. Die Krankenhäuser haben nach den Vorgaben des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW unterschiedliche Versorgungsgebiete. Insbesondere die Versorgung der Notfallpatienten sowie der elektiven Patienten erfolgt nicht über längere Strecken. Im Falle einer Verlegung von Patienten ist für die Verfügungsklägerin der vorgesehene Kooperationspartner die Universitätsklinik C; für das Krankenhaus in A ist die Universitätsklinik F der Kooperationspartner. Für Krankenhäuser in B ist die Ärztekammer Westfalen-Lippe zuständig, für Kliniken in A die Ärztekammer Nordrhein.



Die Verfügungsklägerin hat mit einem Schriftsatz, der am 11.10.2022 bei dem Arbeitsgericht Arnsberg eingegangen ist, im Wege der einstweiligen Verfügung vom Verfügungsbeklagten begehrt, die Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber, insbesondere im A Krankenhaus, zu unterlassen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Verfügungsbeklagte verstoße durch die Aufnahme der Tätigkeit im A Krankenhaus gegen das Wettbewerbsverbot aus § 60 Abs. 1 HGB und aus § 8 Abs. 2 des Chefarzt-Dienstvertrages. Bei der Allgemeines Krankenhaus A GmbH handele es sich um einen direkten Wettbewerber der Verfügungsklägerin. Es sei aufgrund der freien Krankenhauswahl nicht auszuschließen, dass sich Patienten statt bei der Verfügungsklägerin im Krankenhaus in A behandeln lassen könnten. Die Zuordnung zu unterschiedlichen Versorgungsgebieten stelle ein rein formales Ordnungskriterium dar. Das Wettbewerbsverhältnis ergebe sich insbesondere aus der Konkurrenz um Arbeitskräfte. Der Verfügungsbeklagte sei als Kinderkardiologe hochspezialisiert; Fachkräfte mit derartigen Qualifikationen seien schwierig zu finden. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 05.12.2002 - I ZR 115/00) hat die Verfügungsklägerin die Auffassung vertreten, dass ein Fall des Nachfragewettbewerbs um Arbeitskräfte ein konkretes Wettbewerbsverhältnis begründe.



Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

1. dem Verfügungsbeklagten zu gebieten, es bis zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2022 zu unterlassen, bei einem anderen Arbeitgeber, insbesondere bei der Allgemeines Krankenhaus A GmbH, als Arzt tätig zu werden und2. dem Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250. 000 EUR oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.



Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.



Der Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig, da es ihm an der notwendigen Bestimmtheit fehle. Es sei mit seiner Berufsfreiheit nicht vereinbar, ihm eine Arbeitstätigkeit bei jedwedem anderen Arbeitgeber zu untersagen. Es fehle darüber hinaus an einem Verfügungsanspruch, da kein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Allgemeines Krankenhaus A GmbH bestehe.



Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Unterlassungsanspruch ergebe sich weder aus § 60 Abs. 1 HGB noch aus § 8 Abs. 2 des Chefarzt-Dienstvertrages für die Verfügungsklägerin, da es an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Allgemeines Krankenhaus A GmbH fehle. In Ermangelung einer gemeinsamen Patientenzielgruppe könne für die Verfügungsklägerin durch die Tätigkeit des Verfügungsbeklagten in A kein Nachteil entstehen.



Das Urteil erster Instanz ist der Verfügungsklägerin am 16.11.2022 zugestellt worden. Sie hat mit einem Schriftsatz, der am 29.11.2022 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.



Die Verfügungsklägerin meint, das in § 8 Abs. 2 des Chefarzt-Dienstvertrages geregelte Wettbewerbsverbot erfasse auch den Fall des Nachfragewettbewerbs. Für eine Regelung, die lediglich deklaratorisch die allgemeine Treuepflicht des Arbeitnehmers wiederhole, habe keine Notwendigkeit bestanden. Der Erlass der einstweiligen Verfügung sei dazu geeignet, den angestrebten Zweck, nämlich die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, zu erreichen. Die Unterlassungsanordnung übe indirekten Druck auf den Verfügungsbeklagten aus, die Tätigkeit bei der Verfügungsklägerin wieder aufzunehmen.



