Beschluss vom 15.02.2023 · IWW-Abrufnummer 235181
Landesarbeitsgericht Niedersachsen - Aktenzeichen 8 TaBV 15/22
1. § 39 Abs. 1 Satz 4 iVm. § 16 Abs. 2 EBRG gilt nur für den Anspruch des einzelnen Mitgliedes eines Europäischen Betriebsrates auf Erstattung seiner persönlichen Reise- und Aufenthaltskosten. Nicht erfasst sind z.B. Dolmetscherkosten oder Kosten für die Beauftragung von Rechtsanwälten.
2. Auch eine Auslegung von § 39 Abs. 1 Satz 4 iVm. § 16 Abs. 2 EBRG nach Sinn und Zweck ergibt, dass der jeweilige Vertragsarbeitgeber nicht über den Umweg einer Inanspruchnahme durch das bei ihm beschäftigte EBR-Mitglied für Kosten und Freistellungsansprüche des EBR-Gremiums haftbar gemacht werden soll. Kostenträger dieser Ansprüche soll vielmehr, wie § 39 Abs. 1 Satz 1 EBRG klar anordnet, allein die zentrale Leitung sein.
3. Wird ein Mitglied des EBR persönlich durch einen Dritten in Anspruch genommen, besitzt es jedenfalls dann keinen Anspruch gegen seinen Vertragsarbeitgeber auf Freistellung, wenn der Dritte seine Ansprüche gegen das Mitglied des EBR nicht ernsthaft verfolgt oder wenn die Ansprüche, deren der Dritte sich berühmt, offensichtlich unbegründet sind.
4. Für den Fall, dass ein Mitglied eines EBR von seinem Vertragsarbeitgeber Freistellung von einer Außenhaftung als sog. "falsus procurator" begehrt, neigt das erkennende Gericht zu der Auffassung, dass derartige Ansprüche in der Regel unbegründet sein dürften, weil anderenfalls der Grundsatz unterlaufen würde, dass der Arbeitgeber nur diejenigen Kosten zu tragen hat, die für die Durchführung der Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Offen bleiben konnte, ob hiervon in besonderen Fällen einer nicht oder nur leicht verschuldeten Kompetenzüberschreitung eine Ausnahme zu machen sein könnte.
5. Trägt ein EBR-Mitglied, das Freistellung von Ansprüchen Dritter verlangt, schon nicht im Ansatz vor, aufgrund welcher konkreten Umstände sich seine persönliche Haftung gegenüber dem Dritten ergeben könnte, stehen ihm schon aus diesem Grunde keine Freistellungsansprüche gegen seinen Vertragsarbeitgeber zu.
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 19.01.2022 - 3 BV 1/21 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1), der Vorsitzender eines bei der M. AG, einem österreichischen Unternehmen, gebildeten Europäischen Betriebsrates (im Folgenden: EBR) ist, verlangt von der Beteiligten zu 2), die seine Vertragsarbeitgeberin ist (und im Folgenden deshalb als "Arbeitgeberin" bezeichnet wird), ihn von Kosten Dritter freizustellen.
Die Arbeitgeberin ist eine deutsche Tochter der M. AG. Sie führt einen Betrieb in D., wo Faltschachteln, vorwiegend für die Zigarettenindustrie, bedruckt werden. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet, der Beteiligte zu 1) gehört dem Betriebsrat als Mitglied an.
