Beschluss vom 13.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234791
Landesarbeitsgericht Nürnberg - Aktenzeichen 2 Ta 18/23
Der Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers nach § 10 EntgTranspG ist regelmäßig mit 25 % der erwarteten Entgeltdifferenz, nach Lage des Falles höher oder niedriger, zu bewerten.
Tenor:
1. Unter Zurückweisung der Beschwerde des Klägervertreters wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.09.2022, Az. 8 Ca 2623/22, abgeändert.
2. Der Streitwert für das in Ziffer 1 genannte Verfahren und den Vergleich wird von Amts wegen auf 28.760,70 € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Parteien stritten im Hauptsacheverfahren über Entgeltzahlungen, Zeugniserteilung und Auskünfte nach der DSGVO und dem EntgTranspG.
Der Kläger stellte erstinstanzlich folgende Anträge:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 21.778,96 € brutto (nebst einem gestaffelten Zinsantrag) zu bezahlen.
2. (nach der Bezifferung in der Klageschrift Ziff. 5.)
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten in Form einer systematischen Aufstellung sämtlicher Unterlagen in Papierform oder in einem gängigen maschinenlesbaren Format zu erteilen über
a) den Zweck der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung,
b) die Kategorie der personenbezogenen Daten, die verarbeitet wurden,
c) sämtliche Empfänger, gegenüber denen die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt wurden;
d) die voraussichtliche Dauer der Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers,
e) sämtliche Informationen über die Herkunft der personenbezogenen Daten, wenn diese nicht bei dem Kläger selbst erhoben wurden und
f) sämtliche Übermittlungsvorgänge bezüglich der personenbezogenen Daten des Klägers, und zwar im Zeitraum zwischen dem 1. April 2009 und 30. Juni 2022.
3. (nach der Bezifferung in der Klageschrift Ziff. 6.)
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes endgültiges Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum des 30. Juni 2022 zu erteilen, welches sich auf sein Verhalten und seine Leistung erstreckt.
4. (nach der Bezifferung in der Klageschrift Ziff. 7.)
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger nach § 10 EntgTranspG Auskunft seitens der Beklagten zu erteilen zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung hinsichtlich des dem Kläger zustehenden eigenen Entgelts und hinsichtlich des Vergleichsentgelts aller festangestellten weiblichen Schädlingsbekämpferinnen der Beklagten mit denselben oder mit ihnen vergleichbaren Aufgaben.
5. (nach der Bezifferung in der Klageschrift Ziff. 8.)
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger seitens der Beklagten weiter Auskunft zu erteilen über das Vergleichsentgelt der festangestellten und o.g. weiblichen Schädlingsbekämpferinnen nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG in Gestalt eines auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Medians von deren durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelten bezogen auf die Kalenderjahre 2019 bis 2022
und zudem für die beiden einzelnen Entgeltbestandteile nach § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG, nämlich
a) alle außertariflichen und tariflichen Zulagen mit Bezug zur Tätigkeit (Thema, Schwere, Qualität der Leistung etc.) sowie
b) alle außertariflichen und tariflichen Zulagen ohne Bezug zur Tätigkeit (Ortswechsel, soziale Härte etc.)
und hilfsweise zu a) und b)
a) Leistungsentgelte bzw. Leistungsprämien
und
b) Zulagen für besondere Tätigkeiten (z.B. besondere inhaltliche Themenbearbeitung).
6. (nach der Bezifferung in der Klageschrift Ziff. 9.)
Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit ihrer Angaben bezogen auf die o.g. Anträge nach dem EntgTranspG an Eides Statt zu versichern.
Mit Beschluss vom 21.09.2022 wurde festgestellt, dass zwischen den Parteien ein gerichtlicher Vergleich mit folgendem Inhalt zustande gekommen ist:
1. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger zum Ausgleich der streitgegenständlichen Ansprüche einen Betrag in Höhe von 12.000,00 € brutto zu zahlen.
2. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis mit dem Inhalt des als Anlage beigefügten Entwurfs zu erteilen.
3. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass im Übrigen alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche ausgeglichen und erledigt sind.
4. Damit findet der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Nürnberg, Az. -8 Ca 2623/22- seine Erledigung.
Das Arbeitsgericht setzte den Streitwert mit Beschluss vom 21.09.2022 auf 29.560,70 € fest.
Gegen diesen Beschluss legte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 22.09.2022, eingegangen beim Arbeitsgericht am selben Tage, Beschwerde ein und begehrt eine erhöhte Festsetzung des Streitwerts auf insgesamt 45.310,70 €. (Blatt 90 ff der Akten, auf die Bezug genommen wird).