Die Verfügungsklägerin beantragt,

1. den Verfügungsbeklagten unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 16.11.2022, Az.: 2 Ga 7/22, aufzugeben, es bis zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2022 zu unterlassen, bei einem anderen Arbeitgeber, insbesondere bei der Allgemeines Krankenhaus A GmbH, als Arzt tätig zu werden;2. dem Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 Euro oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.



Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.



Der Verfügungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Ein Unterlassungsanspruch setze die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Marktbereich des Arbeitgebers voraus; daran fehle es im Streitfall.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung ist zulässig.



Die Verfügungsklägerin hat die Berufung insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.



II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.



Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen. Die Verfügungsklägerin kann vom Verfügungsbeklagten nicht verlangen, dass er bis zum 31.12.2022 nicht für einen anderen Arbeitgeber tätig wird und die Tätigkeit im A Krankenhaus einstellt.



1. Der Unterlassungsantrag, den die Verfügungsklägerin stellt, ist zulässig.



Insbesondere ergeben sich keine Bedenken im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit des Antrags (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Da es vielfältige denkbare Handlungsformen gibt, mit denen Arbeitnehmer gegen vertragliche oder gesetzliche Wettbewerbsverbote verstoßen können, ist hinsichtlich der Formulierung des Unterlassungsantrags ein großzügiger Maßstab anzulegen. Richtigerweise sind in der Rechtsprechung Anträge unbeanstandet geblieben, die einen Verstoß durch Tätigkeiten in "selbständiger, unselbständiger oder in sonstiger Weise" (LAG Hamm, Urteil vom 01.12.2009 - 14 SaGa 59/09) oder "in sonstiger Weise" (LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.09.2012 - 12 SaGa 17/12) zum Gegenstand hatten. Die von der Verfügungsklägerin gewählte Formulierung des "Tätigwerdens" bleibt hinsichtlich der Bestimmtheit dahinter nicht zurück. Ob die Verpflichtung, eine Tätigkeit bei jedwedem anderen Arbeitgeber zu unterlassen, einen unangemessen weitreichenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 GG) darstellt, ist keine Frage der Bestimmtheit, sondern der Begründetheit des Klage- bzw. Verfügungsantrags.



2. Der Antrag ist unbegründet.



Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Verfügungsbeklagten nicht zu. Es besteht weder ein gesetzlicher noch ein vertraglicher Unterlassungsanspruch.



a) Ein Unterlassungsanspruch folgt für die Verfügungsklägerin nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 60 Abs. 1 HGB i.V.m. dem Chefarzt-Dienstvertrag.



aa) Das Wettbewerbsverbot aus § 60 Abs. 1 HGB gilt, über den Wortlaut der Vorschrift hinaus, entsprechend für alle Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 23.10.2014 - 2 AZR 644/13).



Die für Handlungsgehilfen geltenden Regelungen der §§ 60, 61 HGB normieren einen allgemeinen Rechtsgedanken, der seine Grundlage in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein. Deshalb enthält der Arbeitsvertrag i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot für alle Arbeitnehmer.



bb) In dem Zeitraum, für den die Verfügungsklägerin den Unterlassungsanspruch geltend macht (bis zum 31.12.2022), besteht zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.



Der Chefarzt-Dienstvertrag vom 24.09.2015 stellt einen Arbeitsvertrag im Sinne des § 611a Abs. 1 BGB dar. Durch den Chefarzt-Dienstvertrag ist der Verfügungsbeklagte zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit verpflichtet.



Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endet erst zum 31.12.2022. Der Verfügungsbeklagte sprach mit dem Schreiben vom 12.05.2022 eine Kündigung aus. Nach Maßgabe der Kündigungsfrist, die in § 22 Abs. 3 des Chefarzt-Dienstvertrages geregelt ist, beträgt die Kündigungsfrist 6 Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres oder -jahres. Die Kündigung des Verfügungsbeklagten vom 30.09.2022 beendet das Arbeitsverhältnis nicht zu einem früheren Zeitpunkt. Ein Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist nicht ersichtlich.



cc) Ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 60 Abs. 1 HGB scheitert aber daran, dass - wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat - zwischen der Verfügungsklägerin und der Allgemeines Krankenhaus A GmbH kein Wettbewerbsverhältnis besteht.