Am 26. Februar 2019 beschloss der Engere Ausschuss des bei der M. AG gebildeten EBR (im Folgenden: EBR-EA), der Beteiligte zu 1) solle in seiner Funktion als Vorsitzender das dem Vertretungsbereich des EBR zugeordnete Werk in D./UK besuchen und sich dabei von einem Dolmetscher begleiten lassen (vgl. Bl. 20, 21 d. A.). Über die Kosten der Dolmetscherunterstützung stellte die beauftragte E. A. GmbH, D., eine Dolmetscherrechnung über 1.785,00 EUR aus, deren Bezahlung sie gegenüber der M. AG verlangte, wie der Beteiligte zu 1) in der Anhörung vor dem erkennenden Gericht am 15.02.2023 bestätigt hat. Die M. AG verweigerte die Bezahlung. Der EBR machte daraufhin die Freistellung von den Dolmetscherkosten gegenüber der M. AG in einem in Österreich geführten gerichtlichen Verfahren geltend. Erstinstanzlich ist dem EBR in diesem Verfahren, das zum Zeitpunkt des Stattfindens der Anhörung vor dem erkennenden Gericht noch nicht beendet war, ein Freistellungsanspruch zugesprochen worden. Die E. A. GmbH stellte bezüglich dieses Vorganges ausweislich der Anlage ASt. 2 (Bl. 22 d. A.) eine weitere Rechnung an "M. GmbH, Herrn A.".
Der EBR führte außerdem vor dem Arbeits- und Sozialgericht W. gegen die M. GmbH ein Verfahren auf Zahlung von Kosten aus der Hinzuziehung einer Konferenz-Dolmetscherin im Zusammenhang mit einer Sitzung des EBR-EA. Mit der Verfahrensführung war die Rechtsanwältin A.L. beauftragt. Die Klage wurde abgewiesen (Urteil vom 13. März 2020 - 15 Cga 103/19d - 17 -). Das Arbeits- und Sozialgericht W. entschied zudem, dass die Parteien ihre Verfahrenskosten jeweils selbst zu tragen haben. Rechtsanwältin L. hat mit Datum des 12. Mai 2020 eine Rechnung über ein im Zusammenhang mit diesem Verfahren angefallenes Honorar in Höhe von 1.767,62 EUR gerichtet "An den Vorsitzenden des Europäischen Betriebsrates von M., Herrn A., c/o M. GmbH" (Anl. ASt. 4, Bl. 25 d. A.).
Der EBR, handelnd durch den Beteiligten zu 1), beauftragte ferner die Rechtsanwältin A. L., ihn im Hinblick auf seine Rechtsstellung als EBR nach österreichischem Recht zu beraten und eine Unterlassungsklage gegen die konzernweite Einführung einer Systemkomponente vorzubereiten. Nach den Bekundungen des Beteiligten zu 1) steht hiermit eine Rechnung der Rechtsanwältin A.L. vom 11. Dezember 2019 (Anlage ASt. 5, Bl. 27 d. A.) im Zusammenhang, die als Betreff "EBR der M. GmbH / M. GmbH" anführt und eine Gesamtsumme von 5.171,00 EUR, bestehend aus einer Position "Honorar" über 5.000 Euro, einer Position "Barauslagen USt-frei" über 171 Euro und einer Position "Umsatzsteuer" über 0 Euro, ausweist. Die Rechnung ist wiederum gerichtet "An den Vorsitzenden des Europäischen Betriebsrates von M., Herrn A., c/o M. GmbH".
Der EBR hat gegenüber der M. AG auch Freistellungsansprüche hinsichtlich der in beiden Fällen entstandenen Kosten der Rechtsanwältin L. gerichtlich in Ö. geltend gemacht. Er unterlag in erster Instanz; zum Zeitpunkt des Stattfindens der Anhörung vor dem erkennenden Gericht war das Verfahren zweitinstanzlich anhängig und noch nicht abgeschlossen.
Der Beteiligte zu 1) hat von der Arbeitgeberin außergerichtlich erfolglos die Freistellung von allen drei Ansprüchen verlangt.
Der Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich vorgetragen, aufgrund des Umstandes, dass die zentrale Leitung, die M. AG, die Kostentragung abgelehnt habe mit der Begründung, die auslösenden Maßnahmen des EBR seien nicht erforderlich gewesen, bestehe die Besorgnis, dass er von den Vertragspartnern - der E.A. GmbH und Rechtsanwältin L. - persönlich in Anspruch genommen werde. Er habe daher einen Anspruch gegenüber der Zentralen Leitung, von den eingegangenen Verbindlichkeiten freigestellt zu werden, für den seine Arbeitgeberin gesamtschuldnerisch hafte.
