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Beschluss vom 05.04.2022 · IWW-Abrufnummer 234871

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern - Aktenzeichen 2 TaBV 8/22

1. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2021 - 3 TaBV 18/20 - Rn. 29 m.w.N., juris).

2. Der Offensichtlichkeitsmaßstab gilt für alle im Bestellungsverfahren zu entscheidenden Fragen ( LAG München, Beschluss vom 23.11.2021 - 9 TaBV 64/21 - Rn. 52, juris).

3. Der Regelungsgegenstand "Leistungsentgelt nach § 18 TVöD-VKA" betrifft das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG .

4. Es reicht aus, dass in einer streitigen Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht i.S.v. § 87 Abs. 1 BetrVG betroffen ist, um eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle auszuschließen.


Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 10.01.2022 zum Aktenzeichen 5 BV 28/21 wird zurückgewiesen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema "Leistungsentgelt nach § 18 TVöD-VKA".



Die Arbeitgeberin, Beteiligte zu 2., betreibt Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, vor allem Kindertagesstätten, und beschäftigt rund 435 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 1. ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2. gewählte und konstituierte Betriebsrat, der aus 9 Mitgliedern besteht.



Nachdem das Tarifwerkt des TVöD-VKA seit dem 01.08.2017 aufgrund eines Haustarifvertrages bei der Beteiligten zu 2. mit einigen Modifikationen zur Anwendung kam, wendet die Beteiligte zu 2. das Tarifwerk des TVöD-VKA nunmehr aufgrund ihrer seit dem 01.05.2020 bestehenden Verbandsmitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse an.



Zum, 01.08.2019 war die zwischen den Beteiligten vereinbarte "Betriebsvereinbarung zu § 18 TVöD-VKA Leistungsentgelt" in Kraft getreten. Der Beteiligte zu 1. hat diese am 03.07.2019 fristgemäß zum 31.12.2019 gekündigt. In § 8 Abs. 3 S. 2 dieser Betriebsvereinbarung ist festgehalten, dass die Betriebsvereinbarung im Falle der Kündigung nachwirkt, bis zwischen den Beteiligten eine Neuregelung vereinbart ist.



Unter dem 17.07.2019 hatte der Beteiligte zu 1. die Beteiligte zu 2. zu Neuverhandlungen über eine Betriebsvereinbarung "Leistungsentgelt" aufgefordert. Weil es zu keiner Einigung kam, ging der Beteiligte zu 1. mit Beschluss vom 31.03.2021 von einem Scheitern der Verhandlungen aus. In einem wegen Einsetzung einer Einigungsstelle geführten Beschlussverfahren haben sich die Beteiligten im Juni 2021 vergleichsweise darauf verständigt, zunächst weitere Verhandlungstermine wahrzunehmen.



Mit Beschluss vom 19.11.2021 erklärte der Beteiligte zu 1., die Verhandlungen zu Neuregelungen einer Betriebsvereinbarung "Leistungsentgelt" als gescheitert und hat das vorliegende Verfahren eingeleitet.



Mit seinem am 10.12.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenem, der Beteiligten zu 2. am 18.12.2021 zugestellten Antrag, hat der Antragsteller die Einrichtung einer Einigungsstelle wegen einer Betriebsvereinbarung zu § 18 TVöD-VKA "Leistungsentgelt" mit dem Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern S. als Vorsitzenden der Einigungsstelle und jeweils drei Beisitzer begehrt.



Zur Begründung hat der Beteiligte zu 1. angeführt, nach Scheitern der Verhandlungen sei nunmehr die Einigungsstelle durch gerichtliches Verfahren einzusetzen. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle liege nicht vor.



Der Beteiligte zu 1. hat beantragt:



1. Es wird eine Einigungsstelle hinsichtlich einer Neuregelung der nachwirkenden Betriebsvereinbarung zu § 18 TVöD (VKA) Leistungsentgelt vom 25.04.2018 eingerichtet.



2. Als Vorsitzender der Einigungsstelle wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Herr M. S., berufen.



3. Die Zahl der Beisitzer beider Betriebsparteien wird jeweils auf drei festgesetzt.



Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,



die Anträge abzuweisen.



Die Beteiligte zu 2. hat sich darauf bezogen, dass dem Betriebsrat hier kein Mitbestimmungsrecht zustehe, § 18 TVöD-VKA sich nur auf den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung beziehe und der Tarifvorrang aus § 77 Abs. 3 BetrVG zu beachten sei.



