Urteil vom 17.01.2023 · IWW-Abrufnummer 234792
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 5 Sa 107/22
§ 17 Abs. 4 Satz 1 TV-L , nach dem die Beschäftigten bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe derjenigen Stufe, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2 zugeordnet werden, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG , auch wenn sich im Einzelfall eine Besserstellung von neu eingestellten Beschäftigten mit einschlägiger Berufserfahrung ergeben kann.
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 01.06.2022 - 3 Ca 35/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten anlässlich des Wechsels von einem Haus- zu einem Flächentarifvertrag des öffentlichen Dienstes über die zutreffende Entgeltgruppenstufe.
Die 1971 geborene Klägerin nahm am 01.04.2017 bei der Beklagten eine Tätigkeit als Kodierfachkraft auf. Auf das Arbeitsverhältnis fand zumindest kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme zunächst der Tarifvertrag für die Universitätsmedizin R. und G. im Tarifverbund Nord (TV-UMN), abgeschlossen zwischen der Universitätsmedizin R. und der G. sowie der Gewerkschaft ver.di, in der jeweiligen Fassung Anwendung. Die Beklagte ordnete die Klägerin bei Einstellung der Entgeltgruppe 8 TV-UMN zu und zahlte ihr das Tabellenentgelt der Stufe 3, da die Klägerin zuvor mehr als zehn Jahre mit derselben Tätigkeit bei einem anderen Klinikum beschäftigt war, also über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens drei Jahren verfügte.
Da die Beklagte die Kodierfachkräfte nach unterschiedlichen Entgeltgruppen vergütete, machte die Klägerin in einem vorangegangenen Arbeitsgerichtsverfahren die Vergütung der Entgeltgruppe 9 TV-UMN geltend. In diesem Rechtsstreit schlossen die Parteien angesichts der zu erwartenden Änderungen des Tarifvertrages am 21.03.2019 den folgenden gerichtlichen Vergleich (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Aktenzeichen 4 Sa 218/18):
"Vergleich:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass für den Fall, dass die von der Klägerin als Kodierfachkraft auszuübende Tätigkeit nach der voraussichtlich demnächst in Kraft tretenden Entgeltordnung zum TV-UMN der Entgeltgruppe 8 zugeordnet werden sollte, alles beim bisherigen Zustand verbleibt.
Sollte sich aus der Entgeltordnung ergeben, dass die Tätigkeit eingruppiert ist in die Entgeltgruppe 9, wird die Klägerin rückwirkend ab dem 01.01.2018 nach der Entgeltgruppe 9 vergütet werden.
2. Sollte in der Entgeltordnung geregelt sein, dass die Tätigkeit als Kodierfachkraft eingruppiert ist in eine neu zu schaffende Vergütungsgruppe "EG 9 a", wird die Beklagte an die Klägerin bis zum Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung ab dem Zeitraum 01.01.2018 eine Zulage zahlen in Höhe der hälftigen Differenz zwischen der Entgeltgruppe 8 und der Entgeltgruppe 9.
3. Damit ist der Rechtsstreit erledigt."
Die Beklagte trat später dem Arbeitgeberverband TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder) bei. Ab dem 01.10.2019 unterliegt das Arbeitsverhältnis der Parteien dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder).
Mit Schreiben vom 21.04.2020 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über die Einführung der Entgeltordnung des TV-L rückwirkend zum 01.10.2019. In dem Schreiben heißt es:
"...
1. Eingruppierung mit Stand 30.09.2019 und Zuordnung 01.10.2019
Entgeltgruppe: E 8 (bisherige Vergütungsgruppe: Vc, Fallgr. 1a)
Stufe: 3, dies entspricht einem Tabellenentgelt: 3.064,19 Euro brutto
Stufenaufstieg in die Stufe 4 (mtl. Tabellenentgelt 3.177,31 Euro brutto) erfolgt am 01.04.2020
2. Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-L besteht aktuell und zukünftig nicht.