(1) § 60 Abs. 1 HGB untersagt dem Arbeitnehmer nicht schlechthin jede Tätigkeit außerhalb des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich die Tätigkeit bei einem Mitbewerber des Arbeitgebers.



Das ergibt sich aus Wortlaut und Sinn der Vorschrift. § 60 Abs. 1 HGB verbietet das Geschäftemachen für eigene oder fremde Rechnung "in dem Handelszweig des Prinzipals". Damit ist dem Arbeitnehmer nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt, ihm ist es gleichfalls nicht gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG, Urteil vom 21.11.1996 - 2 AZR 852/95; BAG, Urteil vom 16.01.1975 - 3 AZR 72/74). Dadurch soll erreicht werden, dass dem Arbeitgeber der Marktbereich voll und ohne die Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offensteht (BAG, Urteil vom 16.06.1976 - 3 AZR 73/75; LAG Hamm, Urteil vom 28.04.1998 - 9 Sa 2007/97). Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers kommt es darauf an, ob seine Tätigkeit außerhalt des Arbeitsverhältnisses den Interessen seines Arbeitgebers aus Gründen des Wettbewerbs zuwiderläuft (LAG Hamm, Urteil vom 19.03.2001 - 16 Sa 322/01). Das nach § 60 Abs. 1 HGB erforderliche Wettbewerbsverhältnis besteht, wenn sich Anbieter an einen im wesentlichen gleichen Abnehmerkreis im selben Marktbereich wenden (LAG Hamm, Urteil vom 19.03.2001 - 16 Sa 322/01; LAG Hessen, Urteil vom 28.04.1998 - 9 Sa 2007/97). Dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses einem anderen Unternehmen zur Verfügung stellt, reicht für einen Verstoß gegen § 60 Abs. 1 HGB nicht aus (LAG Hamm, Urteil vom 05.04.2000 - 10 Sa 2239/99).



(2) Gemessen daran, besteht zwischen der Verfügungsklägerin und der Allgemeines Krankenhaus A GmbH, für die der Kläger tätig wird, kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB.



(a) Die Verfügungsklägerin und die Allgemeines Krankenhaus A GmbH sind nicht Konkurrenten im gleichen Marktbereich.



Sie "konkurrieren" nicht um die gleiche Patientengruppe. Das folgt schon aus der erheblichen räumlichen Entfernung zwischen den Krankenhäusern in B und A, die unterschiedlichen Versorgungsgebieten angehören. Dass die Verfügungsklägerin in ihrem Krankenhaus Patienten über das Versorgungsgebiet hinaus betreut, ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass es eine Überschneidung zwischen B und A Patientengruppen gibt. Hinzu kommt, dass beide Krankenhäuser für den Fall der notwendig werdenden Verlegung von Patienten andere Kooperationspartner haben und es im B Krankenhaus kein Perinatalzentrum Level 2 gibt.



Zwar wird angenommen, der Arbeitnehmer dürfe auch dann keine Konkurrenzgeschäfte tätigen, wenn sicher sei, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder Kunden nicht erreichen wird (BAG, Urteil vom 16.06.1976 - 3 AZR 73/75; BAG, Urteil vom 16.01.2013 - 10 AZR 560/11; LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.11.2015 - 7 Sa 1690/14). Mit dieser Annahme geht jedoch nicht der Verzicht auf örtliche Aspekte zur Bestimmung des "Handelszweigs" im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB bzw. des maßgeblichen Marktbereichs für das Konkurrenzverhältnis zweier Unternehmen einher. Nach den Sachverhalten, die den Entscheidungen des BAG vom 16.06.1976 und vom 16.01.2013 zugrunde lagen, bestand keine Veranlassung, örtliche Aspekte einer Wettbewerbshandlung zu problematisieren, da der Wettbewerb in räumlicher Nähe zur Arbeitgeberin ausgeübt wurde. Das gleiche gilt hinsichtlich des Sachverhalts der Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 12.11.2015. Dort hatte die Arbeitnehmerin in einer Nachbarstadt ein eigenes Gewerbe betrieben und geltend gemacht, die Arbeitgeberin nehme in dieser Stadt keine Akquisebemühungen vor. Die räumliche Zugehörigkeit zum Marktbereich, den der Arbeitgeber bedient, wurde jedoch nicht in Zweifel gezogen.