Es liege eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle vor.



Mit Beschluss vom 10.01.2022 hat das Arbeitsgericht die Einigungsstelle antragsgemäß eingesetzt und zur Begründung angeführt, die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig, eine Zuständigkeit ergebe sich vielmehr gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Der Tarifvorbehalt aus § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG stehe nicht entgegen, weil es an einer abschließenden tarifvertraglichen Regelung fehle und zudem § 18 Abs. 6 TVöD-VKA eine Öffnungsklausel enthalte, nach welcher der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen sei. Die Verwendung des Begriffes "einvernehmlich" in § 18 Abs. 6 TVöD-VKA beziehe sich allein auf eine "Dienstvereinbarung". Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beteiligten in § 8 Abs. 3 der bestehenden Betriebsvereinbarung ausdrücklich eine Nachwirkung vereinbart haben bis zwischen ihnen eine Neuregelung getroffen ist. Hieran müsse sich die Beteiligte zu 2. festhalten lassen.



Gegen diesen der Beteiligten zu 2. am 08.02.2022 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2. mit der am 22.02.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Beschwerde.



In dieser führt die Beteiligte zu 2. an, die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei rechtlich unzutreffend, es liege eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle vor. Die Öffnungsklausel des § 18 Abs. 6 TVöD beziehe sich lediglich auf einvernehmliche und somit freiwillige Betriebsvereinbarungen. Da die Tarifvertragsparteien aufgrund der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie bereits entscheiden könnten, "ob" sie Regelungsbefugnisse ihrer originären Tarifzuständigkeit in die betriebliche Sphäre übertragen, stehe ihnen auch das Recht zu, über das Minus des "wie" zu entscheiden. Dies hätten die Tarifvertragsparteien vorliegend getan, indem sie auf eine einvernehmliche Regelung abgestellt hätten. Dem stehe nicht entgegen, dass in der bereits bestehenden Betriebsvereinbarung eine Nachwirkung vereinbart sei. Ließen Tarifvertragsparteien eine freiwillige Betriebsvereinbarung zu, sei eine solche Öffnungsklausel stets dahingehend auszulegen, dass sie keine Nachwirkungsvereinbarung ermögliche.



Die Einvernehmlichkeit sei gemäß § 18 Abs. 6 S. 3 TVöD-VKA gefordert. Bei der in dieser Regelung enthaltenen Satzstellung handele es sich um ein redaktionelles Versehen der Tarifvertragsparteien, da keine sachlichen Gründe für eine Unterscheidung nach Betriebs- oder Personalratsfähigkeit erkennbar seien. Eine solche Unterscheidung würde der in Punkt 1 S. 2 der Protokollerklärung zu Abs. 4 zum Ausdruck gebrachten Forderung der Tarifvertragsparteien, dass "die Betriebsparteien ... die betrieblichen Systeme vereinbaren" widersprechen. Auch müsse § 38 Abs. 3 TVöD-VKA Beachtung finden.



Die Beteiligte zu 2. beantragt,



den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 10.01.2022 - 5 BV 28/21 - aufzuheben und den Antrag abzuweisen.



Der Beteiligte zu 1. beantragt:



Die Beschwerde wird zurückgewiesen.



Der Beteiligte zu 1 verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts und geht davon aus, dass nach dem anzulegenden groben und einfachen Prüfungsmaßstab eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht gegeben sei. Es sei vielmehr das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betroffen. Eine Sperrwirkung nach § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG scheide angesichts der in § 18 Abs. 6 TVöD-VKA enthaltenen Öffnungsklausel aus. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2 enthalte die Satzstellung des § 18 Abs. 6 TVöD-VKA kein "redaktionelles Versehen". Die Regelung bestehe bereits seit 2005 in dieser Gestalt. Im Falle eines redaktionellen Versehens hätten die Tarifvertragsparteien mehrfach Gelegenheit gehabt, diese zu korrigieren.



Die Einigungsstelle habe in eigener Kompetenz über ihre Zuständigkeit zu entscheiden.



Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften sowie den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.



II.



Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist zulässig. Sie ist allerdings in der Sache nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.



1.



Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne von § 100 Abs. 2 S. 2, S. 3 i. V. m. §§ 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.



2.



Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Einigungsstelle zu Recht antragsgemäß eingesetzt, denn der auf gerichtliche Einsetzung der Einigungsstelle gerichtete Antrag ist zulässig und begründet.



a)



Der Einsetzungsantrag ist nach § 100 Abs. 1 ArbGG zulässig, insbesondere fehlt ihm nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Letzteres ist dann nicht gegeben, wenn der Verfahrenseinleitung nicht der nach § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG vorgesehene Versuch einer Einigung vorausgegangen ist. Vorliegend hat der Beteiligte zu 1. bereits unter dem 17.07.2019 zu Neuverhandlungen der BV-Leistungsentgelt aufgefordert, weil keine Einigung erzielt werden konnte, ein gerichtliches Verfahren auf Einsetzung einer Einigungsstelle eingeleitet, sich in diesem auf weitere Verhandlungstermine mit der Beteiligten zu 2. verständigt, nachdem bis zu diesem Zeitpunkt keine Einigung erzielt werden konnte, die Verhandlung am 19.11.2021 für gescheitert erklärt. Es sind somit unstreitig Verhandlungen der Betriebsparteien zu einer Betriebsvereinbarung "Leistungsentgelt" ergebnislos geführt worden, zu denen unter dem 17.07.2019 aufgefordert worden war und die bis zum 19.11.2021 nicht zu einem Ergebnis geführt haben. Angesichts dieser Tatsachen konnte der Beteiligte zu 1. berechtigterweise davon ausgehen, dass die Verhandlungen nicht bzw. nicht in absehbarer Zeit zum Erfolg führen würden und demgemäß die Verhandlungen durch Beschluss vom 19.11.2021 für gescheitert erklären. Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 100 Abs. 1 ArbGG gegeben.



b)



Der Antrag des Beteiligten zu 1. ist hinsichtlich der Einsetzung der Einigungsstelle zu dem Regelungsthema "Leistungsentgelt gemäß § 18 TVöD-VKA" begründet.



Gemäß § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG kann ein Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Die genauen Grenzen ihrer Zuständigkeit und Regelungskompetenz hat sodann die Einigungsstelle im Einzelnen selbst in eigener Zuständigkeit zu prüfen und festzustellen.



Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2021 - 3 TaBV 18/20 - Rn. 29 m.w.N., juris). Der gesetzliche Maßstab der offensichtlichen Unzuständigkeit soll Einigungsstellen nur dort verhindern, wo von vornherein für jeden Fachkundigen erkennbar ist, dass sie ihre Tätigkeit sofort nach deren Aufnahme mangels feststellbarer Zuständigkeit wieder einstellen müsste. In allen anderen Fällen hat die Einigungsstelle in eigener Kompetenz ihre Zuständigkeit zu prüfen und - bei unverändert ausbleibender Einigung der Betriebsparteien - ggf. hierüber zu entscheiden, so dass nachfolgend hierzu der reguläre Rechtsweg außerhalb des Eilverfahrens nach § 100 ArbGG eröffnet ist (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2021 - 3 TaBV 18/21 - Rn. 30, juris). Beim Auftreten von Meinungsverschiedenheiten soll möglichst schnell eine Einigungsstelle zur Verfügung stehen. Diese Zielsetzung erfordert ein unkompliziertes Bestellungsverfahren ohne zeitraubende Prüfung schwieriger Rechtsfragen. Der Offensichtlichkeitsmaßstab gilt für alle im Bestellungsverfahren zu entscheidenden Fragen (LAG München, Beschluss vom 23.11.2021 - 9 TaBV 64/21 - Rn. 52, juris).



Nach vorgenannten Grundsätzen ist vorliegend eine offensichtliche Unzuständigkeit der beantragten Einigungsstelle nicht gegeben.



Der Regelungsgegenstand "Leistungsentgelt nach § 18 TVöD-VKA" betrifft das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.



Nach dieser Regelung hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen. Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen. Entlohnungsgrundsätze im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind die abstrakt generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Die Regelung soll ein umfassendes Mitbestimmungsrecht auf diesem Gebiet sicherstellen. Es setzt nur ein, wenn es um die Festlegung allgemeiner (kollektiver, genereller) Regelungen geht. Bei den zu § 18 Abs. 6 TVöD-VKA zu vereinbarenden betrieblichen System der leistungsbezogenen Bezahlung zu den unter § 18 Abs. 6 TVöD-VKA geregelten Zwecken handelt es sich um einen kollektiven Tatbestand, in dem es um Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen geht. Eine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht insoweit nicht. Damit ist der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betroffen. Es kann dahinstehen, ob zudem das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG einschlägig ist.



Gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG entscheidet die Einigungsstelle, wenn eine Einigung über eine Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht zustande kommt. Damit reicht es aus, dass in einer streitigen Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht i.S.v. § 87 Abs. 1 BetrVG betroffen ist, um eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle auszuschließen.



Es kann dahinstehen, ob tarifliche Normen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes modifizieren dürfen und ob die Einigungsstelle deshalb offensichtlich unzuständig ist, weil lediglich eine einvernehmliche Betriebsvereinbarung im Sinne des § 38 Abs. 3 TVöD-VKA ohne Entscheidung der Einigungsstelle in § 18 Abs. 6 TVöD-VKA angesprochen ist. Die Beantwortung dieser Fragestellung erfordert eine nähere Auseinandersetzung mit einer rechtlichen Problematik sowie eine Auslegung des § 18 Abs. 6 TVöD VKA. Damit ist nicht sofort erkennbar, dass eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle vorliegt. Zudem sprechen auf den ersten Blick mehr Argumente dafür, dass nicht eine einvernehmliche Betriebsvereinbarung gefordert ist.



Gemäß § 18 Abs. 6 TVöD-VKA wird das jeweilige System der leistungsbezogenen Bezahlung betrieblich vereinbart. Die Ausgestaltung "geschieht durch Betriebsvereinbarung oder einvernehmliche Dienstvereinbarung". Bereits der Wortlaut und die Satzstellung dieser Regelungen sprechen dafür, dass sich die Einvernehmlichkeit lediglich auf Dienstvereinbarungen, nicht jedoch auf Betriebsvereinbarungen bezieht. Indem das Wort "einvernehmliche" allein vor das Wort "Dienstvereinbarung" und nicht auch vor das Wort "Betriebsvereinbarung" gesetzt ist, wird deutlich, dass die Einvernehmlichkeit lediglich für die Dienstvereinbarung, nicht jedoch auch für die Betriebsvereinbarung gefordert wird, denn ein das Substantiv bestimmendes Adjektiv wird vor das betreffende Substantiv gestellt. Dass es sich hierbei nicht um ein redaktionelles Versehen handelt, sondern von den Tarifvertragsparteien so gewollt ist, haben die Tarifvertragsparteien darin verdeutlicht, dass sie die bereits seit 2005 bestehende Regelung des § 18 Abs. 6 S. 3 TVöD VKA bis zum heutigen Tage nicht korrigiert, sie vielmehr in dem zum 01.09.2020 eingefügten § 18 a Abs. 1 S. 1 TVöD-VKA wiederholt und in § 38 Abs. 3 TVöD-VKA ausdrücklich lediglich für die "einvernehmliche Dienstvereinbarung" definiert haben, dass eine solche nur dann vorliegt, wenn eine Entscheidung durch die Einigungsstelle nicht gegeben ist. Eine dementsprechende Definition für eine "einvernehmliche" Betriebsvereinbarung haben die Tarifvertragsparteien jedoch unterlassen. § 77 Abs. 3 BetrVG greift nicht ein, weil eine Regelung der Leistungsentgelte durch Gesetz oder Tarifvertrag nicht vorliegt. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. macht es auch Sinn, unterschiedliche Regelungen für Betriebe zu erlassen, welche dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterfallen und denjenigen, die den Anwendungsbereichen der unterschiedlichen Personalvertretungsgesetze der einzelnen Bundesländer unterstehen. Insoweit gelten nicht identische Regelungen.



Nach allem liegt eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht vor.



Gegen die Person des eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden und die festgelegte Anzahl der Beisitzer haben die Beteiligten keine Einwände erhoben.



III.



Diese Entscheidung ergeht durch die Vorsitzende gemäß § 100 Abs. 2 S. 3 ArbGG allein und ist unanfechtbar (§ 100 Abs. 2 S. 4 ArbGG).

Vorschriften§ 18 TVöD, § 77 Abs. 3 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG, § 18 Abs. 6 TVöD, Art. 9 Abs. 3 GG, §§ 89 Abs. 1, 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO, § 100 Abs. 1 ArbGG, § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG, § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG, § 100 ArbGG, § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG, § 87 Abs. 2 BetrVG, § 87 Abs. 1 BetrVG, § 18 Abs. 6 S. 3 TVöD, § 100 Abs. 2 S. 3 ArbGG, § 100 Abs. 2 S. 4 ArbGG