3. Antragstellen führt zu
a. Höhergruppierung
Entgeltgruppe: E 9a
Stufe: 2 (mtl. Tabellenentgelt 3.129,67 Euro brutto) zuzüglich eines Garantiebetrages gemäß § 17 Abs. 4 TV-L (beträgt ab 01.10.2019 47,64 Euro)
b. Jahressonderzahlung
Der Bemessungswert ändert sich von 92,19 % auf 77,66 %.
c. Stufenaufstieg
Der nächste Stufenaufstieg in Stufe 3 erfolgt am 01.10.2021 (mtl. Tabellenentgelt Stand 01.10.2019 3.177,31 Euro brutto).
Bei einer etwaigen Beantragung einer höheren Eingruppierung liegt die Entscheidung über Antragstellung und Risikoabwägung z. B. hinsichtlich der Kompensation einer möglichen Absenkung der Jahressonderzahlung ebenso wie beim wegfallenden Strukturausgleich durch den zu erwartenden Höhergruppierungsgewinn ausschließlich bei den Beschäftigten.
..."
Die Klägerin sah zunächst davon ab, den entsprechenden Antrag zu stellen, holte dies aber mit Schreiben vom 01.09.2021 nach. Die Beklagte berechnete daraufhin das Entgelt rückwirkend ab Oktober 2019 neu und erteilte der Klägerin unter dem 20.09.2021 neue Gehaltsabrechnungen. Seit dem 01.10.2021 erhält die Klägerin das Tabellenentgelt der Stufe 3 der Entgeltgruppe 9a TV-L.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass sie ab April 2020 die Vergütung der Stufe 4 der Entgeltgruppe 9a beanspruchen könne. Dementsprechend müsse die Beklagte ihr für den Zeitraum April bis Dezember 2020 monatlich € 85,93 brutto, insgesamt also € 773,37, nachzahlen. Bei der Sonderzahlung 2020 belaufe sich die Differenz auf € 134,11 brutto. Für das Jahr 2021 seien monatlich € 98,21, insgesamt also € 1.178,52 brutto, nachzuzahlen. Die Differenz bei der Sonderzahlung 2021 betrage € 186,37 brutto. Hinzu komme eine Differenz im Januar 2022 in Höhe von wiederum € 98,21 brutto. Die von der Beklagten vorgenommene Rückstufung zum 01.10.2019 benachteilige die Klägerin gegenüber neu eingestellten Beschäftigten mit mindestens 3-jähriger Berufserfahrung. Zudem seien die im Geltungsbereich des TV-UMN verbrachten Stufenlaufzeiten vollumfänglich bei der Überleitung anzurechnen. Jedenfalls ergebe sich ein Anspruch aus dem gerichtlichen Vergleich vom 21.03.2019.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab April 2020 in die Entgeltgruppe 9a Stufe 4 der Entgelttabelle zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12.10.2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 11 vom 02.03.2019 einzugruppieren, und
2. an die Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von € 2.370,58 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf die tarifvertraglichen Regelungen berufen. Die Klägerin habe im Zuge der Höhergruppierung keinen Einkommensverlust erlitten. Längerfristig betrachtet werde sich die Höhergruppierung für sie vorteilhaft auswirken.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin anlässlich der Höhergruppierung zum 01.10.2019 zutreffend in die Stufe 2 der Entgeltgruppe 9a TV-L übergeleitet worden sei. Eine stufengleiche Höhergruppierung sehe der Tarifvertrag nicht vor. Maßgeblich sei die Stufe, in der die Beschäftigte mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalte. Das sei die Stufe 2, nicht aber die Stufe 4. Soweit die Klägerin einwende, dass eine neu eingestellte Beschäftigte mit entsprechender Berufserfahrung von Anfang an die Stufe 3 beanspruchen könne, treffe dies zwar zu. Es handele sich aber um unterschiedliche Regelungskomplexe. Während die eine Regelung der Wahrung des Besitzstandes diene, solle die andere Regelung zur Gewinnung neuer Mitarbeiter beitragen. Im Übrigen habe es der Klägerin freigestanden, sich für eine Höhergruppierung und den damit verbundenen Stufenwechsel zu entscheiden oder aber in ihrer bisherigen Entgeltgruppe und -stufe zu verbleiben. Mit dem Vergleich vom 21.03.2019 habe die Beklagte der Klägerin keine von den tarifvertraglichen Regelungen abweichende Stufenzuordnung zugesagt. Der Vergleich betreffe lediglich die Eingruppierung, enthalte aber zur Einstufung keine Aussage.