Wenn dem Arbeitnehmer verboten wird, Konkurrenzgeschäfte unabhängig davon zu tätigen, ob der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder Kunden erreichen wird, beruht dies auf einer teleologischen Interpretation des § 60 Abs. 1 HGB: Die Vorschrift will vermeiden, dass der Arbeitnehmer durch die Ausübung der Nebentätigkeit in einen Interessenkonflikt zwischen den Geschäftsinteressen des Arbeitgebers und den eigenen bzw. den Geschäftsinteressen eines anderen Unternehmens gerät (dazu: Diller, in: Henssler/Willemsen/Kalb, 10. Aufl. 2022, § 60 HGB Rdnr. 2 m.w.N.). Im Hinblick auf die Interessenkollision kommt es nicht darauf an, ob ein konkretes Geschäft, das der Arbeitnehmer mit einem Kunden abschließt, zu Lasten des Arbeitgebers geht. Berechtigte Interessen des Arbeitgebers, die mit denen des Arbeitnehmers konfligieren können, liegen jedoch außerhalb des räumlichen Marktbereiches nicht vor. Das ergibt sich aus § 74a Abs. 1 S. 2 HGB, wonach selbst ein ausdrücklich für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses vereinbartes Wettbewerbsverbot unwirksam ist, soweit es in örtlicher Hinsicht eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers darstellt. Wollte man auf eine räumliche Komponente des Handelszweiges im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB verzichten, so könnten die Grenzen des Marktbereiches und der schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers nicht mehr rechtssicher festgelegt werden; es bestünde die Gefahr einer unangemessen weitreichenden Beschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers.



(b) Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und der Allgemeines Krankenhaus A GmbH lässt sich nicht aus dem Gesichtspunkt eines Nachfragewettbewerbs bezüglich hochqualifizierter Ärzte herleiten.



§ 60 Abs. 1 HGB verbietet das Tätigwerden im Handelszweig des Arbeitgebers und nicht das Tätigwerden für ein Unternehmen, das die gleichen Arbeitnehmergruppen beschäftigt. Zwar kommt ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 UWG auch im Falle eines Nachfragewettbewerbs um Arbeitskräfte in Betracht (Ernst, in: Seichter, jurisPK-UWG, Stand: 12.04.2022, § 2 UWG Rdnr. 39 m.w.N.). Durch einen solchen Nachfragewettbewerb im Hinblick auf Arbeitnehmer wird jedoch ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB nicht begründet. Anderenfalls würde der Anwendungsbereich der Vorschrift zu Lasten der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers überdehnt. Sobald der Arbeitnehmer nämlich die Möglichkeit hätte, außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Unternehmen tätig zu werden, könnte ihm dies mit dem Hinweis darauf untersagt werden, es handele sich um eine verbotene Konkurrenztätigkeit gemäß § 60 Abs. 1 HGB, da ein "Nachfrage-Wettbewerbsverhältnis" vorliege, was sich bereits daraus ergebe, dass das andere Unternehmen an einer Beschäftigung des Arbeitnehmers interessiert sei. Das käme faktisch einem Nebentätigkeitsverbot gleich und wäre insbesondere für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ein nicht hinnehmbarer Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Eine Beschränkung dieser unangemessenen Rechtsfolge auf "hochqualifizierte" Arbeitnehmer wäre nicht praktikabel; es fehlt an normativen Vorgaben für die Frage, welche Qualifikationsanforderungen insoweit zu stellen sind und inwiefern arbeitsmarktspezifische Besonderheiten einzelner Branchen zu berücksichtigen sind.