Das Arbeitsgericht erläuterte die Zusammensetzung des Streitwertbeschlusses mit Beschluss vom 10.11.2022. Für den Zahlungsantrag unter Ziff. 1.) der Klage hat es den Wert der eingeklagten Forderung von 21.778,96 € angesetzt, für den Auskunftsantrag unter Ziff. 2.) (Ziff.5.) 10% des Hilfswerts (500,00 €), für den Zeugnisantrag unter Ziff. 3.) (Ziff. 6.) ein Bruttomonatsgehalt (6.031,74 €), für den Auskunftsantrag unter Ziff. 4.) (Ziff. 7.) 10% des Hilfswerts (500,00 €), für den Auskunftsantrag unter Ziff. 5.) (Ziff. 8.) 10% des Hilfswerts (500,00 €) und für den Antrag auf eidesstattliche Versicherung 250,00 €, was insgesamt den festgesetzten Wert von 29.560,70 € ergibt.
Der Klägervertreter trug erstinstanzlich vor, dass die Auskunftsanträge jeweils mit dem vollen Hilfswert zu bewerten seien und der Antrag auf eidesstattliche Versicherung entsprechend mit 2.500,00 €. Hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunft nach der DSGVO verweist der Klägervertreter darauf, dass mit der Auskunft der Zahlungsantrag unter Ziffer 1.) untermauert hätte werden können und sich ein höherer Bonus ergeben könne. Eine Bewertung unterhalb des Hilfswerts werde der Bedeutung der Ausübung dieses Rechts nicht gerecht. Hinsichtlich der Auskunft nach dem EntgTranspG sei der Hilfswert festzusetzen. Auch hinsichtlich der Auskunft über den statistischen Median nach dem EntgTranspG sei der Hilfswert festzusetzen.
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 16.02.2023 (Blatt 105 ff der Akte) nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten mit Schreiben vom 21.02.2023 unter Fristsetzung bis 09.03.2023 Gelegenheit zur Stellungnahme.
In seiner Stellungnahme vom 23.02.2023 wies der Klägervertreter auf die Schwierigkeit der Angelegenheit hin, woraus sich erkläre, dass der vom Arbeitsgericht festgesetzte Streitwert der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits nicht gerecht würde (Blatt 113 ff der Akten). Die übrigen Beteiligten gaben keine Stellungnahme ab.
B.
I. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
II. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Gem. § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG war der Streitwert von Amts wegen auf 28.760,70 € festzusetzen.
Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
1. Der Zahlungsantrag war mit der eingeklagten Höhe von 21.778,96 € zu bewerten.
2. Der Antrag auf Erteilung des qualifizierten Zeugnisses war mit einem Monatsgehalt (6.031,74 €) zu bewerten. Die Einigung auf einen bestimmten Wortlaut im Vergleich führt nicht zu einem höheren Vergleichswert (LAG Nürnberg vom 30.10.2020 - 2 Ta 123/20).
3. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist mit 500,- € zu bewerten.
a. Beim Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Hs. RVG (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20; LAG Düsseldorf 16.12.2019 - 4 Ta 413/19 juris). Er wurzelt im Persönlichkeitsrecht des Gläubigers. Für den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist regelmäßig ein Streitwert von 500,- € festzusetzen. Der Streitwertkatalog enthält insoweit keine ausdrückliche Empfehlung. Das LAG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 16.12.2019 - 4 Ta 413/19 für den Normalfall einen Gegenstandswert von 500,- € für angemessen erachtet. Dem folgt die Beschwerdekammer auch in der Begründung (so bereits LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20).
b. Im vorliegenden Fall beruft sich der Kläger allerdings darauf, dass der Anspruch dazu diene, den eingeklagten Zahlungsanspruch zu untermauern und sich ein höherer Wert ergeben könne. Dies führt jedoch nicht zu einer höheren Wertfestsetzung. Dem steht schon die Wertung des § 48 Abs. 3 GKG entgegen. Ist nämlich mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nach § 48 Abs. 3 GKG nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 18.3.2021 - 26 Ta (Kost) 6110/20). Der höhere Wert wäre hier der Zahlungsanspruch.