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die im Geltungsbereich des TV-UMN verbrachten Stufenlaufzeiten vollumfänglich bei Überleitung anzurechnen seien. Es handele sich dabei um eine Ausnahme zu den allgemeinen Umgruppierungs- und Umstufungsregelungen. Zudem werde die arbeitsgerichtliche Entscheidung dem im Vorverfahren geschlossenen Vergleich nicht gerecht. Sinn und Zweck des Vergleichs sei es, die Klägerin so zu stellen, als sei sie von Anfang an zutreffend eingruppiert gewesen. Die Stufenzuordnung richte sich deshalb nach § 16 TV-L, nicht jedoch nach § 17 TV-L.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 01.06.2022 - 3 Ca 35/22 - abzuändern und
1. an die Klägerin [für den Zeitraum April 2020 bis einschließlich Januar 2022] eine Nachzahlung in Höhe von € 2.370,58 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab Februar 2022 nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 4 der Entgelttabelle zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12.10.2006 in der jeweiligen Fassung zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsgericht habe die tarifvertraglichen Vorschriften zutreffend angewandt. Die Anrechnung der im Geltungsbereich des TV-UMN zurückgelegten Stufenlaufzeiten habe nicht den Zweck, die Einstufung abweichend von dem TVÜ-Länder und dem TV-L zu regeln. Sie solle lediglich eine Schlechterstellung der übergeleiteten Beschäftigten verhindern, nicht aber zu einer Besserstellung führen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht macht sich die Ausführungen der Vorinstanz zu eigen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Vergütung der Stufe 4 Entgeltgruppe 9a TV-L ab April 2020 aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit der "Tarifeinigung für die Zeit ab dem 01.10.2019 zur Überleitung der Beschäftigten für die Universitätsmedizin R. und die G. im Tarifverbund Nord (TV-UMN)", abgeschlossen zwischen den beiden Universitätsmedizinen und der Gewerkschaft Ver.di, (im Folgenden nur: Tarifeinigung) in Verbindung mit dem TVÜ-Länder und dem TV-L. Die genannten Tarifverträge finden im streitgegenständlichen Zeitraum zumindest kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
Die Tarifeinigung hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
"...
3. Zur Überleitung gelten die §§ 29a - f des TV-Ü-Länder in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 10 zum TVÜ-L entsprechend. Die im Geltungsbereich des TV-UMN verbrachten Stufenlaufzeiten werden vollumfänglich bei Überleitung angerechnet. ...
Die erforderlichen Anträge nach Satz 1 können bis zum 30.09.2020 gestellt werden (Ausschlussfrist) und wirken auf den Tag der Überleitung zurück. Nach dem Tag der Überleitung eingetretene Änderungen der Stufenzuordnung in der bisherigen Entgeltgruppe bleiben bei der Stufenzuordnung unberücksichtigt.
..."
In dem dort in Bezug genommenen TVÜ-Länder heißt es:
"...
§ 29a
Überleitung in die Entgeltordnung zum TV-L am 1. Januar 2012
...