Der Beteiligte zu 1) hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
Die Beteiligte zu 2) und Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,
Sie hat vor dem Arbeitsgericht vorgebracht, dem Beteiligten zu 1) fehle es bereits an der Antragsbefugnis. Er könne Ansprüche des EBR nicht in eigenem Namen geltend machen. Zudem stehe der Übernahme der Rechtsanwaltskosten des in W. geführten gerichtlichen Verfahrens die Kostenentscheidung des dortigen, rechtskräftigen Urteils entgegen.
In allen drei Fällen bestehe außerdem keine materiell-rechtliche Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Kostentragung, da die Haftungsnorm des EBRG, die ihre Haftung anordne, ihrer Systematik nach nur Individualansprüche des inländischen EBR-Mitglieds wie etwa Reisekosten erfasse. Die Rechtsanwaltskosten seien darüber hinaus auch nicht erforderlich gewesen, da das österreichische Rechtssystem Betriebsräten einschließlich Europäischen Betriebsräten eine kostenfreie Rechtsberatung zur Verfügung stelle. Wenn der EBR entschieden habe, davon keinen Gebrauch zu machen, müsse er die daraus entstandenen Honorarkosten selber tragen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug auf das Protokoll der erstinstanzlichen Anhörung, die erstinstanzlich zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf Teil A. der Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses genommen.
Mit Beschluss vom 00.00.2022 (Bl. 169 ff. d. A.) hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Anträge seien zwar zulässig, insbesondere sei der Beteiligte zu 1) antragsbefugt. Die Anträge hätten jedoch in der Sache keinen Erfolg, da bereits nicht ersichtlich sei, dass der Beteiligte zu 1) von den Auftragnehmern/Vertragspartnern auf Erstattung der in Rechnung gestellten Kosten in Anspruch genommen werde, bzw. eine solche Inanspruchnahme unmittelbar bevorstehe. Die Freistellungsansprüche seien jedenfalls von einer Haftung gemäß § 39 Abs. 1 EBRG i. V. m. § 16 Abs. 2 EBRG nicht umfasst. Die Norm beziehe sich nur auf die erforderlichen Reise- und Aufenthaltskosten der Mitglieder der Europäischen Betriebsrates und des nach § 26 EBRG gebildeten Ausschusses, um solche Kosten gehe es vorliegend jedoch nicht.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist dem Beteiligten zu 1) zu Händen seines anwaltlichen Vertreters ausweislich des Empfangsbekenntnisses Bl. 178 d. A. am 31.01.2022 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 00.00.2022, bei dem erkennenden Gericht eingegangen am 00.00.2022, hat der Beteiligte zu 1) hiergegen frist- und formgerecht bei dem erkennenden Gericht Beschwerde eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung auf den 09.05.2022 (Beschluss Bl. 214 d. A.) mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch fristgerecht begründet (Bl. 220 ff. d. A.).
Der Beteiligte zu 1) trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts werde er durch die an ihn adressierten Rechnungen persönlich in Anspruch genommen. Es stehe für ihn damit sehr konkret zu befürchten, persönlich von den Vertragspartnern für nicht erfüllte Ansprüche haftbar gemacht zu werden. Dass er eine persönliche Haftung befürchten müsse, ergebe sich insbesondere aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25.10.2012 - III ZR 266/11 -.
Die Regelung zur Kostentragung im rechtskräftigen Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts W. stehe seinem Anspruch auf Freistellung von Ansprüchen aus der Rechnung der Rechtanwältin L. vom 12. Mai 2020 über 1.767,62 EUR aus deren Tätigkeit in diesem gerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Wie das Arbeitsgericht Oldenburg insoweit zutreffend ausgeführt habe, seien die hiesigen Verfahrensbeteiligten nicht Partei des österreichischen Rechtsstreits gewesen.