4. Die Auskunftsansprüche nach dem EntgTranspG sind im vorliegenden Fall insgesamt mit 300,- € zu bewerten.
a. Beim Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG handelt es sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch. Wirtschaftliches Ziel ist die Zahlung einer sich nach der Auskunft ergebenden Entgeltdifferenz nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG. Kostenrechtlich handelt es sich bei den Anträgen zu 4.) und 5.) nicht um verschiedene Streitgegenstände. Der Kläger möchte bezüglich der Entgelte seiner Kolleginnen die gesetzlich vorgesehenen allgemeinen Auskünfte, wie sie in §§ 10 ff EntgTranspG geregelt sind. Welche Angaben der Arbeitgeber zu Vergleichstätigkeit und zum Vergleichsentgelt zu geben hat, ist in § 11 Abs. 2 und 3 EntgTranspG geregelt. Diesen im Grunde einheitlichen Auskunftsanspruch hat der Kläger lediglich in zwei Anträge aufgespalten. Wirtschaftliches Ziel ist die Zahlung der sich ergebenden Entgeltdifferenz.
b. Das Beschwerdegericht bewertet den Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG im Regelfall mit 25 % der zu erwartenden Entgeltdifferenz - je nach Lage des Falles auch höher oder niedriger (§ 48 Abs. 1 GKG iVm § 3 ZPO).
aa. Der Auskunftsanspruch ist nicht unbedeutend, soweit er der Durchsetzung eines eventuellen Zahlungsanspruchs dient. Denn eine sich nach der Auskunft ergebende Entgeltdifferenz begründet regelmäßig die vom Arbeitgeber widerlegbare Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist (BAG 21.01.2021 - 8 AZR 488/19). Andererseits ist er auch nicht das alleinige Mittel, um den Anspruch auf gleiches Entgelt nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG begründen zu können. Mit der regelmäßigen Bewertung von 25 % hält sich das Beschwerdegericht im vom Streitwertkatalog vorgeschlagenen Rahmen (s. I. Nr. 10.1. Streitwertkatalog: 10 - 50 % der zu erwartenden Vergütung je nach Bedeutung der Auskunft für die klagende Partei im Hinblick auf die Durchsetzung des Anspruchs).
bb. Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist gem. § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 2. HS GKG vom dreifachen Jahresbetrag der erwarteten monatlichen Entgeltdifferenz auszugehen, im beendeten Arbeitsverhältnis vom Zeitraum, für den der Auskunftsanspruch geltend gemacht wird. Ausgangspunkt für die Ermittlung der zu erwartenden Entgeltdifferenz sind dabei zunächst die Angaben der Klagepartei.
c. Im vorliegenden Fall geht die zu erwartende Entgeltdifferenz gegen Null.
aa. Der Kläger hat keinerlei Angaben zur erwarteten Entgeltdifferenz gemacht. Er hat lediglich behauptet, der Klägervertreter gehe davon aus, dass eine weibliche Schädlingsbekämpferin deutlich mehr verdiene als er. Warum der Klägervertreter zu dieser Annahme kommt, ist nicht ersichtlich. Sie ist offenbar ins Blaue hinein erfolgt.
bb. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Entgeltdifferenz zu Gunsten des Klägers vermuten lassen könnten. Das Statistische Bundesamt weist keinen Gender Pay Gap zu Lasten männlicher Beschäftigter aus, sondern zu Lasten weiblicher Beschäftigter (Quelle:https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-GenderPayGap/Tabellen/bgpg-01-gebietsstand.html). Auch die Höhe des Monatsentgelts des Klägers (6.031,74 € brutto) als Schädlingsbekämpfer lässt nicht auf eine geschlechterbezogene Benachteiligung schließen. Das mittlere monatliche Vollzeit Bruttoentgelt (Median) einer Fachkraft für Schädlingsbekämpfung liegt nach dem Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit bei 3.045,- € (https://web.arbeitsagentur.de/entgeltatlas/beruf/27397?alter=3). Das Monatseinkommen des Klägers lag fast doppelt so hoch. Dies deckt sich mit der Auskunft der Beklagten, wonach der auf Vollzeitäquivalent hochgerechnete statistische Median des Gehaltes bei ihr beschäftigter weiblicher Schädlingsbekämpferinnen für Nürnberg 2.775,- € betrug und bundesweit 3.025,- €.
d. Da schon der Wert der zu erwartenden Vergütungsdifferenz vorliegend gegen Null geht, ist der Streitwert der Auskunftsklage lediglich mit dem Wert der ersten Gebührenstufe nach Anlage 2 zum RVG, also auf 300,- € festzusetzen.
5. Der Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist mit einem geringeren Wert anzusetzen als die Information selbst (BeckOK KostR/Schindler, 40 Ed. 1.1.2023, GKG § 44 Rn 12). Das Beschwerdegericht hält hier einen Wert von 150,- € für angemessen. 6. Die vom Klägervertreter behauptete Schwierigkeit der Sache spielt für die Festsetzung des Streitwerts nach §§ 63 GKG, 32 Abs. 1 RVG grundsätzlich keine Rolle.
C.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.