(2) 1In den TV-L übergeleitete und ab dem 1. November 2006 neu eingestellte Beschäftigte,
- deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der TdL oder eines Mitgliedsverbandes der TdL ist, über den 31. Dezember 2011 hinaus fortbesteht, und
- die am 1. Januar 2012 unter den Geltungsbereich des TV-L fallen,
sind - jedoch unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit - zum 1. Januar 2012 in die Entgeltordnung zum TV-L übergeleitet; Absatz 3 bleibt unberührt. ...
(3) 1Ergibt sich in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 nach der Entgeltordnung zum TV-L eine höhere Entgeltgruppe, sind die Beschäftigten auf Antrag in die Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach § 12 TV-L ergibt. 2Die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe richtet sich nach den Regelungen für Höhergruppierungen (§ 17 Absatz 4 TV-L). ...
..."
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TV-L haben folgenden Inhalt:
"...
§ 16
Stufen der Entgelttabelle
...
(2) 1Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. 2Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. 3Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. 4Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.
...
(3) 1Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Absatz 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeit-geber (Stufenlaufzeit):
- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,
- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,
- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,
- Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und
- Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.
...
§ 17
Allgemeine Regelungen zu den Stufen
...
(4) 1Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2; ... 2Beträgt der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt nach Satz 1 weniger als 100 Euro in den Entgeltgruppen 2 bis 8 beziehungsweise weniger als 180 Euro in den Entgeltgruppen 9a bis 15, so erhält die/der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrags einen Garantiebetrag von monatlich 100 Euro (Entgeltgruppen 2 bis 8) beziehungsweise 180 Euro (Entgeltgruppen 9a bis 15); ... 3Ist der Garantiebetrag höher als der Unterschiedsbetrag bei stufengleicher Zuordnung, wird als Garantiebetrag der Unterschiedsbetrag gezahlt. 4Die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe beginnt mit dem Tag der Höhergruppierung. ...
..."
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (z. B. BAG, Urteil vom 20. Juli 2022 - 7 AZR 247/21 - Rn. 20, juris = NZA 2022, 1678).
Nach dem Tarifwortlaut der hier maßgeblichen Bestimmungen wird die Klägerin anlässlich ihrer rückwirkenden Höhergruppierung von der Entgeltgruppe 8 in die Entgeltgruppe 9a TV-L zum 01.10.2019 nicht unter Beibehaltung der bisherigen Stufe, also nicht stufengleich, übergeleitet, sondern in diejenige Stufe übergeleitet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhält. Trotz der Umstufung verbleibt es jedoch bei einer Gehaltserhöhung. Die Klägerin ist in der höheren Entgeltgruppe zwar einer numerisch geringeren Stufe als zuvor zugeordnet, erhält deswegen aber kein geringeres, sondern ein höheres Gehalt.
Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 TV-L werden die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2. Das Tabellenentgelt der Klägerin betrug in der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 TV-L zum 01.10.2019 € 3.064,19. Mindestens dieses Tabellenentgelt ergibt sich aus der Entgeltgruppe 9a, Stufe 2 TV-L, nämlich € 3.129,67. Hinzu kommt der Garantiebetrag. Dieser ist jedoch nach § 17 Abs. 4 Satz 3 TV-L auf den Tabellenwert bei stufengleicher Zuordnung begrenzt. Dies ist der Tabellenwert der Stufe 3, also € 3.177,31. Der Garantiebetrag beläuft sich demnach auf € 47,64. Unter Berücksichtigung des Garantiebetrages handelt es sich im Ergebnis um das Tabellenentgelt der Stufe 3.
Bei einer Höhergruppierung wird die bisherige Stufenlaufzeit in der niedrigeren Entgeltgruppe nicht fortgeschrieben. Die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe beginnt mit dem Tag der Höhergruppierung (§ 17 Abs. 4 Satz 4 TV-L).
Soweit diese Regelung auch bei einer Höhergruppierung ohne Tätigkeitsänderung im Fall einer Überleitung in eine neu geschaffene Entgeltgruppe gilt, verstößt sie nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, auch wenn sich im Einzelfall eine Besserstellung von neu eingestellten Beschäftigten mit einschlägiger Berufserfahrung ergeben kann. Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L führt eine einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber von mindestens drei Jahren bei der Einstellung zu einer Zuordnung in der Stufe 3.