Aus dem von der Berufungsklägerin angezogenen Urteil des BGH vom 05.12.2002 - I ZR 115/00 ergibt sich nichts Anderes. Die Entscheidung betrifft das Wettbewerbsverhältnis zweier Unternehmen und nicht Konkurrenztätigkeiten von Arbeitnehmern. Zwar hatte sich der BGH mit dem Inhalt einer Stellenanzeige zu befassen, mit der Arbeitnehmer geworben werden sollten. Der BGH hat jedoch ausgeführt, die Stellenanzeige diene der Selbstdarstellung des inserierenden Unternehmens; die Imagewerbung trete nicht hinter der Suche nach Arbeitskräften zurück. Der BGH hat sich sodann näher mit der Frage befasst, ob der Inhalt der Stellenanzeige im Hinblick auf die werbende Darstellung des inserierenden Unternehmens irreführend bezüglich einer angebotenen Dienstleistung (Rechtsberatung) sei. Der BGH hat dies im Ergebnis verneint. Für die Auslegung des § 60 Abs. 1 HGB enthält die Entscheidung des BGH vom 05.12.2002 keine erhellenden Hinweise.



(c) Der Umstand, dass der Verfügungsbeklagte seit Oktober 2022 seine Vertragspflichten verletzte, indem er trotz des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses seine Dienste als Chefarzt nicht erbrachte, hat bei der Frage, ob ein Verstoß gegen § 60 Abs. 1 HGB vorliegt, außer Betracht zu bleiben.



§ 60 Abs. 1 HGB schützt den Arbeitgeber vor Konkurrenz in seinem Marktbereich durch die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer. Die Vorschrift normiert eine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses. Ihr Sinn besteht nicht darin, die Erfüllung der vertraglichen Hauptpflicht des Arbeitnehmers zu sichern. Das Unterlassen von Wettbewerb ist nicht gleichbedeutend mit dem Tätigwerden im bestehenden Arbeitsverhältnis.



dd) Die Verfügungsklägerin kann auch nicht entsprechend § 60 Abs. 1 HGB vom Verfügungsbeklagten verlangen, bis zum 31.12.2022 nicht für andere Arbeitgeber tätig zu werden.



Ein Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass entweder eine Beeinträchtigung bereits stattgefunden hat und Wiederholungsgefahr besteht, oder dass die Gefahr eines erstmaligen Eingriffs drohend bevorsteht (Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Bd. 1, 5. Aufl. 2021, § 56 Rdnr. 3 m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verfügungsbeklagte (auch) bei anderen Arbeitgebern tätig wurde oder dass die Gefahr eines solchen Tätigwerdens bevorsteht.



b) Ein Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin folgt nicht aus § 8 Abs. 2 des Chefarzt-Dienstvertrages vom 24.09.2015.



Die Verpflichtung, nicht bei einem Unternehmen tätig zu werden, das in einem Nachfragewettbewerb hinsichtlich (besonders qualifizierter) Arbeitnehmer zur Verfügungsklägerin steht, lässt sich - entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin - § 8 Abs. 2 des Chefarzt-Dienstvertrages nicht entnehmen. Schon nach dem äußeren Erscheinungsbild der Bestimmungen des Chefarzt-Dienstvertrages handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, die von der Verfügungsklägerin vorformuliert wurden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (dazu BAG, Urteil vom 12.06.2019 - 7 AZR 428/17). Ansatzpunkt für die Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.



Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist davon auszugehen, dass § 8 Abs. 2 lediglich eine deklaratorische Verweisung auf das Wettbewerbsverbot aus § 60 Abs. 1 HGB enthält. In der Überschrift dieser Vertragsbestimmung ist ausdrücklich von einem "Wettbewerbsverbot" die Rede. § 8 Abs. 2 S. 1 untersagt dem Verfügungsbeklagten das Tätigwerden für ein Unternehmen, welches mit der Verfügungsklägerin "in direktem oder indirektem Wettbewerb" steht. Da der Begriff des Wettbewerbs vertraglich nicht näher beschrieben ist, muss der durchschnittliche Vertragspartner davon ausgehen, dass die gesetzlichen Vorgaben des § 60 Abs. 1 HGB Anwendung finden. Nach diesen Vorgaben stellt der Nachfragewettbewerb um Arbeitskräfte aber kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB dar (siehe oben unter II 2 a cc (2) (b) der Entscheidungsgründe). Jedenfalls ist die Vertragsbestimmung im Hinblick auf die Untersagung von Tätigkeiten für Unternehmen, die zwar nicht im Marktbereich der Verfügungsklägerin tätig sind, jedoch mit ihr um Arbeitskräfte konkurrieren, nicht hinreichend klar. Dies geht gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Verfügungsklägerin.



c) Schließlich kann die Verfügungsklägerin den Unterlassungsanspruch auch nicht auf § 241 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m dem Chefarzt-Dienstvertrag vom 24.09.2015 stützen.



Zwar kommt ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers grundsätzlich in Betracht, falls der Arbeitnehmer gegen seine vertraglichen Rücksichtnahmepflichten verstößt (Reichold, a.a.O. § 56 Rdnr. 3). Ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht kann auch darin bestehen, dass der Arbeitnehmer unzulässigerweise eine Nebentätigkeit ausübt. Der Arbeitnehmer hat jede Nebentätigkeit zu unterlassen, die zeitlich mit der übernommenen Arbeitspflicht kollidiert und dadurch zur Nichtleistung der Arbeit führt (dazu BAG, Urteil vom 03.12.1970 - 2 AZR 110/70; Hessisches LAG, Urteil vom 19.08.2003 - 13/12 Sa 1476/02; Reichold, a.a.O., § 55 Rdnr. 51).



Bei der der Pflicht des Arbeitnehmers, gemäß § 241 Abs. 2 BGB anderweitige Erwerbstätigkeit zu unterlassen, die die geschuldete Arbeitsleistung vereiteln oder gefährden kann, handelt es sich allerdings um keine selbständig einklagbare Pflicht (RG, Beschluss vom 24.01.1910 - I 188/08, RGZ 72, 393; LAG Köln, Urteil vom 08.12.1995 - 13 Sa 1153/95, LAGE § 60 HGB Nr. 5; Herbert/Oberrath NZA 2004, 121, 125; Linck, in: Schaub, Arbeitsrecht-Handbuch, 19. Aufl. 2017, § 45 Rdnr. 68; Reichold, a.a.O., § 42 Rdnr. 6, alle m.w.N.). Der Unterlassungsanspruch ist nur die Kehrseite des Erfüllungsanspruchs auf Erbringung der Arbeitsleistung. Dieser Anspruch kann gem. § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckt werden. § 888 Abs. 3 ZPO darf nicht dadurch umgangen werden, dass der Arbeitgeber auf Unterlassung anderer Arbeitstätigkeiten klagt. Deshalb besteht nur dann ein Unterlassungsanspruch, wenn weitergehende Zwecke verfolgt werden als die Verhinderung eines Arbeitsvertragsbruchs, beispielsweise die Unterlassung unzulässigen Wettbewerbs. Im Übrigen bleibt dem Arbeitgeber nur die Klage auf Erfüllung der Arbeitsleistung, die, obgleich § 888 Abs. 3 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Titel ausschließt, möglich ist (BAG, Urteil vom 02.12. 01965 - 2 AZR 91/65; Reichold, a.a.O. § 42 Rdnr. 1). Mit der Klage auf Erbringung der Arbeitsleistung kann ein Antrag auf Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG verbunden werden.



III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.



IV. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig.

Vorschriften§ 60 Abs. 1 HGB, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, Art. 12 GG, §§ 60, 61 HGB, § 241 Abs. 2 BGB, § 60 HGB, § 611a Abs. 1 BGB, § 74a Abs. 1 S. 2 HGB, § 2 UWG, Art. 12 Abs. 1 GG, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, § 305c Abs. 2 BGB, § 241 Abs. 1 S. 2 BGB, § 888 Abs. 3 ZPO, § 61 Abs. 2 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 4 ArbGG