Nach Auffassung des Beteiligten zu 1) gehören zu den erforderlichen finanziellen und materiellen Mitteln des EBR, um seine Aufgaben in angemessener Weise wahrnehmen zu können, auch Mittel zur Verfolgung streitiger Rechtspositionen, die nicht offensichtlich unbegründet sind. Anderenfalls werde dem EBR, der ohne eigene finanzielle Mittel arbeite, faktisch die Möglichkeit genommen, streitige Rechtspositionen durchzusetzen.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
Die Beteiligte zu 2) und Arbeitgeberin hat beantragt,
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Beteiligte zu 1) könne nicht als Naturalpartei Ansprüche geltend machen, die allenfalls dem EBR als Gremium zustehen könnten. Der Antrag zu Ziff. 1 sei überdies aufgrund entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Die Haftung der Arbeitgeberin könne nicht über die Verpflichtung des primär Verantwortlichen hinausgehen.
Die Zentrale Leitung in W. sei gegebenenfalls dem EBR verpflichtet, nicht jedoch dem Beteiligten zu 1). Eine gesamtschuldnerische Haftung der Zentralen Leitung und der Arbeitgeberin sei auf die erforderlichen Reise- und Aufenthaltskosten der Mitglieder des EBR beschränkt. Solche seien nicht Gegenstand der vorliegend geltend gemachten Freistellungsansprüche.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in zweiter Instanz wird auf die dort zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der Anhörung vom 15.02.2023 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass dem Beteiligten zu 1) gegen die Arbeitgeberin keiner der drei geltend gemachten Freistellungsansprüche zusteht.
1.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO.
2.
Das Beschlussverfahren ist die zutreffende Verfahrensart. Der Beteiligte stellt sein Verlangen auf Freistellung unter Bezugnahme auf sein Amt als Vorsitzender des EBR und nimmt seine Vertragsarbeitgeberin unter Verweis auf Haftungsnormen des EBRG in Anspruch. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, § 2a Abs. 1 Nr. 3b) ArbGG, für die nicht nach dessen § 43 bis 45 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.
3.
Die Anträge sind zulässig. Der Beteiligte zu 1) fordert von der Arbeitgeberin unter Verweis auf Haftungsnormen des EBRG die Freistellung von Kosten, denen er sich, wie er behauptet, in Folge seiner Eigenschaft und seines Tätigwerdens als Vorsitzender des EBR ausgesetzt sieht. Für derartige Anträge besteht im Grundsatz ein Rechtsschutzbedürfnis. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Anträge kommt es, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht auf die weitere Frage an, ob der Beteiligte zu 1) ernsthaft und mit Erfolgsaussichten in Anspruch genommen wird. Anderenfalls würden Teile der Begründetheitsprüfung in die Zulässigkeitsebene vorverlagert.
4.
Die Anträge sind jedoch unbegründet. Der Beteiligte zu 1) kann von der Arbeitgeberin nicht Freistellung von den nach seiner Behauptung gegen ihn gerichteten Ansprüchen der E. A. GmbH und der Rechtsanwältin L. verlangen.
a)
Als Grundlage für die vorliegend geltend gemachten Freistellungsansprüche des Beteiligten zu 1.) kommt ausschließlich § 39 Abs. 1 EBRG i.V.m. § 16 Abs. 2 EBRG in Betracht. Gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 EBRG trägt die zentrale Leitung die durch die Bildung und Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates und des Ausschusses entstehenden Kosten. Gem. Satz 2 hat die zentrale Leitung insbesondere für die Sitzungen und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel und Büropersonal, für die Sitzungen außerdem Dolmetscher zur Verfügung zu stellen. Satz 3 ordnet an, dass die zentrale Leitung die erforderlichen Reise- und Aufenthaltskosten der Mitglieder des Europäischen Betriebsrats und des Ausschusses trägt. Satz 4 ordnet die entsprechende Geltung von § 16 Abs. 2 EBRG an. Letztgenannte Vorschrift bestimmt, dass der Arbeitgeber eines aus dem Inland entsandten Mitglieds des besonderen Verhandlungsgremiums neben der zentralen Leitung für dessen Anspruch auf Kostenerstattung als Gesamtschuldner haftet. Der Verweis in § 39 Abs. 1 Satz 4 EBRG bewirkt, dass sich auch die Mitglieder des EBR auf die Kostenerstattungspflicht ihres Vertragsarbeitgebers berufen können.