Diese Ungleichbehandlung lässt nicht darauf schließen, dass das Regelungssystem der Stufenzuordnung im Rahmen der Überleitung nach § 29a TVÜ-Länder lückenhaft wäre. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr die Stufenzuordnung der in die Entgeltordnung zum TV-L überzuleitenden Beschäftigten anders ausgestaltet als die der neu eingestellten Beschäftigten. Es handelt sich um eigenständige, in sich geschlossene Regelungskomplexe (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 6 AZR 790/16 - Rn. 21, juris = ZTR 2018, 261).
Verfassungsrechtlich relevant ist nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen die Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln. Tarifvertragsparteien kommt als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und der betroffenen Interessen eine weitreichende Einschätzungsprärogative zu, die ihnen aufgrund ihrer Sachnähe auch Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die dem Gesetzgeber verschlossen sind. Die Tarifautonomie gewährt den Koalitionen einen Freiraum, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegensätze zum Beispiel durch Aushandeln von Tarifverträgen in eigener Verantwortung austragen können (BAG, Urteil vom 15. Oktober 2021 - 6 AZR 253/19 - Rn. 38, juris = NZA 2022, 115). Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 - 6 AZR 701/16 - Rn. 32, juris = ZTR 2017, 720). Den Tarifvertragsparteien ist es grundsätzlich freigestellt zu bestimmen, welche Zeiten welcher Tätigkeiten sie tariflich in welcher Form berücksichtigen wollen (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 6 AZR 790/16 - Rn. 23, juris = ZTR 2018, 261; BAG, Urteil vom 3. Juli 2014 - 6 AZR 1067/12 - Rn. 29, juris = ZTR 2014, 594).
Trotz derselben ausgeübten Tätigkeit liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor, die gleichbehandelt werden müssten. Nach dem Konzept der Tarifvertragsparteien folgt die Stufenzuordnung neu eingestellter Arbeitnehmer grundsätzlich anderen Regeln und beruht auf anderen Voraussetzungen und Grundannahmen als die Stufenzuordnung im Rahmen der Überleitung nach § 29a TVÜ-Länder. Die erstmalige Stufenzuordnung bei der Einstellung regelt § 16 Abs. 2 TV-L und berücksichtigt nach den jeweiligen Voraussetzungen eine etwaige einschlägige Berufserfahrung, welche dem Beschäftigten bei der Tätigkeit, für die er eingestellt wird, zugutekommt. Diese Stufenzuordnung ist auch von Bedeutung für die Attraktivität des Arbeitgebers bei der Gewinnung neuer Kräfte. Demgegenüber regelt § 29a TVÜ-Länder die Überleitung der bereits Beschäftigten in ein neues Entgeltsystem. Dabei stellt sich im Gegensatz zu den neu eingestellten Beschäftigten die Frage der Wahrung des Besitzstands. Die Tarifvertragsparteien durften die Situation der Gewinnung neuen Personals in den Blick nehmen und dessen Vergütung abweichend von der Vergütung des bereits vorhandenen Personals regeln (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2017 - 6 AZR 790/16 - Rn. 24 ff., juris = ZTR 2018, 261).