aa)
Nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.5.2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates (im Folgenden: EBR-RL) verfügen die Mitglieder des Europäischen Betriebsrates über die Mittel, die erforderlich sind, um die Rechte auszuüben, die sich aus der Richtlinie ergeben. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nach allg. Ansicht nicht nur, dass die EBR-Mitglieder als kollektive Interessenvertretung der Arbeitnehmer vom Richtliniengeber anerkannt sind. Vielmehr ist dieser Anordnung der EBR-RL nF über die Verpflichtung der zentralen Leitung zur Tragung der Verwaltungsausgaben des EBR hinaus das Recht des EBR zu entnehmen, gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Ansprüche der Arbeitnehmer auf Kosten der zentralen Leitung einzuleiten. Mit der Neuregelung wird somit nach allg. Ansicht die Rechtsfähigkeit des EBR klargestellt (Hayen, AiB 2009, 401 ff.; Gohde, dbr 3/2009, 22 ff.; Greif, Der Europäische Betriebsrat - Gewerkschaftliches Handbuch, Wien 2013, S. 101). Dieser kann sich somit rechtsgeschäftlich verpflichten und ist auch für Zwecke der Geltendmachung von Kostenerstattungs- und Freistellungsansprüchen als parteifähig anzuerkennen.
bb)
§ 39 Abs. 1 Satz 4 iVm. § 16 Abs. 2 EBRG gilt nur für den Anspruch des einzelnen EBR-Mitgliedes auf Erstattung seiner persönlichen Reise- und Aufenthaltskosten. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Normen. Der Vertragsarbeitgeber soll nach § 16 Abs. 2 EBRG - lediglich - für "dessen" Anspruch auf Kostenerstattung, d.h., für den Anspruch desjenigen bei ihm beschäftigten Mitgliedes des besonderen Verhandlungsgremiums bzw. - durch den Verweis in § 39 Abs. 1 Satz 4 EBRG für den Anspruch desjenigen bei ihm beschäftigten Mitgliedes des EBR - als Gesamtschuldner - haften, der dem Betreffenden selbst, für persönliche Aufwendungen im Rahmen der Wahrnehmung seines Amtes, entstanden ist. Welche Aufwendungen der Art nach erfasst sind, ergibt sich aus § 39 Abs. 1 Satz 3 EBRG. Dies sind die - erforderlichen - Reise- und Aufenthaltskosten, die dem jeweiligen Mitglied entstanden sind. Nicht erfasst sind die hier in Rede stehenden Dolmetscherkosten. Ebenfalls nicht erfasst sind Kosten für jedwede Beauftragung von Rechtsanwälten. Die Kosten, von denen der Beteiligte zu 1) von seiner Vertragsarbeitgeberin die Freistellung verlangt, fallen damit bereits ihrer Art nach nicht unter die einzig in Frage kommende Anspruchsnorm.
Auch eine Auslegung der in Rede stehenden Normen nach Sinn und Zweck ergibt, dass der jeweilige Vertragsarbeitgeber nicht über den Umweg einer Inanspruchnahme durch das bei ihm beschäftigte EBR-Mitglied für irgend geartete Kosten bzw. Freistellungsansprüche des EBR-Gremiums haftbar gemacht werden soll. Kostenträger dieser Ansprüche soll vielmehr, wie § 39 Abs. 1 Satz 1 EBRG klar anordnet, allein die zentrale Leitung sein.
Wollte man dies anders sehen und jedem einzelnen Mitglied des EBR die Möglichkeit einräumen, sämtliche Ansprüche, die dem EBR-Gremium nach § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EBRG entstehen, auch persönlich - und zwar gem. § 16 Abs. 2 EBRG sowohl gegenüber der zentralen Leitung als auch gegenüber seinem jeweiligen Vertragsarbeitgeber - geltend zu machen, hätte dies zur Folge, dass eine Mehrzahl von Gläubigern berechtigt wäre, ein und denselben Anspruch gegenüber einer Vielzahl von gesamtschuldnerisch haftenden Konzernunternehmen in verschiedenen Mitgliedsstaaten geltend zu machen. Dies würde nicht nur die Gefahr nach sich ziehen, dass es zu einer mehrfachen Inanspruchnahme von Gerichten und einander möglicherweise auch widersprechenden gerichtlichen Entscheidungen kommen könnte, es hätte auch die Entstehung eines erheblichen, sachlich kaum mehr zu rechtfertigenden Mehraufwandes im Konzern zur Folge, der insbesondere infolge des Tätigwerdens mehrerer Rechtsanwälte zur Geltendmachung letztlich ein und desselben Erstattungsanspruchs entstünde. Gerade der vorliegende Fall beweist dies eindrücklich: Der Beteiligte zu 1) sah sich offensichtlich nicht gehalten, zumindest den rechtskräftigen Abschluss des in Ö. vom EBR gegen die zentrale Leitung geführten Verfahrens abzuwarten, sondern schritt zeitlich parallel zur Tat, was im Übrigen überhaupt erst durch Fragen des Gerichts zutage gefördert werden musste.
cc)
Ob die Anspruchsnormen der §§ 39 Abs. 1, 16 Abs. 2 EBRG im Wege der Auslegung oder der entsprechenden Anwendung auch auf Ansprüche des einzelnen EBR-Mitgliedes auf Freistellung von anderen Kosten, wie etwa Kosten der persönlichen Inanspruchnahme eines Dolmetschers oder eines Rechtsanwaltes, ausgedehnt werden können, oder ob solche Kosten vielmehr nur durch den EBR als Gremium und auch nur von der zentralen Leitung als Anspruchsgegnerin verlangt werden können - was zur Folge hätte, dass das einzelne Mitglied von der Eingehung solcher persönlicher Verpflichtungen absehen müsste, wollte es nicht auf solchen Ausgaben "sitzen bleiben" -, kann vorliegend dahinstehen.
Die beiden hier gegenständlichen Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit dem Tätigwerden der Rechtsanwältin L. stehen, betreffen in der Sache ausschließlich den EBR als Gremium. Der EBR als Gremium hat die Rechtsanwältin L. mit der Durchsetzung von Freistellungsansprüchen hinsichtlich der Kosten einer Konferenz-Dolmetscherin sowie mit der Prüfung von Unterlassungsansprüchen beauftragt. Die bei Rechtsanwältin L. angefallenen Kosten haben keinen Bezug zu einem konkreten, einzelnen Mitglied des EBR, insbesondere nicht zum Beteiligten zu 1).
Die Dolmetscherkosten der E.A. betreffend Übersetzertätigkeiten in D./UK haben zwar durchaus einen persönlichen Bezug zum Beteiligten zu 1), da es sich um seinen Besuch handelte und der Dolmetscher für den offenbar der englischen Sprache nicht hinreichend mächtigen Beteiligten zu 1) tätig werden musste.