Die Regelung unter Ziffer 3 Satz 2 der Tarifeinigung, nach der die im Geltungsbereich des TV-UMN verbrachten Stufenlaufzeiten vollumfänglich bei der Überleitung angerechnet werden, ändert nichts an dem tarifvertraglich vorgesehenen Neubeginn der Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe. Die Anrechnung soll verhindern, dass die bisherigen Stufenlaufzeiten durch den Tarifwechsel unterbrochen werden und dadurch Zeiten wegfallen oder gekürzt werden. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die bisherigen Stufenlaufzeiten auch nach dem Tarifwechsel zu erhalten, um diese bei gleichbleibender Eingruppierung fortschreiben zu können. Die Tarifnorm bezieht sich allein auf die bisher zurückgelegten Stufenlaufzeiten und deren Anrechnung. Der Fall einer Höhergruppierung ist dort nicht geregelt, insbesondere nicht abweichend von der Verweisung auf die §§ 29a - 29f TVÜ-Länder bzw. § 17 TV-L. Eine Beibehaltung der bisherigen Stufe wird dort ebenso wenig zugesichert wie eine entgeltgruppenübergreifende Stufenlaufzeit. Die unter Geltung des TV-UMN absolvierte Stufenlaufzeit sollen so behandelt werden, als hätte der TVÜ-Länder bzw. der TV-L schon seinerzeit gegolten. Für eine Besserstellung der Beschäftigten durch günstigere Stufen- und Umgruppierungsregelungen bestand im Zusammenhang mit dem Wechsel vom Haus- zum Verbandstarifvertrag kein Anlass.
Die Beklagte hat die Stufenlaufzeit der Klägerin nicht gekürzt oder abgeschnitten, sondern die am Stichtag maßgebliche Stufe bei der beantragten Höhergruppierung nach den tarifvertraglichen Vorgaben berücksichtigt. Bei der zunächst vorgenommenen Abrechnung auf Basis der Entgeltgruppe 8 TV-L hat sie die von der Klägerin zurückgelegten Stufenlaufzeiten ebenfalls in vollem Umfang angerechnet. Der Höhergruppierungsantrag führte sodann zu einer Umstufung, für die wiederum das Tabellenentgelt der bisher erreichten Stufe Grundlage der Berechnung war.
Aus dem gerichtlichen Vergleich vom 21.03.2019 ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf eine übertarifliche Stufenzuordnung.
Nach dem Wortlaut des Vergleichs vom 21.03.2019 haben die Parteien lediglich die Zuordnung zu einer Entgeltgruppe geregelt, nicht jedoch die Einstufung innerhalb einer Entgeltgruppe. Der Vergleich enthält im Hinblick auf die beabsichtigten Änderungen des TV-UMN Maßgaben zu drei seinerzeit absehbaren Eingruppierungsmöglichkeiten, nämlich
• zutreffende Eingruppierung in der Entgeltgruppe 8 TV-UMN:
keine Veränderung,
• zutreffende Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9 TV-UMN:
rückwirkende Höhergruppierung zum 01.01.2018,
• zutreffende Eingruppierung in einer ggf. neuen Entgeltgruppe 9a TV-UMN:
rückwirkende Zulage ab 01.01.2018 in Höhe von 50 % der Differenz EG 8/9.
Wenn auch diese Regelung noch von einer Fortschreibung des TV-UMN ausging, so kann sie freilich nach Sinn und Zweck auf das Tarifwerk des TV-L entsprechend übertragen werden. Der Vergleich beschränkt sich aber auf die Eingruppierung. Zur Einstufung enthält er keine Aussage. Für den Fall einer zutreffenden Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9a TV-UMN haben die Parteien eine auf den 01.01.2018 rückwirkende Zulagenzahlung vorgesehen. Eine auf diesen Zeitpunkt rückwirkende Eingruppierung kam schon deswegen nicht in Betracht, weil mit einer rückwirkenden Einführung dieser neuen Entgeltgruppe nicht zu rechnen war. Die Klägerin sollte nicht so gestellt werden, als ob sie schon am 01.01.2018 in der Entgeltgruppe 9a TV-UMN eingruppiert und eingestuft gewesen wäre. Vielmehr sollten Vergütungsdifferenzen in Form einer Zulage ausgeglichen werden, deren Berechnung sich nach den Vergütungen der Entgeltgruppen 8 und 9 richtete, nicht aber nach der Entgeltgruppe 9a TV-UMN.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.