Entscheidend ist jedoch für den die E.A. betreffenden Sachverhalt, dass der Beteiligte zu 1) auch hier den Auftrag nicht persönlich, sondern in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des EBR abschloss. Letzteres ergibt sich vorliegend bereits daraus, dass die E.A. GmbH (und im Übrigen auch Rechtsanwältin L.) die Rechnung zuerst und ursprünglich an den EBR gerichtet hat (bzw. haben). Dass derselbe sich auch als Anspruchsverpflichteter sah, zeigt sich darin, dass er die Freistellung von allen drei Ansprüchen gegenüber der zentralen Leitung verlangt hat.
b)
Der Beteiligte zu 1) kann sich auch nicht darauf berufen, einen Freistellungsanspruch allein aufgrund des Umstandes zu besitzen, dass er - wie er behauptet - persönlich für die Verbindlichkeiten, die richtigerweise allein den EBR als Gremium betreffen, in Anspruch genommen werde.
aa)
Zweifelhaft ist bereits, ob die E.A. GmbH und Rechtsanwältin L. überhaupt ernsthaft beabsichtigen, den Beteiligten zu 1) persönlich in Anspruch zu nehmen. Dagegen spricht zuallererst, dass sie ihre Rechnungen zunächst an den EBR gestellt haben. Aber auch die erhebliche Dauer der inzwischen verstrichenen Zeitspanne - sämtliche Leistungen wurden in den Jahren 2019 und 2020 erbracht und abgerechnet - spricht gegen eine ernsthafte Anspruchsgeltendmachung. Würden die Betreffenden den Beteiligten zu 1) tatsächlich persönlich haftbar machen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass sie ihre Ansprüche gegen ihn inzwischen gerichtlich anhängig gemacht hätten. Das ist aber nicht geschehen. Der Beteiligte zu 1) hat dementsprechend die sich aufdrängende Vermutung nicht zu entkräften vermocht, dass die - in einem zweiten Schritt erfolgte - Rechnungsstellung an ihn allein dazu dienen soll, eine Grundlage für die Geltendmachung von Freistellungsansprüchen durch den Beteiligten zu 1) gegenüber seiner Vertragsarbeitgeberin zu schaffen. Für derartige, nur zum Schein aufgestellte, "Forderungen" bestehen von vornherein keine Freistellungsansprüche des EBR-Mitgliedes gegenüber seiner Vertragsarbeitgeberin.
bb)
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts - und hierauf stützt sich das Gericht im Verhältnis zu den Ausführungen unter oben aa) selbstständig und tragend - bestehen Freistellungsansprüche des einzelnen EBR-Mitgliedes selbst im Falle einer ernsthaften Verfolgung von Ansprüchen durch Dritte dann nicht, wenn die Ansprüche, deren der Dritte sich berühmt, offensichtlich unbegründet sind. So liegt es hier. Die Kammer lässt deshalb auch ausdrücklich offen, ob eine entsprechende Anwendung der Anspruchsnormen der §§ 39 Abs. 1 iVm. 16 Abs. 2 EBRG für andere als Reise- und Aufenthaltskosten des einzelnen Mitgliedes unter bestimmten Voraussetzungen in Frage kommen könnte, wobei sie für den Fall, dass das Mitglied Freistellung von einer Außenhaftung als sog. "falsus procurator" begehrt, zu der Auffassung neigt, dass derartige Ansprüche in der Regel unbegründet sein dürften, weil anderenfalls der das nationale und auch europäische Betriebsverfassungsrecht prägende Grundsatz unterlaufen würde, dass der Arbeitgeber nur diejenigen Kosten zu tragen hat, die für die Durchführung der Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Ob hiervon in besonderen Fällen, in denen das Betriebsratsmitglied seine Kompetenzüberschreitung unverschuldet oder nur im Wege geringen Verschuldens verkannt hat, Ausnahmen zu machen sind, kann vorliegend dahinstehen, da der Anspruch des Beteiligten zu 1) bereits aus anderen Gründen zu verneinen ist.
aaa)
Wird ein Mitglied des EBR persönlich durch einen Dritten in Anspruch genommen und erfolgt dies - wie hier - in unberechtigter Weise, kann der Vertragsarbeitgeber verlangen, dass sein Arbeitnehmer - das betreffende EBR-Mitglied - in einem ersten Schritt die Forderung des Dritten schriftlich als unberechtigt zurückweist. Erst wenn der Dritte auch daraufhin ernsthaft an seiner Forderung festhält und zu deren gerichtlicher Geltendmachung schreitet oder zumindest ernsthaft mit einer solchen droht, können überhaupt Freistellungsansprüche des EBR-Mitgliedes in Frage kommen.
Vorliegend hat der Beteiligte zu 1) schon nicht vorgetragen, sich gegen die Forderungen der E.A. bzw. der Rechtsanwältin L. zur Wehr gesetzt zu haben. Es fehlt damit bereits an jeder Grundlage für die geltend gemachten Freistellungsansprüche.
bbb)
Der Umstand als solcher, dass der Beteiligte zu 1) bei den drei in Rede stehenden Vertragsabschlüssen als dessen Vorsitzender in Vertretung des EBR gehandelt hat, verpflichtet ihn persönlich offenkundig nicht. Der Vertreter handelt ausschließlich für den Vertretenen (§ 164 Abs. 1 BGB), aus dem abgeschlossenen Geschäft wird nur letzterer verpflichtet.
Unbehelflich ist, dass der Beteiligte zu 1) in abstrakter Weise das Urteil des BGH vom 25.10.2012 - III ZR 266/11 in Bezug nimmt. Dessen Auffassung, dass Mitglieder eines nationalen Betriebsrates, die Verträge schließen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates nicht erforderlich sind, gegenüber dem Dritten entsprechend § 179 BGB haften können, soweit ein Vertrag zwischen dem Dritten und dem BR-Gremium nicht wirksam zustande kommt, dürfte zwar zustimmungswürdig sein und auch auf die Verhältnisse des EBR und von dessen Mitgliedern übertragen werden können. Jedoch reicht die abstrakte Gefahr einer solchen Inanspruchnahme nicht aus. Vielmehr wäre es Aufgabe des Beteiligten zu 1) gewesen, nachvollziehbar vorzutragen, weshalb die vorliegend geschlossenen Verträge zur Erfüllung der Aufgaben des EBR nicht erforderlich gewesen sein könnten. Dies hat er aber selbst nicht behauptet. Vielmehr führt er für den EBR als dessen Vorsitzender in Ö. in allen drei Fällen ein noch anhängiges, auf Kostenerstattung gerichtetes Verfahren.
Trägt dasjenige EBR-Mitglied, das Freistellung von Ansprüchen Dritter verlangt, wie hier schon nicht im Ansatz vor, aufgrund welcher konkreten Umstände sich seine persönliche Haftung gegenüber dem bzw. den Dritten ergeben könnte, stehen ihm keine Freistellungsansprüche gegen seinen Vertragsarbeitgeber zu.
ccc)
In Bezug auf Rechtsanwältin L. hat der Beteiligte zu 1) darüber hinaus außer Acht gelassen, dass diese rechtskundig ist oder zumindest eine formale Ausbildung besitzt, aufgrund derer eine entsprechende Rechtskunde unwiderleglich vermutet werden kann. Rechtsanwältin L. kam auch die Aufgabe zu, im Rahmen der mit dem EBR zu schließenden Verträge zu prüfen, ob diese zur Erfüllung der Aufgaben des EBR erforderlich waren. Waren sie es nicht, haftet ihr der Beteiligte zu 1) nicht persönlich. Dies ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 179 Abs. 2 BGB, nach welchem der Vertreter ohne Vertretungsmacht dann nicht haftet, wenn dem Vertragspartner der Mangel der Vertretungsmacht bekannt war. Die ernsthafte Gefahr einer erfolgreichen Inanspruchnahme durch Rechtsanwältin L., die Voraussetzung für eine erfolgreiche Geltendmachung der vorliegenden Freistellungsansprüche wäre, droht dem Beteiligten zu 1) auch deshalb nicht.
III.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Angelegenheit grundsätzliche Bedeutung hat. Umfang und Inhalt der Anspruchsnormen der §§ 39 Abs. 1, 16 Abs. 2 EBRG sind entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und -fähig und bislang nicht geklärt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.